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Nur ein Blick von dir

von

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Kapitel 1

Kapitel 1
 

"Der dritte Platz geht an Matt, der zweite an Mello und den ersten Platz hat wieder einmal Near erreicht."

Roger, einer der Aufseher im Wammy`s House verteilte die Urkunden an die drei Jungen. Von den anderen Waisenkindern gab es Beifall und bewundernde Blicke, die besonders Near galten. Near jedoch saß einfach nur da, ein Bein angezogen, das andere unter dem Körper verborgen. Eine Hand lag ruhend auf seinem Knie, während die Finger der anderen Hand mit dem weißen, lockigen Haar spielten. Sein Gesicht war mimiklos.

Matt lachte und sagte mit einem schiefen Grinsen: "Na ja, es hat wieder einmal nicht geklappt. Ich werde dich nie übertrumpfen, Mello!" Er legte eine Hand auf Mellos Schulter und kicherte. Ihn interessierte die Rangliste nicht besonders. Er wollte einfach nur schnell in sein Zimmer, um das neue Game auszuprobieren, das er gestern bekommen hatte.

Mello sagte nichts. Seine Miene war versteinert in Wut.

Near... Er ist wieder die Nummer Eins. Nie ist es anders. Ich bin immer die Nummer Zwei.

Seine Hände ballten sich zu Fäusten bis die Knöchel weiß hervortraten. Wie konnte das nur sein? Egal wie sehr er sich anstrengte, nie schaffte es Mello, Near zu schlagen. Es war wie ein Fluch!

Und Near? Er zeigte keine Gefühlsregung, weder bei einem seiner vielen Erfolge noch sonst. Wenn er doch nur ein arrogantes Grinsen zeigen oder ein überhebliches Lachen von sich geben würde! Aber nein... nichts von alledem war dem weiß gekleideten Jungen zu entlocken.

Mello knirschte mit den Zähnen, als ihm plötzlich ein Gedanke in den Sinn kam.

Wie würde wohl ein ängstlicher Near aussehen? Ein zorniger? Oder ein weinender?

Ein unheilvolles Grinsen breitete sich auf Mellos Gesicht aus.

Er würde es versuchen. Er wollte Near sehen. In Angst, Wut und Trauer... Das würde sein, Mellos, Sieg sein...!
 

Kapitel 2
 

"Hey, Near!"

Marcus, eines der jüngeren Kinder im Wammy`s House, kam in den großen Aufenthaltsraum gerannt. Near blickte kurz von seinem Puzzle auf, sah Marcus und senkte den Blick wieder. Klick...ein weiteres Puzzlestück fügte sich in das vollkommen weiße Puzzle ein.

"Was gibt es, Marcus?", fragte Near ohne den Jungen anzusehen.

Marcus strich sich ein paar braune Haarsträhnen aus dem Gesicht und tippte auf einer Stelle herum. "Möchtest du nicht mit hinaus kommen? Das Wetter ist wunderschön. Die Sonne scheint und es ist warm und-"

"Nein, danke, Marcus." Klick...wieder ein Puzzlestück.

"Aber...du sitzt immer nur im Haus. Du musst doch auch mal an die frische Luft!" Marcus zeigte mit dem Arm aus dem Fenster hinaus.

"Das Puzzle muss gelöst werden", erwiderte Near und setzte ein weiteres Stück ins Gefüge ein.

Marcus blieben die Worte im Halse stecken. Er wandte sich um und rannte hinaus.

Klick...das letzte Puzzlestück. Das weiße Puzzle mit dem schwarzen L in der linken Oberseite war gelöst. Ohne weiter zu verharren, drehte Near das Puzzlebrett um und ließ die Puzzleteile auf den Boden fallen. Dann legte er das Brett wieder vor sich hin und griff nach dem ersten weißen Teil.
 

Mello hatte alles mit angesehen. Nun kam er hinter dem breiten Holzbalken hervor und trat zu Near. Near zeigte keinerlei Regung. Er fügte ein Puzzleteil nach dem anderen in das Brett ein.

"Hey, Near!" Mello stellte sich direkt vor Near.

"Mello."

"Du wirst irgendwann als ewiger Pflegefall im Bett landen, wenn du nie raus gehst."

"Danke für deine Fürsorge, Mello, aber ich denke, dass das mein Problem ist und nicht deines."

