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The (very last) christmas

Adventskalender-Bruchstück
von

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Armageddon an "W"

~
 

irgendwann Ende des 15. Jahrhunderts
 

Den Tag, der Christoph Kolumbus unsterblich machen sollte, hatte Sylvester selbstverständlich verschlafen.
 

Als ich ihn knapp drei Monate später weckte, hatte er keine Ahnung von der Entdeckung des neuen Kontinents und nachdem ich es ihm erzählt hatte, war es ihm egal. Das war einer der Momente, in denen ich mich fragte, ob ich ihn nur für meinen besten Freund hielt, weil die Auswahl in unseren Kreisen so erschreckend klein war.
 

„Und?“, sagte er, „Noch ein neuer ‚Kontinent’, was soll’s. Ist ja nicht so, als ob es dort vorher noch keine Menschen gegeben hätte.“
 

Danach hatte ich keine besonders große Lust mehr auf Schnee.
 

Dezember 1943
 

Diesmal war er die ganze Zeit über wach.

Ich schätze, sogar er brachte es nicht übers Herz, dieses gewaltige Blutbad einfach zu verschlafen.

„Nett“, sagte er irgendwann sarkastisch und betrachtete die Lage in Russland, „Schön, dass du es ihnen so einfach machst.“
 

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich es bereits satt, mich herumzustreiten. Die letzten paar Jahre waren absolut beschissen gewesen und nicht einmal Weihnachten hatte mich aufheitern können. Wie auch, wenn sich überall die Leichen stapelten?
 

„Willst du damit sagen, dieses ganze Debakel ist meine Schuld?“, fragte ich patzig.
 

Eine ganze Weile lang sagte er gar nichts.

„Die Menschheit hat ’nen Knall“, murmelte er schließlich, „Ich glaube, ich geh wieder schlafen.“
 

Ich versuchte nicht, ihn aufzuhalten; er war mein bester Freund. Immer noch. Wahrscheinlich ahnte er gar nicht, wie oft ich insgeheim schon beschlossen hatte, dass ich nichts mehr mit ihm und seiner Art zu tun haben wollte.
 

„Tu mir einen Gefallen“, sagte er zum Abschied, „Mach es ordentlich kalt, ja? Diese Idioten mit ihrem Scheißkrieg wollen es doch nicht anders.“

Dann war er weg und mir machte es nichts aus. Alle Hände voll zu tun und in ein paar Wochen würde ich ihn wiedersehen. Irgendwer musste ja dafür sorgen, dass er sein eigenes Neujahr nicht verschlief.

Heiligabend rechnete ich nicht mit ihm – meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
 

1999
 

Weltuntergangsszenarien fand er immer wieder wahnsinnig komisch. Ich glaube, dass er die Menschen für ihre Fantasie bewunderte.
 

„Man sollte doch meinen, irgendwann würden ihnen die Ideen ausgehen“, sagte er grinsend.
 

Ich zuckte mit den Schultern.

„Auf irgendeinem Kalender irgendeiner Zeitrechnung geht die Welt immer unter.“
 

„Armageddon“, sagte er, „Hey, wie sieht’s aus – färbst du den Schnee mal rot? Nur ganz kurz?“
 

„Sicher nicht.“
 

Er sah mich an, als wollte er sagen Ja, klar.

„Als ob du das noch nie getan hättest.“
 

„Ich war betrunken“, verteidigte ich mich und konnte spüren, wie ich jetzt stellvertretend für seine verblödete Idee selber rot anlief, „Jedes Mal. Und es war nicht... ich, also- nein. Vergiss es. Kommt nicht in Frage.“
 

Ausnahmsweise hatte er einmal wirklich, wirklich gute Laune.

„Gut“, sagte er, „Dann eben nicht. Los, komm. Ich will mir ein paar Feuerwerke ansehen.“
 

Ich hatte Feuerwerke schon damals so satt, dass ich zu wünschen begann, das Schießpulver wäre nie erfunden worden. Aber es war eben eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen er gute Laune hatte.

„Das kannst du nächstes Jahr auch noch.“
 

„Aber die veranstalten das doch nur für mich!“
 

Ich beschloss, wenigstens die Gunst der Stunde zu nutzen.

„Wie sieht’s aus“, sagte ich, „Weihnachten? Denkst du, da bist du zur Abwechslung mal wach?“
 

Stirnrunzeln.

„Der Vierundzwanzigste ist doch schon vorbei.“
 

„Nächstes Jahr“, sagte ich ungeduldig, „Was ist, feierst du nächstes Jahr mit mir?“
 

„Warum ist dir das bloß so wichtig?“
 

„Einfach deshalb.“ Ich wusste es ja selber nicht – ich hätte ihn nur gerne ein einziges Mal mit dabeigehabt. Irgendwie war Weihnachten etwas Besonderes. „Brauchst du unbedingt einen Grund?“

„Nein“, sagte er langsam, „Weihnachten... okay, meinetwegen. Wieso nicht?“
 

Vermutlich wussten wir schon zu diesem Zeitpunkt alle beide, dass nichts daraus werden würde.
 

2001
 

Zweitausendundeins hatte ich gute Chancen, das wusste ich.

Sylvester hatte wegen der verpatzten Millenniumschance ein schlechtes Gewissen (ich hatte ihm eins eingeredet) und war zumindest in dem Moment, in dem er das Versprechen gab, fest entschlossen, es auch einzuhalten; das konnte man ihm ansehen.
 

Dann kam der Herbst und mit ihm die Flugzeuge und der Rauch und verwackelte Bilder weltweit in den Nachrichten. Ich schluckte.

