Zum Inhalt der Seite

彼は殿下、彼は輔佐。

He is the prince, he is the servant.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Anfang vom Ende

Kannon würde jenen Tag nie vergessen.

Er war gerade einmal zwanzig, kaum zum Manne gereift, und wünschte sich schon, sterben zu dürfen.

Marianne war ein wunderbarer Mensch, fand er. Unter all seinen Tanten die liebste.

Offenherzig und mit einem warmen Lächeln. Man munkelte, in sie habe Charles sich wahrhaftig verliebt, doch Kannon hielt dies für ein Gerücht.

Sein Vater hatte zu viele Frauen, um auch nur eine davon zu lieben.

Und doch, Marianne schien etwas Besonderes zu sein. Nicht nur, weil sie ihm den fähigsten aller Söhne geboren hatte, Lelouch vi Britannia.

Kannon liebte es, das Anwesen zu besuchen, auf dem Marianne mit ihren Kindern lebte. Cornelia und Euphemia waren oft da, denn Euphie war zwischen den beiden vi Britannia-Kindern geboren, und Cornelia bewunderte Marianne zutiefst. Auch Kannon fand, dass Marianne jeglichen Respekt verdiente.

Sie war eine Knight auf Rounds gewesen, und nun eine stolze Prinzessin Britannias, dazu eine wunderbare Mutter.

Es war grausam, sie sterben zu sehen.

So viel Blut spritzte, es war überall, überall... Auf dem Teppich, es tropfte die Treppe hinunter, es sickerte durch ihr Kleid, es war da, auf ihrem Gesicht, ihren Händen, Blut, überall nur Blut.

Kannon schrie, als Marianne vornüber kippte.

Sie begrub Nunally unter sich, noch ein Kind, so klein, so unschuldig. Sie lag in den Armen ihrer Mutter, als das letzte Leben aus deren Körper floh.

Der Schock saß tief bei jenen, die an diesem Tage anwesend waren. Niemals könnte Cornelias Gestammel aus seinem Kopf weichen, Marianne hätte die Leibwächter fortgeschickt, es sei ihr Wunsch gewesen, nicht Cornelias Fehler.

Es lag auf der Hand, dass sie sich dennoch die Schuld gab.

Kannon konnte bloß dort stehen, auf der Empore, und kläglich weinen.

Für ihn war es der erste Mord, der erste Tod direkt vor seinen Augen. Warum Marianne, fragte er sich immer wieder, warum sie?

Warum ein Mensch, der ihm so wichtig war?

Der Leichnahm war kalt und schwer in seinem Griff.

An sich war Kannon nie sonderlich stark gewesen. Es fiel ihm nicht leicht, Mariannes Körper hochzuheben und zu halten, doch irgendetwas musste er tun. Wenn er es schon nicht hatte verhindern können, wenn er sie schon nicht hatte retten können, so wollte er wenigstens ihren Leichnam aus dem Saal tragen, wo alle Augen auf sie gerichtet waren.

Ihr Tod machte sie auf eine grausame Art wunderschön.

Kannon wollte, dass sie ruhen konnte. Er wollte nicht, dass alle sie anstarrten, jetzt, da sie den Blicken nicht ausweichen konnte.

Also nahm er die Aufgabe an, die Leiche seiner Tante aus dem Raum zu schaffen, und jeder seiner Schritte hallte schmerzhaft laut in seinem Kopf wieder.

Es dauerte nur wenige Tage, bis ihn die Nachricht ereilte, Mariannes Kinder seien tot.

Er hatte Nunnally gesehen, mit den zerquetschen Beinen und den schockgeweiteten Augen, und sie hatte gelebt; doch in einer Depesche mit dem Siegel des Imperators stand es schwarz auf weiß: der Blutzweig vi Britannia war ausgelöscht.

Sie waren tot, alle drei.

Fortgerissen aus der Welt. Eine Frau voller Lebensfreude, zwei Kinder, deren Leben noch vor ihnen lag. In wenigen Tagen waren drei Menschen verschieden, und die Trauer währte lange.

Warum, diese Frage stellte Kannon sich noch oft.

Es sollte Jahre dauern, bis er die Antwort fand und verstand, was an diesem Tag geschehen war.

Solange er es nicht wusste, erfüllte die bloße Erinnerung daran mit einem Schmerz, der bittersüß sein Herz zerriss.
 

