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Wann erwache ich aus diesem Albtraum

von

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Der schlimmste Tag in meinem Leben

Manchmal kam mir mein Leben vor wie ein böser Traum.

All das was in den letzten Jahren passiert war, hatte meine Illusionen zerstört noch mal ein glückliches Leben führen zu können.

Momentan lebten ich und meine Familie von einem Tag zum nächsten, wir mussten schauen wie wir über die Runden kamen, denn weder mein Vater noch meine Mutter hatten Arbeit.

Und das nur weil sie dunkle Haare und gebogene Nasen hatten, zumindest sagte man ihnen das nach, denn sie waren Juden und so hatte man als Jude nun einmal auszusehen.

Tatsächlich unterschieden sich meine Eltern und auch ich und meine Schwester nicht von vielen Anderen deutschen, oft hatte man nicht erkannt dass wir Juden waren. Zumindest noch in den Anfangsjahren als die Nazis uns noch nicht alles genommen hatten, doch nun wusste beinahe jeder in Kassel das ich eine Jüdin war.

Wenn ich aus dem Haus ging spürte ich schon die Blicke auf mir, voller Verachtung die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, mich spüren ließ was über all an Geschäften und Straßenbahnen stand: „Juden unerwünscht“

Die Regierung hatte es geschafft uns unser Leben zu stehlen, wir hatten nichts was wir tun konnten. Meine Mutter hatte ihre eigentliche Arbeit verloren und verdiente uns nun Geld hinzu indem sie putze, vornehmlich in nicht arischen Betrieben, auch wenn diese ihr auch nicht viel zahlen konnten, da alle unter den enormen Steuern zu leiden hatten.

So war es von Tag zu Tag ein Kampf um das überleben auch meine Schwester und ich gingen los und suchten uns Arbeit wo wir sie bekommen konnten, da es uns nicht mehr länger gestattet war zur Schule zu gehen, was für mich ein schlimmer Schlag gewesen war, denn ich mochte die Schule und war auch immer eine fleißige Schülerin gewesen. Unser Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als die ehe zwischen ihm und meiner Mutter durch das Gesetz annulliert wurde. Mein Vater war ein Arier und er hatte sich trotz der langjährigen Ehe mit einer Jüdin zum Nazi bekannt und hatte uns verlassen.

Die Worte meiner Klassenkameradinnen verletzten mich schon lange nicht mehr, sie waren dem Fluch erlegen der auf Deutschland lag. Dem Fluch namens Adolf Hitler und dem Antisemitismus den er voller Hingabe verbreitete.

Wenn ich in ihre Augen blickte, sah ich nichts mehr von den freundlichen Mädchen die ich einst gekannt, bei denen Zuhause ich gespielt hatte und mit denen ich damals meine innigsten Geheimnisse geteilt hatte.

Sie hatten nun keine eigene Meinung mehr, sie schwammen mit in dem großen braunen Meer, das nun alles zu verschlingen drohte was nicht mit schwamm.

Zumindest wirkten sie so auf mich während ich ihnen begegnete, ob sie sich noch immer verhielten wie sie damals gewesen waren, wenn sie unter sich waren, konnte ich nicht sagen, doch allein der Gedanke daran wirkte bizarr auf mich, auch wenn das nicht mehr eine große Kunst war, denn ganz Deutschland wirkte bizarr auf mich seit den letzten paar Jahren.

Mit einem leisen Seufzen erhob mich nun, ich hatte auf meinem Bett gelegen, und an die Decke gestarrt, die Decke bereits zurückgeschlagen, doch es wurde Zeit sich für den Tag etwas arbeit zu suchen, damit wir die nächste Zeit auch noch zu Essen hatten.

Meine Mutter hatte versuchte immer mich davon abzuhalten, doch sah auch sie nach und nach ein, dass wir alle etwas dazu beitragen musste, damit wir diesen Albtraum überlebten.

Mit einem Seufzen öffnete ich nun meinen Schrank und suchte mir eine Hose und ein Oberteil heraus und hoffte, dass diese mir noch passen würden, denn leider war ich in letzter Zeit noch einmal gewachsen wodurch mir viele der Kleider zu klein geworden waren, doch neue kaufen war unmöglich, wir hatten keine Punkte auf unserer Reichskleidungskarte war bereits aufgebraucht, da wir für einfachste Kleidungsstücke bereits fast alle Punkte aufbrauchen.

Nun öffnete ich die Tür und lauschte.

