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Kiss, kiss - bang, bang

Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.
von

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Der Hierophant

Der Hierophant: Er steht für die Welt des Glaubens und für das Vertrauen, das aus dem Glauben entsteht. Er ist der Berater, der Meister, von dem wir uns leiten lassen können, unser Schutzengel. Die Karte ist auch ein Zeichen für moralische Werte.
 

Juli 2008, Richmond upon Thames, London, Großbritannien

Das Schloss war gewaltig und aus rotem Stein erbaut. Yuugi staunte mit offenem Mund, während Atemu da mehr Selbstbeherrschung besaß. Aber es war nicht zu leugnen, dass der Hampton Court Palace einen überwältigenden Anblick bot. Obwohl sie seit einem halben Jahr in London lebten, hatten sie immer noch nicht alles gesehen – zugegeben gab es aber auch sehr viel zu sehen. Heute also besuchten sie den im Londoner Außenbezirk Richmond liegenden Hampton Court Palace, welchen Kardinal Wolsey einst Henry VIII. geschenkt hatten, um sein Leben zu retten – was ihm nicht genutzt hatte. Henry aber hatte der Palast gefallen und was einst ein bescheidenes Jagdschloss gewesen war, war heute eine gewaltige Anlage, durch welche sie nun der Audioguide führte. Ihr erstes Mal war eine Woche her, Yuugi hatte sich am nächsten Tag schwer mit dem Sitzen getan, deswegen jedoch nichts bereut und da sie grade keinen Auftrag zu bearbeiten hatten, war das nicht so schlimm gewesen. Sie hatten keinen Job, führten nur in unregelmäßigen Abständen ihre Aufträge aus, was ihnen ein recht luxuriöses Leben ermöglichte. Allerdings fragten sich ihre Nachbarn mittlerweile, woher ihr Geld kam. Heute aber dachten sie nicht daran. Heute genossen sie den Palast, in welchem Schauspieler jeden Tag die Hochzeit von Henry VIII. mit seiner fünften Frau Catherine Howard, deren Ehe auf dem Schafott geendet hatte, nachspielten.

Während sie ihren Rundgang in den Küchen des Palasts begannen, drehte Yuugi sich beständig um die eigene Achse, um auch ja alles zu sehen, worüber Atemu schmunzelte. Eine Weile sprachen die beiden nicht, lauschten nur der Stimme aus dem Kopfhörer – dankenswerterweise auch in Japanisch erhältlich. Die Küchen waren unglaublich weitläufig und mit vielen liebevollen Details lebensnah nachgebaut. In einem der gewaltigen sechs Kamine prasselte sogar ein Feuer. „Ich bin wirklich froh, dass wir hierher gezogen sind.“, sagte Yuugi, als die beiden grade den Weinkeller verließen und die Treppe zum Rittersaal emporstiegen, „Es ist wirklich schön hier – grade hier, man fühlt sich richtig in die Vergangenheit zurückversetzt.“ Atemu neigte den Kopf. „Es ist beeindruckend.“, stimmte er zu. Yuugi schüttelte den Kopf, es war mal wieder typisch für Atemu sich in stiller Zurückhaltung zu üben. Am liebsten hätte er sich in diesem Augenblick bei ihm eingehakt oder geküsst, irgendetwas in der Art, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass sich das für die nächsten Tage negativ auf ihre Beziehung auswirken würde. Also durchschritt er nur den Festsaal und gelangte in die Wartehalle, in welcher Besucher auf eine Audienz bei seiner Majestät hatten warten müssen. Auch jetzt lagen große Kissen im Raum verstreut und Sitzgruppen waren um Tische mit Brettspielen gruppiert, mit welchen die Wartenden sich die Zeit hatten vertreiben können. Im Augenblick nutzten einige Besucher diese Möglichkeit und zwei kleine Mädchen in pinken Kleidern saßen auf den Kissen und fühlten sich als Prinzessin. Yuugi zog es vor, sich auf eine der ausladenenden Fensterbänke zu setzen, welche zu diesem Zweck gepolstert war. Atemu stand gegen die Wand gelehnt daneben, aber Yuugi zog ihn resolut neben sich. Er wollte ihn etwas fragen.

