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Ein Blick in die Sterne

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Ein Blick in die Sterne

Erst am vierten Tag kam ein Polizist zu ihm, doch nun nicht mit etwas zu Essen, sondern mit einem großen Schlüsselbund in der Hand.

„Mr. Goodman?“, rief er ihm durch die Gitterstäbe hindurch zu. „Ja?“, erwiderte Jonathen monoton. „Hier war eine Frau und hat die Kaution für sie hinterlegt. Sie sind jetzt frei.“, klärte man den Vertreter auf. Wer könnte nur für ihn Geld bezahlt haben? Wem verdankte Jonathen diese Freilassung? „Wer... war das?“, stammelte er und sprang hoch und ging an die Stäbe. Doch er bekam keine Antwort. Der Man lies ihn gehen und gab ihm die wenigen Sachen, die Jonathen von seinem Leben geblieben waren. Unter anderem die Schlüssel zu seiner Wohnung, seine Brieftasche und einen Brief. „Der wurde hinterlassen mit ihrer Kaution zusammen.“, damit schickte man ihn hinaus auf die Straße.

Jonathen ließ sich auf die steinernen Treppen vor dem Polizeipräsidium fallen und öffnete den Brief. „Hallo Jonathen. Ich weiß, dass du nicht schuldig bist. Es tut mir Leid, dass ich dich erst jetzt dort raus geholt habe, doch man hat mich nicht eher informiert. Bitte komm mich doch mal besuchen. Deine Nathalie.“, Jonathen runzelte die Stirn. Nathalie war eine alte Schulfreundin. Sie und er waren gute Freunde, doch sie hatten sich völlig aus den Augen verloren, vor vier Jahren, als Jonathen Marian kennen gelernt hatte. Seine Ex-Frau hatte die gute Freundin als Konkurrentin empfunden und so jeglichen Umgang zu unterbinden gewusst. Das gerade Nathalie ihn aus dem Gefängnis befreite, kam Jonathen wie ein Traum vor.

Er stand auf und hob die Hand. Das nächste Taxi das an ihm vorbei fuhr hielt an. Jonathen stieg ein und nannte die Adresse. Der Fahrer musterte ihn fragend. „Keine Angst. Ich habe Geld.“, beruhigte er den Fahrer und dieser fuhr zufrieden los. Nach nur zwanzig Minuten kam Jonathen an seinem Ziel an. Er bezahlte den Fahrer und gab ihm sogar noch ein wenig Trinkgeld, eine seiner Manieren, die er noch von früher hatte. Geld war nie ein Problem gewesen, als er noch einen Job gehabt hatte.

Das Haus vor dem er nun stand, hatte weiße Wände, sie strahlten ihn regelrecht an. Der Vorgarten sah aus, wie aus einem Bilderbuch und hätte als Vorzeigemodell in einen Gartenkatalog gekonnt. Das Dach war rot und vor jedem Fenster, mit seinen braunen Fensterläden, befanden sich Blumenkästen. Nathalie hatte schon immer Blumen sehr gemocht. Jonathen musste lächeln bei diesem Anblick.

Langsam öffnete er das Gartentürchen, schritt den steinernen Weg entlang zu ihrer Tür und wollte klingeln. Doch einen Zentimeter vor ihrer Klingel hielt er inne. Sollte er es wirklich tun? Nathalie hatte ganz sicher eine Familie, die wäre von seinem Anblick mehr als nur geschockt! Doch dann tat er es doch. Ein lautes „Ding-Dong“ schallte hinter der Tür auf und nur wenige Sekunden später öffnete ihm eine blonde Frau.

Nathalie hatte sich nicht verändert. Sie war noch immer recht klein und ging Jonathen gerade bis zur Schulter. Doch ihre Größe machte sie mit ihrer Ausstrahlung und Präsenz wieder wett. Sofort schlang sie die Arme um seine Brust und drückte ihn an sich. „Schön, dass du gekommen bist.“, rief sie freudig aus und löste sich dann wieder von ihm. „Du siehst aus, als könntest du eine Dusche oder ein Bad gut gebrauchen.“, neckte sie ihn und winkte ihn mit diesen Worten auch gleich herein. Jonathen musste lachen und ging ihr hinterher.

