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Das Ende des Wartens

Kapitel 1: Das Ende des Wartens
 

Glauben ist, wenn man auf etwas vertraut, dass man weder sehen noch hören kann. Man weiß noch nicht einmal, ob es wirklich existiert. So betrachtet bin ich ein sehr gläubiger Mensch. Nicht im religiösen Sinn. Eher ganz im Allgemeinen. Ich glaube an die Liebe…und vor allem an meine große Liebe.
 

Meine Mutter sagt immer zu mir: „Yugi mein Schatz, du bist so ein hoffnungsloser Romantiker.“

Ich muss sagen, ich glaube sie hat Recht. Seit dem ich denken kann, glaube ich daran, dass ER irgendwo ist und auf mich wartet. Mit ER, meine ich denjenigen, den alle Mädchen und jungen Frauen als ihren ‚Traumprinzen’ bezeichnen würden. Nur das die Person, die ich meine, kein Prinz ist, sondern ein Pharao. Mein früherer Geliebter, um es genau zu sagen.
 

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich, kaum dass ich klar und verständlich sprechen konnte, zu meinen Eltern gerannt bin und ihnen gesagt habe, dass wir nach ihm suchen müssten. Nach diesem Mann, von dem ich geträumt hatte. Ich war mir damals so sicher, dass ich ihn in dem unheimlichen Haus, am Ende der Straße, in der ich wohnte, finden würde.
 

Damals war meine Welt noch so klein gewesen, doch der Wunsch den Mann aus meinen Träumen zu finden, war so groß. Ich lag meinen Eltern jeden Tag in den Ohren damit, dass wir ihn suchen mussten. Sie glaubten damals, dass ich von einem Märchen besessen war, das eine Babysitterin mir erzählt hatte. Sie nahmen mich und mein Drängen nicht wirklich ernst.
 

Einmal, als mein Vater von meiner ständigen Bettelei die Nase voll hatte, nahm er mich auf den Arm und klopfte an jeder Haustür in unserer Straße. Er ließ mich wirklich jeden Nachbarn nach dem Mann mit dem dreifarbigen Haar und den rubinroten Augen fragen, von dem ich jede Nacht träumte. Das Ausmaß meiner Enttäuschung, als mir jeder ganz nett und freundlich sagte, dass er keinen solchen Mann kannte, kann ich gar nicht beschreiben.
 

Für meinen Vater war die Sache damit erledigt und er glaubte, dass meine Besessenheit von diesem Märchen nun nachlassen würde. Was meine Eltern nicht verstanden, war das es für mich nie nur ein Märchen war. Es war nie etwas, dass ich irgendwo gehört hatte. Für mich war es ein tief verankerter Glaube, dass all die Bilder, die ich in meinen Träumen sah, Erinnerungen aus einem früheren Leben waren. Es konnte gar nicht anders sein. Das, was ich sah, war viel zu real für ein Hirngespinst.
 

Als ich älter wurde, begriff ich dass die Welt viel größer war, als ich es mir überhaupt vorstellen konnte. Mit dieser Erkenntnis wuchs auch meine Hoffnung wieder, denn es gab ja so viele Orte, an denen ich nach meinem Geliebten suchen konnte…und ja, ich begriff schon damals die Art von Beziehung, die wir beide in unserem früheren Leben gehabt hatten. Nun ja, meine Eltern belästigte ich nie wieder mit der Bitte mir bei der Suche zu helfen. Sie glaubten, die kleine Lektion, die mein Vater mir erteilt hatte, hätte gewirkt und ich hätte im Laufe der Jahre vergessen, dass ich überhaupt nach jemanden gesucht hatte.
 

Meine Eltern irrten sich in beiden Punkten. Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Welt um mich herum wuchs, wurde auch der Drang größer, diesen Mann zu finden. Meine Träume wurden immer exakter. Aus einzelnen Bildern wurden ganze Szenen und Bruchstücke von Erinnerungen. Nach und nach hörte ich auch immer wieder eine sanfte Frauenstimme. Immer wenn ich von dieser Stimme träumte, war alles um mich herum schwarz. Ich konnte nur noch hören und fühlen. Ich schwebte in einem unendlich erscheinenden Vakuum und diese nette Frau sprach zu mir. Sie flüsterte.
 

„Keine Angst kleiner Mensch“, meinte sie immer beruhigend. Ich spürte die Liebe, Wärme und Sanftmut, die durch den Klang dieser Stimme in die unendliche Dunkelheit zu mir durchdrang und ich fürchtete mich nicht.