Wie war das? Fürsorge? Was bildet der sich ein?

"Komm bloß nicht auf falsche Gedanken, Near! Ich mache mir keine Sorgen um dich! Von mir aus sollst du verrecken!"

Mellos Hände hatten sich wieder zu Fäusten geballt und in seinen Augen glomm Wut auf.

"Genau das ist dein Problem, Mello. Du kannst dich nicht beherrschen." Near hatte weder sein Puzzlespiel unterbrochen, noch hatte er Mello ein einziges Mal angesehen.

"Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!", brüllte Mello und ergriff Near am Kragen seines weißen Hemds.

Und er sah ihn an. Near blickte Mello direkt ins Gesicht. Seine Augen waren tief wie Brunnen und ebenso dunkel. Mello stockte der Atem. Selbst in seinen Augen waren keinerlei Gefühle oder Emotionen zu erkennen! Was sollte er nur tun? Wie konnte er Near besiegen?

Und da kam ihm eine Idee... eine überaus wahnsinnige Idee. Wenn es jemand erfahren würde... doch der Hass auf Near war stärker.

Mello packte Near fester, presste ihn gegen die Wand und sah ihm tief in die Augen.

Und dann drückte er seine Lippen auf Nears.

In diesem Augenblick passierte etwas mit Near. Sein ganzer Körper versteifte sich. Seine Finger verkrallten sich in Mellos Pullover. Und seine Augen weiteten sich. Nicht nur das! Mello sah Überraschung in ihnen. Erstaunen und Entsetzen. Menschliche Gefühle! Er hatte es geschafft!

Mit der Gewissenheit des Siegs ließ Mello von Near ab. Near rutschte an der Wand hinab und regte sich nicht mehr.

Mello grinste und verließ den Raum, Near hinter sich lassend.
 

Kapitel 3
 

"Mello, hast du Near irgendwo gesehen? Ich suche ihn schon den ganzen Tag."

Roger schüttelte verzweifelt den Kopf und machte ein besorgtes Gesicht.

"Ich weiß nicht, wo er ist, Roger."

Mello blickte nur kurz zu Roger und wandte sofort wieder den Blick ab.

Matt sagte gar nichts; er war in sein neues Videospiel vertieft.

"Oh", sagte Roger und runzelte die Stirn. "Ich hatte gehofft, jemand würde wissen, wo Near steckt. Dann muss ich ihn allein weiter suchen."

Mit einem kurzen Wink seiner Hand schloss Roger die Tür von Mellos Zimmer hinter sich.

"Bestimmt hat sich der Kerl wieder irgendwo verkrochen, um in Ruhe sein Puzzle zu beenden", sagte Matt, während seine Finger auf den Knöpfen seiner PSP herum rasten.

"Ja, bestimmt", erwiderte Mello und lachte halbherzig.

Obwohl Matt sein bester Freund war, hatte Mello ihm nichts erzählt. Wozu auch? Das morgige Ereignis hatte keinerlei Bedeutung... Matt hätte nur gelacht und irgendwelche dummen Witze gemacht. Nein, die Sache mit dem Kuss dürfte niemand erfahren!

Der Kuss... Mello knirschte unwillkürlich mit den Zähnen. Er hatte nicht mehr daran denken wollen! Und doch... kaum waren seine Gedanken ruhig geworden, so schlich sich sofort das Bild in Mellos Kopf. Das Bild von Nears Augen, in denen sich Mellos Gesicht gespiegelt hatte. Nears Augen, die eine Regung gezeigt hatten.

Seine Lippen waren wärmer gewesen, als ich es vermutet hätte...

Halt! Was hatte er da gerade gedacht? Das war doch einfach wahnsinnig! Und doch... eigentlich hatte er erwartet, dass Nears Lippen und Haut kalt sein würden. Leblos. So wie Near selbst es doch war. Aber es war ganz und gar nicht so gewesen. Nears Lippen waren warm und weich gewesen. Und seine Haut hatte angenehm und wohlig gerochen...

Mello schluckte schwer. Was zum Henker tat er da bloß?

Er warf rasch einen Blick zu Matt. Doch dieser hatte nichts von der Verzweiflung seines Freundes mitbekommen. Ihn fesselte gerade der Endboss des 13. Levels.

Mello seufzte.

Es hilft nichts. Ich brauche frische Luft.