„Ahm… Atemu. Jessica fragte mich vor kurzem, was wir beruflich machen und ich hatte keine Ahnung, was ich ihr sagen soll. Außerdem ist sie nicht die einzige, die fragt!“, erklärte er besorgt. „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen…“ Nachdenklich sah Atemu aus dem Fenster, auch, wenn besagtes Fenster lediglich auf den Innenhof blickte. Yuugi war nicht klar, wie Atemu dabei so ruhig bleiben konnte:„Sie schauen uns immer so komisch an, sie stellen auch Fragen! Glaubst du, sie wissen etwas?“ Das leise Lachen Atemus‘ hätte Yuugis‘ Ansicht nach nicht unpassender sein können. „Lach nicht darüber, das ist eine gefährliche Situation!“, fuhr er auf. „Schon gut.“, beruhigte Atemu ihn und hörte tatsächlich auf zu lachen. „Aber die Situation ist nicht gefährlich, sie können gar nichts wissen. Sie tratschen bloß, wie Nachbarn das nun mal so tun.“ Yuugi seufzte. Zugegebenermaßen hatte Atemu ja schon recht, woher hätten die Nachbarn denn etwas wissen sollen, wo sie doch immer so vorsichtig waren? Der Gedanke daran, dennoch entdeckt zu werden, ließ ihn jedoch panisch werden. „Bleib ruhig!“, riet Atemu ihm und nahm ihn nun doch noch in die Arme – was einige befremdliche Blicke der Schlossbesucher nach sich zog. Aber die Umarmung währte ja auch nicht lange, denn die Audioguides, die sie beide um den Hals hängen hatten, hinderten sie daran. Also standen sie leicht verschämt lächelnd auf und durchquerten den Rest des Schlosses und anschließend die bezaubernden Gärten, ehe sie in den Bus zurück zur U-Bahn stiegen.

„Ladies and Gentlemen.“, klang die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher, „In this hot weather it’s advisable to carry a bottle of water with you.“ Yuugi lächelte. Nein, London war viel zu schön und zu freundlich, als dass er es jemals wieder verlassen wollte.

Zu seinem Entsetzen war es aber genau das, was Atemu ihm eine Woche später vorschlug, als sie die Westminster Abbey verließen und durch die wenigen Straßen zum Buckingham Palace gingen, um der Wachablösung beizuwohnen. Das hatten sie zwar schon mehrfach getan, aber es war immer ein lohnender Anblick und die Zeit drängte im Grunde ja nicht. Allerdings kam es Yuugi nun doch so vor, wenn Atemu wollte, dass sie fortzogen. Er wollte das nicht. Er hatte sich an diese Stadt gewöhnt, an dieses Leben, er mochte beides. Dafür, dass er Atemu auf die Fragen der Nachbarn aufmerksam gemacht hatte, könnte er sich nun ohrfeigen. „Meinst du nicht, gleich woanders hinzuziehen, wäre etwas zu übertrieben?“, hielt er rasch dagegen. Seine Sorgen erschienen ihm dagegen plötzlich hoffnungslos übertrieben. Atemu zuckte nur mit den Schultern, scheinbar kümmerte er sich nicht großartig um ihren Wohnort. „Bei diesem Beruf musst du häufiger mal umziehen, wenn du erst die Koffer packst, wenn die Polizei deine Haustür eintritt, ist es zu spät. Ich sage also, in ein bis zwei Monaten spätestens sind wir hier weggezogen.“ Yuugi schnaubte:„Ich habe ja wohl ein Mitspracherecht. Was also lässt dich glauben, dass ich deine Entscheidung einfach so akzeptieren würde?“ Atemu lächelte während er den Wachen bei ihrem Aufmarsch zusah und würdigte Yuugi keines Blickes, als er sagte:„Keine Ahnung. Aber ich hoffe, dass es nichts mit der Tatsache zu tun, dass ich derjenige mit den meisten Waffen bin.“
 