Lange hatte Schneizel überlegt, wie sein Leben nach der Schule ablaufen sollte. Er war Erbe der Grafschaft Kent, und somit ein einflussreicher Mann nach dem Tod seiner Eltern. An Geld würde es ihm ebenfalls nicht mangeln, doch das genügte ihm nicht.

Er wollte nicht warten, bis sein Vater starb und dann seine Ländereien verwalten, er brauchte Herausforderungen, ehe sein brillanter Verstand einstaubte. Seinem Heimatland, dem Weltreich Britannia, war er treu ergeben.

Wie die meisten Kinder im Adelsstand war auch er konservativ aufgezogen worden, und wenngleich er inzwischen seine eigene Sicht der Welt entwickelt hatte, so blieb doch Stolz auf das Reich und Loyalität gegenüber Charles zi Britannia, seinem Imperator.

Unter allen Möglichkeiten, die sich aufzeigten – und das waren mit seinem Abschluss und seiner Herkunft zahlreiche – schien ihm eine Eliteakademie in Pentragon die richtige Wahl.

Dort war sein Studium verknüpft mit einer vollständigen Ausbildung des Militärs, und Schneizel wurde zu einem gewissenhaften Rekruten, der schon bald den Rang eines Offiziers erarbeitete. Für seine Bewunderungen erntete er Bewunderer wie Neider, doch er störte sich nicht sonderlich daran und konzentrierte sich lieber auf sein Studium.

Er mochte mit einem kräftigen Körper ausgestattet sein, aber es war der Stratege in ihm, der ihn so weit gebracht hatte, und er war nicht sonderlich erpicht darauf, an der Waffe zu dienen, bis er als Kanonenfutter endete. Der Weg durchs Rangsystem bis zur Befehlsebene war ihm zu langwierig, zu untypisch für seine Art.

Er gehörte nicht in Militärsuniformen, er gehörte nicht in Panzer oder Knightmares, und vermutlich wäre er eher tot als am Ziel.

An der Universität, die ein Teil der Akademie war, belegte er so viele Studiengänge, wie ihm möglich war. Er reduzierte seine Freizeit auf ein Minimum, wurde ein perfektionistischer Workaholic, um voranzukommen. Noch ein paar Semester, und Firmen würden ihn mit offenen Armen empfangen.

Sein Stand öffnete ihm viele Türen, und seine Bildung würde auch die anderen aufschließen.

Auch das Militär gehörte dazu, der Rang als Offizier. Seine Pläne waren mit Britannia verknüpft, und die Treue eines Soldaten wurde selten angezweifelt.

Schneizel wollte diesem Land dienen und es in die obersten Befehlsebenen schaffen. Er wollte Politik machen, die globale Auswirkungen hatte.

Das Attentat auf Prinzessin Marianne hatte ihn geschockt.

Zu diesem Zeitpunkt war er seit mehreren Jahren mit Lelouch befreundet, hatte dem Jungen sogar ohne Kannon Besuche abgestattet, und es traf ihn wie ein Schlag, dass der Prinz für tot erklärt wurde. Sympathie war etwas, das Schneizel nicht verhindern konnte, auch wenn es ihm suspekt war, und er hatte Lelouch gemocht.

Geliebt wie einen eigenen Bruder.

Nun war er fort, nur noch ein Name im Marmor eines Grabsteines. Marmor, wie unpassend! Man hätte wissen müssen, dass Lelouch stets die schwarzen Figuren beim Schach wählte, aus Onyx hätte man seine Gedenktafel fertigen müssen, matt glänzend und so dunkel wie sein Haar.

Der einzige Mensch, der Schneizel das Wasser reichen konnte, weilte nicht mehr unter den Lebenden. Oft hatte Schneizel überlegt, dem Prinzen zu dienen, wenn dieser alt genug war, doch nun war er nie mehr als Kind geworden.

Schneizel war in seinem letzten Semester, als ihm Kannon auf einem Kongress begegnete. Er hatte sich verändert. Zuerst fielen Schneizel die Haare auf, die nun im Nacken endeten.

Dann bemerkte er, dass sich Kannons ganzes Auftreten gebessert hatte.

Seine Haltung und sein Gang hatten an Sicherheit gewonnen, er wirkte selbstbewusster. Es war ruhig geworden um ihn in der seriösen Presse, und Schneizel machte sich nichts aus glamourösen Zeitschriften mit gefakten Interviews.