Er stand auf und griff nach seinen Turnschuhen.

"Wo gehst du hin?" Matt sah ihn fragend an. Die PSP ruhte in seinen Händen.

"Ich bin bald wieder da. Ich geh nur kurz raus: ein bisschen frische Luft schnappen."

"Ach so", erwiderte Matt und widmete sich sogleich wieder seine Konsole.

Mello verdrehte lächelnd die Augen.
 

Kapitel 4
 

Es war kühl und windig im Garten des Wammy`s House. Der Herbstwind ließ die herabgefallenen, bunten Blätter über das Gras tanzen. Nur ein paar Kinder spielten bei dem ungemütlichen Wetter im Freien. Mello hatte keine Lust, sich ihnen anzuschließen und schlenderte daher fernab der anderen durch den Garten.

Nach einer Weile kam er an eine Stelle, die er mit einer schönen Erinnerung verband. Etwas weiter vom Haus entfernt inmitten von hohen Bäumen stand eine weiße Bank. An diesem Ort hatte Mello vor einigen Jahren zum allerersten Mal L getroffen. L war der weltbeste Detektiv und nur wegen ihm war Mello im Wammy`s House aufgenommen worden. Denn der eigentliche Zweck des Waisenhauses für hochbegabte Kinder war, einen Nachfolger für L zu finden.

Mello war eines Tages- ebenso wie an diesem Tag- durch den Garten geschlendert, als er zu der Bank gekommen war. Und darauf hatte ein junger Mann gesessen. Er war vielleicht um die fünfzehn, sechzehn Jahre alt gewesen, hatte strubbeliges, schwarzes Haar und auffallend starke Augenringe. Mello hatte nicht gewusst, dass es L war. Wie hätte er auch? Er hatte ihn vorher noch nie gesehen, weder in Real noch auf Fotos. Er hatte nur seine Stimme gehört. Durch einen Computer pflegte L mit den Waisenkindern hin und wieder einmal zu sprechen. Er stellte ihnen Fragen und beantwortete selbst die ihm von den Kindern gestellten Fragen.

An dem Tag hatte sich Mello einfach zu dem merkwürdig wirkenden Jungen gesetzt. Er hatte ihn begrüßt und als der Junge den Gruß erwidert hatte, erkannte Mello Ls Stimme. L persönlich zu treffen war einer der schönsten Momente für Mello gewesen. Zum Abschied hatte L ihm eine Tafel Schokolade geschenkt, von der Mello seitdem nicht mehr die Finger ließ.
 

Eigentlich hatte Mello gedacht, er sei allein an diesem Ort, doch als er die Bank entdeckte, saß jemand darauf. Eine weiße Gestalt, das linke Knie an den Körper gezogen und die linke Hand darauf ruhend. Near.

Mello blieb verwundert stehen und starrte Near an. Near? Außerhalb des Hauses?

Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.

In diesem Augenblick hob Near den Kopf und seine Finger ließen seine Haare frei. Er blickte Mello direkt ins Gesicht. Und zwar mit dem regungslosen Ausdruck, den Mello so sehr hasste. So wie er alles an Near hasste...

"Ist dir nicht kalt hier draußen, Near?", fragte er und grinste gehässig, als er bemerkte, dass Near nichts weiter an hatte als sonst: seine weiße Hose, sein weißes Hemd und - ausnahmsweise einmal - weiße Schuhe. Er musste frieren, dachte Mello.

Near senkte kurz den Blick und sah an sich herunter. "Nein, es geht schon. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen, Mello."

Was zum...? Sorgen?! Nears Stimme hatte vollkommen ausdruckslos geklungen und doch war es für Mello wie eine Provokation.

"Jetzt hör mir mal zu, Near!", schrie Mello und ergriff Near mit einer Hand am Kragen.

"Ich mache mir keine Sorgen um dich! Du bist mir egal! Ich hasse dich!"

"Und warum hast du mich dann geküsst?"

Near sah Mello immer noch direkt ins Gesicht. Keinerlei Gefühle konnte Mello erkennen.

Nears Frage hatte ihn erstarren lassen. Was sollte er antworten? Würde Near ihm eine Lüge glauben?

"Das ist ein weiteres deiner Probleme, Mello", sagte Near schließlich. "Du denkst nie nach, bevor du etwas tust, weil du dich immer von deinen Emotionen leiten lässt."