August 2008, Square Mile, London, Großbritannien

Es war unglaublich windig, was eigentlich niemanden hätte wundern sollen. Sie hatten wohl einfach nicht daran gedacht, dass es an einem so warmen Sommertag auch einen Ort in der Stadt geben konnte, der kalt war. Aber ganz oben auf der golden Gallery der St. Paul’s Cathedral war es nun mal zugig – dafür wurde man aber auch mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Yuugi hielt sich die Haare aus dem Gesicht, damit sie seine Sicht nicht behindern konnten. Zu seiner linken schlängelte sich die Themse und wenn man genau hinsah, konnte man das Millennium Eye in der Ferne erkennen, welches von hier oben unglaublich klein aussah, dabei hatten sie, als sie damit gefahren waren, sich hoch hinaus gewähnt. Staunend genoss er die Aussicht, Atemus‘ Hand lag warm zwischen seinen Schulterblättern und hielt somit ein wenig die drängenden Touristenmassen von ihm fern. „Das ist toll! Warum sind wir erst jetzt hier?“, fragte er und blickte hinter sich zu Atemu, der sich in keinster Weise um das Haar kümmerte, welches sein Gesicht umwehte. „Erst hatten wir keine Zeit, dann waren wir nicht da…“, meinte Atemu schulterzuckend und blickte über Yuugis‘ Kopf hinweg hinunter auf die Themse, deren Wasser in der Sonne glitzerte. Yuugi nickte und ging ein paar Schritte weiter, sodass er jetzt in Richtung des Towers sah, gleichwohl er bloß wusste, dass der Tower sich in dieser Richtung befand, sehen konnte er ihn nicht, dafür aber das große Bürogebäude, welches, obgleich es auf den Namen 30 St Mary Axe hörte, von den Londonern aufgrund seiner prägnanten Form nur die Gurke genannt wurde. Ja, Atemu hatte recht, die letzten drei Wochen hatten sie außerhalb Londons‘ verbracht. Zuerst hatten sie gezwungenermaßen nach Paris fliegen müssen, was besonders für Yuugi zu einer angstvollen Tortur geworden war, da er befürchtet hatte, dass man sie wegen Mordes anzeigen würde. Natürlich hatte Atemu ihn beruhigen wollen, natürlich hatte er ihm gesagt, dass es lediglich um den Mordanschlag auf ihn gehen würde und natürlich hatte es nichts genutzt. Es war dann aber alles glimpflich verlaufen, die Polizei hatte Atemu zerknirscht mitteilen müssen, dass sie die Ermittlungen in seinem Fall einstellen mussten, was Atemu herzlich wenig kümmerte, gleichwohl er natürlich Besorgnis geheuchelt hatte. Das hatte die Polizei ihm selbstverständlich nicht geglaubt, allerdings hatten sie auch nichts dagegen tun können, sodass die beiden so schnell es ging wieder verschwunden waren. Obgleich Yuugi nämlich Paris mittlerweile sehr mochte – wenn auch nicht so sehr wie London oder gar Rom – hatte er dennoch so viel Angst gehabt, dass sie schnellstmöglich wieder in den Flieger gestiegen waren – allerdings nicht zurück nach London, sondern auf Wohnungssuche, da sie ja umzuziehen gedachten. Noch einmal hatte Atemu seine Tante deswegen nicht behelligen wollen, da sie dies ja im Augenblick sehr gut selbst konnten. Es war somit das erste Mal gewesen, dass sie gemeinsam mehrere Wohnungen ansahen und sich zum Schluss auch für eine entschieden, nun ja, es war weniger eine Wohnung als vielmehr schon ein Loft. Trotz des Preises war es mit den großen, lichtdurchfluteten Räumen aber zu schön gewesen, um nein zu sagen.

Jetzt aber waren sie wieder in London, für zwei Wochen noch und in diesen zwei Wochen holten sie alles an Sight-Seeing nach, was noch ausstand. Außerdem aßen sie beinahe jeden Tag das englische Nationalgericht Fish and Chips weil Yuugi darauf bestand. Im Grunde genommen waren es unbeschwerte Tage, die sie mit Sport und Sehenswürdigkeiten ansehen verbrachten, nur die Trauer ob es hastigen Aufbruchs trübte die Stimmung ein wenig.

Ihren Mietvertrag hatten sie bereits gekündigt, Yuugi hatte den Eindruck, dass sie ihren Nachbarn durch ihre Abreise nur noch verdächtiger wurden, obwohl sie zu ihrem Abschied ein Barbecue gegeben und fast die ganze Straße eingeladen hatten. Er versuchte, die Zeit zu genießen, die ihnen noch blieb, aber ganz leicht war das nicht – was nicht nur an der Kälte auf der Kuppel der Kirche lag. Yuugi trug aber auch nur ein sommerliches Hemd auf Jeans, da sich der Sommer eigentlich von seiner besten Seite präsentierte. Atemu dagegen trug wie immer einen seiner Anzüge. Er trug immer Anzüge, außer, bei einem Auftrag. Yuugi hatte Atemus‘ gesamte Garderobe durchwühlt, aber alles, was er fand, waren dunkle Anzüge und Tarnkleidung gewesen. Auch jetzt, mit einem schwarzen Anzug und der dunklen Sonnenbrille, wirkte Atemu, als sei er einem Matrix-Film entsprungen. Und somit absolut unnahbar, wie immer. Selbst wenn er lächelte hatte man nicht das Gefühl, etwas von dem wahren Atemu unter dieser Schale zu erkennen. Es störte Yuugi nicht, vor allem, da er, je länger er Atemu kannte, diesen immer besser verstehen lernte.

