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23 days - L's Last Note

von

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Konsequenzen

Noch in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 2005 erreichte die schreckliche Nachricht über den Großbrand in der Stadtmitte Tokios sämtliche Fernsehsender und Zeitungsredaktionen in ganz Japan. Es war dabei die Rede einer rätselhaften Explosion dreier sich anbauender Gebäude zur gleichen Zeit mit über 2.000 Todesfällen. Laut vieler Recherchen und Untersuchungen schien es bisher keinen einzigen Überlebenden zu geben, was unter derartigen Umständen auch wirklich äußerst bedenklich gewesen wäre... Das lodernde Feuer, welches die Explosion mit sich brachte, konnte inzwischen Dank der tapferen Einsatzkräfte der Feuerwehr fast vollständig bekämpft werden und die gesamte Innenstadt lag nun in einem kräftigen Dunst. Der Geruch von verbranntem Fleisch hatte sich in alle Richtungen hin ausgebreitet, was nun auch den allerletzten Einwohner wohl über diesen schrecklichen Vorfall informiert haben musste.

Mittlerweile hatte sich der Reporter Sashi Brown wieder gefangen; machte allerdings vor der Kamera, vor der er nun seine Reportage halten wollte, einen äußerst betretenen Eindruck während er alles, was man bisher wusste, über den regionalen Sender TRN (Tokio’s Regional News) an die Öffentlichkeit brachte. In äußerst geschwächten Worten trug er stockend in seinem Mikrofon vor: „Eine Katastrophe, die wie aus dem Nichts erstieg als es plötzlich einen tosenden Knall gab und alles in flammende Fetzen flog. Dicker Rauch erfüllt unsere einst lebensfrohe Stadt mit Betrübtheit und es wurden bislang über Tausende verbrannte Leichen geborgen. Die Rede ist von unserem städtischen Rathaus, welches mitsamt Polizeistation und Stadtgefängnis offenbar einfach explodiert ist – Mit sämtlichen Insassen als Todesopfer! Wie es zu dieser scheußlichen Situation kam, darüber kann bislang nur spekuliert werden! Vermutlich handelt es sich um eine interne Gasexplosion, ausgehend vom Keller des Rathauses, was sogleich auch Einfluss auf beide Nebengebäude genommen hat. Jedoch untersuchen unsere Ermittler diesen Fall bereits verstärkt und wir werden sicher mehr wissen nachdem wirklich alle Flammen komplett beseitigt worden sind. Wir halten Sie darüber weiter auf dem Laufenden. Mein Name ist Sashi Brown, vielen Dank!“

Während Brown-sans Vortrag hasteten im Hintergrund sämtliche Feuerwehr- und Noteinsatzkräfte umher. Einige hielten Feuerwehrschläuche parat, andere rückten mit Leichenbahren an und transportierten so manches Brandopfer bereits darauf ab. Jeder Einzelne von ihnen versuchte sein Bestmöglichstes und doch kam jede Hilfe zu spät. Die Chance, dass nach dieser Explosion auch nur ein einziger Insasse überlebt hatte, war nahezu fatal. Dennoch wollte es gar niemand so einfach hin nehmen und manche erhofften sich regelrecht ein Wunder. Erst recht wenn es sich dabei um jene Angehörige der betreffenden Insassen handelte...
 

Von der aufgehenden Sonne war an diesem Morgen aufgrund des dicken Dunstes nicht viel zu sehen. Der Himmel behielt eine auffallend rötlich trübe Färbung zurück. Erst wollte der dichte Nebelschwall die ersten Sonnenstrahlen nicht durch lassen, doch nach einer ganzen Weile hatte er sich dann doch zumindest ein wenig gelegt.

Es musste früh am Morgen gegen 7 Uhr gewesen sein als Marti langsam ihre Augen aufschlug und ihr Umfeld nur schemenhaft unscharf wahrnahm. Sie richtete sich langsam in jenem fremden Bett auf, in das man sie vergangene Nacht gelegt hatte. Dabei spürte sie in ihrer Bewegung sogleich eine gewisse Hemmung im Bezug auf ihre rechte Schulter, die bis hin zu ihrem Oberarm in einen festen Verband gehüllt worden war. Sogleich kam ihr der Geruch dieser für sie gänzlich fremden Umgebung recht ungewohnt vor. Es roch seltsam süßlich, gespickt vom Hauch eines Putzmittels und frischer Wäsche.

