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Abenteuerherz

von

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Kapitel Eins
 

Reise
 

Eigentlich ging die Reise viel weiter und umfasste mehrere neue Länder und Kontinente. Auf einem Schiff mit Schicksal, Leid und Verrat. Aber nun reisen drei Freunde nur durch das halbe Land, um nach sieben Jahren Fuß zu fassen. Sich bemüht, es kam vor, wie ein leben lang, nach einer Person zu suchen, die weit fort gegangen war – schon vor viel zu langer Zeit. Sie werden es nie aufgeben, aber vielleicht ruhen lassen und vielleicht sogar ein bisschen verdrängen, wie qualvoll ihre Vergangenheit war. Eine vergebliche Suche, für eine Freundin, die Liebe seit dann, mit Schmerz verband.
 

Reise II
 

Eine kleine Flamme entzündete sich nach einem Klicken und erhellte eine Zigarette und ihren Raucher. Danach wurde ein Fenster geöffnet.

Im Auto war es dunkel und das monotone Geräusch des Motors und der Reifen auf der Straße wirkten in dieser trüben Nacht einschläfernd. Vas hatte oft Nächte durchgemacht, aber keine mit Auto fahren. Qualm wurde wie magisch zum Fenster heraus gesogen. Von draußen her hörte man rauschende Bäume. Nebel lag schwer und weit im Wald. Die Scheinwerfer des Autos drangen keine hundert Meter voraus. Trotz allem schien Vas hell wach zu sein. Die Augenringe hatte er immer und auch die schlampige Art sich um seine Gesichtsbehaarung zu kümmern schien in das Gesicht dieses Mannes zu passen. Ein Zug an der Zigarette beendete er mit einem entspanntem Seufzen.

Neben ihm regte sich etwas. Einen Augenblick später wand sich ein Gesicht zu Vas um und schüttelte müde den Kopf.

„Ich dachte du wolltest damit aufhören, Vas“, murmelte Janny leise und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, als wolle er alle Müdigkeit daraus vertreiben.

„Und ich dachte du schläfst tief und fest“, gab Vas mit einem Schmunzeln zurück.

Janny war nicht älter oder jünger als Vas, hatte aber eine weitaus jugendlichere und empfindlichere Art. Rasch bemerkte er die flüchtigen Blicke des Fahrers.

„Was ist?“

Vas blickte demonstrativ und mit gehobenem Kinn nach vorne. Mit nur einer Hand am Steuer und der anderen entspannt auf dem Oberschenkel mit der Zigarette.

„Naja, wir fahren schon ziemlich lange. Das kann schon langweilig sein“. Vas wagte einen weiteren kurzen Blick in Jannys große Augen, konzentrierte sich schnell wieder nach draußen und nahm en weiteren Zug. Unachtsam entsorgte er den glühenden Stängel aus dem Fenster. Leicht zu Janny geneigt, flüsterte er dann

„Wenn Nami nicht wäre, hätte ich schon längst angehalten und...“

„Ich bin wach, Vas“, drang es scharf aber nicht wütend von hinten und mit einem Ruck was Vas aufrechter als zuvor in seinem Sitz.

„Natürlich, hier scheint niemand wirklich zu schlafen“, meinte er belustigt.

Janny lachte und Vas wurde warm als er in dieser Sekunde zu ihm schaute und sein Lächeln sah. So unschuldig er schien, verbarg er eine feurige Leidenschaft, die Vas schätzte. Bereit, zu allem, immer. Sie waren schon lange zusammen. Und vorher waren sie Freunde. Und wäre damals nicht dieser schreckliche Vorfall passiert, hätten sie wohl nie diese vielen Jahre zusammen verbracht. Manchmal dachte Vas noch an seinen ersten Freund, den er beinahe bei einem Unfall verlor. Leider verlor er ihn trotzdem. Er lag im Koma. Einmal sogar hatte er ihn besucht. Da kannte er Janny schon und dachte ununterbrochen darüber nach, zu wem er gehen soll. Eine furchtbare Nacht war das für ihn. Qualvolle Tränen bannten sich ihren Weg. In seinen Händen, die Hand seiner Liebe, die wohl nie wieder die Augen öffnen wird. Mehrmals hatte er ihn umarmt und bat, dass er doch bitte aufwachen solle. Es brannte ihn aus. Raubte seinen Lebenswillen.

Dann ging er. Aus Wut, Ärger, Verzweiflung. Niemals hatte er noch einmal geweint, aber an seinen Freund denken, das tat er immer noch. Vas wusste nicht einmal, ob er Janny wieder verlassen würde für seine alte Liebe. Aber er verdrängte den Gedanken. Wahrscheinlich nicht. Bestimmt lag er noch im Koma. Unansprechbar. Mit blassem Gesicht und kalten Händen.

