Let me show you a trick
Wahrlich bemerkenswert, wie mein guter Freund Holmes doch immer wieder persistent darauf bestand, seine überaus bewundernswerten Fähigkeiten unter Beweis stellen zu wollen.
Ebenso erstaunlich war es auch, wie er dabei auch immer wieder zu vergessen schien, dass nicht alle seine Fähigkeiten von solcher Perfektion wie seine deduktiven Talente herrührten.
Aber diese Anfälle der Selbstüberschätzung ergriffen ihn gerne und nur allzu zahlreich, wenn denn ein interessanter Fall in weite Ferne zu rücken schien.
So wie am heutigen Tag, als ich nach einem langen Spaziergang wieder zurück in die Räumlichkeiten der Baker Street Nummer 221b fand und Holmes dabei überraschte, wie er in einem Chaos aus Zeitungen verschiedenster Verleger auf dem Boden hockte, seine Pfeife rauchte und mir leicht sprunghaft erschien.
Nichts Weiteres dabei denkend und eher froh darüber, dass er sich seine Zeit mit einer anderen als einer selbstzerstörerischen, mit meinem hippokratischen Eid kollidierenden Weise vertrieb, entledigte ich mich meines Ausgehmantels und Spazierstocks, um danach durch die ausgelegten Zeitungen noch einen Teil des Bodens und damit einen Weg zu meinem Schreibtisch zu finden, der sich in einer Ecke des Arbeitszimmers befand.
Doch gelang mir dieses schwerliche Unterfangen nur zum Teil, denn kaum war ich an meinem guten Freund vorbei geschritten, als dieser auch schon aus seiner Lektüre hinaufblickte und mich freudigst erregt ansprach.
„Watson, ich habe eine durchaus interessante, wenn nicht sogar erstaunliche Entdeckung in meinem Studium der Zeitungen der letzten vier Wochen gemacht!“ schrie er mir schon beinahe aufgeregt entgegen, wo ich doch nur wenige Schritte von ihm entfernt war. Zwar besaß ich einige kleinere körperliche Einschränkungen dank meines Einsatzes in der britischen Armee, aber der Taubheit war ich noch lange nicht anheim gefallen.
„Was mag es nur sein, Holmes? Eine neue Möglichkeit, unsere arme Mrs. Hudson in eine Ohnmacht zu treiben, nachdem sie gesehen hat, welch Sturm durch das kürzlich von ihr geräumte und gesäuberte Arbeitszimmer gefegt ist?“ fragte ich nur etwas genervt, während ich mich wieder daran machte, meinen Weg durch dieses Minenfeld zu bahnen.
„Keinesfalls, Watson – bringen sie nicht immer das alte Kindermädchen in unsere Gespräche ein, wenn es doch um so viel wichtigeres, soviel interessanteres geht als deren Predigten und Ausfälle!“ hörte ich ihn hinter mir zetern, während ich endlich einen sicheren Weg zu meinem Platz gefunden hatte und mich nach meinem langen, doch etwas anstrengenden Spaziergang hinsetzen konnte.
Seufzend schenkte ich ihm nun also meine vollste Aufmerksamkeit, nachdem ich endlich eine Position eingenommen hatte, von der aus ich seine nun folgende Tirade würde aushalten können – denn ich wusste, wenn Holmes sich gewisse Dinge zu Herzen nahm, so wurden sie stets langwierig und anstrengend.
„Nun denn, alter Gockel, was ist es, weswegen sie so aufgebracht sind? Bahnt sich ein neuer Fall an? Hat die gute Mrs. Hudson wieder versucht, ihnen schöne Augen zu machen? Oder ist in China gar ein Sack mit Reis umgefallen?“
Nach diesen Worten durfte es wahrlich selbst einem solchen Genie wie meinem Gefährten nicht mehr schwer fallen, dass ich für solche Spielereien zu dieser späten Stunde nicht mehr den nötigen Nerv hatte – dennoch ließ dieser sich nicht davon abhalten, mir seine Thesen und Ergebnisse zu präsentieren.
Grinsend nahm er seine Pfeife aus dem Mund und blickte mich dergestalt an, dass es schien, als ignoriere er den Fakt, dass ich mich vor einigen Augenblicken noch so spottend über seine Tätigkeiten ausgelassen hatte, und setzte zu seiner kleinen Rede an.
„Meine werte Glucke, sie sind wahrlich ein Kleingeist im Körper eines halbwegs angesehen Akademikers – und mit solcherlei Aussagen bestärken sie mich nur noch mehr und mehr in dieser These.“
Anscheinend nahm er meine zuvor gesprochenen Worte doch persönlicher als erwartet.
„Aber nun denn, auch wenn ich sie wahrscheinlich langweilen werde mit dem, was ich gefunden habe, werde ich sie dennoch einweihen, schließlich scheinen sie nichts besseres zu tun zu haben.“
Geschickt kam er mit einem kleinen Sprung aus seiner sitzenden Position am Boden in einen festen Stand, wanderte mit Bedacht über den mit Zeitungen besprenkelten Teppich und ging zu seinem Sekretär, dabei die ganze Zeit auf mich einredend.