Aber nichts von dem hätte Yuugis‘ Stimmung ernsthaft zu trüben vermocht – dafür war etwas anderes verantwortlich. Sie kehrten grade aus dem Kensington Palace zurück, einer eher enttäuschenden Etappe ihrer Reise, zugegeben, als Atemu mal wieder telephonierte. Da er sehr leise sprach, wusste Yuugi, worum es ging, ehe er etwas erklärt hatte. Immerhin telephonierte Atemu nur mit seiner Tante – wozu er die Stimme nicht senken musste – oder mit Auftragsgebern und die waren schon viel eher ein Grund zum Flüstern. Seufzend starrte Yuugi nach draußen. Mile End verkündete das Schild der Station, an der die U-Bahn, in der sie saßen, grade hielt. „This is Mile End. Change here for the District and Hammersmith & City line. Please, mind the gap between the train and the platform. This is a Central line train to Epping.” Menschen stiegen aus und ein und Atemu legte auf, um sich dann sogleich zu Yuugi umzudrehen und ihm einen eindeutigen Blick zuzuwerfen – als hätte Yuugi es nicht schon gewusst. In einer geflüsterten Unterhaltung setzte Atemu Yuugi von den Einzelheiten in Kenntnis, ein Mann, Ende fünfzig, der hohe Schulden hatte, weswegen sein Schuldner nicht länger warten wollte. Yuugi nickte, es klang nach nichts, worum man sich besondere Sorgen machen müsste, da der Mann in einfachen Verhältnissen lebte und vermutlich nicht einmal eine Alarmanlage besaß. Als sie in South Woodford ausstiegen und in einer in Fleisch und Blut übergangenen Bewegung die Oyster Card über das Lesegerät zogen, erklärte Atemu Yuugi jedoch die Besonderheit dieses Auftrags. „Ich werde nicht mitkommen.“, sagte er leichthin. „Was?“, rief Yuugi und blieb ruckartig stehen. Atemu blieb ebenfalls stehen, seine Silhouette spiegelte sich in den Fenstern des Nagelstudios hinter ihm. Er lächelte. „Es ist nicht besonders schwer, wie dir aufgefallen sein dürfte. Ich sehe kein Problem darin, ich werde dich bis zum Haus begleiten, aber davor warte ich. Im Notfall kann ich eingreifen. Aber versuch es erst mal alleine.“, erklärte er schmunzelnd und zog Yuugi weiter. Yuugi spürte kaum, wie er ein Bein vor das andere setzte. Natürlich war er oft genug dabei gewesen, hatte er es oft genug selbst getan, aber alleine? Das war etwas anderes, das war beängstigend. Er hatte nie viel über das Risiko für sich selbst nachgedacht, natürlich, daran, dass er verhaftet werden könnte, aber das hatte ihn nicht so sehr abgeschreckt, immerhin hätte Atemu ihn da ja sicher raushauen können. Aber das nun! Dass er verletzt werden könnte war etwas, was er nie bedacht hatte, er hatte sich immer auf Atemu verlassen, ein wenig wie in der Fahrschule, wo man glaubte, es könne nichts passieren solange der Fahrlehrer daneben saß. Aber das nun war die erste Fahrt alleine und nur bei dem Gedanken begann Yuugi zu zittern.