Schneizel musterte ihn aus der Ferne, ohne sentimental zu werden. Er war Student, Kannon war Botschafter Britannias.

Oder so etwas in der Richtung.

Sie waren zusammen zur Schule gegangen, und dank Kannon hatte er einige nützliche Kontakte erworben. Gut, sie hatten miteinander geschlafen. Aber das hatte Schneizel auch mit anderen, und er trauerte solchen Dingen nicht nach.

Als Kannon ihn jedoch in der Menge der Eröffnungsfeier erspähte, schien die Vergangenheit wieder ein bisschen lebendig zu werden, denn er freute sich aufrichtig, Schneizel so zufällig zu treffen.

„Graf Maldini, wie schön, Sie zu sehen“, begrüßte er Schneizel förmlich. Freundschaftliche Vertrautheit war den starrten Konventionen der Erwachsenenwelt gewichen.

„Die Freude ist ganz meinerseits, Euer Hoheit“, entgegnete Schneizel galant, „ich hatte nicht erwartet, euch hier anzutreffen.“

„Nun, mein Bruder ist kurzfristig krank geworden“, erklärte Kannon bedauernd, „und da habe ich mich bereit erklärt, einzuspringen.“

Mit einem Augenzwinkern senkte er die Stimme.

„Seine Rede hatte er ohnehin nicht selbst geschrieben, die konnte ich mit wenigen Änderungen weiterverwenden.“

„Ich hatte mich schon gewundert, warum sie nicht so ganz Eurem Stil entsprach“, gab Schneizel lächelnd zu.

„Vermutlich ist das nur Ihnen aufgefallen“, stellte Kannon zufrieden fest, „darf man erfahren, was Sie auf diese Veranstaltung treibt? Ich hätte erwartet, ihr seid noch an der Universität.“

„Ich habe dieses Semester mein Examen“, korrigierte Schneizel, „und möchte jede Möglichkeit nutzen, einen Platz in der Berufswelt Britannias zu finden. Man sagte mir, Euer Bruder erweitere momentan seinen Untergebenenstab.“

„Ich sehe, Sie sind gut informiert“, sprach Kannon mit einem Lächeln, „es ist tatsächlich so, dass Odysseuss sein Team erweitert, er sucht nach Beratern.“

Seine Stimme wurde etwas leiser, und ein Hauch Melancholie huschte über sein Gesicht.

„Wie ich Sie kenne, würden Sie selbst erfahrenere Bewerber ausstechen.“

Schneizel zog es vor, auf diese Bemerkung nicht zu antworten. Eine kurze Stille trat zwischen sie, ehe er eine neue Frage stellte.

„Und Ihr, Hoheit?“, wollte er ruhig wissen, „Man hört nicht viel. Habt Ihr kein Interesse daran, in Eurer Nation mitzubestimmen?“

„Interesse schon“, wich Kannon aus, „aber wohl kaum die Mittel.“

„Wieso nicht?“, hakte Schneizel nach, „Ihr seid nicht viel jünger als Prinz Odysseuss, und habt ähnlich viel Potential.“

„Ich wüsste nicht, worauf ich setzen soll“, gestand Kannon. Er mied Schneizels Blick und stürzte seinen Champagner schneller herunter, als man es mit Alkohol tun sollte.

„Ich habe nicht Cornelias Talente, darum lasse ich die Finger vom Militär. Und ich würde nicht so ernst genommen wie Ody und Guineverre... Selbst Clovis übertrumpft mich schon fast, einfach, weil er so exzentrisch ist, dass er gesehen wird.“

„Der Prinz Kannon, den ich kannte, war ebenfalls exzentrisch“, konterte Schneizel, doch Kannon schüttelte den Kopf.

„Aber ich bin es auf keine nützliche Art“, widersprach er, „Clovis ist von sich selbst so überzeugt, dass andere kaum anders können, als ihn zu bewundern. Bei mir merkt man schnell, dass ich nur ein Schauspieler bin.“

Entschuldigend lächelte Kannon und fächelte sich mit der Hand etwas Luft zu.