Ich hörte in diesen Träumen auch immer ein heftiges Atmen und wusste gleichzeitig, dass ich es war, der diese Geräusche machte. Ich lag im Sterben und kämpfte um meine letzten Atemzüge…und doch fürchtete ich mich nicht.
 

Die zarte Hand, die mir die Haare aus dem Gesicht strich, nahm mir den Schmerz.

„Er wird bald hier sein kleiner Mensch. Dein Geliebter wird bald hier eintreffen, doch du wirst es nicht mehr miterleben. Dir und ihm wird aber eine zweite Chance gegeben. Eure Liebe kann in eurem nächsten Leben wieder aufblühen.“

Diese Worte ließen mein früheres Ich hoffen.
 

Diese wunderschöne, körperlose Stimme erklärte mir auch, dass für dieses Geschenk auch ein Preis verlangt würde. Mein damaliges Ich war bereit alles zu tun, um wieder mit meinem Liebsten zusammen zu sein.
 

Es war ganz einfach. Es war und ist bis heute nichts weiter, als eine Prüfung für unsere Liebe. Die Magie, die uns diese zweite Chance gewährte, wollte sicher gehen, dass mein Liebster und ich sie verdienen.
 

Ich weiß, dass mein Pharao keine Erinnerung an sein früheres Leben, an mich oder unsere Liebe hat, aber dies ist unsere Prüfung. Dies war der Preis, den er für diese Chance zahlen musste. Ihm wurde die Erinnerung genommen und es ist meine Aufgabe, sie in meinem Liebsten wiederaufleben zu lassen. Gleichzeitig ist es auch mein Preis, denn wenn ich es nicht schaffe, dann muss ich mit der Erinnerung an das leben, was wir hatten und vielleicht nie wieder haben werden.
 

Ich fühle mich dieser Aufgabe aber gewachsen und ich glaube daran, dass ich ihn finden und seine Erinnerung an mich wieder erwecken werde. Er selbst war es, der mir diese Sicherheit gab, denn obwohl mein Geist schon lange meinen Körper verlassen hatte und ich vor der Pforte zum Jenseits stand, hörte ich seine wundervolle, tiefe Stimme zu mir flüstern: „Glaub ihr kein Wort! Ganz egal wie stark diese Magie ist, ich könnte dich nie vergessen. Du bist mein Herz und meine Seele. Mein Licht. Ich kann ohne dich nicht existieren und das werde ich immer wissen.“

Es sind diese Worte, die mich an unser Glück glauben lassen.
 

Ich weiß, es ist kindisch an etwas zu glauben, was genau so gut ein Traum sein könnte, aber ich tue es. Ich kann selbst nicht genau sagen, warum, aber es ist so, als würde seine Stimme mich antreiben. Als würde sie mir zuflüstern: „Find mich! Finde mich Yugi!“
 

Es ist aber nicht nur das. Es sind auch all die Erinnerungen. Es sind diese Bilder und Szenen aus unserer Beziehung. Damals war sie verboten und wurde mit dem Tod bestraft. Nicht etwa, weil wir beide Männer waren, sondern weil er der Pharao war und ich nichts weiter als der Sohn eines seiner Berater. Noch dazu eines Mannes, der die Gesetze Ägyptens zum Wohl des Volkes ändern wollte. Ich war der Sohn eines Reformisten. Ich hätte also für diese Beziehung also mit dem Leben bezahlt und nicht mein Geliebter.

Ich habe dafür mit dem Leben bezahlt! Allerdings habe ich nicht viel daraus gelernt, denn ich würde mich trotz aller Widrigkeiten wieder auf meinen Liebsten einlassen.
 

Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ich mich an dieses Leben erinnere. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich es bin, der meinen Liebsten dazu bringen kann sein früheres Leben zu akzeptieren, weil ich dafür kämpfen werde, wieder mit ihm zusammen zu sein, ganz egal welche Steine das Schicksal mir in den Weg legt. Ich kann einfach nicht anders. Allein die Erinnerung an diese bedingungslose und innige Liebe, lässt mein Herz vor Sehnsucht brennen.
 

Meine Eltern denken immer noch ich bin ein Träumer, aber nur, weil sie sich nicht vorstellen können, dass das Band, das zwei Menschen miteinander verbindet selbst den Tod und die Zeit überdauern kann. Sie glauben manchmal ich wäre nicht ganz normal, weil ich mich mit meinen sechzehn Jahren noch für kein Mädchen interessiert habe. Selbst wenn ich mich eher von Jungs hätte angezogen gefühlt, hätten sie es eher akzeptiert, als die Tatsache, dass ich einfach auf der Suche nach meinem toten Geliebten bin. Wie soll ich mich denn auch für irgendjemand anderen interessieren, wenn ich doch genau weiß, dass der einzige Mensch, der wirklich perfekt für mich ist, irgendwo darauf wartet von mir gefunden zu werden?
 