Marti rieb sich die Augen, worauf ihre Sicht allmählich klarer wurde. Sie konnte allerdings kaum zuordnen wo sie sich befand. Dieses kleine, aber recht ordentlich gehaltene Zimmer mit der Dachschräge über dem Bett war ihr völlig fremd. Überhaupt fühlte sich ihr Kopf ausgesprochen leer an, denn sie konnte sich an rein gar nichts erinnern, was zuvor gewesen sein könnte. Sie schaute sich irritiert um.

„Was mache ich hier nur plötzlich?“, fragte sie sich ratlos.

Da kam plötzlich Muse herbei geflattert, welche schnurstracks durch die Dachschräge dieses Zimmers hindurch geflattert kam.

„Na, hübsch geträumt, liebe Marti-chan?“ kicherte sie aufgeweckt.

Marti jedoch war alles andere als erfreut und fragte sie nur aufgeregt: „Verdammt, Muse, wo bin ich hier? Wie komme ich hier hin?“

„Nun, warum du nochmals hierher gelaufen bist, ist auch mir in der Tat ein Rätsel“, antwortete Muse: „Du hättest gut daran getan, lieber gleich nach Hause zu rennen, denn jeglicher Kontakt zu anderen Personen könnte gefährlich sein!“

„Wovon redest du denn jetzt wieder?“ fragte Marti immer verwirrter.

Muse starrte sie daraufhin hinter ihren bläulich glühenden Brillengläsern nur erstaunt an und haderte nach den fragenden Worten: „Weißt du denn etwa... gar nichts mehr von dem, was gestern passiert ist? Das Death Note?“

„Mein Death Note... wo ist das überhaupt?“ Von diesem verhängnisvollen Heft hingegen schien Marti immer noch uneingeschränkt zu wissen. Lediglich ihre Erinnerungen an dessen Handhabung hatte sich eindeutig in ihrem jetzigen Zustand verdünnisiert.

Nachdem Muse kurz schwieg, erklärte sie unsicher: „Nun ja, ich hab’s noch bei mir. Du hattest es mir gestern zuletzt noch gegeben, ehe es dich wieder hier hin verschlagen hatte! Hm... du... weißt wirklich gar nichts mehr über den gestrigen Abend?“

„Alles, was ich weiß, ist, dass ich gestern Nachmittag bei diesem Ryuzaki gesessen und auf einmal einen Anruf von der städtischen Polizei erhalten habe, die mich zu einem Verhör vorladen wollten! Sag... war ich denn überhaupt dort...? So ein Mist, ich weiß wirklich gar nix mehr...“

Marti senkte traurig den Kopf, während Muse erschrocken auffuhr und Marti nur völlig besorgt anstarrte. Deren Stimme klang so ruhig und unschuldig als wäre sie tatsächlich nie an diesem gestrigen Schicksal beteiligt gewesen. Sie schien auch überhaupt noch gar nichts von dessen Folgen zu wissen. In diesem Augenblick wurde Muse eines völlig klar: In Marti schienen bereits zwei gänzlich unterschiedliche Seelen zu weilen, wobei jene, die vom Death Note geleitet wurde, drauf und dran war, ihre eigentliche immer mehr zu verdrängen.

Muse seufzte und wusste nicht, was sie jetzt bloß tun sollte. Sollte sie Marti etwa wirklich über alles aufklären? War dies denn tatsächlich der richtige Weg? Marti schien ja so schon reichlich verunsichert. Muse haderte verzweifelt nach den richtigen Worten, was ihr noch zunehmend erschwert wurde, je öfter sie in Martis fragendes Gesicht blickte.

„Nun“, begann Muse schließlich: „J-ja, du warst schon da, nur...“

„...Ja?“ Marti starrte Muse erwartungsvoll an. Ihr war es deutlich anzusehen, wie sehr sie eine gebührende Aufklärung erleichtern würde. Allerdings war dies für Muse durchaus fragwürdig, was wohl geschehen würde, wenn sie wirklich die eiskalte Wahrheit erfahren würde.

„Hm... na ja... du warst halt sehr geschwächt von all dem Trubel um den Fall deines Mackers Akiba... da bist du dort halt o-ohnmächtig geworden... ja, so war es wohl!“stotterte Muse schweren Herzens, wobei jedes Wort ihr Gefühl des Unwohlseins nur noch steigerte.