„Verzeihen Sie, ich jammere Sie hier voll wie ein kleines Kind“, seufzte er, „haben Sie etwas dagegen, diese Konversation auf dem Balkon fortzusetzen? Furchtbar stickig, die Luft hier drin.“

Während er dem Prinz nach draußen folgte, lief Schneizels Kopf auf Hochtouren. Er setzte Puzzlestücke zusammen, spielte ein paar Szenarien durch, fand Fehler und Lösungen. Zugegeben, Kannons Leben war nicht leicht, doch als er sich ans Geländer des Balkons stellte und Schneizel beobachtete, fand dieser einen Weg, der ihm der richtige für seinen ehemaligen Schulfreund schien.

„Ihr solltet auf kleinere Trümpfe setzen“, riet er nachdenklich, „Ihr müsst jetzt aussähen, was Ihr später ernten wollt. Kleine, unscheinbare Dinge, mit denen Ihr in ein paar Jahren mächtige Werkzeuge habt, die niemand kommen gesehen hat.“

„Und was genau schwebt Ihnen vor?“, fragte Kannon, mehr belustigt als überzeugt.

„Dinge, deren Potential Ihr genau kennt“, fuhr Schneizel ernst fort, „zum Beispiel unseren gemeinsamen Bekannten, Graf Asplund. Er hat sein Studium beendet und arbeitet momentan in einem internationalen Forschungsinstitut, soweit ich weiß.“

Schneizel hatte lockeren Kontakt zu Lloyd gehalten, einem der wenigen Menschen, die ihn verstanden. Lloyd machte sich nichts aus lebendigen Dingen, er war Feuer und Flamme für Technik und Wissenschaft. Seelenlos wie Schneizel, ohne die rosa Brille der Gefühle, die viele ihrer Mitmenschen blendete.

„Er ist vernarrt in Waffentechnik. Gebt ihm ein Budget, lasst ihn ein Team zusammenstellen – übernehmt so etwas nie selbst, Hoheit, Spezialisten wissen besser, mit wem sie arbeiten können – und Ihr werdet Britannia an der Angel haben, weil Ihr den Schlüssel für Eroberungszüge der Zukunft haltet.“

Zum ersten Mal an diesem Abend, zum ersten Mal seit knapp vier Jahren sah er Kannon direkt in die Augen. Schon immer hatte er dort die Intentionen, Wünsche und Zweifel des Prinzen lesen können.

„Ich weiß, Euch liegt nichts am Krieg. Doch Britannia geht einen blutigen Pfad auf der Suche nach Frieden. Und wenn Ihr einsteigt in diese Raffinerie des Wahnsinns, könntet Ihr eines Tages die Richtung bestimmen.“

Schweigen trat zwischen sie. Kannon starrte Schneizel perplex an, doch dieser wandte sich ab und nahm genüsslich einen Schluck Champagner.

„Das alles ist natürlich rein hypothetisch, und ein bloßes Hirngespinst“, erklärte er sachlich zwischen zwei Schlucken, doch Kannon unterbrach ihn. Beim Reden war Schneizel über den Balkon geschlendert, und nun stürzte Kannon beinahe auf ihn zu, und packte ihn am Arm.

Verblüfft fuhr Schneizel herum, und kannon ließ ihn wieder los. Jetzt stand er kerzengerade vor ihm, fast einen Kopf kleiner, aber entschlossen.

„Graf Schneizel Maldini“, verkündete er mit der herrischen Stimme, die er selten zu nutzen wusste, und von der Schneizel wusste, dass er sie für seine Zukunft brauchen würde, „ich habe eine Bitte an Sie.“

Ein Lächeln glitt auf Schneizels Gesicht, verstohlen, siegessicher. Auf diesen Fall hatte er spekuliert. Es war ein kleines Spiel gewesen, ohne Einsatz und Risiko, aber mit einem immensen Gewinn.

„Die da wäre, Euer Hoheit?“

Auch Kannon lächelte kühl, wenn auch charmanter. Er wägte sich als Sieger, obschon ihm wohl klar sein musste, dass Schneizel es ebenso war.

„Lassen Sie meinen Bruder tun und lassen, was er will“, ordnete er ruhig an, „und dienen Sie stattdessen mir, Prinz Kannon el Britannia, niemand sonst.“

Schneizel verbeugte sich höflich.

„Euer Angebot ehrt mich, Hoheit“, antwortete er galant, den Blick zu Boden gerichtet. Dann kniete er vor ihm nieder und küsste Kannon förmlich die Hand. Es war für beide keinesfalls eine Anspielung auf vergangene Tage, auf eine Nacht, die so nie hätte passieren dürfen, sondern ein Symbol von untertäniger Loyalität.

