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Tod und Hoffnung

von

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Schwerttanz

Atrox und Riven tanzten. Sie bewegten sich schneller, als Felix es je gekonnt hatte, und dennoch in perfekter Harmonie mit dem feurigen Rhythmus der Trommeln. Ein Schlag, eine Bewegung. Ein Schlag für einen Schritt, einen Block oder einen Hieb – das war die Regel. Schwerttanz. Selten hatte Felix etwas gesehen, das so schnell und tödlich ablief – und noch nie etwas, das ihn mehr in den Bann geschlagen hätte. Riven attackierte, doch Atrox gelang es jedes Mal, eines der Schwerter dazwischen zu bringen. Felix sah den Schleier aus Blut, der den Bewegungen der beiden Kontrahenden folgte. Riven blutete aus einer Wunde am rechten Oberarm, die er sich schon vor dem Tanz zugezogen haben musste, Atrox hingegen aus einem Schnitt am Unterarm und einem an der Wange. Beide hatte ihm Riven beigebracht. Obwohl er wusste, was passieren würde, sollte Riven ihn noch einmal treffen, machte Atrox weiter. Er konnte den drohenden Tod durch Rivens Schwert nicht als Entschuldigung zum Rückzug benutzen, denn sonst würde Cal dafür bezahlen. So lange hatten sie nach ihr gesucht.

Felix' Blick wanderte zu der Lichtsäule in der Vorhalle vor dem Saal, in der Cal bewusstlos und gefangen in der Luft schwebte. Wenn Atrox siegreich aus dem Kampf hervorging, würden sie sie mitnehmen können. Wenn nicht... Felix war bereit, den Kampf weiterzuführen, sollte Atrox versagen, auch wenn er nicht daran zu denken wagte, was am Ende dieses Weges wartete. Es stand außer Frage, dass er sterben würde. Atrox war schneller, stärker und erfahrener als er – und selbst er stand kurz vor der Niederlage.

Er sah zurück zu den Tänzern. Beide waren schweißgebadet. Atrox schlug sich wacker – aber Riven gab sich ebenso wenig eine Blöße. Der Tanz konnte noch ewig so weitergehen... Felix seufzte. Er fühlte sich wie ein Klotz am Bein, nutzlos und hilflos. Cal sah blass und klein aus in ihrem Gefängnis aus Licht.

Eine plötzliche Bewegung ließ Felix' Blick zum Kampf zurückzucken. Atrox hatte das Ruder in die Hand genommen und eine rasende Kombination begonnen. Seine zwei Schwerter krachten schneller und schneller auf Rivens Klinge hinab. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er den entscheidenden Schlag setzen und Riven zum ersten Mal verwunden konnte. Felix fragte sich, wie Riven das wohl hinnehmen würde. Würde er aus der Fassung geraten, Atrox gar einen zweiten Treffer ermöglichen und so die Chancengleichheit wiederherstellen? Felix schöpfte Hoffnung. Sein Lehrer und Freund war noch nicht geschlagen – und zum ersten Mal sah es gut aus für ihn.

Mit unbändiger Freude sah er Riven stolpern, beinahe fallen. Atrox' Gesicht war eine Maske der Konzentration. Felix konnte die knisternde Spannung zwischen den beiden Kämpfern beinahe fühlen. Der Treffer lag zum Greifen nah, Atrox musste nur noch... und die Welt stand still, als Riven konterte.

Wo zuvor noch Triumph geherrscht hatte, war blitzartig Leere, als Felix den geraden Stoß sah, den Riven angebracht hatte, geradewegs durch Atrox' Deckung hindurch. Rivens Schwert drang in Atrox' Brust, so leicht, als wäre es Luft, die es durchschnitt. Die Trommeln verstummten, niemand sprach ein Wort. Atrox erstarrte, und Felix mit ihm. Er sah die Klingenspitze, die aus Atrox' Rücken ragte, sie war blutverschmiert. Atrox ließ die Schwerter fallen, das helle Klirren, mit dem sie auf dem Boden auftrafen, klang unnatürlich laut in der plötzlichen Stille. Felix hörte, wie die Luft aus Atrox' Lunge wich. Leise stöhnend sank er nach vorne, trieb das Schwert noch tiefer in sich hinein. Als Felix das Lächeln auf Rivens Lippen sah, drang das Begreifen in seinen Verstand.

Mit einem harten Ruck befreite Riven die blutige Klinge. Atrox taumelte zurück, fiel langsam, ganz langsam nach hinten, schlug schließlich auf dem Boden auf und blieb liegen. Das Blut, das aus Atrox' Brust spritzte, brach den Bann, der Felix gefangen hielt. Mit einem spitzen Entsetzensschrei stürzte er zu seinem Freund, fiel neben ihm auf die Knie. „Atrox! Atrox, nein!“ Er bettete den Kopf des tödlich Getroffenen auf seinen Schoß. Atrox' Atem kam rasselnd und gluckernd – seine Lunge füllte sich mit Blut. „Felix... Cal...“ Winzige Blutstropfen spritzten von seinen Lippen, als er sprach. „Hilf... Cal...“

Atrox schloss die eisgrauen Augen. Schmerz zeichnete sein Gesicht.