„Was?“ fragte Marti immer noch verunsichert: „Aber... das würde ich doch wissen. Zumindest noch meine Ankunft bei der Polizei!“

Dann schaute sie sich erneut um und lenkte, zu Muses eigener Erleichterung, gleich auf ein anderes Thema: „Und wo bin ich hier jetzt gelandet?“

„Bleib ruhig!“ versuchte Muse sie zu besänftigen, worauf sie ihr über die Schulter strich, was für sie ein Appell darstellen sollte, sich wieder in dem Bett zurück zu legen: „Dein Death Note werde ich jedenfalls vorerst bei mir halten bis du wieder auf den Beinen bist, klar?!“

Sie musste wieder schlagartig an die Worte Latoks denken, welch schweres Ausmaß all die Umstände um Marti noch nehmen könnten, wenn sie ihre Rechte an dem Death Note weiterhin behielt. Es war bereits alles zu spät, und das war allein Muses verspielter Naivität zu verdanken. Sie verspürte in diesem Moment große Angst und Sorge, was wohl erst der Große Shiozzan demnächst mit ihr machen würde...

„Muse?“ riss Marti sie nach einigen Sekunden ihrer geistigen Abwesenheit schließlich aus ihre Gedanken.

„Hm, verzeih mir, Marti! Nur...“

„Woher kommt überhaupt dieser Verband? Ich habe irgendwie das Gefühl als wüsstest du über jede Einzelheit genauestens bescheid...!?“ Marti schaute den ratlosen Shinigami nun naserümpfend an mit der Erwartung, endlich eine Erklärung zu erhalten.

Da fielen Muse schließlich jene Worte der „letzten Rettung“ ein und es platzte mit einer recht erzwungenen Heiterkeit aus ihr heraus: „Sei glücklich, Marti! Dein lieber, toller Ryuzaki hat dich glücklicherweise rechtzeitig gefunden und sofort verarztet!“

Marti hielt überrascht inne: „Was, Ryu...zaki!?“

„Ja, ja, ja, ich weiß, dass du ihn scheinbar sehr gerne hast! Und du bist gestern Abend bei deinem Ohnmachtsanfall halt blöd gefallen, aber das ist natürlich kein weiteres Problem, solange dein Superheld Ryuzaki in der Nähe ist, nicht wahr?!“ tobte Muse regelrecht rum, sackte allerdings im selben Moment auch schon in die nächste Ecke herab und keuchte ein leises „Ach, du riesige Scheiße!“zu sich selbst, ehe sie Marti gegenüber wieder ein arg gespieltes Grinsen entgegen brachte und leise zu singen begann: „You need a hero, you’re holding out for a hero until the end of the night...“

Martis Augen begannen in diesem Moment nun ungläubig und erfreut zugleich zu leuchten.

„Ich... bin bei ihm... in seinem Zimmer!?“ fragte sie noch einmal, ehe sie aus dem Bett auffuhr, wobei sie sich direkt auch schon wieder zusammen krampfte als ein ziehender Schmerz sich über ihre rechte Schulter bis hin zu ihrem Arm erstreckte.

„Au... Ich muss wohl aber wirklich ganz besonders blöd gefallen sein, ahh...“ jammerte Marti kläglich.

„Über mehrere Treppenstufen hinweg...“ redete Muse die Sache eilig raus und blickte erneut gequält drein.

„Na, vielleicht kann mir ja Ryuzaki gleich alles Nähere erklären!“ meinte Marti: „Na, ich werde ihn dann wohl mal direkt suchen gehen!“

„Jetzt kann dir das ja nicht schnell genug gehen, was?!“ lachte Muse und ließ Marti aus dem Zimmer ziehen, in der Hoffnung, dass sich Ls eigene Erläuterungen zu der Sache ja nicht mit den Ihrigen widersprachen.