So gesehen bin ich froh, dass ich jetzt bei meinem Großvater lebe. Meine Eltern sind beide passionierte Historiker und unterrichten an der Uni von Domino City griechische Geschichte. Sie sind vor etwa zwei Monaten zu einer Ausgrabungsstätte auf Santorin aufgebrochen und haben mich hier gelassen, damit ich nicht die Schule wechseln muss. Sie sind auf unbestimmte Zeit dort, wegen irgendwelcher neuen Funde über das Leben dort vor dem großen Vulkanausbruch. Mich interessiert es wenig. Ich schlage eher nach meinem Großvater und interessiere mich für die ägyptische Mythologie und Geschichte.
 

Mein Opa ist der Einzige, der mir glaubt, dass diese Träume wirklich Einblicke in mein früheres Leben sind.

„Die Ägypter glaubten an die Wiedergeburt. Sie glaubten zwar auch an ein Leben nach dem Tod, aber selbst der Tod, war für sie nicht von Dauer. Es war eine immer wiederkehrende Spirale, aus Leben, Tod und Wiedergeburt“, hat er mir einmal erzählt. Er hat mich immer wieder darin bestärkt nicht aufzugeben.
 

Doch ganz ehrlich, wie findet man jemanden, von dem Mann nicht weiß, wie er heißt, wie alt er ist und wie er aussieht? Ich wusste ja eigentlich nicht einmal, ob er wirklich ein ER war. Eigentlich wusste ich noch nicht einmal, ob er überhaupt schon geboren war. Wieder war es mein Großvater, der mich ermutigte. Er gab meinen Gedanken einen ganz neuen Anstoß.

„Junge“, hat er gesagt, „wer sagt denn, dass du ihn finden musst? Laut deinen Träumen musst du ihn doch nur seine Erinnerungen an dich wecken. Du musst ihn dazu bringen, sich wieder in dich zu verlieben. Wer sagt denn, dass es nicht seine Aufgabe ist, dich zu finden?“
 

Ich musste meinem Großvater Recht geben. Es war nie die Rede davon gewesen, dass ich meinen Liebsten suchen musste. Es kann also sein, dass die die ganze Zeit, während ich versucht habe ihn irgendwie zu finden, er auf der Suche nach mir war.
 

Jetzt bin ich hier in Domino City. Gehe hier auf die High School und warte darauf, dass mein Liebster endlich zu mir findet.
 

**********
 

Seit diesem neuen Gedankenanstoß von meinem Großvater sind nun mehr als elf Monate vergangen. Ich lebe jetzt ein Jahr bei meinem Opa. Sogar etwas mehr. Es ist toll bei ihm. Vor Kurzen habe mit ihm und einigen Freunden meine siebzehnten Geburtstag gefeiert. Es war spitze! Die erste Party, die ich je in meinem Leben gegeben habe. Das ist aber schon ein Paar Wochen her und jetzt ist etwas anderes wichtig.
 

Ein neuer Schultag hat angefangen. Ich kann irgendwie nichts dagegen tun, heute bin ich besonders hibbelig. Zum fünften Mal schaue ich schon in den Spiegel und überprüfe, ob meine Frisur richtig sitzt…na ja eigentlich kann man diesen wild abstehenden Stachelkopf nicht wirklich als Frisur bezeichnen, denn ich tue ja nichts dafür, dass mein Haar am Hinterkopf aussieht, als wäre ein Sofakissen explodiert. Es ist so als hätte es einen eigenen Willen und würde sich egal wie ich es kämme ganz von allein in diese Form legen. Gott, ich brauch für diesen sternenförmigen Look nicht einmal Haarspray!
 

Meine Freunde wollten mir das nie glauben. Erst als mein bester Kumpel Joey mir mal durchs Haar gewuschelt hat und gemerkt hat, dass da kein Haarspray oder Gel drin war, hat er mir geglaubt, dass das mein natürlicher Look ist. Auch meine Haarfarbe ist natürlich – bis auf die zwei blonden Strähnen an meinem Pony – obwohl dieses rötlich schimmernde Schwarz ziemlich ungewöhnlich ist. Ich falle in der Menge auf, selbst wenn ich es gar nicht will. Bei meiner Körpergröße ist dass aber auch von Vorteil, denn mit meinem einem Meter vierundfünfzig, könnte ich leicht in einer größeren Menschenmenge zerquetscht werden.
 

Na ja, ist eigentlich auch egal, denn nun muss ich los, sonst schaffe ich es nicht mich noch mit Joey zu treffen. Wüsste ich doch nur, warum ich heute so aufgedreht bin. Ich hatte noch nicht einmal einen Kaffee.
 