Stimmen. Bestimmt meine Eltern die bereits den Frühstückstisch deckten, der wohl aus nicht viel bestehen würde, wenn es hochkam ein paar Scheiben Brot, etwas wurst und ein bisschen Käse.

Im Bad gönnte ich mir nur wenige Minuten, wusch mich schnell, kleidete mich an und lief dann die Treppe hinunter in die kleine Küche wo meine Familie bereits am Tisch saß und auf mich wartete.

Ich beeilte mich, mich schnell hinzusetzen und nachdem jeder leise „Guten Appetit“, gemurmelt hatte begann jeder zu Essen.

Es war ein trauriges Mal und Niemand sprach, alle waren mit ihren eigenen Gedanken und Sorgen beschäftigt.

Früher war es immer lustig gewesen am Frühstückstisch. Er war übergequollen vor den leckersten Speisen meine Mutter hatte mit einer Schürze am Herd gestanden noch immer ein breites Lächeln auf den Lippen gehabt, während ihr Vater mit der Zeitung am Tisch saß und das Radio im Hintergrund fröhlich Musik verströmte.

Doch das Radio hatte man uns weggenommen und der arische Zeitungsjunge ignorierte unseren Briefkasten geflissentlich.

Doch was hatte man erwartet? Eigentlich nichts anderes.

Nachdem ich meinen knurrenden Magen mit einer Scheibe Brot und einem Glases Leitungswasser beruhigt hatte, erhob ich mich wieder vom Tisch und sprach nun endlich die ersten Worte am heutigen Tage, doch waren das Sicher keine erfreulichen.

„Ich gehe nun los und schaue ob ich vielleicht etwas zu Arbeiten finde.“ Nur schwach konnte ich mir noch ein Lächeln auf mein müdes ausgebranntes Gesicht zwingen, wandte mich dann aber auch ab, als ich sah wie meine Mutter nickte.

Was ich nicht erwartet hatte, war, dass meine kleine Schwester nun aufsprang und meine Hand nahm.

„Ich komme mit dir“, sagte sie während sie mich aus ihren braunen Augen ansah, die noch immer nicht allen Lebensmut verloren hatten.

Das Einzige was mir in dieser trostlosen Welt noch etwas Kraft gab, zu wissen das es noch Menschen unserer Art gab, die das hoffen nicht aufgegeben hatten.

„Na gut“, meinte ich also nur, drückte sanft die Hand, die so schlank und zerbrechlich wirkte, aber wie sollte sie auch nicht, wir alle waren ausgezehrt kraftlos und abgemagert.

„Auf Wiedersehen“, riefen wir dann unisono als wir das Haus verließen und die Straßen entlang liefen die in Richtung der Kasseler Innenstadt führten.

Natürlich würden wir uns hüten über die Obere oder untere Königsstraße zu gehen, denn dort waren wir alles andere als erwünscht viel zu viele Nazis und ihre Anhänger würden dort auf uns herabschauen.

Aber in den Nebenstraßen gab es die ein oder anderen jüdischen Geschäfte, in denen es keine Schilder gab die uns das eintreten verboten in denen es nicht nur Menschen gab deren Augen vor Hass und Ekel funkelten wenn wir auch nur wagten sie anzusehen oder die uns missbilligten weil wir nicht mit „Heil Hitler“ grüßten, doch selbst wenn wir diese überaus obszöne weise zu grüßen unser eigenen nennen würden, wären ihre Blicke nicht weniger hasserfüllt, sondern wahrscheinlich im Gegenteil würden sie nur noch hasserfüllter werden, denn wir waren Juden, wir hatten nicht das Recht den Namen des Führer zu beschmutzen und auf sein heil zu hoffen.

Eine meiner jüdischen Freundinnen hatte einmal den Fehler gemacht und den Gruß eines Ariers erwidert.

Sofort hatte sie sich eine Ohrfeige eingehandelt und eine Standpauke darüber, dass sie es nicht wert war diese Worte auch nur in den Mund zu nehmen.

Nun lebte sie nicht mehr hier in Kassel. Ihre Eltern hatten sie in weiter Voraussicht schon vor mehr als zwei Jahren, noch bevor Reisepässe aller Juden für nichtig erklärt worden waren nach Schweden geschickt wo sie bei entfernten Verwandten wohnen würden.

Anfangs war ich noch mit ihr im Kontakt geblieben wir hatten uns gegenseitig Briefe geschrieben, doch dieser war mit der Zeit abgebrochen, durch den Krieg und dadurch das wir beide Juden waren, war irgendein Brief nicht durchgestellt worden und wir hatten es auch nicht weiter versucht, denn es war ohnehin sinnlos.