„Ich habe wahrlich interessante Meldungen über einen sogenannten Magier gefunden, dessen Auftritte unsere Brüder in Übersee immer wieder in Angst, Schrecken und Erstaunen versetzen. Diese teilen stetig und immer wieder erneut die Annahme, dass dieser sich aus den doch wahrlich lebensbedrohlichen Situationen, in die er sich allseits begibt, einfach nicht mehr seinem Todesschicksal entrinnen könnte – und doch werden sie immer wieder eines Besseren belehrt, so dass schon gemunkelt wird, der junge Herr sei mit höheren Mächten im Bunde. Zum Beispiel in dieser Zeitung“, woraufhin er mir eine Times älteren Datum entgegen warf, was für mich die unwiderrufliche Aufforderung des Lesens bedeutete, welcher ich mit einem genervten Zischlaut entgegenkam, ehe er seinen Wortschwall fortsetzte.
„Seite vier, werter Kumpan. Nun denn, der Artikel erzählt von einem waghalsigen Versuch unseres Künstlers, der ihn in festen Handschellen, die hinter dem Rücken zusammengebunden wurden, und in einen verschlossenen Glasraum eingesperrt, welcher sich stetig mit Wasser füllt, beschreibt. Es bleiben ihm nur wenige Minuten, um seine Handschellen abzustreifen sowie das Schloss seines Gefängnisses zu öffnen,ehe er einer qualvollen Suffokation erliegt – und nie weiß auch nur ein Zuschauer, wie ihr Objekt der Spannung und des leichten Vergnügens aus seinen Fesseln gekommen ist. Was schliessen sie daraus, Watson?“
Knisternd faltete ich die Zeitung wieder beisammen, die mir mein Gefährte so freundlich überreicht hatte und rieb mir die Augen.
Konnte es wirklich sein, dass mein Freund, der doch ein solches Genie war, sich von solchen Taschenspielertricks herausgefordert sah? Solch einfacher Trick, der mit etwas Geschick und der Zuhilfenahme eines Dietrichs wunderbar gelingen sollte, konnte doch nicht wirklich den Geist eines Mannes wie Holmes beschlagnahmen, oder?
Etwas biestig warf ich die Zeitung beiseite und blickte wieder zu meinem Freund, der nun die Schubladen seines Sekretärs durchwühlte, offenbar auf der Suche nach irgendetwas für ihn momentan sehr wichtigem.
„Holmes, wollen sie testen, ob ich weniger Verstand als mein Hund Gladstone besitze? Dann muss ich sie leider enttäuschen, so sehe ich doch sehr klar, wie dieser Künstler es schaffen kann – Geschick, Ablenkung und kleine Gaunereien, mehr ist es nicht, was hinter dieser Farce steckt, und nur leicht zu täuschende Bürger dürften auf solche Zaubereien hineinfallen.“
„Fürwahr, Watson, fürwahr!“ kam es laut bestätigend aus Holmes' Richtung, der immer noch durch diverseste Schubladen wühlte, um das gesuchte Objekt auszumachen.
„Doch gab es auch einige Zuschauer, die selbst die kleinste Bewegung dieses Magiers beobachtet haben, speziell aus nächster Nähe, und alle bezeugen, dass es keinerlei fremde Hilfsmittel gab – jede kleinste Kleinigkeit, die dem Mann hätte helfen können, wurde vor der Fesselung entfernt, jede Tasche durchsucht, also scheint es wahrlich unmöglich, dass ihm etwas anderes als schiere Willenskraft und spirituelle Macht zu Seite stehen.“ Schnell schob er sich erneut das Mundstück seiner Pfeife in den Mund – mit einer höchst eigenartigen Bewegung, wie ich feststellen musste – unterbrach seine Suche und drehte sich zu mir.
„Im übrigen ist es immer noch unser Hund“, kam es trocken von ihm, ehe auf einmal etwas schnelles, schweres in meine Richtung flog und beinahe ins Gesicht bekommen hätte, wenn ich nicht noch einigermaßen gute Reflexe besäße.
„Holmes! Sind sie wahnsinnig, einfach Gegenstände nach mir zu werfen, wenn ich nicht-“, fing ich an zu zetern, ehe ich bemerkte, was ich denn da geschnappt hatte – ein paar robuster Handschellen, die Art, wie sie die Londoner Polizei benutzte. Ich erinnerte mich vor allem an dieses Paar, wurden sie uns doch bei unserem letzten Besuch im Scotland Yard vorgeführt – und trugen die Initialien von Constable Clark.
Empört wandte ich mich an Holmes, der nun zufrieden vor sich hin paffend und grinsend zu mir gewandt war, mit dem Gesäß am Sekretär angelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass sie der Polizei wichtiges Arbeitsmaterial einfach so entwenden. Wenn der Constable das bemerkt, dann-“ - doch ich kam gar nicht dazu, meiner Wut und Empörung weiter Luft zu machen, denn Holmes' Grinsen weitete sich nur und die Worte, die darauf folgten, entzogen mir gewaltsam sämtlichen Grund für lautstarke Proteste, die ich gerade eben noch kund tun wollte.
„Fesseln sie mich damit, werter Doktor.“