**********
 

Heute ist definitiv einer meiner Lieblingsschultage. Zu Beginn hatten wir eine Doppelstunde Kunst und dann hatten wir freies Arbeiten, weil unser Klassenlehrer zum Direktor gerufen wurde. Jetzt haben wir Geschichte. Ich liebe dieses Fach seitdem wir mit dem alten Ägypten begonnen haben. Meine Freunde verstehen das nicht, weil es trockene Fakten sind und unserer Klassenlehrer die monotonste Stimme auf der Welt hat. Liegt wohl in der Familie, dass ich eine Schwäche für dieses Fach habe. Es ist auch weniger das, was ich hier in der Schule lerne, als eher das, was mein Großvater mir darüber erzählt, was meine Begeisterung auslöst.
 

Natürlich trägt auch die Tatsache, dass ich mich an mein früheres Leben zu dieser Zeit erinnere, dazu bei, dass mir Geschichte liegt. Es ist um so Vieles einfacher, wenn du auf etwas zurückgreifen kannst, was du selbst miterlebt hast.
 

Vielleicht ist das ja der Grund, warum ich heute so hibbelig bin? Dies scheint der beste Tag seit Langem zu sein. Ich fühle mich richtig gut und bin glücklich. Trotzdem lässt diese Nervosität, diese Aufgedrehtheit, nicht nach. Ich habe das Gefühl zu viel Zucker gegessen zu haben.
 

Unser Lehrer tritt wieder ein und blickt zur Tür. Da steht jemand, den wir Schüler noch nicht sehen können. Wie sehr ich mich über den Grund meiner Nervosität geirrt habe, begreife ich erst, als Herr Taori den Mann, der vor der Tür steht hereinbittet und ihn uns vorstellt.

„Meine lieben Schüler, das hier ist Herr Yami Athem. Er ist Referendar für Geschichte und Englisch. Herr Athem wird unseren Unterricht begleiten und euch bald selber etwas beibringen. Ich lasse ihn sich jetzt selbst vorstellen.“
 

Mein Herz beginnt wie wild zu schlagen. Ich glaube es macht sogar ein Paar Loopings. Es ist nicht die Tatsache, dass wir einen Referendar bei uns haben oder dass er hier den Unterricht übernehmen soll, die diese Reaktion bei mir hervorrufen. Es…es ist, weil er es ist! ER! Mein Liebster. Der Mann, auf den ich gewartet habe, seitdem ich denken kann…und Gott, sieht er gut aus! Genau so, wie ich ihn Erinnerung habe. Yami sieht genauso aus, wie mein Pharao in den Träumen ausgesehen hat.
 

Ich muss mir echt ein Lachen verkneifen, als ich sehe, wie die Blicke einiger meiner Klassenkammeraden zwischen uns hin und her fliegen. Dieser Yami Athem sieht mir verdammt ähnlich. Er hat die gleiche Frisur und sogar die gleiche Haarfarbe wie ich. Auch einige seiner Gesichtszüge erinnern an meine. Er wirkt nur viel erwachsener und würdevoller. Irgendwie elegant und dadurch auch viel attraktiver als ich. Wer mich nicht kennt, könnte glauben, dieser Herr Athem ist mein älterer Bruder.
 

Leute die mich ansehen, sehen in mir nur einen niedlichen kleinen Jungen. Knuffig und süß. Etwa so wie ein Teddybär. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand bei seinem Anblick an Kuscheltiere denkt.

Habe ich schon die sagenhaft schönen, rubinroten Augen erwähnt? Diese Augen jagen mir Schauer über den Rücken, ohne dass er mich anschaut. Das ist unglaublich.
 

Joey beugt sich zu mir herüber und flüstert mir ins Ohr: „Ob sein Haar so auch ganz natürlich ist? Oder braucht er im Gegensatz zu dir etwa eine Tonne Gel und drei Haarsprayflaschen?“

Wir beiden kichern leise. Ich muss zugeben, die Frage habe ich mir auch gestellt. Ich denke aber es ist auch bei ihm so widerspenstig und legt sich ganz von allein in diese Form. In seinem früheren Leben hat er ganz genau so ausgesehen.
 

Als ich wieder aufblicke, sehe ich direkt in seine Augen. Ich kann nicht anders als zu schlucken. Sein Blick ruht auf mir. Seine Stirn ist leicht gerunzelt. Ich ertappe mich dabei, mich zu fragen, ob er wegen unserer unübersehbaren Ähnlichkeit verwirrt ist oder ob er sich vielleicht doch ein klein wenig an mich erinnert. Schließlich hat Yami es mir ja so zu sagen versprochen. Ich kann einfach nicht verhindern, dass mein Herz bei dem Gedanken schneller schlägt.
 

