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Kiss, kiss - bang, bang

Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.
von

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Der Teufel

Der Teufel: Er steht für die dunkle Seite des Menschen wie Gier, Macht und Abhängigkeit, in denen wir gefangen sind. Doch die Karte sagt auch: Wir sind blockiert durch negative Gedanken. Wer sie abschaltet, kann sich vom Teufel befreien.
 

Juli 2007, Rom, Italien

Yuugi fand, dass er nicht so überrascht hätte sein sollen, als er herausgefunden hatte, dass sein Hotelzimmer gleich neben dem von Taoka-sama lag. Dort nun waren sie jetzt, während Taoka-sama fiebrig sein Notebook hochfuhr. Gesprochen hatten sie kein Wort mehr seit Yuugis‘ Eingeständnis. Recht unwohl in seiner Haut stand er an der Wand neben dem Fenster und sah nur zu. Etwas zu sagen getraute er sich nicht; er wusste, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Einen Fehler, der nicht nur ihm, sondern auch seinem Retter das Leben kosten konnte. Grade um ihn tat es ihm Leid, Taoka-sama war doch ein so guter Mensch, er hatte ihm das Leben gerettet, völlig ohne Hintergedanken und nun hatte er, Yuugi, durch seine Dummheit nicht nur diesen Plan durchkreuzt sondern sie auch beide in Gefahr gebracht.

Es war eigentümlich still im Zimmer, von unten hörte man die verschiedensten Rufe auf Italienisch und auch in anderen Sprachen. Aber hier drinnen war alles, was man hörte, das Klackern als Taoka-sama auf die Tastatur hämmerte. Yuugi selbst stand nur stumm daneben, biss sich auf die Lippe und sah sich verstohlen im Zimmer um, einfach so, weil er nichts anderes tun konnte. Viel zu sehen gab es dabei aber nicht, denn hätte Taoka-sama nicht mit dem Laptop auf dem Bett gesessen und der Koffer daneben auf dem Boden gelegen, könnte man meinen, das Zimmer sei gar nicht bewohnt. Es gab keinerlei persönliche Gegenstände, alles war im Koffer belassen, der offen neben dem Bett stand – aber auch nur deswegen offen, weil sein Zwilling grade das Notebook entnommen hatte. Da der Koffer somit das einzig interessante war, besah Yuugi sich den Inhalt, so gut er das auf die Distanz hin konnte. Allerdings veranlasste besagter Inhalt ihn dazu, zu blinzeln, noch einmal hinzusehen. Doch seine Augen hatten ihn nicht getäuscht. Da blitzte etwas im Sonnenlicht metalisch auf. Zwischen Kleidung und einem Kulturbeutel lagen dort tatsächlich mindestens zwei Waffen, mehr konnte er nicht erkennen. Trotz des warmen Sonnenlichts hinter ihm lief Yuugi ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Diese Waffen machten ihm Angst. Warum besaß Taoka-sama sie? Aufgrund des eben von ihm begangenen Fauxpas getraute Yuugi sich jedoch nicht, zu fragen. Stattdessen versuchte er selbst, eine logische Begründung zu finden. Wenn Taoka-sama ihm helfen wollte, dann brauchte er die Waffen vielleicht, um den Auftragsmörder zur Strecke zu bringen, sollte er aufkreuzen. Vielleicht war er Polizist, das würde auch erklären, weshalb er ihm half… Yuugi wusste selbst, wie dürftig diese Erklärung war, aber sie genügte, um seine flatternden Nerven zu beruhigen.