Plötzlich kämpfte Vas mit sich und schluckte verkrampft. Es war eigentlich viel zu lange her, um immer noch darüber nach zu denken. Er liebte Janny. Jetzt und für immer. Und selbst wenn sein Koma-Freund je wieder erwachen würde, könnte er sich wahrscheinlich an nichts mehr erinnern – oder nur an die Nacht, die sie vor dem Unfall verbracht hatten. In heißer Liebe sich windend, Haut an Haut, küssend.

Ein schreckliches Quietschen entfuhr dem Auto und es blieb mit einem mächtigen Ruck und leicht nach links gedreht stehen. Ein Fluch schoss aus Vas und im nächsten Moment riss er wütend die Tür auf und ging einige Schritte ins Dunkel.

Janny schüttelte sich aus dem kleinen Schock und verließ ebenfalls das Auto um nach Vas zu schauen. Eine hohe schmale Silhouette stand etwas Abseits. Janny ließ die Schultern sinken und verschwand nach einiger Zeit wieder ins Fahrzeug. Nami blickte zwischen den Vordersitzen hervor.

„Was war denn das?“, fragte sie in besorgtem Tonfall.

Janny lächelte Nami an, als wäre nichts passiert,

„Er hatte mal zu mir gesagt, ich solle das ignorieren.“ Janny blickte nach draußen, „manchmal liest er auch ein Buch und feuert es im nächsten Moment in die Ecke oder einfach auf den Boden. Dann verschwindet er meistens für eine Zeit lang irgendwo hin wo er alleine ist. Ich weiß nicht, an was er denkt. Aber ich glaube er verarbeitet in diesen Anfällen irgendetwas.“

Nami blickte ihn beinahe entgeistert an,

„Dann weißt du aber schon viel, würde ich sagen.“

„Ich dachte zuerst, es wären irgendwelche Entzugserscheinungen, aber...“ Janny blickte auf den Fahrersitz und in ihm wuchs eine kleine traurige Sorge. Den unerschütterlichen Vas so hilflos und emotional zu erleben, war für ihn immer wieder eine Überwindung. Nicht, weil er gefühlskalte Männer mochte, es war der Gedanke daran, das Vas nie darüber sprach. Kein Wort verließ seine Kehle darüber.

„Wenn ich ehrlich bin, ist mir das noch nie aufgefallen. Seit wann...“, sie suchte nach Worten, „Seit wann quält ihn denn so etwas?“

Janny schwieg unerwartet lange. Seine Augenbrauen zusammengezogen und nervös mit den Händen reibend erhoffte er sich, nicht antworten zu müssen. Nami verstand das recht gut. Sie war vielleicht neugierig, aber wusste wann sie damit Menschen unangenehm wurde.

„Ich glaube er kommt zurück“, murmelte sie und rückte etwas zurück. Janny sah auf.

Tatsächlich kam Vas mit langsamen Schritten wieder. Schwungvoll ließ er sich in den Sitz fallen und zog die Tür unnötig laut zu. Danach herrschte Stille und wieder Dunkelheit.

„Tut mir leid“, erklang Vas' Stimme.

Sofort erstickte er jede Antwortmöglichkeit im anspringenden Motorgeräusch und fuhr angespannt weiter.

Vielleicht schliefen Nami und Janny doch noch ein oder sie lauschten hellhörig auf jedes Geräusch. Keiner sagte weiterhin etwas. Stumm blieb die Reise.
 

Mike kennt die Stadt
 

Schrille Laute und Helligkeit weckten Janny. Eine fremde Melodie und Stimmen dröhnten durch seinen Kopf und er öffnete die Augen. Häuser, Straße, Menschen. Janny orientierte sich rasch und schreckte plötzlich auf. Sie waren endlich in der Stadt!

„Ausgezeichnet du bist wach. Sehr gut. Gut geschlafen?“

Vas sah zwar grauenvoll aus, aber wenigstens hatte sich seine Stimmung erheblich gebessert. Wie besessen krallte er sich an das Lenkrad und starrte nach vorne. Janny räusperte sich,

„Ja, also. So gut wie man in einem Auto schlafen kann...“, erst jetzt bemerkte er das eingeschaltete Radio, welches einen Song spielte.

„Ich bin in dieser Stadt, die Nami meinte, sie ist nur wenige Kilometer von dem Haus entfernt, das Nami meinte, das jetzt uns gehört, so wie ich das sehe. Es ist sechs Uhr in der Frühe und ich brauche Schlaf und habe Hunger.“

Vas lenkte geschickt in eine Parklücke, „Wir gehen kurz in diese Bar dort.“, mit einem Finger zeigte er scheinbar auf ein Schild auf der anderen Straßenseite, „dort können wir kurz bleiben.“

Janny machte ein unglückliches Gesicht, „In eine Bar? Jetzt?“

Vas blickte ihn mit aufgerissenen Augen an. Janny wich ein wenig zurück und zögerte nicht, vor Vas auszusteigen. Nami wurde unsanft von Vas geweckt, welcher ihr schnell erklärte was sie vor hatten. Danach machte er sich daran mit Janny in die Bar zu eilen.