Leise trat Marti die Treppe hinunter. Von unten waren aus einem der Zimmer gewisse Töne zu hören, die entweder einem Radio oder einem Fernseher entstammen mussten. Die Tür dieses entsprechenden Zimmers war einen Spalt weit geöffnet. Marti erkannte es wieder; es musste sich um sein Wohnzimmer handeln, in welchem sie noch gestern Mittag mit ihm zusammen gesessen und Kaffee getrunken hatte, ehe sie der Anruf des städtischen Polizeipräsidiums erreicht hatte. Langsam und sogar ein wenig zaghaft näherte sie sich nun dieser Tür, ehe sie diese nun zu passieren gedachte. In der Tat erkannte sie in dem Zimmer sogleich „ihren Ryuzaki“ wieder, wie dieser, genau wie gestern, in seiner fragwürdigen Sitzhaltung in seinem Sessel hockte, genüsslich eine Tasse Kaffee schlürfte und dabei in einen rosaglasierten Donut biss. Vor sich hatte er auf dem Couchtisch ein iBook stehen, dessen Bildschirm gerade ein Fenster anzeigte, in welchem ein Nachrichtensprecher die aktuellen Geschehnisse über jenes Schicksal kund tat, von dem Marti derzeit noch überhaupt nichts ahnte. L folgte diesem höchstkonzentriert. Er hielt seinen Kopf dabei im unmittelbarstem Abstand vom Bildschirm seines iBooks, dass sein Gesicht mit diesem fast schon in Berührung kam.

Marti sah ihn, von ihrem Blickwinkel ausgehend, nur von seiner Rückseite, doch sie erkannte die Lage direkt. Noch immer ziemlich zurückhaltend klopfte sie nun an die Tür um sich endlich bemerkbar zu machen. L erhob daraufhin leicht seinen Kopf, worauf er sich einen knappen Augenwinkel weit zu Marti umblickte.

„Ach, du bist es. Guten Morgen!“ begrüßte er sie kühl.

„Ja, das bin wohl ich, hast recht!“ antwortete Marti mit leichter Ironie während sie nun langsam näher an ihn heran trat. Doch L wendete seinen Blick nun wieder vollständig seinem Bildschirm zu, statt sich weiter groß an Marti zu stören; zu gefesselt war er von den aktuellen Begebenheiten, die sich vergangene Nacht am Rathausplatz abgespielt hatten. Dabei hielt er ganz starr seinen angebissenen Donut in seinem Mund und lutschte an diesem laut herum, um seine rosa Glasur genüsslich aufzusaugen.

Der Sprecher der Online-Nachrichten verkündete derweil: „Den Flammen ist nun langsam Einhalt geboten. Doch noch immer weiß man nichts über die Ursachen dieser schrecklichen Tragödie! Die ersten Rettungswagen konnten bislang nur Leichen bergen. Trotzdem gibt man die Hoffnung nicht auf. Ich schalte nun zu meinem Korrespondenten des Senders TRN Sashi Brown, der sich nun direkt an jenem Unglücksort befindet!“

„Vielen Dank!“ leitete Brown-san ein, der nun vor einer in Schutt und Asche versenkten Ruine stand, von welcher nach wie vor eine Menge schwarzer Qualm den Himmel empor stieg.

„Allein in dem einst hier hiesigen Rathaus mussten sich zur Zeit der Explosion noch über 100 Personen aufgehalten haben, von denen ein Großteil bereits als tot identifiziert werden konnte!“

Marti, die diesen Bericht nun direkt neben L mit verfolgte, hielt geschockt inne. Für sie war diese erschütternde Nachricht etwas völlig Neues, denn sie wusste ja rein gar nichts mehr, so als wäre gestern Abend rein gar nichts Spektakuläres in ihrem Leben vorgefallen. Sie verstand auch nicht mal ansatzweise, worum es hier eigentlich genau ging. Sie sah lediglich jenen ihr bekannten Rathausplatz, in der Stadtmitte, wie, statt den besagten drei Gebäuden, nur noch ein eiserner Qualm aus Schutt und Asche gen Himmel empor stieg.

„Ach du Scheiße, was ist denn da passiert? Ein Unglück, oder was?“ fragte Marti in ihrer naiven, unwissenden Art und erinnerte sich sogleich im Schrecken daran, dass sie doch noch gestern Nachmittag einen Anruf erhalten hatte, der ganz klar von dort ausgegangen sein musste. Sie schüttelte ganz entgeistert den Kopf. Ihr kam das Ganze in diesem Moment nur noch äußerst unrealistisch vor. War das Polizeipräsidium etwa unmittelbar nach diesem Anruf explodiert? Wieder stellte sie sich ferner die Frage, ob sie denn wirklich gestern noch dort gewesen und glimpflich davon gekommen war – mit einer Verletzung. Vielleicht jener, die sie nun an ihrer verbundenen Schulter verspürte?...