Diese Ruhe sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Denn in diesem Augenblick klappte Taoka-sama seinen Laptop eine Spur zu laut zu. Yuugi schreckte auf. Einen Augenblick blieb Taoka-sama noch reglos sitzen, dann seufzte er vernehmlich und strich sich mit der Hand durch sein Haar. Während seine Strähnen langsam wieder zurück an ihren alten Platz fielen, hob er den Blick und sah Yuugi direkt in die Augen. Sein Blick war ernst, doch hinter dieser Ernsthaftigkeit glaubte Yuugi zum ersten Mal ein Gefühl zu erkennen: Sorge. „Sie wissen, dass Sie noch leben. Allerdings haben Sie es nicht publik gemacht. Sie werden sehr bald hier sein und dann haben Sie ein großes Problem.“ Yuugi schluckte. Er hatte es befürchtet, doch erst, als es ausgesprochen war, wurde er sich der Gefahr richtig bewusst. Ein Auftragsmörder war hinter ihm her. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Taoka-sama bemerkte es und lächelte besänftigend. „Machen Sie sich nicht so viele Gedanken. Ich werde mich um alles kümmern. Geben Sie mir bitte Ihre Kreditkarte – und die Geheimnummer.“ Wie in Trance nickte Yuugi, er sah ein, dass sein Zwilling Recht hatte. So kramte er sein Portmonee hervor und entnahm das gewünschte Objekt. Mit seiner Geheimnummer auf den Lippen überreichte er sie seinem Retter. Dieser nahm sie mit einem knappen Nicken entgegen, dann erhob er sich von seinem Bett. „Ich werde mich um alles kümmern. Sie bleiben so lange hier. Ich werde schnell sein.“ Yuugi war viel zu verdattert um darauf eine Erwiderung bereit zu haben. Ehe er sich gefasst hatte, hatte Taoka-sama das Hotelzimmer schon verlassen. Zu seinem Unglauben hörte er, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Er wurde eingeschlossen? Langsam näherte er sich der Tür, drückte die Klinke hinab und fand die Türe tatsächlich verschlossen vor.

Kopfschüttelnd setzte er sich auf das Bett. Es war genau wie sein eigenes nebenan. Langweilig. Er stand wieder auf, ging zum Fenster, sah hinaus. Der Ausblick war der gleiche wie nebenan. Langweilig. Yuugis‘ Blick wanderte zu dem immer noch geöffneten Koffer. Und den Waffen darin. Er biss sich auf die Lippen. Er drehte sich zum Fenster. Verschränkte die Arme vor der Brust. Biss sich schon wieder auf die Lippe. Dann drehte er sich entschlossen wieder zum Koffer, hockte sich davor und schob sachte die Kleidung beiseite. Und schnappte nach Luft.

Drei Pistolen, Magazine, Messer, Schalldämpfer und Dinge, von denen er nicht einmal wusste, was sie waren, lagen da. Aber damit noch nicht genug. Drei Perücken lagen da und dazwischen ein Portmonee. Yuugi öffnete es, aber er war schon nicht mehr in der Lage, Schock zu empfinden, als er die vielen Personalausweise sah, jeder ausgestellt auf einen anderen Namen und aus vielen verschiedenen Ländern. Der Schock ließ ihn nur noch weiter suchen, ohne zu empfinden. Schwarze Kleidung, Handschuhe und ein Pistolenholster. Dazu schließlich Schminke und mehrere kleine Flaschen, über deren Inhalt er gar nicht so genau Bescheid wissen wollte. Yuugis‘ Gehirn konnte diese Funde nur langsam verarbeiten. Sein Unterbewusstsein begriff langsam, was dies bedeutete, doch es kam nicht bei ihm an, er saß nur geschockt inmitten des Kofferinhalts.

Dort saß er immer noch, als Taoka-sama das Zimmer wieder betrat. Dieser stockte, als er Yuugi vor seinem geöffneten Koffer sitzen sah. Dann räusperte er sich leise um auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen und schloss die Tür hinter sich. Yuugi blickte auf. Er wusste, er sollte verschwinden, jedoch wollte sein Körper ihm nicht gehorchen. Taoka-sama setzte sich Yuugi gegenüber im Schneidersitz auf den Boden, von dort aus sah er ihn nur an, sagte nichts, sondern wartete ruhig ab, bis Yuugi seine Fassung wiedergewonnen hatte. Dieser atmete bewusst ruhig, versuchte, wieder Herr seiner selbst zu werden. Er wusste nun, dass Taoka-sama weit mehr war, als er Yuugi gesagt hatte. Aber seltsamerweise konnte er es immer noch nicht so recht glauben, hoffte er immer noch, dass es für all das eine logische Erklärung gab. In dieser verzweifelten Hoffnung also blickte er auf, sah sein Gegenüber an und als er seine Frage formulierte schwang darin die gleiche Verzweiflung mit, wie sie auch aus seinen Augen zu lesen war:„Was ist das alles hier?