Die Stadt schien bis jetzt völlig normal. Ein eher kleiner Ort, jedoch mit vielen Geschäften und Bars. Anscheint gut besucht.

In der kleinen Kneipe war es warm und beide beschlossen ihre Jacken auszuziehen. Unauffällig folgte Janny Vas, der an der Theke von irgendetwas zwei bestellte und sich dann auf einem Barhocker nieder ließ. Janny tat es ihm gleich.

In dem großen Raum saßen nur einige wenige junge Leute, auf dunkelrotem Polster. Alles wirkte sehr wie eine Bar, die man nachts, alleine besuchte, und die man morgens alleine verließ. Zwei Gläser mit einer hellgrünen Flüssigkeit wurden ihnen vorgestellt. Vas wartete nicht lange und nahm einen Schluck, während Janny das Getränk zuerst begutachtete. Plötzlich traf Vas auf ein Augenpaar, dass ihn eindringlich zu mustern schien. Die Augen gehörtem einem schmalen Jungen, mit einem kartiertem Hemd und engen schwarzen Hosen. Seine Haare waren kurz und rot, und als sich ihre Augen trafen blickte der Fremde hastig zurück auf sein Glas und spielte mit dem Trinkhalm. Vas konnte ein schiefen lächeln nicht unterdrücken. Ein schwacher Nervenkitzel fuhr durch seinen Körper.

„Ich glaube ich trinke so früh noch keinen Alkohol. Wenn du das machen willst okay. Eh... Vas?“, Janny bemerkte Vas' Blick an ihm vorbei und schaute mit angespanntem Gesicht ebenfalls nach hinten. Vas fasste ihn plötzlich am Hals und zog ihn zu sich.

„Ist okay, Jan. Du kannst auch mit Nami einkaufen gehen. Sie ist bestimmt noch nicht weit weg.Wir treffen uns ja wieder“, Vas Blick eilte immer wieder an Janny vorbei.

Vas war nicht oft zu durchschauen und auch dieses mal konnte man ihn nicht berechnen. Er würde Janny niemals betrügen, niemals zu einem anderen „Ich liebe dich“ sagen, niemals länger als eine Nacht fort bleiben. Es wollte nur nicht immer mit Janny zusammen sein. Er brauchte das Abenteuer. Das Neue. Manchmal traf es Janny schwer, Vas so desinteressiert an ihm zu sehen. Janny verließ zögernd die Bar. Die Jacke unter dem Arm, ein wenig einsam wirkend, aber in dem Gedanken, Vas würde nach kurzer Zeit wieder zu ihm zurück kehren. Es war kein Betrügen. Es war diese Freiheit, die man bot, damit eine Beziehung nicht auseinander brach. Janny wollte nur Vas – von Anfang an.

Erst jetzt fiel Vas die angenehme Musik im Hintergrund auf. Gelassen stützte er sich auf die Theke und betrachtete das zweite Glas mit dem interessanten Getränk. Dann blickte er eindringlich wieder zu dem Jungen hinüber. Wie angezogen, löste sich dieser plötzlich von seinem Platz und schlenderte zum freien Barhocker neben Vas. In dem matten Licht erkannte Vas nun auch die grünen Augen seines Nebenan und die feinen Züge seinen Gesichts. Ihre Blicke trafen sich wieder.

„Ich bin Mike“

Vas lächelte sanft und überlegte einen Augenblick. Schon seit ihm der Name Vas Gegeben wurde, nannten sie ihn immer so. Er wusste gar nicht mehr woher dieser sonderliche Name kam. Er wusste nur, dass er aus einer alten Sprache stammte, und etwas wie „Sonne“ oder „Licht“ bedeutete. Seinen wahren Namen kannten nur Janny und Nami, welche ihn trotzdem nie so riefen.

Vas drehte das Glas vor sich und seufzte kurz.

Es war kein Zeichen von Nervosität. Es sollte uninteressiert wirken. Etwas gelangweilt. Kein junger Mann wie Mike würde darauf nicht mit erhöhter Neugier reagieren.

„Erzähl mir etwas über diese Stadt hier, ich bin neu.“, Vas richtete sich auf und lehnte sich jetzt nur noch mit einem Arm auf das edle Holz der Theke.