„Ah, wie ich sehe haben sie schon die richtige Person im Visier Herr Athem“, reißt mich Herr Taori aus meinen Gedanken. „Das ist Yugi Muto. Er ist der beste Schüler meiner Klasse. Er ist sehr ehrgeizig und wird bestimmt irgendwann in der Welt der Archäologie… Fuß…fassen.“

Jetzt runzelt auch er die Stirn. Nur sieht es bei ihm nicht halb so gut aus, wie bei unserem Referendar. Anscheinend ist ihm jetzt erst aufgefallen, dass wir uns ähnlich sehen. Die Frage die darauf stellt finde ich persönlich mehr als dumm.
 

„Ähm…Herr Athem…Herr Muto…sind sie irgendwie miteinander verwandt?“

Ehrlich, diese Frage ist so unnötig. Als hätte er sie sich nicht schon selbst beantwortet hat. Also bitte, bei der Ähnlichkeit müssten wir ja zumindest Cousins sein oder Brüder, was ja nicht geht, wir weder den gleichen Nachnamen haben noch steht in meiner Akte etwas von Verwandten.
 

„Nein, nein wir kennen uns nicht“, antwortet Yami. Ich schaffe es gerade mal den Kopf zu schütteln. Seine Stimme ist so…woahr. Ich es kaum beschreiben, was sie mit mir anstellt. Sie ist tief, aber gleichzeitig so sanft und klar. Das macht mich verrückt. Ich habe diese Stimme schon in so vielen anderen Situationen gehört. Wie er sachlich und geschäftsmäßig zu den Beratern sprach, oder wenn er lachte und nur ein einfacher Mensch war. Kein Herrscher, sondern nur er selbst. Am liebsten habe ich sie aber gehört, wenn er mir gesagt hat, wie sehr er mich liebt und mir Koseworte ins Ohr geflüstert hat. Doch das alles waren verflogene Erinnerungen. Dinge, von denen niemand außer mir wusste. Ihn jetzt in der Realität reden zu hören und endlich die Bestätigung zu haben, dass er wirklich existiert ist kaum in Worte zu fassen. Es treibt mir schon fast die Tränen in die Augen.
 

„Nun ja“, meint Herr Taori, „wie ich bereits gesagt habe: Herr Muto ist genau der Richtige, um ihnen die Schule zu zeigen. Wo das Lehrerzimmer und das Sekretariat sind wissen sie ja bereits. Yugi, sie sind dann so freundlich, Herrn Athem heute nach dem Unterricht die restlichen Klassenräume zu zeigen.“
 

Ich nicke heftig. Das ist meine Chance! Yippie ich hätte nie gedacht, sie so schnell zu kriegen. Nach dem Unterricht habe ich ihn ganz für mich allein und dann kann ich endlich damit anfangen, seine Erinnerung an mich und an sein früheres Leben zu wecken. Gott, ich hoffe dieses glückliche Grinsen, das mich aussehen lässt, als hätte ich zu viele Drogen genommen ist nicht gerade auf meinem Gesicht zu sehen, denn ich könnte platzen vor Glück.
 

Warum nur sieht Yami so aus, als wäre er nicht so begeistert? Ich verlange ja nicht, dass er im Dreieck hüpft und sich so sehr freut wie ich, aber warum sieht er so genervt und total abweisend aus? Es scheint fast so, als wäre er wütend auf mich, aber wieso sollte er? Was habe ich denn getan?
 

**********
 

Er ist definitiv nicht davon begeistert, dass ich ihn rumführe. Sein Gesichtsausdruck, als Herr Taori mich damit beauftragt hat ihm die Klassen – und Lehrräume zu zeigen, war wirklich Verärgerung gewesen. Ich versuche mir zwar nichts anmerken zu lassen, aber die dunkle Aura seiner schlechten Stimmung macht mir echt Angst.
 

Alles, was ich Yami erzähle, notiert er sich grummelnd auf seinem Block. Selbst als ich ihn vorhin noch mal gegrüßt habe und seine Hand schütteln wollte, hat er mich ignoriert. Er hat mich einfach mit ausgestreckter Hand stehen lassen und ist dann schon ein Paar Schritte vorgegangen.
 