Taoka-sama räusperte sich, es klang beinahe verlegen. Er streckte beide Hände aus und nahm Yuugis rechte Hand behutsam in seine Hände. Yuugis Hand war eiskalt in Atemus‘ warmen. „Yuugi.“, sagte er leise. Es war das erste Mal, dass er ihn duzte und wider Willen spürte Yuugi, wie ihn dieser Laut tief in seiner Magengegend berührte. Ängstlich sah Yuugi Taoka-sama in die Augen. Dieser sprach weiter, leise und langsam:„Yuugi, der Auftragsmörder, der dich töten soll… das bin ich.“
 

~*~*~*~
 

Atemu beobachtete sein Gegenüber kritisch. Er wusste, dass er geschockt war, ein Blinder hätte das erkannt. Doch Atemu hielt es für klüger nichts zu sagen, Yuugi die Chance zu geben, das zu verdauen. Dies allerdings fiel jenem sichtlich schwer, schließlich löste er seine Hand aus Atemus‘ und rückte von ihm ab. Er schien etwas sagen zu wollen, doch kein Laut verließ seinen Mund.

So beschloss Atemu doch etwas zu sagen:„Ich sollte dich töten, Yuugi. Aber ich habe es nicht getan und ich werde es nicht tun. Ich will dir wirklich helfen. Bitte bleib ruhig.“ Und langsam, ganz langsam, nickte Yuugi. Noch einmal atmete er tief aus, dann hob er den Blick und Atemu sah erleichtert, dass sein Gegenüber zögerlich lächelte. „Warum?“, fragte er dann. Atemu musste seine Ohren anstrengen, um Yuugis‘ Wispern überhaupt zu verstehen, dabei war die Stimme um eine halbe Oktave höher als normalerweise. Die Frage verstanden zu haben, machte es allerdings nicht leichter, sie zu beantworten, denn eben diese Frage konnte Atemu sich selbst nicht beantworten. Nicht, dass er nicht viel und gründlich darüber nachgedacht hätte – allein, er war zu keinem Ergebnis gelangt. Denn der Fakt, dass er Sympathie für den Jungen empfand, ließ er sich nicht gelten – auf so etwas konnte man doch kein Urteil begründen…