In ihrem Haus angekommen fiel Yuugi kraftlos auf die Couch und überlegte, wie er Atemu diese Idee ausreden könne. Aber Atemu schien keineswegs gewillt, sich diese Idee ausreden zu lassen. Leise lächelnd setzte er sich neben Yuugi, die linke Hand legte er auf Yuugis‘ rechtes Knie und lächelte aufmunternd. „Es wird doch gar kein großer Unterscheid sein, du hast es vorher schon alleine getan während ich nur daneben stand.“, meinte er. Doch Yuugi schüttelte den Kopf:„Das ist nicht das gleiche. Was ist, wenn ich deinen Rat brauche? Oder wenn sonst etwas geschieht?“ „Davor ist man nie gefeit. Ich könnte dich nicht vor allem retten. Aber es ist ja auch ein leichter Auftrag, deswegen traue ich dir das ja auch zu.“, erwiderte Atemu und strich Yuugi durchs Haar, „Ich bleibe in der Nähe.“, versprach er. Aber Yuugi seufzte nur. Das alles vermochte ihn nicht zu trösten. Er brauchte Atemu, um sich sicher zu fühlen, er wusste ja, dass er verhaftet, verletzt oder sogar getötet werden könnte, aber solange Atemu dabei war, fürchtete er das alles nicht wirklich, denn er vertraute darauf, dass Atemu ihn schon irgendwie vor alledem bewahren würde. Aber wenn Atemu nun nicht da wäre…! Der Gedanke war so beängstigend, dass Yuugi ihn nur noch verdrängen wollte. Aber als habe Atemu seine Gedanken gelesen, sprach er genau diese Situation, dass er nicht da sein könne, an:„Irgendwann wird vermutlich der Tag kommen, an dem ich nicht mehr für dich da sein kann und wenn dieser Tag gekommen ist, dann will ich, dass du alleine zurechtkommen wirst.“ Yuugi schüttelte den Kopf:„Atemu, sag so etwas nicht, du wirst immer hier sein, rede nicht davon, dass dir etwas zustoßen könnte!“ Obwohl er natürlich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einem von ihnen etwas zustieß, überdurchschnittlich groß war, so war es doch nichts, woran er denken wollte. Dass Atemu sterben und er zurückbleiben würde… Doch Atemu ließ nicht zu, dass er sich Illusionen hingab. Seine Stimme klang zwar sanft, doch die Worte waren unbarmherzig:„In unserem Beruf ist die Wahrscheinlichkeit, dass dreißigste Lebensjahr nicht zu erreichen, sehr hoch, wie du weißt, also solltest du darauf vorbereitet sein. Ich sage nicht, dass es passieren muss, vielleicht können wir einiges ändern, wenn wir umziehen, aber du solltest in jedem Fall auf eine solche Situation vorbereitet sein.“ Yuugi nickte; nicht, weil er das gut fand, sondern, weil er einsehen musste, dass Atemu recht hatte. Daran denken wollte er aber trotzdem nicht, sodass er instinktiv näher an Atemu heran rutschte um ihn zu küssen. Und als Atemu begann, Yuugis‘ Hemd aufzuknöpfen, gelang es diesem spielerisch die angstvollen Gedanken beiseite zu schieben…
 

Die Northern line fuhr die beiden durch London, ihrem Ziel entgegen. Trotz jeglicher Verdrängungstaktik hatte der Tag des Anschlags natürlich kommen müssen und so stiegen sie nun an der Endstation Morden aus – hätten sie Deutsch gekonnt, wäre Atemu wohl die Ironie dieser Sache aufgefallen, aber so gingen sie nur zügig durch die Straßen Londons bis der Moment, vor dem Yuugi graute, gekommen war. Atemu zog sich in die Schatten der umstehenden Gebäude zurück, so gut, dass Yuugi ihn nur sah, weil er wusste, dass er da war. Seine Hand stärkte kurz Yuugis‘ Schulter, er lächelte flüchtig, aber dann verschwand er aus Yuugis‘ Blickfeld und der machte sich tief seufzend auf den Weg. Seine Arme und Beine zitterten beständig, was es schwer machte, sich fortzubewegen. Er brauchte zehn Minuten, in der er seine Atmung kontrollierte und dann schließlich langsam das Haus betrat. Es war ein Hochhaus, sodass Yuugi den normalen Weg zur Haustür wählte und diese dann mit einer aus dem Mülleimer geklaubten Telephonkarte öffnete. Langsam öffnete er die Tür, trat aber noch nicht ein sondern wartete, ob er von drinnen etwas hörte. Alles blieb jedoch still. Dennoch wartete Yuugi länger, als es nötig gewesen wäre, er spürte das Blut schmerzhaft in seinen Ohren pulsieren und sein Herz schlug so schnell, dass er meinte, es müsse ihm aus dem Brustkorb springen, während alles, was zu hören war, das Ticken einer Uhr aus dem Inneren der Wohnung war. Langsam trat Yuugi in den Flur. Mehrere Paare Schuhe lagen unordentlich auf dem Boden und hätten Yuugi beinahe zum Stolpern gebracht. Stumm fluchend fand er sein Gleichgewicht wieder und schlich dann weiter durch die Wohnung. Er öffnete eine Tür, woraufhin dumpf ein Gespräch zu vernehmen war. Das Blut gefror in seinen Adern und er wollte grade den Rückzug antreten, da kam Musik hinzu und die Rufe aus vielen Kehlen. Yuugi atmete hörbar aus – da lief nur ein Fernseher. Er brauchte erneut einige Sekunde ehe er sich beruhigt hatte. Mit Atemu an seiner Seite war er nie so nervös! Er wollte nur noch fort von hier, am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und wäre geflohen aber damit hätte er ja das Vertrauen, welches Atemu in ihn setzte, enttäuscht und außerdem wollte er es für sich selbst schaffen. Also schlich Yuugi vorsichtig weiter, öffnete die Tür zum Schlafzimmer und trat ans Bett. Die Vorhänge an den Fenstern waren zugezogen, sodass es sehr dunkel war. Yuugis’ Augen benötigten wertvolle Zeit, ehe sie sich an diese Dunkelheit gewöhnt hatten, Zeit, in der er furchtbare Angst hatte, dass der Mann in dem Bett erwachen und ihn bemerken könnte. Doch nichts geschah. Als er sein Umfeld erkennen konnte, bemerkte Yuugi auch, weswegen – der Raum war leer. Kurze Verwirrung machte Panik Platz – wo war der Mann? Yuugi verließ den Raum schnell wieder. Erneut hörte er die Stimmen aus dem Fernseher und unwillkürlich fragte er sich, ob der Mann wohl vor dem Flimmerkasten eingeschlafen sein mochte. Ängstlich schlich er in Richtung der Lärmquelle, inständig betend, dass der Mann nicht noch wach war. Vorsichtshalber zog er seine Waffe, Atemu hatte ihm dazu geraten, den Mann zu erschießen, das sei leichter, deswegen war der Schalldämpfer nun schon aufgeschraubt, damit ihm nicht noch einmal ein solcher Fauxpas wie in Paris unterlief.