„Nein, Atrox! Ich flehe dich an, stirb nicht! Nicht jetzt!“, bat Felix mit Tränen in den Augen. Sein Freund zwang ein Lächeln auf seine Lippen. „Felix... du Idiot...“ Er spuckte Blut. „Es ist... zu... spät...“ „Atrox!“, hörte Felix sich selbst schreien. „Atrox!“

Der blutige Körper in seinen Armen wurde schlaff. „Atrox!“ Er regte sich nicht. Felix schrie. Ohne Worte, nur Geräusch. Und da hörte er Riven lachen.

Seine sanfte Stimme klang beißend, verletzend. „So schnell ist ein lebender, atmender Mensch nur noch ein Stück Fleisch. Faszinierend, nicht wahr?“ Felix sah auf Atrox' erkaltenden Körper hinab. Die Blutlache um die reglose Brust wurde größer.

Tränen verschleierten Felix' Blick, als er Atrox' Leichnam so sanft wie möglich ablegte. Er erhob sich langsam, zittrig wie ein Greis. Doch noch in der Bewegung zog er sein Schwert.

Er würde Rache nehmen. Riven würde fallen, ebenso, wie Atrox gefallen war. Felix spürte den weißglühenden Zorn in sich. Rachegelüste ließen ihn das Schwert packen, fester als es nötig gewesen wäre.

Riven jedoch lachte nur. „Nicht jetzt, Felix.“ „Nichts wird mich davon abhalten, meinen Freund zu rächen!“, schwor Felix mit tödlich leiser Stimme. Riven antwortete lächelnd: „Das glaube ich nicht.“ Er deutete mit dem Schwert auf etwas in Felix' Rücken. Das Lächeln wirkte beinahe erleichtert. Beinahe. Felix sah die Erregung in Rivens dunklen Augen. Sein Kampfgeist brannte nach wie vor, aber Felix war ausgeruht. Er würde Riven töten. Jetzt. Zur Hölle mit dem Tanz!

„Felix?“

Das Wort, die Stimme, änderte alles binnen eines Lidschlags. Felix fuhr so heftig zusammen, dass er fast das Schwert losgelassen hätte. Cal! Er wirbelte herum, als er das leise Klirren von Metall auf Metall hörte. Ein Mann stand hinter dem dunkelhaarigen Mädchen, das auf wundersame Weise dem Lichtgefängnis entkommen war und jetzt desorientiert blinzelte. Sie wehrte sich nicht, als sich ein Arm um ihre Taille legte und als ein Schwert an ihrer Kehle ihren Kopf zurückzwang.

Felix fluchte, wandte sich zu Riven um. „Nun, Felix, was ist dir lieber? Deine Rache für Atrox oder das Leben deiner Freundin? Du hast die Wahl!“ Felix schluckte, versuchte Rivens boshaftes Grinsen zu ignorieren, dann fuhr er herum, rannte aus dem Saal hinaus, zurück in die Vorhalle, wo Cal und ihr Wächter standen. Blitzartig war er heran, schlug dem Mann das Schwert aus der Hand – es dauerte nicht einmal eine Sekunde, so wütend war Felix – während Cal stocksteif dastand und kaum zu atmen wagte. Als der Schwerttänzer dem Wächter die Klinge in den Leib trieb, schlossen sich die Türen des Saals mit einem durchdringenden, endgültigen Krachen und trennten sie von Riven. Felix fing Cal auf, die schwankend den Kopf zu drehen versuchte und in seine Richtung sah, ihm dabei aber entgegenkippte. Erst als er sie in die Arme geschlossen hatte, sah er zurück zu der jetzt verschlossenen Tür.

Zorn und Erleichterung vermischten sich. Hass gegen Riven, Trauer um Atrox, Sehnsucht nach seiner Heimat und Freude über Cals Rettung beschleunigten seinen Atem. Sein Geist war ein Strudel widersprüchlicher Gefühle. Felix fühlte sich verloren inmitten dieses tobenden Orkans, wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er konnte sich auf nichts mehr konzentrieren.

Erst als sich eine weiche Hand an seine Wange legte, klärte sich sein Blick. „Felix, ruhig! Bitte!“ Cal. Sie strich ihm durch das Haar. Felix' rasender Herzschlag beruhigte sich etwas. „Felix!“

Er schluchzte auf, ließ das blutige Schwert fallen. Rau zog er sie an sich. „Cal!“ „Ich bin hier. Ruhig!“

Er holte keuchend Luft, spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Schniefend vergrub er das Gesicht in Cals dunklem Haar. „Gott sei Dank, du lebst...“ „Ja – ich bin so froh, dass du gekommen bist, Felix!“

Er spürte, dass auch sie weinte. „Atrox...“, würgte er hervor. „Er ist tot...“ Cal umarmte ihn fester, schwieg aber. Gemeinsam sanken sie zu Boden, waren einfach froh, dass sie einander wiedergefunden hatten.