Ich kann nichts dafür, aber es tut mir verdammt weh. Mehr als mir lieb ist. Was habe ich denn erwartet? Das mein Liebster mich sofort erkennt und mich in die Arme schließt? Herr Gott, ich weiß doch selber, dass er diese zweite Chance mit seiner Erinnerung bezahlt hat! Trotzdem…es tut wirklich weh. Yami – oder viel mehr mein Pharao – hat mir doch versprochen, dass er mich nicht vergessen wird. Er hat mir selbst gesagt, dass er das gar nicht könnte.
 

Das derjenige, mit dem ich in meinem frühren Leben so viele Intimitäten geteilt habe, mich jetzt so vollkommen ignoriert, ist für mich unbegreiflich. Ich komme mir so betrogen vor! Verdammt, er hat es doch versprochen!
 

„Nein Yugi, nein! Du wirst dir jetzt nicht die Blöße geben und schluchzen oder sogar weinen“, rede ich mir selbst gut zu. „Dann hat er dich eben vergessen! Was soll’s es ist ja auch nicht seine Aufgabe, sich an dich zu erinnern. Es ist deine, ihm euer früheres Leben ins Gedächtnis zu rufen. Sei keine Memme. Was ist denn eure Liebe wert, wenn du schon beim ersten Hindernis aufgibst?“
 

Ich hasse es manchmal wenn ich Recht habe! Von seinem eigenen Unterbewusstsein fertig gemacht zu werden ist ganz schön demütigend. Ich reiße mich jetzt am Riemen. Wir sind jetzt jedes Klassenzimmer, jeden Unterrichtsraum und sogar die Mensa und Räume, in denen die Hilfsmittel wie Karten, Videorekorder und Over – Head – Projektoren gelagert werden abgegangen. Ich habe Yami alles dazu erzählt, was für ihn wichtig ist. Wer der Fachbereichsleiter ist, welche Lehrer sich die Unterrichtsräume teilen, welcher Klasse, welches Klassenzimmer gehört und so weiter und so fort. Es verletzte mich in meinem Stolz, dass er ständig auf die Uhr und zur Tür sah. Ich bekam den Eindruck, er wollte vor mir davonlaufen.
 

Am Ende der Führung nahm ich all meinen Mut zusammen und versuchte ein richtiges Gespräch anzufangen. Nicht das ich mich vor Yami fürchtet, aber wer wäre nicht nervös, wenn er versuchen würde eine total unglaubwürdige Geschichte als wahr zu verkaufen? Ich weiß ja, dass alles der Wahrheit entspricht, was ich ihm erzählen will, aber er nicht. Ich habe Angst davor abgelehnt zu werden, noch bevor ich wirklich angefangen hatte Yami zu überzeugen.
 

Wie beginnt man, wenn man einem mies gelaunten Referendar erzählen will, dass er in seinem früheren Leben ein Pharao war und man selber, der Liebhaber aus eben dieser Zeit sei? Ich entschloss mich dazu es mit etwas Small Talk zu versuchen.
 

„Ähm…Herr Athem, Herr Taori sagte uns ja schon im Unterricht gesagt, sie sind Referendar für Geschichte und würden sich vor allem für das alte Ägypten interessieren. Mein Großvater hat mir immer die Mythen der Ägypter erzählt. Ich fand vor allen die über den Glauben an die Wiedergeburt sehr interessant. Wie…“
 

„Hör mal Kleiner, ich habe keine Zeit mich mit dir über belangloses Zeug zu unterhalten. Mythen sind Mythen und keine Fakten. Mit so was verschwende ich nicht meine Zeit und auch nicht mit sinnlosen Gesprächen darüber, mit irgendwelchen einfältigen High School Schülern. Nur weil du Lehrers Liebling bist heißt es nicht, dass ich dich bevorzugt behandeln werde. Lass das Schleimen Junge. Ich habe heute Besseres zu tun.“
 

Damit ließ Yami mich stehen. Ich starrte ihm hinterher, bis er aus meinem Blickfeld verschwand. Diesmal konnte ich nicht verhindern, dass mir die Tränen die Wangen runterrollten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt!
 

**********
 

Die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen. Den gesamten Heimweg nicht. Ich habe mich beeilt in mein Zimmer zu kommen, aber mein Großvater, der mich immer an der Tür begrüßt, hat mich gesehen. Ich habe es zwar geschafft meine Tränen schnell wegzuwischen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er sie trotzdem gesehen hat.
 

„Geht es dir gut mein Junge?“, hat er mich gefragt. Was antwortet man auf so eine Frage, wenn es einem ziemlich dreckig geht? Ich weiß nicht, was andere tun würden, aber ich habe gelogen.