„Kommt darauf an, was du wissen willst.“

„Bist du öfter in dieser Bar?“

„Jeden Tag“, meinte der Junge und nahm einen Schluck des grünen Zeuges. „Abends ist hier immer viel los. Und normalerweise bin ich hier auch nicht bis sieben Uhr, aber ich wurde aufgehalten“

Vas nahm Mike das Glas weg, näherte sich bis auf wenige Zentimeter und schaute ihm tief in die Augen.

„Weisst du irgendetwas über das Anwesen bei Blackfield?“, flüsterte er, aber in einem Ton, der es eigentlich gar nicht wissen, sondern nur erfahren wollte, wie es ist, diesem Fremden so nahme zu kommen.

Unerwartet blieb Mike recht gelassen und gab nur zurück,

„Blackfield? Der Name ist Programm. Alt, ein bisschen heruntergekommen, gruselig“, er musterte Vas mit leicht zusammengekniffenen Augen, dann grinste er verschlagen, „Manche erzählen sich, Menschen aus der neuen Welt hätten einst dort gelebt und als sie alle gestorben waren, wollte man das Haus zunächst abreißen, aber eine unbekannte Person kaufte es und seit dem steht es leer.“

In Gedanken versunken starrte Vas kurz ins Nichts. „Menschen aus der neuen Welt“, ging ihm im Kopf herum. Nicht viel waren begeistert von dieser Weltanschauung. Es gab seit Anbeginn der Zeit zwei Welten auf nur einem Planeten. Eine Alte und die Neue. Sie lebten auf der alten Seite. Und nur die aller wenigsten, wenn überhaupt einmal irgendjemand, wusste sich ein Bild zu machen von der anderen Seite. Vas erinnerte sich ungern zurück an die Stelle in seinem Leben, als er erfuhr, dass die Anderen Heilmittel gegen alles hatten. Es war ein völlig anderes Leben dort drüben. Es war perfekt, und trotzdem war durch dieses ideale alles so kompliziert und komplex, dass der Mensch als Maschine funktionierte. Es war kein wahres Leben dort. Es war eine Qual. Ein Segen. Ein Fluch.

„Hab ich dich erschreckt?“, riss ihn eine Stimme aus den Gedanken.

Vas wirkte einen Moment orientierungslos, fasste sich wieder und lächelte kurz.

„Ich werde heute Abend wieder hier sein. Ich komme alleine. Und dann reden wir weiter.“, bevor Vas sich abwandte, hielt er noch einmal kurz inne,

„Wenn du von mir sprichst nenne mich Vas“, er streifte seine Jacke über und danach umfasste er sanft Mikes Hand, „Und wenn wir alleine sind, nenne mich...“

Mike blickte neugierig und seine großen Augen leuchteten auf, als Vas seine Hand langsam wieder löste,

„Luke.“
 

Willkommen
 

Nami sprang aus dem Auto, rannte einige Schritte voraus und lachte laut auf. Sie konnte es nicht fassen. Positiv geschockt musste sie sich auf ihren Oberschenkel abstützen und sah danach wieder auf.

Ein wahrer Palast stand massiv vor ihnen. Beinahe gigantisch. Unendlich groß und von einer morbiden Schönheit. Das Blackfiel Anwesend war unbeschreiblich schön. Der riesige Hof, umschlossen von scheinbar uralten Bäumen, war schon versunken in wilden Kräutern und Gras, welches wuchernd wuchs, wie und so es wollte. Einzelne Blühten unbekannter Pflanzen schauten aus dem dunklen Grün hervor und lockerten ein wenig die mäßigen Lichtverhältnisse.

Vas hatte das Auto noch vor dem Torbogen geparkt und alle drei waren noch gute vierhundert Meter gelaufen, bevor sie den eigentlichen Hofplatz betraten. Vor der Eingangstür war eine prächtige Treppe angebaut und das gewaltige Vordach war mit Holzschnitzereien verziert, welche Blätter und Tiere darstellten. Nami wartete nicht lange und zog einen Schlüssel hervor, der wie aus einem Märchen entflohen schien. Ein, durch das ganze Haus zitterndes, dumpfes Geräusch ertönte, als Nami die Tür öffnete. Der Anblick – gruselig und schön – verzauberte alle. Eine lange Treppe wandte sich ein Stockwerk höher, hinter ihr war ein großzügiger Eingang zu einem Zimmer, und gleich rechts war ein Raum, nur durch eine halb geöffnete Tür zu sehen. Links stand ein Spiegel, ein kleines Kästchen hing an der Wand und Kleiderhaken waren befestigt.

Nami eilte voraus und verschwand in das Zimmer hinter der Treppe. Kurz danach war ein „wow“ zu hören und Vas und Janny mussten gleichzeitig grinsen.