„Wichtiger als die Beantwortung dieser Frage ist erst einmal deine Sicherheit, findest du nicht?“, fragte er zurück um sich die schier unmögliche Beantwortung dieser Frage zu umgehen. Jedoch machte ihm Yuugi da einen Strich durch die Rechnung, sodass Atemu schnell weitersprach. „Hör zu. Wir haben nicht viel Zeit und unser beider Leben steht auf dem Spiel. Ich verhelfe dir zur Flucht und kümmere mich um alles. Wir treffen uns dann wieder sowie ich alles geregelt habe – dann werde ich dir alles erklären. Einverstanden?“ Er wusste zwar nicht, wie er Yuugi alles erklären sollte, aber immerhin hatte er sich damit etwas Zeit erkauft. Denn Yuugi stimmt zu. „Gut.“, sagte Atemu, packte rasch alles wieder in seinen Koffer und sah Yuugi auffordernd an:„Gehen wir in dein Zimmer, du musst auch packen. Unsere Flüge gehen bereits in anderthalb Stunden.“ Yuugi nickte, erhob sich und ging vor in sein Zimmer. Atemu folgte ihm, er war ein wenig besorgt um seinen Schützling, der ihm eher wie eine Maschine erschien, welche stumm tat, was man ihr befahl. Hinter Yuugi betrat er dessen Zimmer, als ihm das Dilemma aufging, dass durch seinen Überstürzten Aufbruch Yuugi ja gar keinen Koffer besaß. Eine vorrübergehende Lösung bestand also darin, dass Yuugi die Kleidungsstücke, welche er hier gekauft hatte – zum Glück waren es nicht sehr viele – mit in Atemus‘ Koffer verstaute. Jedoch konnte dies kein Dauerzustand sein, wie Atemu nun, auf dem Weg zur nächsten Metro, zu erklären begann:„Während du die Muße hattest, meinen Koffer zu durchsuchen – schau nicht so erschrocken, ich bin dir doch gar nicht Gram! – habe ich drei Flugtickets erworben. Zwei habe ich mit deiner Kreditkarte bezahlt, nämlich nach Wien. Eines habe ich bar bezahlt, für einen Flug nach Paris. Du wirst den Flieger nach Paris nehmen, man wird aber glauben, wir seien nach Wien geflogen. Deswegen werde ich auch nach Wien fliegen und unseren Verfolgern dort auflauern.“ Atemu sah Yuugi an, der ihm heute noch blasser erschien, als er es ohnehin schon war. „Was werden Sie tun, wenn Sie sie gefunden haben?“, fragte er leise. Dass Yuugi nicht von selbst darauf kam schob Atemu auf den Schock, sagen wollte er es aber auch nicht, er hatte den Kleinen heute fürwahr schon genug aus der Fassung gebracht. So warf er ihm nur einen langen Blick zu, den Yuugi, wenn auch mit einiger Verzögerung, verstand. Er senkte den Kopf. „Warum werden Sie überhaupt verfolgt, ich dachte, man wäre hinter mir her…“, murmelte er dann. Atemu hätte gelacht, wäre die Situation nicht so ernst. „Ich sollte dich töten. Stattdessen rette ich dich – was erwartest du denn da?“, erklärte er daher. Yuugis‘ Kopf sank noch weiter auf dessen Brust. Er wirkte schrecklich geknickt.

Aber dann hob er den Kopf und lächelte Atemu an. Dieses Lächeln versetzte ihm einen seltsamen Stich und er wusste wirklich nicht, womit er sich dieses Lächeln verdient haben sollte. Doch diese Erklärung wurde nun nachgeliefert:„Sehen Sie, dann können Sie ja doch kein schlechter Mensch sein, wenn sie Ihr eigenes Leben für meines aufs Spiel gesetzt haben.“ Atemu war von diesen Worten so überrascht, dass er stehen blieb und Yuugi mit offenem Mund anstarrte – freilich nur für einen Moment, dann hatte er sich wieder gefasst. Er hielt ihn für einen guten Menschen? Von allen, ausgerechnet ihn, seinen beinahe-Mörder? Immer noch reichlich verdattert schloss er wieder zu Yuugi auf, er wollte ihm widersprechen, wollte sagen, dass es dumm war, zu glauben, er sei ein guter Mensch, auch wollte er danke sagen, weil er es zugegebenermaßen sehr nett von Yuugi fand. Hin und hergerissen zwischen dem, was er sagen solle, war alles, was er herausbrachte ein völlig fassungsloses „Was?“ Yuugi lächelte zurück. „Können wir es dabei belassen? Bitte? Ich will nicht darüber nachdenken, was Sie sind, das ist zu viel für mich. Lassen Sie mich einfach glauben, dass Sie mich gerettet haben. Das stimmt ja, es ist eben nicht die ganze Wahrheit aber es ist alles, womit ich fürs erste leben kann.“ Atemu akzeptierte diese Bedingung. Das war mehr, als worauf er zu hoffen hatte wagen können.