Allgemein waren die Straßen in unserer Gegend sehr viel leerer geworden, viele waren ausgewandert aber es gab auch die Anderen die an einen Ort gegangen waren, an den ich nicht mal denken wollte. An die Arbeits- und Konzentrationslager.

Keine 20 Kilometer von Kassel entfernt, stand eines dieser schrecklichen Dinge, wo Juden zusammengepfercht wurden wie Tiere und für die Nazis arbeiten mussten.

Wie genau es in diesen Lagern zuging wusste ich nicht, da ich mich nicht traute zu fragen und meine Eltern mir nichts erzählen wollte.

Auch als ich Leute angetroffen hatte die es schon mal kennen gelernt hatten, waren sie nicht bereit gewesen auch nur ein Wort darüber zu verlieren sie sagten bloß: „Ich hoffe für dich das du auf deine Frage niemals eine Antwort findest.“ Und hatten nicht weiter mit sich reden lassen und so war meine Angst vor diesen schrecklichen Orten nur noch gestiegen.

Allein das ein solches Gefängnis hier in der Nähe stand machte mir Angst, abends konnte ich nicht schlafen weil ich daran denken musste das viele Juden dort wohl gerade verweilten, versuchten schlaf zu finden und es bei weitem nicht so bequem hatten wie ich, die nicht wussten ob sie jemals wieder bei ihren Familien sein konnten.

Es war meine Schwester die mich zurück in die Wirklichkeit holte indem sie mich fragte ob wir nicht in dem Laden, an dem ich vor wenigen Sekunden vorbeigelaufen war, anfangen sollten zu fragen.

Als ich aufblickte entdeckte ich den kleinen schäbigen Laden. Es war einer der jüdischen Lebensmittelläden. Über all an den Wänden standen Naziparole und doch wirkte er auf mich sehr viel einladender als alle anderen, denn er duldete mich in seinem Innern und so nickte ich, entschuldigte mich kurz bei meiner Schwester.

So betrat ich den Laden nun und grüßte freundlich mit „Guten Morgen“, der man an der Kasse, der Ladenbesitzer und ein guter bekannter meines Vaters grüßte freundlich zurück und fragte mich was er denn für uns tun konnte.

Auch ich lächelte nun, auch wenn es eher leer und ausdruckslos war.

“Wir wollten dich fragen ob du heute etwas Hilfe im Laden gebrauchen könntest“

In meiner Stimme schwang eine verzweifelte Hoffnung mit, mit der ich den weichherzigen Mann vielleicht überzeugen konnte uns zu helfen, doch schien ich heute kein Glück zu haben, denn der alte Mann schüttelte traurig den Kopf und meinte das heute sicher so wenig los war das er sich das nicht leisten konnte.

Mit einem leichten Seufzen verabschiedete ich mich von dem freundlichen Mann und nahm meine Schwester bei der Hand, die mit den wenigen Süßigkeiten die es in dem Laden gab, liebäugelte und es versetzte mir einen Stich zu wissen, dass sie auf diese Leckereien verzichten mussten und ich meiner Schwester diesen stummen Wunsch nicht erfüllen können würde.

So verließen wir den Laden wieder auf dem Weg zur nächsten jüdischen Einrichtung. Doch als ich ein paar Gesprächsfetzen aufschnappte blieb ich stehen und stellte mich mit meiner Schwester vor das Schaufenster des Ladens, aus dem wir eben herausgekommen waren, während ich ihr bedeute still zu sein und die Ohren spitzte.

„Ja gestern Nacht. Am Flugplatz Waldau. Es waren die Engländer.“, hörte ich die Frau nun aufgeregt zu einer Anderen sagte, welche überrascht erwiderte: „Meinst du, das wird der einzige bleiben?“

„Mit Sicherheit nicht, wenn sie einmal auf den Geschmack gekommen sind werden sie Kassel nun sicher öfter bombardieren“

Der Gedanke schüttelte mich, ich hatte mich also nicht verhört, es hatte gestern Abend einen Angriff gegeben, auf Kassel. Dann waren die Geräusche die ich gehört und das Licht das ich gesehen hatte, also nicht bloß erträumt gewesen.

Ohne das ich es merkte krampfte sich meine Hand etwas um die meiner Schwester und erst ihr überraschtes Fiepen schreckte mich hoch und ich lies etwas von ihr ab.