Nears Worte brachten Mellos Blut zum Kochen.

Nun packte er Near mit beiden Händen am Kragen und zog ihn zu sich heran. Ihre Gesichter waren nur noch ein paar fingerbreit voneinander entfernt.

"Sich von seinen Emotionen leiten zu lassen ist besser als gar keine zu besitzen. Ist es nicht so, Near?" Mello grinste. Wie lange er diese Worte schon hatte sagen wollen!

Near erwiderte nichts. Wusste er nichts zu erwidern? War er sprachlos?

Plötzlich riss Near sich los, stieß Mello von sich weg und rannte davon, Richtung des Hauses. Unerwartet schnell war er zwischen den Bäumen und Büschen verschwunden.

Doch das kümmerte Mello nicht. Er hatte erreicht, was er gewollt hatte. Nie würde er den Ausdruck in Nears Gesicht vergessen! Mello hatte tatsächlich Tränen in Nears Augen gesehen. Tränen und völliges Entsetzen!

Das war mehr als Mello je gehofft hatte.
 

Kapitel 5
 

In dieser Nacht erwachte Mello mit einem Aufschrei aus einem Traum. Oh, wie er sich für diesen Traum verachtete!

Er hatte von Near geträumt. Near, der sich weinend von ihm abwandte. Near, dem Tränen über das sonst so glatte Gesicht liefen, während Mello ihn küsste. Near, der ihm entgegen rief, dass er ihn hasste.

Und zum Schluss war Near zu ihm gekommen und hatte ihn geküsst. Doch nicht so, wie Mello es bei ihm getan hatte. Nein, dieser Kuss war inniger gewesen.

Und selbst jetzt, im wachen Zustand, konnte Mello noch die warmen, drängenden Lippen Nears auf den seinen spüren. Und plötzlich ertappte sich Mello bei dem Wunschgedanken, dass er den Kuss gern Wirklichkeit werden lassen würde.

Ich Narr!, schalt sich Mello und raufte sich die blonden, kinnlangen Haare.

Ich habe ihm gezeigt, dass seine schützende Wand aus Emotionslosigkeit nicht unbesiegbar ist! Warum denke ich dann an so etwas? Warum wünsche ich mir, noch mehr von seinen Emotionen zu sehen? Was hab ich da nur angestellt?

An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Mello wusste nicht mehr weiter. Wenn er schlafen würde, dann könnten die Träume wiederkehren. Doch wenn er jetzt wach in seinem Bett saß, dann waren es seine Gedanken, die sich allein um Near drehten. So oder so- Mello würde keine Ruhe haben.

"Verdammt!"

Er rappelte sich aus seinem Bett auf und lief zähneknirschend in seinem Zimmer umher.

Was war nur los mit ihm?

Das Bild des weg rennenden Nears kam ihm unerwartet in den Sinn. Near hatte geweint. Wegen ihm.

War es nicht das gewesen, was er sich gewünscht hatte? Aber warum brannte dann sein Herz bei dem Gedanken, Near weh getan zu haben?

Ohne genau zu wissen, was er da eigentlich tat, ging Mello zu seiner Zimmertür und öffnete sie leise. Vorsichtig spähte er den Flur hinauf und hinab, doch zu dieser Zeit war es beinah totenstill im Haus.

Auf Zehenspitzen durchquerte er den Gang bis zu einer Tür, an der- so wie an jeder Zimmertür- ein kleines Schild hing. Auf das Schild war mit fein säuberlicher Schrift "Near" geschrieben. Es war Nears Schrift. Mello dachte kurz an sein Zimmerschild und verzog den Mund. Er hatte seinen Namen mit schwarzer Kreide einfach hin gekritzelt.

Ohne zu klopfen öffnete Mello die Tür und schlich in Nears Zimmer hinein.

"Mello?"

Mello erstarrte. Ganz langsam wandte er sich um und sah Near auf der gepolsterten Fensterbank sitzen. Eine Hand war in seinen Haaren verschwunden und er hatte anscheinend in Gedanken versunken aus dem Fenster in die von einem großen, runden Mond erhellte Nacht gesehen.

Near wurde von dem Mondlicht vollkommen beschienen und es schien so, als leuchtete er.

"Mello, was willst du so spät hier?"

Misstrauen schwang in seiner Stimme mit, doch seine Miene war glatt wie immer.