Nun linste Schneizel wieder nach oben, in Kannons Gesicht, das vielleicht schönste, das er je gesehen hatte.

„Und der Wunsch meines Prinzen soll mir Befehl sein.“

Sie hatten beide gewonnen.
 

Es dauerte noch drei Monate, ehe Schneizel offiziell in die Dienste des Prinzen trat.

Kannon musste warten, bis Schneizel sein Studium beendete, und so nutzte er die Zeit, um alles in die Wege zu leiten.

Ihm gefiel der Gedanke, mit Schneizel zusammen zu arbeiten. Er hatten den Grafen in guter Erinnerung behalten, und oft spekuliert, ob er ihn wiedersehen würde vorm Antlitz der Welt. Schon immer war es Kannon so vor gekommen, als läge Schneizels Zukunft in den Diensten der Kronfamilie.

Er hatte sich nie vorstellen können, der Graf würde in einer anderen Stellung arbeiten. Wie das Sahnehäubchen einer Torte wäre er eine Zierde für das Repertoire eines Thronerben gewesen, eine Waffe von immenser Schärfe, um Rivalen um die Krone ebenso wie Feinde des Imperiums auszustechen.

Die Frage war nur gewesen, wer diese Waffe führen würde. Für Kannon war es selbstverständlich gewesen, dass Schneizel seinen Herrn auswählte, nicht umgekehrt. Er war kein Freund des Zufalls, sondern ein Mann, der sein Schicksal selbst in die Hand nahm. Eigentlich wäre Lelouch sein Prinz gewesen, das wusste Kannon.

Doch Lelouch war tot, und es ehrte Kannon, dass er ihn ersetzen durfte. Eine leise Ahnung stieg in ihm auf, die Sorge, zu einer Marionette zu werden, doch Kannon schob die aufkeimende Furcht beiseite. Lieber wollte er daran glauben, dass es funktionieren würde.

Und vor allem daran, dass Schneizel ihn endlich zu dem machte, was alle von ihm sehen wollten.

Als Schneizel schließlich begann, als Berater für ihn zu arbeiten, verschaffte er sich in kürzester Zeit Respekt von Kannons anderen Bediensteten. Es dauerte nicht einmal ein Jahr, da war er hoch geschätzt selbst von jenen, die Kannon vom Imperator höchstpersönlich übernommen hatte. Charles Leute steckten in jeder Abteilung der Regierung, doch Kannons Bereiche waren die ersten, in denen sie ihren Einfluss stückweise verloren – an Graf Schneizel Maldini.

Schneizel ordnete sich niemandem unter, außer Kannon. Doch er bewahrte dabei eine Höflichkeit, eine subtil freundschaftliche Art, und wickelte mit seinem Charme reihenweise Vorgesetzte um den Finger. Mit seinen Fähigkeiten schien es ein Leichtes, sie auszustechen.

Eine Weile lang beunruhigten die Veränderungen Kannon. Der Prinz fürchtete, ebenfalls bloß zu einer Stufe auf der Treppe von Schneizels Erfolg zu sein, eine weitere Station auf dem Weg nach oben. Er wollte nicht übergangen werden.

Immerhin hatte er Schneizel eingestellt, und ihn an sich gebunden.

Kannon war erzogen worden in dem Glauben, die Welt läge ihn zu Füßen. Er war aufgewachsen mit dem Wissen, dass er mit Menschen spielen konnte.

All das hatte ihn nie interessiert.

Doch als sich Schneizels Präsenz an seiner Seite normalisierte, als die Anwesenheit des Grafen Alltag wurde, war es auf einmal doch reizvoll, ein Prinz zu sein. Auf einmal gewann der Stand an Bedeutung.

Schneizel gehörte ihm.

Es störte Kannon beinahe, dass andere ihn ansahen, mit ihm sprachen, ihn von der Arbeit mit dem Prinzen abhielten. Überall waren Leute, griffen Hände nach dem Genie, überall wollten ihn Menschen für sich gewinnen, doch er gehörte Kannon, nur Kannon allein, er war sein Eigentum.

Im Grunde genommen wusste Kannon, dass es Wahnsinn war.

Im Grunde genommen wusste er von Beginn an, dass es nicht gut gehen konnte.