Dann drang die Erkenntnis in Felix' Verstand, traf ihn wie ein Hammer. Atrox war tot, unwiederbringlich fort. Der Einzige, der ihm Halt gegeben hatte in dieser fremden Welt. Felix' Finger krallten sich in Cals Gewand. Wie sollten sie jetzt je wieder in ihre Heimat zurückkehren können, wenn er, der er als einziges diese Welt bewohnt hatte und ihre Regeln kannte, ihnen nicht mehr helfen konnte?

„Was hast du?“ Cal klang beunruhigt. Langsam, mit schleppender Stimme erzählte er ihr, was geschehen war. Ihre Entführung von zu Hause, Atrox' und seine Verfolgung in diese Welt, wie sie ihre Spur verloren hatten und offenbar wurde, dass ihnen der Rückweg verwehrt war. Die Zeit des Trainings mit Atrox, das Turnier, das sie die Spur hatte wiederfinden lassen, die Jagd. Wie sie dieses Schloss gefunden und sich hineingeschlichen hatten. Der Kampf Rivens mit Atrox, an dessen Ende Felix' Lehrer sein Leben gelassen hatte. Und wie Felix die Hoffnung verloren hatte, nun, da er endlich wieder hatte, was ihm so viel bedeutete – Cal.

Cal umarmte ihn fester, strich fest über Felix' Haar. Sie flüsterte ihm etwas zu, doch er nahm nicht wahr, was sie sagte, als er wieder Tränen vergoss. Er wollte nach Hause, wollte um Atrox, der ihm ein wahrer Freund geworden war, trauern, wollte nicht mehr kämpfen müssen. Cal hielt ihn fest, bewahrte ihn davor, den Verstand nicht ganz zu verlieren. Ihre Ruhe war wie Balsam. Schließlich sagte sie: „Wir werden einen Weg zurück finden. Irgendwie. Ich weiß es.“

„Und... wie?“ Er ließ sie los, rückte von ihr ab, damit er ihr in die noch tränenfeuchten Augen blicken konnte. „Ich sage ja, ich weiß es noch nicht genau, aber ich bin mir sicher, dass wir zurückkehren können. Jetzt, wo wir wieder zusammen sind, kann uns nichts mehr aufhalten. Vertrau mir.“ Es lag so viel Zuversicht in ihrer Stimme, so viel Gottvertrauen, dass Felix nicht anders konnte, als ihr zu glauben. Er nickte langsam. Die Zeit würde ihnen einen Weg zeigen. Bestimmt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  GodOfMischief
2010-06-02T11:56:40+00:00 02.06.2010 13:56
Ich kann Rooro nur zustimmen, zum einen kann man bei so einer kurzen Geschichte nicht über Charaktere trauern, die man nicht kennt, zumindest nicht so, als wenn man sie jetzt schon eine ganze Geschichte lang kennen würde.
Dein Schreibstil ist wirklich gut, mir hat es gefallen, wie du den Schwerttanz am Anfang umschrieben hast, man konnte es sich richtig gut vorstellen.
Und dieser OS wirkt wirklich wie aus einer größeren Geschichte gegriffen. Vielleicht gibt es dazu ja ein größeres Projekt..?
Es hat Spaß gemacht es zu lesen
fg
Heather
Von:  Rooro
2010-04-21T05:29:03+00:00 21.04.2010 07:29
Um es auf den Punkt zu bringen: es ist nur EIN Oneshot! Du schreibst mit soviel Leichtigkeit, man kann sich die Bilder direkt vorstellen, als würde das Ganze als Film im Kopf abspielen. Dazu beschreibst du in einfachen Worten, was alles vorher geschehen ist, eine Entführung, ein Turnier, etc. Und nichts davon ist ein Kapitel! Du solltest daraus eine ganze Geschichte spinnen. Vor allem auch, wie die beiden wieder nach Hause finden, falls sie wieder Heim finden. Ich kann um Atrox gar nicht trauern, weil ich ihn nicht kenne. Sehr schade, in deinem Schreibstil würde ich gern die ganze Geschichte dazu lesen :) Denn vom Geschriebenen her war es wieder hochklassig, schöne Ausdrücke, viel Gefühl, keinerlei Fehler (also zumindest ist mir nichts aufgefallen), einfach herrlich zu lesen. Aber wie gesagt, nur EIN Oneshot. Wenn du Lust hast, mach ne komplette Story daraus ^^


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