„Mir geht es gut Großvater. Ähm…ich habe jetzt…hm…noch keinen Hunger. Macht es dir was aus, wenn ich mich an die Hausaufgaben mache?“, fragte ich ihn. Mein Großvater nickte zustimmend, aber an seinem Blick konnte ich erkennen, dass es ihn verletzte, dass ich nicht mit ihm über meine Probleme reden wollte. Es war so sinnlos ihn anzulügen, weil er mich schon beim ersten Blick durchschaut hatte.
 

Trotzdem bereue ich die Entscheidung nicht, denn zum einen war ich noch nicht bereit über schlimmste Enttäuschung meines Lebens zu reden und zum anderen wusste ich durch die Reaktion meines Großvaters, dass er zwar ahnte, dass etwas passiert war, mich aber genug kannte, um mich in Ruhe zu lassen.
 

Ich sitze seit einer Stunde auf meinem Bett und starre die Wand an. Ich denke nicht, mein Kopf ist wie leergefegt. Ich habe schon vor einer Weile aufgehört zu weinen. Ich kann einfach nicht mehr. Vor zehn Minuten hat mein Großvater angeklopft. Er hat gemeint, dass der Mandelkuchen, den es zum Nachtisch vorbereitet hat, in der Küche auf mich wartet. Das ist seine Art mir zu sagen, dass er mir zuhören wird, wenn ich bereit bin zu reden.
 

Was ist nur geschehen? Was habe ich falsch gemacht? Ich habe ihn doch nicht angesprungen und ihn niedergeknutscht. Ich habe doch gar nichts getan, was eine solch abweisende Reaktion hervorrufen könnte. Ich habe noch nicht einmal ein Wort darüber verloren, dass er ein wiedergeborener Pharao ist! Also, was verdammt noch mal habe ich falsch gemacht?
 

Ich wollte doch nur ein Gespräch beginnen…

Na gut, ich gebe es zu, ich hätte ihm wahrscheinlich gleich alles erzählt, wenn Yami nur etwas an Reinkarnation geglaubt hätte…wenn er mich nicht gleich so kalt abgefertigt hätte. Aber hey, wer hat denn gesagt, dass ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen darf? Ich habe siebzehn Jahre auf Yami gewartet. Alles was ich will, ist das es wieder so ist, wie vor unserer unfreiwilligen Trennung durch den Tod.
 

Ich weiß schon, dass es nicht einfach sein wird. Ich habe es immer gewusst! Trotzdem ist es hart für mich so abgewiesen zu werden. Ich habe das Gefühl, Yami hat eine natürliche Abneigung gegen mich. Es tut weh. So sehr. Nach all dem warten und nach all dem daran glauben. Ich fühle mich so leer.
 

Irgendwie ist es so, als hätten meine Eltern die ganze Zeit Recht gehabt. Als hätte ich die ganze Zeit für einen Traum gelebt. In einer Vorstellung davon, wie unsere Liebe und daher auch unser erstes Treffen sein sollte. Mal ehrlich, ich habe etwas anderes erwartet, als so abgefertigt zu werden. Vielleicht nicht unbedingt eine stürmische Umarmung oder kitschige Liebesbekundungen, aber wenigstens so etwas wie ein Deja vue Gefühl seinerseits. Oder auch einfach nur die Frage, ob wir uns nicht vielleicht von irgendwoher kennen. Nur einen leisen Schimmer, dass ich Yami bekannt vorkommen würde.
 

Was bekomme ich stattdessen? Eine Abfuhr, die mit einem Tritt in die Magengegend zu vergleichen ist! Ich bin ganz ehrlich beleidigt. Ja, ich weiß selbst, dass es nicht gerade von großer Liebe und Zuneigung spricht, aber mein Ego ist ziemlich angekratzt.
 

Oh Mann, ich bin so ein schrecklicher Mensch! Ich bin so was von selbstsüchtig. Wie gerne würde ich es auf die Tatsache schieben, dass ich ein Teenager bin und meine Altersklasse nun mal sehr ichbezogen ist, aber das wäre eine Lüge.
 

Die Wahrheit ist, dass ich ziemlich naiv bin und es mir tatsächlich so einfach vorgestellt habe. In meiner schönen Traumwelt war es wirklich so, dass ich geglaubt habe, ein Blick von mir würde genügen, um Yami all die Erinnerungen zu geben, die er hergegeben hat.
 

Doch genau das ist der Punkt. Er hat sie hergegeben! Er hat den Preis bezahlt, den er bezahlen musste, um wieder mit mir zusammen zu sein! Und was habe ich bisher getan? Gar nichts! Sicher ich habe all diese Eindrücke aus meinem frühren Leben, aber genau das ist es, was es mir schwer macht. Ich möchte einfach nur, dass unsere Beziehung so wird, wie sie damals war.
 