Im Grunde genommen wusste er von dem Moment an, da er Schneizel das erste Mal begegnete, damals zu Schulzeiten, dass dieser Mann sein Untergang war.

Doch selbst, wenn es ihm klar war, ließ Kannon alles zu. Er ließ zu, dass Schneizel mehr und mehr Aufgaben für ihn übernahm und somit die Fäden bei ihm zusammenliefen.

Er ließ zu, dass Schneizel ihm bald näher stand, als jeder andere seiner Angestellten.

Schneizel war dabei überaus kompetent. Der komplette Tagesablauf von Kannon wurde durchgeplant, Schneizel organisierte Zusammentreffen und Sitzungen, und da er bei allem seine Finger im Spiel hatte, konnte er schnell und flexibel den Terminplan umstellen, falls sich etwas verschob. Er unterstütze Kannon, wo er nur konnte – wenn Reden zu halten waren, erstellte er die Stichwörter mit ihm und studierte die Mimik ein, bei politischen Treffen sammelte er Informationen über die Anwesenden, er stellte Notizen zusammen und erarbeitete Pläne, argumentierte für Kannons Standpunkte und war rund um die Uhr zur Stelle.

Egal, worum es ging, Kannon war ohne Schneizel nicht anzutreffen. Er vertraute Schneizel und vor allem seinem enormen Potential, und je länger sie zusammenarbeiteten, desto mehr profitierte Kannon selbst davon.

Sein Einfluss in Britannia stieg. Schon als Kind war sein Gesicht bekannt gewesen, doch dank Schneizels Bemühungen festigte sich nun ein ansehnlicher Ruf. Der Graf hielt sich öffentlich bedeckt; er mochte sähen und gießen, doch die Ernte überließ er seinem Prinzen.

Kannon ahnte, was Schneizels Ziele waren. Dennoch ließ er zu, dass Schneizel ihn zu dem machte, was er werden sollte – einer der mächtigsten Männer Britannias.

Er ahnte, wohin alles führte.

Dennoch ließ er zu, dass Schneizel ihn für die Wahl zum Premierminister aufstellte.
 

Eigentlich hätte Schneizel selbst kandidieren können.

Er hätte das Programm verwenden können, dass er für Kannon erstellte, ohne viel daran zu ändern. Das Vertrauen von Britannias Wählern war leicht zu erwerben, zumal er durchaus nicht unbekannt war.

Als Assisstent von Kannon el Britannia könnte er sich mit den federn schmücken, die er dem Prinzen verliehen hatte. Es wäre nicht schwierig, seine Erfolge wieder für ihn nutzbar zu machen.

Kannon hätte ihn unterstützt, vermutlich.

Doch Schneizel wusste, dass es rentabler war, wenn Kannon diese Position ergriff.

Britannias Parlament hatte einen repräsnetativen Charakter – viel mehr als existieren tat es nicht. Die Gesetze waren so konstruiert, dass die Kronfamilie mehr Veto-Rechte besaß, als das Parlament Entscheidungen fällen konnte. Für das Volk sah es aus, als läge die Legislative beim Parlament, doch tatsächlich gebührte sie dem Imperator.

Das einzig wichtige war die Position des Premierministers, der zwar keine Anwesenheitspflicht hatte, es sei denn, es handelte sich um eine außerordentliche Versammlung, aber er hatte dennoch Einfluss.

Vor allem aber wurde der Premierminister vom Volk wie vom Adel gewählt. Das Wahlrecht war ungleich verteilt, wodurch Kandidaten aus dem Adelsstand begünstigt wurden, doch es war immerhin annähernd demokratisch.

Der größte Feind der Monarchie unter Charles zi Britannia, einem Herrscher, der nur durch die an seine Kinder verteilte Macht nicht dem Absolutismus angehörte, war eine Einflussperson, der das Volk lieber folgte als ihm. Da die Wahlen so angelegt und nachträglich manipuliert wurden, dass nur Kronloyale, meist sogar Puritaner, durchkamen, hatte es nie ein Problem für seine Herrschaft gegeben.

Wenn es jedoch Kannon würde, sparte das Schneizel mehrere Jahre harter Arbeit. Mit einem Schlag würde seine Stellung unter den Prinzen Britannias mehrere Ränge nach oben klettern, denn ihm eröffneten sich neue Möglichkeiten; Schneizel eröffneten sich diese Möglichkeiten.