Mello stand immer noch wie erstarrt da und sah Near an. Bei seinem Anblick hatte Mellos Herz einen Hopser gemacht, was ihn ziemlich verwirrte. Im gleichen Moment schluckte er seinen aufkeimenden Zorn herunter, der durch Nears Gesicht angefacht worden war. Täuschte er sich, oder waren Nears Augen ein wenig rot angeschwollen?

Mit wenigen Schritten war Mello bei Near.

Near sah ihn an.

"Ich weiß, du würdest das nie von mir erwarten, aber", Mello musste schwer schlucken, " aber ich möchte mich bei dir entschuldigen."

Es war raus! Er hatte es tatsächlich gesagt. Er hatte sich bei Near, dem Near, den er doch eigentlich so sehr hasste, entschuldigt!

Near sah ihn an. Doch in seinen Augen konnte Mello eindeutig Verwunderung erkennen.

"Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet", sagte Near schließlich und ließ eine Haarsträhne durch seine Finger gleiten, um sie sogleich wieder aufzunehmen.

Mellos Augen hafteten an Nears Lippen, die verführerisch schimmerten.

"Near, ich..."

"Ja?"

Near schien Mellos Blick bemerkt zu haben. Und ganz entgegen Mellos Erwartungen wandte Near sich nicht ab, sondern rutschte in seine Richtung. Er saß nun direkt vor Mello und sah ihn an.

"Near... ich hasse dich nicht...ich habe dich nie gehasst. Immer bist du besser als ich. Und nie zeigtest du Stolz oder Freude. Nie hast du mich gesehen..."

Near sah ihn an und sagte nichts. Stattdessen strecke er einen Hand aus und ergriff Mellos Pulloversaum.

"Mello, du irrst dich", sagte er schließlich, seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern.

"Ich habe dich immer schon gesehen. Nur... ich hatte Angst. Angst, dass du und die anderen mich verstoßen würdet. Doch immer schon hab ich dich gesehen und gehofft, du würdest mich mit einem anderen Blick anschauen als mit hasserfüllten Augen."

"Near..."

Mello streckte beide Arme aus und zog den weiß umhüllten, dünnen Körper Nears an sich.

Near schien so zerbrechlich zu sein, dass Mello Angst hatte, seine Arme fester um den zierlichen Körper zu schlingen.

Wie ein fast Ertrunkener sog Mello Nears Duft in sich hinein und atmete tief aus.
 

>>>Zaghaft legte auch Near seine Arme um Mellos Taille, ihr Gewicht kaum spürbar.

Wenige Momente später löste sich Mello vorsichtig von Near und sah ihm ins Gesicht. Seine dunklen Augen schimmerten im Mondlicht. Mello bemerkte verwundert, dass er sich heute nicht in ihnen sehen konnte: Ein Gefühl saß jetzt in ihnen. Mello lächelte und Near erwiderte die Geste zögerlich.

"Near", flüsterte Mello leise und legte eine Hand an Nears rechte Wange. "Near, ich..." Trotz des Glücks, das er gerade empfand, konnte er seinen sehnlichsten Wunsch nicht in Worte fassen. Zu frisch war die Versöhnung noch.

Doch Near lächelte nur weiter. Dann, ganz langsam, hob er einen Arm und zupfte mit seinen zierlichen Fingern an einer blonden Strähne, die sich über Mellos Gesicht gelegt hatte. Mello verstand die Geste.

Anders als am gestrigen Morgen fasste Mello sanft Nears Schultern. Seine Lippen fand die des anderen und die Zeit schien auf einmal still zu stehen. Unglaublich süß war das Gefühl, dass Mello spürte. Ohne darüber nachzudenken, zog er Near näher zu sich heran. Und auch Near schien keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können. Er drängte sich enger an Mellos Körper und seine Finger krallten sich in seinen Rücken. Mellos Herz schlug schneller als jemals zuvor, doch er wollte noch etwas mehr. Nur ein wenig...

Vorsichtig öffnete er seinen Mund und berührte mit seiner Zunge Nears Lippen. Sofort spürte er ein kurzes Zurückweichen des anderen Jungen, doch dann öffnete auch Near zitternd seinen Mund.

Plötzlich fühlte Mellos etwas Nasses an seinen Wangen und verwirrt löste er sich von Near und starrte den Jungen an. Dem Weißhaarigen flossen Tränen an den Wangen herunter und fielen zu Boden.