„Da weiß man gar nicht, was man sagen soll.“, meinte Janny und schlang einen Arm um Vas' Taille. Vas küsste Janny zärtlich auf die Stirn und beide folgten etwas zögerlicher als Nami.

Der Raum war wirklich groß und wurde einst bestimmt als Wohnzimmer benutzt. Die Möbel standen, zum Wunder aller, offen da. Gleich zur linken Seite erkannte man eine Küche und einen großen Esstisch aus wunderschönem massivem Holz.

Vas rümpfte die Nase,

„Irre ich mich, oder riecht es hier metallisch?“

Nami hielt in ihrem aufgeregtem Öffnen aller Türchen und Schränke inne und roch einmal in die Luft. Janny schaute sich ziellos um.

Nami ging einige Schritte und roch nochmals,

„Jetzt wo du es sagst. Hier riecht es wirklich ein wenig...“

Als hätte sie eine Spur wahrgenommen schlich sie weiter im Haus herum. Vas folgte ihr leise. Mit einem mal schrie Nami auf,

„Oh, mein Gott! Wie... Oh, nein. Seht euch das an!“

Sie zeigte in einen Raum, der von draußen her hell erleuchtet war. Eine hellrote Spur aus dem weiterführenden Gang zog sich in das Zimmer. Vas warf einen Blick auf das innere.

„Was zum...?“, dann ging er hinein.

Das Zimmer war ein Badezimmer. Alte, weiße Fliesen waren besudelt mit Blut und Schmutz und in einer seltsamen Position lag vor ihnen ein, am Hals aufgerissenes, Reh. Nami folgte angewidert der Spur den Gang entlang, öffnete eine Holztür, die bereits halb offen stand und blickte in einen dunklen Raum, der nicht verputzt war. Das Fenster war eingeschlagen und einige Steine lagen verteilt umher. Der Raum war kalt und man konnte das Rauschen von Wind in Bäumen hören.

„Keine Ahnung was das hier ist, aber scheinbar ist hier ein Wolf oder etwas ähnliches am Werke gewesen.“, Sie gab sich beste Mühe etwas mehr in dem Dunklen zu erkennen, „Hier liegen Knochen und... igitt.“

Nami schlug die Tür zu und eilte wieder zu Vas. Janny wollte sich das alles nicht ansehen und blieb verunsichert angelehnt an der Wand stehen.

„Ich bin mir nicht sicher, aber ein Wolf würde so etwas essen und nicht aufgeschlitzt liegen lassen. Außerdem könnte er zurückkommen. Wir sollten einen Abdecker holen oder so,“ Vas hob die Schultern und sah sich nochmals um. Er schaute den Gang entlang, den Nami schon betreten hatte.

„Wohl eine alte Speisekammer, ein Lagerraum, weiß der Teufel. Dieses Haus steht schon ewig leer, da muss man mit so etwas rechnen. Ähm, ich wollte sowieso noch einmal in die Stadt heute Abend,“ als Vas das sagte bemerkte er den unzufriedenen Gesichtsausdruck Jannys, „Ich werde mal schauen, ob uns jemand helfen kann.“

Die drei verließen den Flur und sahen sich den Rest des Hauses an. Im oberen Geschoss befanden sich insgesamt sechs Zimmer und eine riesige Bibliothek, mit unerwartet großer Büchervielfalt.

„Ich sehe mir das mal genauer an. Ihr könnt euch gerne weiter umsehen. Ist ja jetzt unser Haus.“, sagte Nami und verschwand im diesigen Licht des Lesezimmers.

Vas und Janny schlenderten entspannt durch den Flur und betraten neugierig das erste Zimmer auf der rechten Seite. Darinnen war es von Licht durchflutet und durch die riesigen Fenster konnte man einen Wald erkennen. Auf einer Erhöhung stand ein Bett eingefasst in roten Samt, eine kleinere Ecke des Zimmers war wohl zum Arbeiten gedacht und stand voll mit Regalen voll mit Büchern, einem Globus und mehrere Papierbögen. Alles sah aus, als hätte man es erst vor kurzem liegen hat lassen. Ein prächtiger Schrank stand an der Wand und neben ihm eine kleinere Kommode auf der eine Vase stand.

Das Zimmer verdunkelte sich schlagartig und auf einmal konnte man ein helles Geräusch hören. Das leise Prasseln von Regen an den Fensterscheiben wurde rasch zu einem lauten Getöse. Janny ging in Richtung des Bettes und betrachtete es erst zögerlich, ließ sich dann darauf fallen und lachte kurz auf.

„Ha! Da passen ja viel Leute rein, Vas“

Als sich Janny wieder aufrichten wollte stand Vas auf einmal vor ihm und drückte ihn wieder auf die Decke zurück.

„Gerade genug für uns zwei, würde ich sagen“, flüsterte er Janny zu und begann dessen Jacke zu öffnen.

