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Meerebrise der Liebe

von

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Ein großes Problem

„Das sanfte Licht der untergehenden Sonne fiel auf ihr dunkles Haar, während sie still im Sand saß. Die ruhigen Wellen umspielten ihre Füße und die salzige Meeresluft wehte ihr einige Strähnen ins Gesicht. Ihre Haut schimmerte als wäre sie aus Gold und derselbe Glanz lag in ihren dunklen Augen, mit denen sie sehnsüchtig den Möwen nachsah, die schwerelos über die Wolken segelten…“
 

Sie konnte es einfach nicht glauben, dass er so etwas über sie geschrieben hatte. Sie konnte es einfach nicht glauben. Er hatte sie beobachtet; die ganze Zeit. Und sie hatte nicht das Geringste gemerkt. Es wollte einfach nicht in ihren Kopf hinein. Sie hätte so etwas nie von ihm erwartet. Von ihm doch nicht! Sie kannte ihn ja nicht einmal richtig. Und dann schrieb er so etwas über sie – so etwas … Romantisches… Liebevolles … Zärtliches… Aber wie kam er überhaupt dazu? Er kannte sie ja schließlich auch nicht. Oder etwa doch?

Seufzend legte Lilian das Buch mit dem dunkelroten Einband zur Seite und erhob sich langsam von ihrem Bett. Ihr braunes Haar fiel ihr geschmeidig über die nackten Schultern. Sie wuschelte kurz mit ihren Händen hindurch. Letztendlich war es doch egal, was er geschrieben hatte. Das Buch gehörte ihm und sie sollte eigentlich gar nicht wissen, was darin stand. Sie musste dafür sorgen, dass er das Buch so schnell wie möglich wieder bekam. Und nie herausfand, dass sie darin gelesen hatte. Sie griff nach dem Telefon auf ihrem Nachtisch und tippte beinahe blind eine Nummer ein. Dann klemmte sie den Hörer zwischen Schulter und Ohr und wartete darauf, dass jemand am anderen Ende abhob. Schließlich hörte sie ein Klicken in der Leitung. „Stella! Komm bitte so schnell es geht rüber! Ich hab ein Problem und du musst mir helfen, es zu lösen!“
 

Keine Stunde später saßen Lilian und Stella in ihrem Lieblingseiscafé „Solé mio“ und löffelten ihre Erdbeereisbecher. "Oohh, ist das süß! Lilly, der Typ steht total auf dich!“ Stella quietschte aufgeregt, doch Lilian sah sie verzweifelt an. „Stella, bleib doch mal ernst. Ich muss das Buch so schnell wie möglich loswerden.“ „Wieso hast du das Ding überhaupt?“ Das blonde Mädchen schob sich einen Löffel ihrer Erdbeereiscreme in den Mund und sah ihre beste Freundin fragend an. Lilian seufzte. Es war wirklich ein Ding der Unmöglichkeit, wie sie an das Buch gekommen war.
 

Es war eigentlich ein ganz normaler Morgen gewesen, eine normale Freistunde, die sie jeden Dienstag hatte. Und wie jeden Dienstag in der Bücherei verbrachte. Er saß ihr schräg gegenüber und las verträumt in einem rot-eingebundenen Buch. Als es schließlich klingelte, sprang er entsetzt auf und in seiner Aufregung bemerkte er nicht, wie ihm das Buch entglitt und auf den Boden fiel. Sie wollte ihm noch zurufen, dass er es verloren hatte, aber es war schon zu spät. Er war schon zur Tür raus. Lilian hob das Buch auf. Naja… Sie hatte ja übermorgen einen Kurs mit ihm, da würde sie ihm das Buch geben. Sie packte es also in ihre Tasche und verließ die Bücherei ebenfalls.
 

„Ach, so war das.“ Stella löffelte den letzten Klecks der Eiscreme aus dem Becher. „Aber wie kamst du dazu, das Buch zu lesen?“ Lilian wurde rot. „Es ist mir aus der Tasche gefallen und lag dann aufgeschlagen auf dem Boden. Ich wollte es ja wieder einpacken, aber dann las ich meinen Namen und wollte wissen, was er in diesem Buch zu suchen hatte.“ „Ich würde sagen, die Frage ist jetzt geklärt.“ Lillian nickte. „Ach ja! Und dass du dann das ganze Buch gelesen hast, hat nicht zufälligerweise etwas damit zu tun, dass du ihn süß findest!“ Stella lachte schelmisch, doch ihre Freundin räusperte sich entrüstet, während sich ihre Wangen noch mehr erröteten. „Stella! Ich kenn ihn doch gar nicht. Und er mich auch nicht!“ „Hoho… das sieht mir aber ganz anders aus!“ Stella tippte grinsend mit dem Zeigefinger auf dem Buch herum. Lilian zog es weg. „Hör auf, rum zu spinnen! Sag mir lieber, wie ich das Ding wieder loswerde!“
 