"Near? Was ist denn los? War ich zu forsch?"

Near sagte nichts. Er hatte den Blick abgewandt, konnte Mello nicht ins Gesicht schauen. Doch dann ergriff er Mellos Ärmelsaum und lehnte sich in seine Arme. Verwundert ließ Mello es geschehen, obwohl er sich nicht erklären konnte, was das zu bedeuten hatte.

"Mello", murmelte Near an seiner Schulter, "kann ich dich etwas fragen? Etwas, das nur du beantworten kannst?"

"Was ist es?"

Stille. Anscheinend schien Near mit sich selbst zu hadern. Er war also schüchtern! Mello musste innerlich lachen.

"Wirst du für immer bei mir bleiben? Wirst du immer für mich da sein?"

Mit diesen Fragen hatte Mello nun überhaupt nicht gerechnet. Doch er wusste, dass Near sie ernst gemeint hatte. So wie er alles ernst meinte, was er sagte. Mello konnte verstehen, was in dem Jungen vorging, fühlte er doch nicht anders...

Mello schob Near sanft von sich und nahm sein Gesicht in seine Hände. Near versuchte, seinem forschenden Blick zu entweichen. Seine Wangen waren gerötet.

"Near, sieh mich bitte an", flehte Mello. Near richtete seine Augen auf ihn.

"Du kannst mir glauben..." Er verstummte kurz und schluckte. "Ich werde immer bei dir sein. Du kannst immer zu mir kommen. Ich verspreche es dir. Ich... ich liebe dich doch."

Near starrte ihn an und sein Mund öffnete sich vor Erstaunen. Doch dann schlang er die Arme um Mellos Hals und schmiegte sich an ihn. "Ich dich doch auch, Mello!", rief er.
 


 

Kapitel 6/ Epilog
 

Einen Monat später teilte Roger die Halbjahresprüfungen, die vor zwei Wochen stattgefunden hatten, aus. Die Waisenkinder hatten sich um Near, Mello und Matt gescharrt, um wenigstens einen Blick auf die Meisterarbeiten zu erhaschen.

"Heute ist wirklich ein seltsamer Tag", sagte Roger und blickte verwundert Near und Mello an. Beide Jungen erwiderten den Blick und nahmen schweigend ihre Arbeiten entgegen.

"Diesmal haben wir zweimal den ersten Platz! Mello und Near haben in den Halbjahresprüfungen die gleiche Punktzahl erreicht!", sagte Roger und man sah ihm das Erstaunen eindeutig an. Die Waisenkinder fingen an zu tuscheln, während Matt lachte.

"Siehst du, Mello? Hab ich es dir nicht gesagt? Irgendwann schaffst du es doch noch!"

Mello hörte nicht auf seinen Freund. Er und Near sahen sich an und grinsten.
 

~ENDE~



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Slashy_Miku-chan
2010-04-07T19:43:07+00:00 07.04.2010 21:43
Oh.... Wie süß!!! <3
Die beiden hab ich noch nie gelesen, aber du hast das so schön geschrieben!!! *schmacht*
Mellos Gefühle waren verständlich und nachvollziehbar und auch Nears Verhalten.
Auch dein Schreibstil ist toll. Mag den irgendwie total! =)
Bitte schreib weiter. =)

Mfg s-n-f

Von:  Takiko8
2010-03-10T10:47:42+00:00 10.03.2010 11:47
das is ja voll süß geschrieben. ich hoffe das es eine fortsetzung gibt
Von: abgemeldet
2010-02-10T22:49:08+00:00 10.02.2010 23:49
Hey=)
wollte auch eben mal ein Kommentar dalassen.

Ich muss schon sagen: du hast die Charaktere super authentisch rüber gebracht. An deiner Rechtschreibung kann man auch nicht meckern und dein Schreibstil liest sich flüssig.
Also brav weiter machen.

Liebe Grüße
Von:  Alex_Dryden
2010-02-10T19:10:05+00:00 10.02.2010 20:10
Hach is das süüßß...
aber es war vorherzusehn das es so kommt..aber is ja meistens so^^
ich würde gern wissen wies weitre geht...also brav weiter schreiben^^
*grins*
*knuddel*
*Blümchen da lass*

Ciao die Guave_Lexi


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