Langsam und vorsichtig öffnete er die Tür, sein Blick glitt durch den Raum. Rechter Hand stand der laufende Fernseher, davor, also gegenüber der Tür, durch die Yuugi eingetreten war, stand eine Couch mit Beistelltisch. Den Schrank an der linken Wand bemerkte Yuugi kaum, denn sein Blick ruhte auf dem Mann, der auf der Couch saß. Er war wach. Seine Augen waren dunkel und musterten Yuugi dumpf. Er schien betrunken, denn auf dem Tisch sammelten sich Bierflaschen und ein unverkennbarer Geruch lag in der Luft. Die Unordnung, welche in der gesamten Wohnung herrschte, setzte sich hier fort und der Mann selbst trug einen fleckigen Jogginganzug. Sein Haar war ungewaschen und er schien keine Überraschung über Yuugis‘ Anblick zu empfinden, auch nicht, über den Colt in dessen Hand. „Thought I’d be sleepin‘, eh? Knew you’d come… did he send cha to me?“ Yuugi blinzelte. Der Mann war, nicht zuletzt aufgrund seines Promillewertes, kaum zu verstehen, sodass es ein wenig brauchte, ehe Yuugi begriffen hatte, was man ihm hatte mitteilen wollen. Aber auch, als er es verstanden hatte, wusste er nicht, was er sagen sollte. Diese ganze Situation irritierte ihn, er war es nicht gewohnt, dass ein Opfer noch wach war, noch weniger, dass es irgendetwas anderes als Schrecken empfand. Und vor allem war er es nicht gewohnt, alleine zu sein. Er wünschte, Atemu wäre da, er beschützte ihn doch sonst immer. Er fühlte sich klein und schutzlos, obwohl er derjenige mit dem Colt war und sein Gegenüber betrunken und somit scherfällig war. Es wäre klüger gewesen, Atemus‘ Rat zu befolgen, sofort zu schießen und dann schnell zu verschwinden, aber die Sekunde des Zögerns rief nun auch sein Opfer auf den Plan. „Don’t know whatta do, do ya? Think ‘u small kid could kill me. Guess I gotta teach you how to do better!” Den letzten Satz hatte der Mann geschrien. Er nahm eine der Bierflaschen vom Tisch und warf sie nach Yuugi. Da er betrunken war, prallte die Flasche nur gegen die Wand neben dem Eindringling, der Rest der Flüssigkeit darin benetzte die Wand und spritze auf Yuugi, der verzog das Gesicht angesichts des Geruchs, reagierte ansonsten aber nicht. Die Situation war dermaßen bizarr und machte ihm Angst, sodass er sich nicht rühren konnte und seine Beine ihm schlichtweg den Dienst versagten. Sein Gegenüber bemerkte das. Schwankend kam er auf die Beine, nahm eine weitere Flasche vom Tisch und zertrümmerte sie, indem er sie gegen die Tischkante schlug. Mit dieser Waffe in der Hand kam er auf Yuugi zu, viel zu schnell, für dessen Geschmack. Zittrig stolperte Yuugi zwei Schritte zurück, ehe er sich des Colts in seiner Hand wieder bewusst wurde. Seine Hand war zwar nicht ruhig, als er sie hob, aber er kniff das linke Auge zu, zielte und betätigte den Abzug, grade noch rechtzeitig, denn der Mann war schon dicht an ihn herangekommen, die Flasche in der erhobenen rechten Hand. Yuugis‘ Schuss fiel, der Mann taumelte noch zwei Schritte, aber dann fiel er vornüber zu Yuugis‘ Füßen. Darüber hätte er erleichtert sein müssen, aber alles, was er empfand, war ein scharfer Schmerz. Die Flasche des Mannes hatte noch im Fall Yuugis‘ linkes Bein verletzt. Eine Sekunde stand Yuugi starr. Es war weniger der Schmerz, der ihn lähmte, als vielmehr der Schock, verletzt worden zu sein – das war ihm bisher nie passiert und er hätte es zwar wissen müssen, war aber dennoch erst einmal schockiert. Dann erst wurde ihm die Situation wieder bewusst und fluchend stolperte Yuugi rückwärts und beeilte sich, die Wohnung zu verlassen, ehe sein Blut auf den Teppichfußboden tropfte und er somit DNS hinterließ.