Marti wurde ganz unbehaglich und sie begann L zu fragen: „Dieses Unglück da... was genau...?“

„Vermutlich eine Gasexplosion, wenn man jegliche Spur krimineller Einflüsse erst einmal außen vorlässt“, polterte es gleich aus L heraus: „Jedenfalls sind alle drei Gebäude, mitsamt aller Insassen, nun futsch, adé, finito!“

„Aber...“ Marti suchte nach Worten, doch L fuhr sogleich nüchtern und unparteiisch mit der Frage fort: „Hast du gestern im Laufe des Tages irgendetwas Auffälliges gesehen?“

Er wendete seinen Blick nun in vollster Aufmerksamkeit Marti zu. Seine Miene blieb finster, ernst und voller Erwartung. Dies machte Marti direkt noch unruhiger als sie es ohnehin bereits war.

„Ich... ich war doch gestern selber noch dort! Äh, ich meine, ich sollte es zumindest, nur...“ Ihr fiel rein gar nichts mehr ein, was sie dem noch hinzufügen konnte und brachte schließlich nur ein lautes Seufzen hervor mit den abschließenden Worten: „Hach, es ist seltsam, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was gestern bis hin zum Abend noch alles gewesen war...“

„Hm, hm.“ L nickte nachdenklich: „Weißt du denn wenigstens noch, wann du in etwa dort gewesen bist?“

„Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“ herrschte Marti ihn in ihrer Nervosität nur aufgeregt an: „Ich sagte doch grad, dass ich weder weiß, ob ich nun dort war, noch ob was sonst noch den Rest des Tages abging. Das musst du mir glauben! Es kotzt mich selber doch an...“

„Hmm...“ Ls Gesichtsausdruck wurde nun zusehends mitleidig und er wisperte letztendlich nur ein leises: „Schon gut!“

„Ich glaube, viel eher müsstest DU mir erklären, was ich hier eigentlich mache!“ stammelte Marti immer noch unbeherrscht: „Wie bin ich hier denn her gekommen??“

Ls Augen wurden in diesem Moment deutlich großer und er fragte sie völlig überrascht: „Wie, selbst das weißt du nicht mehr? Dass du gestern Abend hier auf einmal aufgekreuzt bist und vor mir anscheinend dein Bewusstsein verloren hast...? Gar nichts? Totaler Blackout?“

„Ich war... bewusstlos?“ Marti kam das alles wirklich immer merkwürdiger vor. L hingegen verschlang hin dessen das letzte Häppchen seines Donuts und spülte es mit einem ordentlichen Schluck seines extrem übersüßten Kaffees hinunter.

Martis Blick fiel nun wieder auf ihre verletzte, abgebundene Schulter und hielt sich diese. Sie kam sich in diesem Moment einfach nur noch hilflos vor, als ob es jemand auf sie abgesehen hätte und ihr Schlimmstes anzutun gedachte. Sie konnte sich allerdings nicht vorstellen, um wen es sich dabei nur handeln konnte, wenn’s denn überhaupt so war.

Leise sagte sie: „Hast du... mir diesen Verband angelegt?“

Langsam ließ L nun seine Tasse auf den Couchtisch sinken und stellte sie auf diesen ab. Dann berührten seine entblößten Füße den blauen Teppich auf dem Boden als er sich aus seinem Sessel erhob und einmal herzhaft streckte, wobei sich sein weißes, lockeres Oberteil ein wenig anhob, so dass Marti leicht seinen Bauchnabel sehen konnte.

„Naja“, begann er: „So wie du gestern drauf warst, hättest du dich unmöglich selbst versorgen können...“

Er näherte sich nun Marti und starrte sie eindringlich an, worauf er sie sanft bei der Schulter berührte. Dann löste er vorsichtig den Verband um sich die Verletzung nun anzusehen. Marti ließ ihn gewähren, wenn auch es ihr äußerst unangenehm war, da sie sich nach wie vor hilflos ausgeliefert fühlte.

Nachdem L den Verband erfolgreich von ihrer Schulter gelöst hatte, sah ihm eine eiterige offene Fleischwunde entgegen, die allerdings auf einem Guten Weg war, langsam zu verheilen. Marti verspürte einen Hauch von Frische über ihre Wunde gleiten, was in dieser einen zwiebelnden Schmerz aufkommen ließ. Marti verkrampfte ein wenig.

„Oh, tut’s dir weh?“ erkundigte sich L, der dies anscheinend sogleich bemerkt hatte.

„Schon, ja...“ stöhnte sie.