„Vas, wie kannst du jetzt an...“

Bevor Janny zu ende sprechen konnte fesselte er ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss und brachte es doch noch fertig, ihn seiner Jacke zu entledigen. Das zarte Beisammen verwandelte sich schnell in aufregende Lust. Bevor sich Janny jedoch ganz hingab musste er Vas zurückweisen. Mit leichtem Druck hielt er ihn auf Distanz.

„Jetzt warte doch!“

Als hätte Vas dies nicht gehört packte er Jannys Handgelenke und drückte ihn zurück auf das Bett. Er hatte schneller als erwartet Jannys Oberkörper frei und fing an ihn überall zu küssen und zu streicheln. Janny wollte sich nun gar nicht mehr wehren, auch deswegen, weil er genau wusste, dass Vas es umso qualvoller gestalten würde, wenn er sich bemüht dagegen anzukämpfen.

Von draußen kam ein Grummeln und gleich darauf schien das Haus in einem gewaltigen Donnern einzustürzen. Ein Blitz zuckte vom Himmel und das Rauschen des fallenden Regens hallte durch das Zimmer.

Es war keines Wegs eine schöne Atmosphäre, um sich der Liebe hinzugeben, aber wenn Vas etwas wollte, dann war es absolute Befriedigung seiner körperlichen Lüste. Zusammen verschmolzen sie, sich innig liebend, auf dem Bett.
 

Alter Schatz neu entdeckt
 

Es dauerte nicht lange, da war Vas wieder auf den Füßen. Eine innere Unruhe hatte ihn gepackt und er überlegte zuerst, ob er vielleicht hinunter in die Stadt fahren sollte, wägte lange ab und entschied schließlich, von seiner Neugier getrieben, die alte Bibliothek unter die Lupe zu nehmen.

Nami war ihm entgegen gekommen und teilte ihm mit, dass sie viel erledigt habe. Sie hatte alles sauber gemacht und gelüftet.

„Und ihr ward ja ziemlich beschäftigt, da oben“, grinste sie, „Ich denke ihr könnt das Zimmer behalten. Ich habe mich umgesehen, es gibt ganze vier komplett eingerichtete Schlafzimmer und eines sogar mit Blick auf die Stadt.“

Vas hob kurz die Augenbrauen. Nami klopfte ihm auf die Schulter und eilte davon. Und als er ihr nachsah überkam ihn ein Gefühl von Glückseligkeit. Sie wurde so oft durch das Leben getreten, hatte selten schöne Augenblicke, aber trotzdem opferte sie sich ihren Freunden und wenn es sein musste bis aufs Leben. Nami war nicht naiv oder einfältig, sie war gerissen, wenn es drauf ankam und sie hatte ein Gespür für gute Menschen. Auf dem Weg in die Bibliothek erinnerte er sich an den Moment, als Nami zu ihm und seinen alten Bekannten kam. Sie war damals sechzehn Jahre alt und voller Tatendrang. Nichts wollte sie sich entgehen lassen. Sie wollte eine kleine Heldin werden.

Nami wurde aufgenommen, vor langer Zeit auf dem Schiff „Sweet Sweet Freedom“. Der Anführer der Crew war nur allzu bekannt. Vas merkte, wie ihm das Herz schwerer wurde, bei dem Gedanken an seinen damaligen Sinnverwandten. Es war keine Liebe – oh Himmel nein – sie kannten sich nur schon seit ihrer Geburt und waren aneinander geschweißt. Ein Herz und eine Seele, trotz der unterschiedlichen Wesen. Deswegen hatte Vas auch einen ehrenvollen Titel auf dem Schiff. Nur zusammen waren sie ein ganzes.

„Ich suche die Unschuld. Die Unschuldigen. Und ich werde nicht Ruhen, ehe ich den Schatz der Unendlichkeit gefunden habe“, waren die letzten Worte an die sich Vas erinnerte. Vor ihrer Trennung liebte er das Leben. War bereit für seine Freunde zu sterben. Im Kampf gegen Feinde Blut zu opfern. Doch jetzt waren sie auseinander getriebene Tiere, die alleine kaum Überlebenschancen hatten. Ihr Oberhaupt war verschollen, die Mitglieder längst verschwunden, ihr Schiff brach in Zwei, Lügen und Verrat versponnen sich mit Hass und Misstrauen. Am Ende blieb nur Vas und Nami unzertrennlich beisammen.