Sylvester stand mürrisch auf, besah sich das Spektakel und verkroch sich anschließend so tief in seinen Träumen, dass ich am Neujahrstag Mühe hatte, ihn wach zu bekommen.
 

Und dabei hatte ich ihn fast so weit gehabt.
 

2005
 

Das Jahrtausend wurde immer beschissener. Ich brachte es sogar fertig, mich mit Primavera zu streiten.
 

An Heiligabend war von Sylvester selbstverständlich keine Spur zu sehen.
 

2009
 

Ich drehte mich um und da stand er.
 

Verschlafen, offensichtlich schlecht gelaunt und mit tiefen, schattigen Ringen unter den Augen, aber es war Weihnachten und ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.
 

„Also“, sagte er mürrisch, „Bin ich zu spät?“
 

Ich strahlte ihn an. Ich konnte gar nicht anders.

„Genau richtig.“
 

„Hn“, brummte er absolut unbegeistert, aber das störte nicht.

Ich war mit einem Mal so enthusiastisch, dass es problemlos für uns beide reichte.
 

viel, viel später
 

„Weißt du“, sagt Sylvester, „Ich wusste immer, dass die gottverdammte Welt an Weihnachten untergehen würde.“
 

„Dir ist klar, dass jetzt ein recht unpassender Zeitpunkt für Gotteslästerung ist, oder? Ich meine...“
 

Er winkt ab.

„Ja, ja, was soll’s. Die Aussicht ist jedenfalls erstklassig.“
 

„Danke“, sage ich selbstzufrieden, „Danke vielmals.“
 

Keine Ahnung, was mit uns passieren wird, wenn das hier vorbei ist. Vielleicht werden wir arbeitslos, vielleicht geht aber auch alles wieder ganz von vorne los. Wer kann das schon wissen?
 

„Hey“, er stößt mich mit dem Ellenbogen an, „Wenn jetzt tatsächlich alles den Bach runtergeht... also, wegen Weihnachten.“
 

„Was?“
 

„Na ja“, er zögert einen Augenblick, „Eigentlich... schade drum, findest du nicht? War doch gar nicht so übel.“
 

„Nein“, sage ich und grinse, „Kann man wirklich nicht sagen. Ich mochte das Fest. Immer sehr feierlich.“
 

„Yep. Bin jedenfalls froh, dass ich einmal mit dabei war.“
 

„...ich auch.“

Und wir lehnen uns beide zurück, um uns seelenruhig die allergrößte Katastrophe anzusehen, die die Welt jemals erleben wird.
 

Denn damit ist eigentlich alles gesagt.
 


 

=möh=



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Mireille-92
2010-12-15T07:16:44+00:00 15.12.2010 08:16
Applaus!
Eine sehr schöne Idee!
Ich denke übrigens auch, dass es der Winter und Silvester sind.

Ein schönes Weihnachten,
Mireille

Von:  Scifiarchaeologist
2010-12-14T19:59:19+00:00 14.12.2010 20:59
Hmmm soll ich mich jetzt anschließen und denken der Erzähler ist Winter oder Wheinachten O______o
ich find es könnte doch auch Amageddon sein oder hab ich das nicht verstanden?
Er sagt doch es würde sowas nicht tun und dann wird er rot und sagt er wäre betrunken gewesen... okay vielleicht check ichs einfachn net XD

Ansonsten find ichs mega süß^^
Auch wenn ich finde der Erzählter kling ein bisschen als wäre er/sie (haben die den Geschelechter?) in Sylvester verknallt...
Von:  die81
2010-12-14T15:22:06+00:00 14.12.2010 16:22
was is es denn nun? weihnachten oder winter? ich bin verwirrt
trotzdem fand ich es sehr unterhaltsam ^^
lg die81
Von: abgemeldet
2010-12-11T13:35:46+00:00 11.12.2010 14:35
Warum hat ein YUAL nur 4 KOmmentare?
ist das normal bei Fanfictions?
Von: abgemeldet
2010-12-11T01:40:00+00:00 11.12.2010 02:40
Silvester und Winter also, ja?
Klasse *_*
Ich finds total super und erheblich erheiternd ^^
Irgendwie erinnern mich die beiden an Az und Crowley aus Good Omens... aber auf ne gute Art und Weise XD
Von:  Chokoteru
2010-12-01T21:56:09+00:00 01.12.2010 22:56
Ich hoffe meine Interpretation war richtig Oo ... das waren doch Weihnachten und Sylvester, oder?
Von:  Chokoteru
2010-12-01T21:55:37+00:00 01.12.2010 22:55
Irgendwie finde ich die FF total süß :3
Und trotz Weltuntergangsstimmung auch weihnachtlich.... kann aber auch an den Unmengen von Spekulatius liegen, die ich verdrückt habe.
Ich finde es ist eine sehr schöne Idee, Weihnachten und Sylvester als Personen darzustellen. Inklusive Eigenarten und Marotten xD Auch den Verlauf durch die Weltgeschichte und Sylvesters Indifferenz gegenüber dieser, finde ich sehr gut dargestellt.
Ich mag deinen Schreibstil :B Er ist sehr unterhaltsam und ich musste an einigen Stellen über die Reaktionen der Festtage schmunzeln. Trotzdem schaffst du den Sprung zu ernsten Themen, wie z.B. der Abschnitt zum 2.Weltkrieg, wo man doch eher schlucken muss.
Alles im allem sehr schön :) Hat das YUAL verdient ;) (Glückwunsch dazu übrigens)
Von:  blooodymoon
2010-08-06T22:06:47+00:00 07.08.2010 00:06
ähhh okay
kannst du mir bitte bitte sagen wer da spricht ich versteh es irgendwie nicht,
aber sonst ziemlich gut geschrieben


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