Ganz wie Nathalie immer zu ihm gewesen war, ließ sie ihm ein Bad ein, reichte ihm noch ein Handtuch und ließ ihn dann allein. Als das warme Wasser Jonathens Körper berührte und umgab, spürte er, wie das Leben in seine Müden Knochen zurück kehrte. Er saß eine ganze Weile im warmen Wasser, bis ihm der Duft von Kartoffeln und Hühnchen in die Nase stieg. Nathalie machte sich doch hoffentlich keine Umstände? Von einer Familie waren hier jedoch keine Anzeichen. Es gab nur eine Zahnbürste, nur ein Handtuch und einfach nichts was auf eine weitere Person hindeutete.

Jonathen zog sich aus dem Wasser heraus, trocknete sich ab und zog sich wieder an. Frische Klamotten hatte auch Nathalie nicht gehabt und er war ja gleich zu ihr gefahren.

Jonathen ging dem Geruch nach und als er in die Küche kam, ging gerade hinter ihr die Sonne unter. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schön Nathalie doch war. Als sie sich halb umdrehte, glänzten ihre Augen wie Sterne. Jonathen ging auf sie zu und fasste ihr Gesicht. Mit großen Augen starrte er sie an und fühlte, dass er sie vermisst hatte.

Was er danach fühlte, wusste er nicht mehr. Wie in Trance hatte er Nathalie geküsst und gewusst, dass sie nichts dagegen hatte. Beim Abendessen erzählte Jonathen der alten Freundin, was ihm passiert war. Die Trennung, der Verlust seines Arbeitsplatzes und der Vorwurf, er hätte seinem Sohn etwas angetan. Leise spielte dabei im Hintergrund ein Radio. Als Jonathen von diesen Erlebnissen erzählte, trällerte Karat gerade ihr „Über sieben Brücken musst du gehen.“ - Lied und Jonathen wusste, dass dies ihr Lied werden würde.

Mit jedem Moment den er bei Nathalie war, sah er mehr und mehr die Sterne der vergangenen Nächte in ihr, in ihren Augen, die glitzerten und funkelten.
 

Jonathen verkaufte die Eigentumswohnung und zog bei Nathalie ein. Sie war Floristin geworden und hatte so ihren eigenen kleinen Traum verwirklicht. Man sah es ihr an, wie sie strahlte, wenn die Blumen sie umgaben und auch Jonathen freute sich jedes mal, wenn sie im Garten arbeitete.

Nach einer kurzen Klage schafften es die Beiden, Karlson zu sich zu holen. Die blauen Flecke waren nicht von Jonathen gewesen, sondern von Marian selbst. Das Jugendamt hatte nicht lange gebraucht und so wohnte nun die kleine, glückliche Familie zusammen. Jonathen hatte bei einem Konkurrent der Versicherung angefangen und brachte schon bald ein ansehnliches Gehalt heim. Er hatte jedoch gelernt, dass Geld nicht alles war, sondern, dass es viel wichtiger war, Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Nach drei Jahren hatten Jonathen und Nathalie geheiratet und ein Jahr später war ihre Tochter Linda geboren worden.

Niemals würde Jonathen den Anblick der Sterne vergessen, die ihm in der Untersuchungshaft gerettet hatten. Nein, er sah sie jeden Tag aufs Neue, in Nathalies Augen.
 

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Die Zahl Sieben, um das aufzulösen, habe ich mir als etwas zentrales gewählt. Sie kommt nicht oft zum Ausdruck, außer direkt im Lied von Karat im letzten Kapitel.

Wer jedoch aufgepasst hat, erzählt die Geschichte aktiv von 7 Tagen. 3 Tage sitzt Jonathen in seiner Wohnung, 3 im Gefängnis und am 7ten ist er bei Nathalie.

In seiner Erinnerung in Kapitel 2 und 3 werden 7 Rückschläge geschildert: er wird gefeuert, durch einen Jüngeren ersetzt, verliert seine Frau, verliert seinen Sohn, wird von seinem besten Freund betrogen, verliert alles Mobiliar und landet im Gefängnis.



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