Die Metro-Station Termini hatten sie schnell erreicht, gesprochen hatten sie nicht mehr. Atemu wusste nicht, was er sagen sollte, Yuugis‘ Worte hatten ihn verwirrt. Er hatte mit vielen Reaktionen gerechnet, mit Panik, mit Wut, sogar mit einem Angriff. Aber sattdessen sagte man ihm, er sei kein schlechter Mensch? Etwas an der Art, wie Yuugi es gesagt hatte, überzeugte ihn davon, dass er diese Worte nicht ausgesprochen hatte, um ihm davon zu überzeugen, ihm weiterhin zu helfen – abgesehen von der Tatsache, dass er das ohnehin getan hätte. Nein, Yuugi hatte das ernst gemeint. Dabei wusste er doch kaum etwas über ihn… Sie würden darüber reden müssen, doch nun war ein denkbar schlechter Zeitpunkt, sie saßen bereits im Leonardo-Express, welcher sie hinaus aus Rom fuhr. Wie jedes Mal versetzte es Atemu einen kleinen Stich, diese Stadt verlassen zu müssen, doch wie jedes Mal beruhigte er sich damit, dass er hierher zurückkehren würde, es war weniger ein Plan, weniger eine Hoffnung – es war Gewissheit. Wie es in Yuugi aussah vermochte Atemu dagegen nicht zu sagen, er hatte den Blick abgewandt. So erreichten sie nach einer halben Stunde den Flughafen, gingen nebeneinander her, immer noch schweigend. Atemu hätte gerne etwas gesagt, aber er hatte das Gefühl, es wäre zu früh und Yuugi brauchte sicher Zeit. Er hatte es gewusst und er war erstaunt, dass es einfacher war, als er geglaubt hatte.

So trieben sie sich erst am Flughafen herum, denn Yuugi brauchte ja noch einen Koffer. Atemu packte für Yuugi um, kaum, dass sie einen gefunden hatten, er schaffte es, die Waffen dabei stets versteckt zu halten – eine der Waffen aber schmuggelte er in Yuugis‘ Koffer, ohne, dass dieser es bemerkt hätte. Dann erst gingen sie zum Schalter, gaben ihre Koffer auf und passierten die Sicherheitsschranken. „Komm, wir essen etwas.“, sagte Atemu leise zu Yuugi, er sah ihn dabei nicht an, er wollte ihm so viel Ruhe wie möglich gönnen. „Ja.“, stimmte Yuugi ebenso leise zu und folgte Atemu zu einem der hoffnungslos überteuerten Restaurants im Flughafen. Sie saßen einander gegenüber, immer noch herrschte betretenes Schweigen als sie die Speisekarten in Empfang nahmen. Yuugi bestellte sofort „Coda alla Vaccinara“ und so tat es Atemu ihm nach und bestellte unverzüglich um den Kellner nicht warten zu lassen, er schaute einfach erst gar nicht in die Karte sondern wählte sein Lieblingsgericht, welches sicher angeboten wurde, da es eine römische Spezialität war. Als er Kellner gegangen war zog Atemu die rechte Augenbraue hoch und sah Yuugi an. „Weißt du, was du grade bestellt hast?“, fragte er mit höflichem Interesse in der Stimme. „Das erst beste?“, kam es zurück. Atemu hüstelte leicht. Eigentlich hatte er nur ein Gespräch über das Essen angefangen, um ein unverfängliches Thema zu haben, mit dem er die Stimmung auflockern konnte, aber Yuugis‘ Bestellung verwunderte ihn und er sah seine Vermutung, dass der Kleinere nicht einmal wusste, was das war, nun bestätigt. Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen als er mit bedachter Stimme antwortete:„Coda alla vaccinara sind Rinderschwänze…“ Es mochte an dem künstlichen Licht im Flughafengebäude liegen, aber Atemu hatte den Eindruck, dass Yuugis‘ helle Haut einen grünlichen Schimmer um die Nase herum annahm. Er lächelte verbindlich und sagte, um Yuugi aufzuheitern:„Du kannst stattdessen mein Essen haben, wenn es dir lieber ist.“ Etwas zögerlich blickte Yuugi auf und fragte mit einer Stimme, die die Übelkeitsvermutung Atemus‘ bestätigte:„Was haben Sie denn bestellt?“ „Bucatini all‘amatriciana”, antwortete Atemu und fügte auf Yuugis’ fragenden Blick hin erklärend hinzu:„Das ist eine Art Spagetti in Tomatensauce.“ Der Grünton in Yuugis‘ Gesicht ging daraufhin etwas zurück und er nickte dankbar. „Ja… das…. Das wäre sehr nett, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“, sagte er und endlich schien er sich wieder etwas zu entspannen. Atemu lächelte. Er wusste zwar nicht, weshalb ihm das Wohl des Jungen am Herzen lag, aber da es ihm nun mal am Herzen lag konnte er sich auch dafür einsetzen.