Im Treppenhaus traf er auf Atemu, welcher wohl zu besorgt gewesen war, um länger zu warten. Atemus‘ Gesichtszüge entgleisten nur selten, aber in dem Augenblick, da er sah, dass Yuugi lebte, konnte man ihm deutlich ansehen, wie erleichtert er war. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er schloss Yuugi erleichtert in die Arme. So sehr sich Yuugi im Normalfall darüber auch gefreut hätte, so wenig konnte er es jetzt, denn alles, was er sagen konnte war:„Atemu, mein Bein…“ Augenblicklich ließ Atemu Yuugi los, sah zu Yuugis‘ Bein. Wegen der schwarzen Hose und der Dunkelheit im Flur sah man allerdings nichts, sodass Atemu vor Yuugi auf die Knie ging und sich die Verletzung besah. „Atemu…“, kam es von Yuugi, dem es zum einen unangenehm war, dass Atemu vor ihm kniete und der zum anderen nur fort von hier wollte. Mit einer ganzen Packung Taschentücher befreite Atemu Yuugis‘ Bein von dem herablaufenden Blut, so gut dass in der Dunkelheit eben ging. Der Schmerz aber verging nicht. Dennoch nickte Yuugi tapfer, als Atemu ihn fragte, ob er es noch bis zu Hause aushalten würde. Entsprechender Weise machten sie sich auf den Weg zur U-Bahn, Yuugi gestützt von Atemu. Fragen stellte Atemu keine, er beobachtete stattdessen die ganze Zeit über Yuugi, als habe er Angst, dieser könne plötzlich tot umfallen. Kaum dass sie in ihrem Haus angelangt waren, scheuchte Atemu Yuugi schon ins Badezimmer und wies ihn an, seine Hose auszuziehen. Bei Licht betrachtet sah die Verletzung noch schlimmer aus, als sie sich angefühlt hatte, das Bein war voller Blut und in der Wunde selbst staken noch zwei Glassplitter. Yuugi mochte gar nicht hinsehen. Atemu kannte da schon weniger Bedenken, er ließ Yuugi auf dem Badewannenrand Platz nehmen, setzte sich daneben und säuberte als erstes das Bein von dem Blut, ehe er vorsichtig die Glassplitter entfernte. Der Verletzte verzog schmerzerfüllt das Gesicht, sagte aber nichts. Atemu versorgte die Wunde routiniert und verband sie abschließend. Anschließend trug er ihn bis ins Schlafzimmer und setzte ihn dort aufs Bett. „Hier bleiben! Ich bin sofort wieder da.“, versprach er warm lächelnd. Yuugi hätte sich gar nicht fortbewegen wollen, sodass er ruhig auf Atemu wartete, bis dieser das Licht löschte und sich dann zu Yuugi ins Bett kuschelte. In Atemus‘ Armen sah alles schon viel besser uns und leise begann Yuugi Atemu von dem Anschlag zu erzählen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Anuugi
2010-11-21T18:48:38+00:00 21.11.2010 19:48
Ah man das kspitel ist wirklich schön QQ
Erst dachte ich, bor du kalter klopf nimm Yuugi in den arm und daaann tat er es *-*
zwar kurz aber es war so süß.
Und ich... weis nicht ob ich das sagen sollte aber...
Ich bin Stolz auf yuugi.
Nur schade das du nicht im nachhinein übersetzt was da gesagt wurde es gibt leute die können kein englisch.
Ich hab nur verstanden "Glaubst du kind mich töten zu können? denke ich das es das war so in der art zumindest. Aber weder was da im bus gesagt wurde noch in der u bahn oder die anderen sachen sind leider für mich unverständlich.
Am allerbesten gefällt mir das kapitel ab der stelle auf der treppe.
Da ist atemu so süß und ich verstehe arum yuugi ihn liebt.
Ati hat es bestimmt in diesem moment auch bereut Yuugi allein gehen gelassem zu haben.
Ein wirklich schönes kapitel.