„Verdammt, verdammt, verdammt!“ Zwischen dem Gepolter unterschiedlicher, durch Würfe beflügelter Gegenstände konnte man leise, verzweifelte Flüche hören. „So ein Mist verdammter! Wo ist dieses blöde Ding bloß?“ Eine vor Aufregung zitternde Hand glitt an einer bleichen Wange entlang und ließ einen Blick auf das Gesicht des Fluchenden zu. Ein etwa 18-jähriger Junge stand in mitten eines Raumes, in dem das totale Chaos herschte. Wahllos lagen irgendwelche Bücher, Hefte und Mappen, T-Shirts und Hosen, Stifte, Magazine und lose Blätter herum. Es sah aus, als wäre ein Taifun durch das Zimmer geweht – oder als hätte jemand den halben Tag damit verbracht, alle möglichen Dinge durch den Raum zu schmeißen. Was ziemlich genau auf den jungen Herrn zutraf, der sich nun laut seufzend auf das zugeräumte Bett sinken ließ und das Gesicht in seinen Händen vergrub. Es musste ja so kommen. Wieso hatte er das Buch auch mit in die Schule genommen? Es war doch klar, dass er es früher oder später verlieren musste! „Du bist so ein Idiot, Cal!“, stieß er wütend aus und schlug mit der flachen Hand gegen seine Stirn. Ob wohl jemand sein Buch gefunden hatte? Und wenn ja, wer? Cal stöhnte vor Schreck auf. Was war, wenn Lilly sein Buch gefunden hatte? Oh nein! Alles, nur nicht das! Er sprang entsetzt von seinem Bett auf, schnappte seine Tasche und stürmte aus dem Zimmer. Keine zwei Minuten später saß der junge Schwarzhaarige auf seinem Rad und schlug den Weg Richtung Schule ein. Als er in der Bibliothek gewesen war, hatte er das Buch noch bei sich gehabt. Vielleicht lag es immer noch dort… Hoffentlich!
 

„Bitte, lass es da sein! Bitte, lass es da sein!“ Cal schickte immer wieder das gleiche Stoßgebet gen Himmel, während er den letzten Hügel vor der Schule hochstrampelte. Kaum, dass er den heißersehnten Eingang der Bücherei erkannte, sprang er von seinem Rad und ließ es einfach achtlos fallen. Er rannte zu der bekannten, grünen Tür und öffnete sie. Völlig außer Puste betrat er den Raum. „Meine Güte, Cal! Was ist denn mit dir passiert?“ Frau Toberts, die Bibliothekarin, schaute den abgehetzten Jungen fragend an. „Hallo… Frau… Toberts… Ich…“, stieß er atemlos aus. „Nun setz` dich doch erst mal. Du bist ja völlig außer Puste!“ Die ältere Dame zog ihn beiseite und drückte ihn in einen der weichen Stühle, die in der Nähe standen. Sie wartete einen Moment, bis ihr junger Besuch wieder normal atmete. „Was ist denn los, mein Junge?“ Sie sah ihn erwartungsvoll an. „Ich hab mein Buch verloren. Haben Sie es vielleicht gefunden?“ Der Schwarzhaarige warf einen ebenso erwartungsvollen Blick zurück. Die Frau fing an zu lachen. „Also Cal, du bist mir einer!“, sagte sie schmunzelnd. „In meinen gesamten 30 Jahren als Bibliothekarin ist mir noch kein Junge begegnet, der sich jemals wegen eines Buches so abgehetzt hat.“ Sie kicherte leise in sich hinein. „Haben Sie es nun gefunden oder nicht?“ Cal sah sie ungeduldig an. „Bücher gibt es hier viele, mein Junge! Wir sind in einer Bücherei!“ Frau Toberts sah ihn lächelnd an. „Bitte, Frau Toberts! Es ist wirklich wichtig!“, drängte der Junge. „Also gut!“ Sie ließ sich in einen Stuhl neben Cal sinken und sah ihn freundlich an. „Wie sieht dein Buch denn aus?“ „Es hat einen dunkelroten Einband und ist etwa so dick.“ Er zeigte die Dicke mit seinen Fingern. Dann sah er die alte Frau mit einem hoffnungsvollen Blick an. Dieser erlosch, als sie den Kopf schüttelte. „Nein, tut mir Leid, Cal. So ein Buch habe ich heute nicht hier gefunden. Ich fürchte, du hast dich umsonst so abgehetzt, mein Junge.“ Verzweifelt sank Cal in sich zusammen. Wo konnte das Buch nur sein? Er musste es finden, bevor Lilly es fand! Langsam erhob er von dem Stuhl und nickte der netten Bibliothekarin zu. „Vielen Dank für ihre Hilfe, Frau Toberts!“, sagte er leise, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte aus der Bücherei und stürzte auf sein Fahrrad zu. „Bitte, bitte!“, rief die alte Dame ihm hinterher, doch sie bezweifelte, dass er sie noch gehört hatte. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Die Jugend von heute! Und sowas sollte man verstehen.



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