Er würde gewinnen, einmal mehr.

Wäre er selbst diesen Weg gegangen, so hätte er durchaus gute Chancen gehabt, gewählt zu werden. Doch von da aus wäre er gewzungen worden, sein Haupt vor den Erben Britannias zu neigen.

Unter Kannons Geschwistern wussten die meisten um die Gefahr, die von Schneizel Maldini, dem Grafen von Kent und unscheinbaren Assistenten des zweiten Prinzen ausging. Sie hatten bereits verstanden, dass dieser Mann bedrohlich nahe an den Thron herankommen könnte, wenn dieser nicht den Kindern des Imperators vorbehalten wäre.

Also schickte er Kannon vor.

Kannons freundlcieh, warmherzige Art erntete Sympathien, und das von Schneizel erstellte Konzept sicherte ihm zudem die Stimmen derer, die tatsächlich etwas von Politik auf globaler Ebene verstanden.

Es war eine glorreiche Veranstaltung; Schneizel würde nie vergessen, wie Kannon strahlte im Licht von scheinwerfern und Blitzlichtern.

Seine Stimme war fest und bestimmt, als er seine Dankesrede hielt. Schneizel war stolz auf ihn, stolz auf den Menschen, den er geschaffen hatte. Kannon war sein Werk, und nun war er nicht nur Prinz, sondern auch Premierminister des mächtigsten Reiches seiner Zeit.

Das Lächeln für die Presse war echt.

Schneizel mochte Kannons Lächeln, es gefiel ihm. Er stand etwas abseits an eine Wand gelehnt, als Kannon von Fotografen und Reportern belagert wurde, und beobachtete bloß den jungen Mann. Selbst in einem Kongressaal, der bis zum Bersten gefüllt war, zog er alle Blicke auf sich.

Kannon war immer schon hübsch gewesen, doch er war noch hübscher geworden mit den Jahren, fand Schneizel.

Er konnte sich nicht erklären, warum er sich ausgerechnet jetzt, in diesen absurden Moment an alte Gelüste erinnerte. An eine Leidenschaft, die in ihm gebrannt hatte für diesen Mann, seinen Prinzen.

Schneizel hatte mehrere Männer gehabt seither, und noch mehr Frauen, doch niemand hatte es vollbracht, ihn auch nur annähernd so fühlen zu lassen wie in dieser einen Nacht, bevor sich ihre Wege trennten. Niemand hatte es geschafft, die Erinnerungen durch neue zu ersetzen.

Schneizel hatte keine Ahnung, warum er in diesem Moment daran dachte.

Es war nicht so, als würde er Kannon noch immer begehren.

Doch als Kannon die Kameras übersah und sein Lächeln für einen Moment bloß dem Grafen galt, fragte Schneizel sich unweigerlich, ob Kannon ebenfalls Distanz zu den Geschehnissen gefunden hatte.

Als Kannon schließlich nach einer Weile Zeit fand, sich zu ihm zu gesellen, erhielt er eine Antwort.

„Gratuliere, Hoheit“, sprach er aufrichtig, während er Kannon die hand schüttelte.

Eine alltägliche Geste, und doch fremd zwischen ihnen.

„Ich bin stolz auf euch“, gab Schneizel ehrlich zu.

Kannon hingegen umfasste seine Finger mit beiden Händen, und sein Lächeln war noch strahlender, noch schöner, noch vollkommener als je zu vor.

„Und ich danke Euch“, gab er nur zurück, „ich danke Euch von ganzen Herzen, Schneizel.“

In diesem Moment verstand Schneizel, dass Kannon auf dem besten Weg war, ihm erneut zu verfallen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  LelouchLamperouge
2011-03-29T13:58:40+00:00 29.03.2011 15:58
Das Kapitel ist auch sowas von liebe *Q*
also echt dein schreibstill ist klasse ich finds geil

Schneizel und Kannon sehen sich wieder und und
ah wo er isch vor ihm hinkniet und auf die Hand küsst~das war so toll und waii~
Nun sind sie sich wieder nah aber Schneizel er nutzt es aus obwohl gegen ende des kapitels XD er denkt an die Nacht harrrr~ *grins*

Echt wieder Super Kapitel~ ich find das sowas von toll sehr sogar *smile*


Zurück