So tauschten sie ihre Teller, kaum, dass das Essen da war. „Also… wie geht es weiter?“, fragte Yuugi schließlich und sah Atemu an. Dieser schluckte erst einmal hinunter, ehe er die Frage beantwortete:„Sie fliegen mit dem von mir gebuchten Ticket unter falschem Namen nach Paris. Dort werden sie von einem Taxi abgeholt und in ein Hotel gebracht. Ich muss sie bitten, selbiges so selten wie nur möglich zu verlassen, da ich nicht weiß, wie schnell dieser Plan durchschaut werden wird und du, wenn du mir die Ehrlichkeit verzeihen willst, ohne mich doch recht schutzlos dastehst. Das Ticket nach Wien werde ich, ebenfalls unter falschem Namen, nutzen. Das verbleibende Ticket nach Wien wird einfach verfallen, wenn wir Glück haben, suchen sie uns dann in Wien, wo ich auf sie warten werde.“ Yuugi nickte langsam und hielt den Blick auf sein Essen gesenkt. Er hatte Atemu ja schon gesagt, dass er nicht darüber nachdenken wollte, was Atemu in Wien tun würde. Und Atemu akzeptierte das.

Scheinbar bedeutete das aber nicht, dass Yuugi keine anderen Fragen hatte, denn schon hob er den Blick wieder von der Pasta und sah Atemu an. „Wie kommt es, dass sie Ihre Kreditkarte nicht zurückverfolgt werden können?“ Atemu schmunzelte. „Schweizer Bankkonten.“, lautete die Antwort. „Viele Schweizer Bankkonten, alle auf unterschiedliche und falsche Namen.“ Yuugi schüttelte lächelnd den Kopf:„Nun, dann hoffe ich, dass es genügend Konten sind, wenn man bedenkt, was sie alles für mich bezahlen.“ „Mach dir da mal keine Sorgen. Ich verdiene gut.“ Bei diesem erneuten Verweis auf seinen Beruf senkte Yuugi den Blick wieder auf seinen nun leeren Teller. „Tut mir leid.“, sagte er rasch. Yuugi aber wank schon ab:„Ich muss mich daran gewöhnen.“ Atemu lächelte zögerlich. Der Junge war ziemlich mutig, befand er, sich einfach so mit einem Auftragsmörder abzugeben, ihm sogar so sehr zu vertrauen. Bewundernswert. Und Atemu empfand selten Bewunderung.

In diesem Augenblick ertönte der Aufruf, dass die Passagiere der Flüge nach Paris und Wien sich auf den Weg machen sollten. Atemu bezahlte, Yuugi kommentierte es nicht. Dann machten sie sich auf den Weg, sie sprachen wieder nicht, aber Yuugis‘ Blick war diesmal erhoben und er wirkte nicht mehr so getrübt. Als sich ihre Wege trennten, legte Atemu Yuugi die Hand auf die Schulter und sah ihn ernst an. Yuugi schluckte sichtlich und schien zum ersten Mal nervös zu werden, als er daran dachte, von nun an auf sich gestellt zu sein. Atemu lächelte leicht, als er es sah, um dem Jüngeren Mut zu machen. Dann zog er ein paar Dokumente aus seinem Portmonee und überreichte sie Yuugi. Mit Erstaunen sah dieser, dass es sich um einen Personalausweis, einen Reisepass, ein Visum sowie eine Kreditkarte handelte – allesamt auf denselben, aber falschen Namen ausgestellt. „Die wirst du brauchen.“, erklärte Atemu. „Danke.“, sagte Yuugi. Sie sahen sich an und schwiegen. Es war eine eigentümliche Stille, in der sie sich verabschiedeten, keiner wusste, was er sagen sollte, denn eigentlich kannten sie sich ja kaum und wussten nicht, wie sie zueinander standen.