Teufelchen
Von: abgemeldet
2010-11-14T23:47:41+00:00 15.11.2010 00:47
na super ich muss schlafen man und jetzt bin ich immernoch wach

weißt du was mich an paaren immer stört? erst bevor sie zusammen sind klappts auch so, sobald sie zusammen kommen müssen sie's miteinander treiben, und umso länger sie zusammen sind umso mehr häuft sich das und wird schon zur normalität wie als wenn man dreckig ist und sich wäscht- nicht konkret als kritik an deine ff, du weißt ja wie ich denke nur das viel mir spontan bei der einen szene ein , ich dachte nur "wie wahr wie wahr" und schüttelte meinen kopf. nungut das ist jetzt nicht gut mich hier darüber zu beschweren, eigentlich gehört das ja nicht hierhin.

also ich muss sagen (wie ich es schon öfters im leben tat xD) ati ist ziemlich naiv, egal ob liebe oder partner oder mords-kumpel (löl), ihn alleine einen mord begehen zu lassen ist ziemlich dumm und töricht, alleine schon wegen seiner sicherheit. und jetzt ist es ja passiert, blut, dns, spuren, beweise, und noch mehr flucht.
und atemu steckt das einfach so weg, er hätte sich oxi action oder so kaufen sollen und es darüber machen müssen, oder er holt sich eine vanish-frau , die macht das dann für ihn aber einfach das ganze blut da liegen zu lassen...
aber der mann ist cool ich liebe diese englischen sätze hier und so
und ich konnte mir die szene wirklich bildlich vorstellen, obwohl wenn ich yugi gewesen wäre hätte ich entweder geschossen oder wäre eher (was wahrscheinlicher wäre) weggelaufen. nungut jetzt hat er seine lektion gelernt und atemu bei den nächst-auftretenden problemen hoffentlich auch.

naja so jetzt muss ich aber ins bett ><
Von:  Merylex
2010-11-11T05:55:00+00:00 11.11.2010 06:55
die zwei können eben nicht ewig am selben Ort bleiben, aber sie sollten sich schon was ausdenken wen die Nachbarn fragen was sie Arbeiten. Zum Beispiel im Krankenhaus mit viel Nachtschichten oder auf der Polizeistation mit massig Überstunden.
wen man dann genug genervt klingt fragen sie nicht weiter und verkünden ihr Mitleid. Jedenfalls war es bei mir so, aber ich habe im Service gearbeitet wo man anscheinend keine Schliessungszeiten kannte. hhihihihi

Armes Yugilein, sein erstes Opfer und es macht gleich Probleme XD, aber jetzt ist er gefeilt für solche die ebenfalls wach sind.
süss wie Atemu in verarztet.
Von:  Alienor
2010-11-07T17:14:08+00:00 07.11.2010 18:14
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fand ich den ersten Teil des Kapietels ein wenig langatmig, du mögest mir diese kleine Kritik verzeihen ;)
Dafür gefiel mir Ati´s Bemerkung zu der nzahl der Waffen die er besäße echt witzig, hatte etwas unterschwellig drohrendes :D
Und das Ende war wieder echt...naja, nicht spannend aber aufregend!
Echt gruselig wenn da so ein verquollener, alter, betrunkener Mann, den man eigentlich töten soll, da wach sitzt und dir in die Augen sieht...armer Yugi!
Aber die zärtliche Verarztung van Atemu war da bestimmt ein wenig Ablenkung :D:D:D
Freu mich schon aufs nächste Kapitel
(ich weiß, der Kommi ist heute kurz und irgendwie uninspiriert xD aber ich machs beim nächsten wieder gut!)

Ganz liebe Grüße
Alienor
Von: abgemeldet
2010-11-07T14:43:43+00:00 07.11.2010 15:43
Ha, ich bin mal wieder die erste, hurra :)
Es ist schade, dass die beiden schon wieder aus London wegziehen müssen, vor allen da es Yugi ja so gut dort gefällt. Vor allem die ganzen Orte, die sie sich angesehen haben hast du seht gut beschrieben und man kann sich das sehr gut vorstellen wie es dort aussieht.
Dass Yugi nun seinen ersten Job alleine erledigt hat, hat mich dann doch etwas überrascht, aber er hat es ja einigermaßen gut gemeistert und man kann nur hoffen, dass er wirklich kein Blut in der Wohnung zurück gelassen hat, sonst bekommen die beiden sicher noch ernste Probleme, oder?
Ich bin gespannt, wo sie als nächstes hinziehen. Ob es schon Amerika ist oder ob es sie vorher noch woanders hin verschlägt. Schreib schnell weiter, ich kann das nächste Kapitel kaum erwarten!
Hab dich ganz doll lieb!
Deine Yami-chan


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