Vas ließ die Tür hinter sich langsam wieder einrasten. Der Geruch von altem Holz und Papier war kaum nicht zu bemerken. Gigantische Regale zogen sich an der Wand entlang, und was Vas so schön fand, in der Mitte des Raumes war eine große aber nicht sehr hohe Erhöhung, auf der sich zwei gemütliche Sofas mit einem runden Tisch befanden. Eine schmale Treppe führte in etwa vier Metern Höhe zu einem rundherum gezogenem Gang, der, abgestützt durch edle Säulen, Zugang zu weiteren Regalen mit Büchern ermöglichte. Die gleichen mächtigen Fenster ragten direkt gegenüber empor und ließen mattes Licht ein.

Vas war aufgefallen, dass es längst aufhörte zu Regnen und machte sich daran im Raum herum zu schlendern. Bücher faszinierten ihn nicht wirklich, aber etwas in dieser Bibliothek lockte ihn herein. Der Boden unter seinen Füßen gab leise Geräusche von sich. Die Luft stand kühl im Raum. Alles wirkte etwas farblos, alt, wenn nicht zerbrechlich. Vas las beim vorbei gehen mehrere Buchtitel. „Vom Zauber der Bäume“ war ein hohes, dickes Buch mit goldenen Verzierungen. Danach las er „Geschichten, die die Tiere erzählten“, „Wasser und seine Magie“, „Das Mädchen ohne Namen“. Dann blieb Vas stehen und zog direkt vor sich ein schmales Buch hervor. Den Titel las er unbewusst vor. „Die Liebe zweier Freunde“, murmelte er leise. Auf dem Umschlag sah er ein Bild. Es war ein Portrait von zwei jungen Männern, die, Kopf an Kopf, beide ohne Mimik nach vorne blickten. Ihre Augen, die einen blau, die anderen braun, fesselten Vas' Gedanken. Ihre feinen Gesichtszüge glichen sich, trotzdem schienen es zwei unterschiedliche Menschen zu sein. Der eine hatte längere dunkle Haare, der andere kürzere helle. Ihre Lippen so anmutig geformt, die Wimpern so zart geschwungen. Mit dem Geist versunken drehte sich Vas langsam um, und als er den Kopf hob durchfuhr ihn ein wuchtiger Schrecken. Das Buch in seinen Händen fiel zu Boden.

Vor ihm stand jemand. Jemand fremdes. Nicht Nami. Nicht Jan. Schwarze Haare hingen ihm halb ins Gesicht. Dunkle Augen starrten ihn an. Ein Mann, etwa in seinem Alter, aufrecht, mit schwarzen Kleidung. Dann grinste dieser.

Vas blickte beinahe aus Reflex einmal zur Tür. Er hatte sie nicht gehört. Andererseits hatte er Besuch auch nicht erwartet. Ungewollt machte er einen Schritt zurück (der erste Schrecken, und die damit verbundene Angst bewegten seine Beine).

„Du wärst enttäuscht von diesem Buch, mein Lieber“, sagte der Neuankömmling. Tatsächlich hob er das Buch auf und reichte es Vas.

Vas musste verzweifelt lächeln, ließ seinen Blick nicht vom Gesicht des Fremden.

„Kennen wir uns nicht?“

„Ich bin ein einsamer Geist hier im Haus. Vergessen und alleine. Komme von weit her und sehe nun, dass ich Besuch habe“, er grinste wieder und kam Vas einen Schritt näher, immer noch das Buch haltend, „Nimm schon. Es geht um eine Frau, die beide lieben und am Ende stirbt sie, und sie merken, dass alles um sonst war.“

Zögernd griff Vas schließlich nach dem Buch. Der Fremde machte eine Drehung und ging auf die Mitte zu, die mit dem einladendem Sofa lockte. Vas spürte keine Angst, nur etwas mehr Neugier und folgte dem Mann. Das Buch ließ er auf dem Tisch nieder.

„Ich habe einen komplizierten Namen, deswegen nenne mich einfach nur Imo“, sagte der schwarz Gekleidete. Er fuhr sich mit einer flinken Bewegung durchs Haar, lehnte sich dann nach vorne und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Er schaute Vas mit festem Blick an.

„Ich weiss wie du heißt, wo du herkommst, wer das Mädchen ist und was du gerade mit deinem Freund gemacht hast.“

Kurz irritiert setzte sich auch Vas hin und erwiderte den Blick des anderen. Er wollte noch gar nichts sagen. Es war viel zu spannend, diesen Menschen kennen zu lernen. Aber wer war er bloß, er kannte ihn.

Imo lehnte sich nervös zurück und kniff die Augen ein wenig zusammen, „Ich bin kein Mensch. Ich sehe nur aus wie einer. Und nein“, er lächelte, „ich kann keine Gedanken lesen. Es ist nur so, dass jeder das was er denkt wie eine Aura sichtbar nach außen projiziert. Und nur bestimmte Wesen können das wahrnehmen. Das schöne daran ist, man kann mich nicht anlügen.“

Er lehnte sich wieder nach vorne. Als müsse er sich furchtbar konzentrieren ging sein Blick kurz ins Leere. Plötzlich stand er auf.