Ich vergesse dabei vollkommen, dass dies mein Preis ist. Jetzt muss ich anfangen zu zahlen. Dinge laufen also nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Na und? Wer hat denn jemals gesagt, dass es leicht werden würde?
 

Jetzt muss ich mich beweisen. Ich muss zeigen, dass ich diese zweite Chance verdient habe. Ich muss nur einen Weg finden, um mit Yami vernünftig sprechen zu können. Ist der erste Schritt gemacht, muss ich ihn nur davon überzeugen, dass Reinkarnationen möglich sind und ihm dann, wenn er mir endlich glaubt von seinem früheren Leben erzählen. Alles was ich dafür brauche ist Geduld und die Unterstützung meines Opas.
 

Das Gute daran, einen Großvater zu haben, der einmal Archäologe war, ist dass er mir bestimmt dabei helfen kann, Beweise für die Existenz meines Pharaos zu finden. Mit ganz viel Glück, finden sich in den verstaubten Seiten der Geschichtsbücher und vergessenen Steintafeln vielleicht sogar ein Hinweis auf mich oder unsere Beziehung.
 

Es wäre doch gelacht, wenn ich diese Aufgabe nicht bewältigen kann. Auch wenn unsere erste Begegnung ein Reinfall war…eigentlich sogar eine ziemlich herbe Enttäuschung, so gibt es doch etwas Gutes daran. Das Schlimmste habe ich eigentlich schon überstanden, denn nun endlich, hat das Warten ein Ende.
 

tbc...



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Alienor
2010-09-14T20:52:27+00:00 14.09.2010 22:52
Wow...ein unglaublich flüssiger und sehr angenehm zu lesender Schreibstil...da macht es gleich doppelt spaß weiter zu lesen :)
Von:  Shanti
2010-05-12T14:06:44+00:00 12.05.2010 16:06
hihihi

ich finde die ff ist klasse. sie verspricht jetzt schon spannend und romantisch zu werden xD. ich freu mich jetzt schon auf das nächste kappi. büdde schreib ganz schnell weiter. bis dann^^

PS: sag bescheid wenns weiter geht ^^

lg
shanti
Von:  Minoo
2010-05-12T13:41:37+00:00 12.05.2010 15:41
Hört sich wirklich sehr interessant an!
Mit Yugi kann ich mitfühlen - wenn ich so etwas hätte, würde ich es mir irgendwie auch leichter vorstellen bzw. hoffen, dass es so einfach wird ^^'
Aber das mit seinen Eltern: Dauert das wirklich so lange oder sollte sich Yugi nicht mal langsam fragen, ob seine Eltern überhaupt wieder kommen? xD

Ich freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel.
Bin gespannt wie Yugi das meistern will,
wenn es schon so einen tollen Start gab. xD

Liebe Grüße.
Von: abgemeldet
2010-05-12T11:11:30+00:00 12.05.2010 13:11
klasse schreb style hab auch nichts anders erwartete^^
und der anfangt war inressant.
uhuh warum ist den yami so kalt, vielleicht falscher tag?
oder schlechte erfahrungen? wer weiß das schon aber iregndwie lustig wen er so kalt ist, das macht es wider intressant da yugi sich mühe geben muss diese kalte wand zu durchbrechen.
ich freue mich schon auf das nächste kapi^^

liebe grüße chibi^^
Von: abgemeldet
2010-05-12T10:28:29+00:00 12.05.2010 12:28
das hoert sich wirklich interessant an
bei solchen ffs will man wissen, wie es sich weiter entwickelt
wie yami sich weiter entwickelt
yami ist in dieser ff echt kalt zu yugi
ich freu mich schon auf das naechste kapitel
schreibstil ist grosse klasse
bei manchen saetzen ein paar fehler
aber mann kann es ueber lesen
^^weiter so

Von:  mu_chan
2010-05-12T10:20:21+00:00 12.05.2010 12:20
woa echt genial!!!*.*
die story fängt ja jetzt schon so toll an!!^.^
was die abneigunng angeht macht einen schon neugierig was yamis gründe für sind!!
freu mich schon wenn es weiter geht!!
glg mu_chan


ps: üba ne ens wenn ein neues kapitel kommt würd ich mich freun!!^o^
Von:  viky
2010-05-12T07:13:22+00:00 12.05.2010 09:13
Hey du^.^

Ich find die story klasse. spannend, und vor allem richtig gut geschrieben.
ich bin jetzt richtig hibbelig und neugierig wie es denn wohl weiter geht.
die abneigung zu yugi, auch das verhalten von yami macht neugierig.
verdammt... schreib ja weiter.
würd mich über eine ens freuen..

also, viel spaß beim weiter tippen.

knuff
viky


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