Es war Atemu, der schließlich das Wort ergriff und leise sagte:„Eine Woche. Wenn ich nach einer Woche nicht wieder zu dir gestoßen bin, kannst du von meinem Ableben ausgehen. Dann verschwinde, irgendwohin, nur nicht zurück nach Japan.“ Yuugi öffnete den Mund, doch Atemu fiel ihm ins Wort. „Pass gut auf dich auf, Yuugi.“ Dann drehte er sich um und ging.

Yuugi starrte ihm hinterher und plötzlich erst wurde ihm bewusst, dass es möglich war, dass er Taoka-sama nicht wiedersehen würde. Ihm fiel auf, dass er Taoka-sama nicht einmal mehr Glück gewünscht hatte – oder sich bedankt hatte.
 

Panisch und wesentlich weniger entschlossen als Taoka-sama eben machte auch er sich auf den Weg.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Anuugi
2010-11-16T14:14:03+00:00 16.11.2010 15:14
Ok....
OKOKOKOKOK
Du hast es geschafft.
Ich nehm alles zurück was ich im ersten kapitel gesagt habe.
*auf kniehe fall und vor dir verneig*
Die FF ist toll.
Wirlich und..... Auf ihre art und weise ist diese ff romantisch und auch wunderschön.
Es ist einfach schön zu lesen wie sich die gefühle der beiden, nach und nach immer mehr wandeln, wie sie sich um den anderen sorgen und Yuugi scheinbar alles in kauf nehmen würde inzwischen um bei ati zu sein.

Eine frage hab ich nun doch allerdings. Ist es absicht das du bei der stelle wo er die dokumente übergibt von SIE ins DU springst?

*weiterles*
Von: abgemeldet
2010-08-13T20:06:03+00:00 13.08.2010 22:06
Ich bin ja wirklich von diesem Atemu entzückt und begeistert und fasziniert.
Von der ersten bis zur letzten Zeile, jede Verhaltensweise von ihm fasziniert mich (hier) <-zur Betonung, nur HIER ! xD

Er hat alles durchdacht, egal was er tut, er weiß genau was bei jedem kleinsten Fehler passiert und das sowas dann nicht passieren darf und so welche Leute bzw Charaktere liebe ich!
Ich denke weil es auch eine Eigenschaft ist die so erstrebenswert ist aber man sie doch im realen Leben nicht findet und wenn man sowas dann hier liest das versetzt einen in einen kleinen Neid-Zustand das man diese fiktiven Leute wie du sie hier darstellst leider nicht selbst treffen kann.

Vor allem bin ich so erstaunt über diese genialen Ideen, das mit Wien , ads ist so einmalig genial,erstmal auf sowas zu kommen und es dann so perfekt niederzuschreiben, einfach super!

Und auch die Verabschiedung am Flughafen, kein Geschnulz, keine unnötigen Worte und mal wieder hat Ati hier bewiesen , dass er sich im klaren ist das er vielleicht nicht dort hin zurückkehrt und dennoch vielleicht mit ein wenig Angst (ich weiß ja nicht wie er sich da so weiterhin fühlt) aber so mit einer Selbstsicherheit versucht er seinen Plan durchzusetzen.



Von:  KaitoDC
2010-07-19T15:29:18+00:00 19.07.2010 17:29
und ein weiteres Kapitel!
Hm, aber auch ziemlich interessant, wie Yugi sich verhalten hat. Es wundert mich ein wenig, dass Atemu gar nicht 'böse' war, dass Yugi einfach so seinen Koffer durchsucht hat. Aber Yugis Reaktion war nur allzu nachvollziebar, denn wer wäre nicht geschockt, wenn er erst einmal ein ganzes Waffenlager in dem Koffer findet und dann auch noch bestätigt kriegt, dass sein Retter eigentlich sein Auftragskiller war?
Außerdem sind Atemus Gefühle wirklich äußerst interessant, genau wie die von Yugi. Fragt sich nur noch, was daraus wird.
dann bis zum nächsten chapter
lg
KaitoDC


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