„Komm lass uns weitergehen“, meinte ich nun und schritt sofort weiter.

Den fragenden Blick des Mädchens ignorierte ich einfach und schritt nun weiter die Straße entlang, sie führte auf die obere Königsstraße zu, doch ich hatte vor abzubiegen bevor ich sie erreichte, doch dann klang Geschrei an meine Ohren.

„Du törichte Jüdin! Wie kannst du es nur wagen“, ertönte die Stimme eines Mannes an meine Ohren gefolgt von einem klatschenden Geräusch sicher eine Ohrfeige. Ich hatte schon vor wieder kehrt zu machen, dieser Unruhe aus dem Weg zu gehen, als eine mir vertraute Stimme darauf antwortete. Von Tränen, Verzweiflung und Panik gepackt.

“Es tut mir Leid, bitte verzeihen sie mir!“

Es war die Stimme meiner Mutter, welche mir durch Mark und Bein schnitt.

Was machten sie da mit meiner Mutter? Was hatte sie getan. Ich muss ihr helfen.

Allein dieser Gedanke war es der mich anstachelte meiner Schwester zu sagen, dass sie bleiben sollte wo sie war und mich dann losrennen ließ, dorthin wo die Stimme kamen.

Auf meinen Weg, der nun zum Königsplatz führte rempelte ich ab und an eine Person ab, doch war ich viel zu schnell weiter gerannt als das mich Jemand hätte packen können.

Tränen der Angst standen bereits in meinen Augen und ich hörte die Stimmen gar nicht die mir Sachen wie „Pass doch auf Sara!“ oder „Verdammtes Judenpack, das werdet ihr noch büßen!“ hinterher riefen.

Ich wollte nur zu meiner Mutter und dann sah ich sie, wie sie von einem Polizisten am Arm gepackt wurde der sie nun in die Mitte des Platzes zog um sie allen zu präsentieren.

„Seht euch das frevelhafte Judenweib an, das es wagt einen Arier beklauen zu wollen!“ und damit verpasste er ihr noch eine Ohrfeige.

„Doch sie wird ihre Lektion schon lernen! In Breitenau!“

Es war als würde dieses Wort mir das Trommelfell zerreißen und mich taub machen, denn ich hörte das Lachen und jubelnde Brüllen gar nicht das diesen Ausruf begleitete ich sah es nur.

Und es war als Stände die Welt für mich einen Moment still bis die Realität mich dann wieder rasendschnell einholte.

„Nein!“, schrie ich aus voller Kehle und rannte zu dem Mann hin.

Die Augen meiner Mutter weiteten sich vor Schreck und sie rief mir mit heiserer Stimme zu. „Janina, lauf weg. Komm nicht hier her!“ Doch es brachte nichts, innerhalb weniger Sekunden war ich da und warf mich schlunzend vor dem Mann in den Staub.

„Bitte nicht! Bitte bringen Sie sie nicht nach Breitenau. Bitte lassen sie mir meine Mutter!“

Lachend betrachtete mich der Polizist zog mich dann auf die Beine und sagte mit einem Grinsen auf den Lippen, das breiter nicht hätte sein können: „Ich werde dir deine Mutter nicht wegnehmen! Denn du wirst sie nicht begleiten.“

Mit diesen Worten ließ er uns abführen und während ein Mann uns die Straßen entlang schubste hörte ich noch wie der Mann der mein Schicksal und das meiner Mutter bestimmt hatte lauthals schrie „Heil Hitler!“ und alle mit einstimmte, selbst der Mann der uns nun fortführte. Seine Stimme war so laut das sie in meinen Ohren klingelte und ich würde dieses Psalm, niemals vergessen können, von nun an würde er mich jede Nacht aus dem Schlaf reißen und Tränen würden mir kommen die ich nur lautlos vergießen konnte bis ich endlich wieder eingeschlafen war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sternengaukler
2011-06-05T17:19:10+00:00 05.06.2011 19:19
Danke für deine Teilnahme in meiner Umfrage bezüglich der Kommi’s.
Wie versprochen, wenn auch etwas spät:

ich hab ja derzeit wenig zeit, um alles zu lesen, aber ich muss sagen das mir dein schreibstil gefällt.
du schreibst detailliert und 'farbenfroh'.
man kann es sich gut vorstellen im kopf.
respekt dafür. es ist lesefreundlich und spannend.
sowas gefällt den lesern natürlich x)


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