„Du bist aber auch nicht ganz unbegabt... Luke“

Langsam ging er ein paar Schritte um den Tisch. Seit Atem ging etwas schneller. Wie von einer fremden Macht getrieben.

Vas erhob sich ebenfalls. Er schmunzelte unauffällig, „Die Nachtfalken also. Eine kleine Truppe aus dem Norden.“

Imo wand sich zu ihm, „Und die berüchtigten Engel. Sag, ist sie es?“ Imo wagte sich noch näher.

„Ist sie es? Oder war es wirklich nur ein Gerücht, sag schon Luke.“

Vas packte Imo mit einem Mal fest am Kragen und stieß ihn weg. Beinahe stolperte er über die Kante des niedrigen Plateau. Wenig geschockt fand Imo wieder halt. In Vas kochte plötzlich Wut auf.

„Ich werde euch nicht vergessen! Es war damals während dieser vielen Zusammenstöße. Da habt ihr Nami entführt. Dachtet wohl, sie gehört jetzt euch. Oh, nein! Wir war es es, die diese Fallen legten, weil wir wussten, dass ihr Land aufgesucht hattet.“, Vas griff abermals nach Imos Kragen und zog ihn näher an sich, „Glaube mir, das werde ich nicht verzeihen. Sie wollte niemals erfahren, wie es ist, diese Kräfte freizusetzen. Und ihr habt sie dazu gezwungen!“, angewidert stieß er ihn nochmals weg. In Vas kam Hass und Ärger auf. Er ballte die Fäuste und wollte Imo am liebsten verschlagen.

Imo zupfte an seinem Hemd und machte sich nichts daraus doch auf Vas zuzugehen. Lächelnd ignorierte er die gehobenen Fäuste Vas'. Er nahm unerwartet kräftig dessen Unterarme und verfiel im nächsten Augenblick in eine andere Stimmung.

„Luke, bitte. Das sind vergangene Zeiten. Fehler, die man nicht mehr gutmachen kann.“, er hob den Kopf, „Ich bitte dich. Vergiss das.“ Danach umarmte er ihn.

Für Vas bedeutete das wenig. Sein Ärger verflog zwar allmählich, trotzdem konnte er bei dem Gedanken, dass ein Feind um Entschuldigung bat, nicht einfach zustimmen. Es war ein feines Netz von Intrigen, die die Götter einst erschufen. Sie segneten Menschen mit Gaben, die der Welt gutes tun sollten. Jedoch entwickelte sich allen im Gegenteil. Engel-Gaben waren selten, jeder wollte einen „Engel“ besitzen. Wie Tiere wurden diese Menschen gehalten. Ihrer Kräfte beraubt, blieb nur die bezaubernde Schönheit.

Vas schloss die Augen und versuchte bei klaren Gedanken zu bleiben. Imo hielt seine Arme immer noch um ihn geschlungen. Langsam erlosch seine ganze Wut, irgendwie ausgelöst durch diesen nahen Körperkontakt. Regungslos standen sie da. Ohne ein weiteres Wort. Dann spürte Vas, wie Finger seine Wirbelsäule nach oben entlang glitten. Als er Imos Atem hörte wurde ihm auch noch wärmer. Für einen Augenblick kämpfte er mit sich. Er konnte seine Reaktionen recht lange unterdrücken, was ihm dieses Mal sichtlich schwerer fiel. Er spürte weiche Lippen auf seinem Hals und wie Imo ihn bewusst näher an sich drückte. Nichts hätte Vas mehr zurückhalten können, nichts seinen innerlich glühenden Körper wieder erlöschen.

Imo küsste ihn am Hals entlang zum Kiefer, übers Kinn und schließlich vereinigten sich ihre Atem. Es war ein regelrechtes übereinander herfallen. Das Sofa erreicht, warf sich Vas darauf und zog Imo mit sich, keine Sekunde verlierend, sich nicht innig zu küssen.

„Runter“, sagte Vas zwischen einem Kuss.

Imo hielt inne. Er wusste was gemeint war, zögerte jedoch.

„Na los!“, befahl Vas und drückte ihn an den Schultern nach unten. Imo gab nach und tastete sich weiter hinunter. Vas stöhnte kurz auf und genoss anschließend, was Imo mit seinem Mund vollbrachte.

Es war längst nicht das erste Mal, dass er diesen Akt mit einem relativ fremden Menschen ausübte. Und es wird auch bestimmt nicht das letzte Mal sein. Er strich über seine Brust und ballte die Fäuste, als er, den Sternen nahe, zum Höhepunkt kam.
 

Ende Kapitel Eins



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