„Ich werde sie dir nochmals ein bisschen mit Antibiotika behandeln...“ meinte L: „Am besten ruhst du dich danach noch was aus, damit es schonend heilen kann, ja?“

„... wenn ich nur wüsste, wofür das alles gut sein soll, wenn ich ja nicht einmal weiß, wie ich an diese verfluchte Verletzung überhaupt gekommen bin!“ keifte Marti genervt.

L schwieg kurz. Ihm tat Marti in diesem Moment sogar ein wenig leid, meinte dann aber direkt: „Nun, ich will dich zwar nicht noch mehr verunsichern, aber offenbar stammt diese Wunde von einem Schuss!“

Marti erschrak und riss sich sogleich von L los: „Was, ein Schuss?? Du meinst, dass wirklich irgendjemand auf mich geschossen hat?“

L zuckte mit den Schultern: „Woher soll ich das wissen? Ich hab’s nur festgestellt, weil ich schon eine gewisse Ahnung habe, wie so was aussieht. Ich denke, da müsstest eher du mehr wissen!“

„Verdammt noch mal, Ryuzaki, ich habe dir doch gesagt, dass...“ wollte Marti loswettern, bemerkte jedoch im selben Moment, dass dies eh nichts weiter brachte und sie verstummte bloß in weiterem Seufzen.

„Ja, Marti, ich weiß ja...“ nickte L: „Wie dem auch sei, ich werde nun erstmal deine Wunde versorgen und dir einen neuen Verband anlegen.“

Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er mit gesenktem Kopf und seinen Händen in den Hosentaschen vergraben an Marti vorbei und trat aus dem Zimmer hinaus. Marti schaute ihm nach, folgte ihm jedoch nicht. Zu sehr hatte sie die ganze Situation nervlich überstrapaziert. L wandte sich noch mal zu ihr um und forderte sie erneut auf: „Jetzt komm schon! Wichtig ist erstmal, dass dein Arm wieder in Ordnung kommt!“ Seinem Gesicht war weiterhin nicht die geringste Spur irgendeiner Emotion zu entnehmen und doch klang in seiner Stimme ein leichter Unterton von Mitgefühl, was Marti spüren ließ, dass er es nur gut zu meinen schien. Diese kam ihm mit einem stillen Seufzen daraufhin nun doch langsam hinterher. Beide schritten jene Treppe hinauf, die in Ls kleinem Dachzimmer führte. Dort angekommen setzte sich Marti mit ernster Miene auf sein Bett und hielt ihm ihre verletzte Schulter entgegen, wobei sie sich bewusst darum bemühte, ihn dabei nicht anzuschauen als er sich daraufhin nun dieser widmete. Er öffnete nun die Schublade seiner kleinen Nachtkommode, die sich direkt neben seinem Bett befand, und holte daraus ein Desinfektionsmittel, ein Antibiotikum und Verbandzeug hervor, welches er nach Martis gestriger„Erstverarztung“ vorsorglich dort hinein verfrachtet hatte.

„Jetzt halt still! Es könnte ein wenig brennen...“ forderte er Marti leise auf, worauf er das Desinfektionsmittel auf ein dünnes Tuch auftrug und sich damit Martis Schusswunde näherte. Ein letztes Mal hielt er noch kurz inne, ehe er die Wunde nun leicht mit dem Zeug kontaktierte. – Sofort zuckte Marti zusammen und jammerte kläglich: „Auuuhh, aaahhhh, pass doch gefälligst auf, du Idiot!!“ Sie rutschte auf dem Bett in einen guten Abstand von L weg. Dieser hielt sie daraufhin vorsichtig an ihrem Arm und versuchte nun sein Bestmögliches, um sie wieder zu besänftigen: „Tut mir ja leid, aber es muss halt sein! Jetzt komm wieder etwas näher und...“

„Nein, nein, nein!“ unterbrach ihn Marti sogleich hysterisch: „Ich denke, ich werde auch so über die Runden kommen!“

Sie stand daraufhin von seinem Bett auf und war im Begriff, das Zimmer zu verlassen.

„Nun komm schon!“ wollte L sie nun aufhalten: „Setz dich bitte wieder hin! Du riskierst nur, dass sich deine Wunde am Ende noch entzündet, was letzten Endes ziemlich bittere Folgen für dich haben könnte. Möchtest du das wirklich!?“

Marti stand bereits in der geöffneten Tür als Ls Worte sie erreichten, worauf sie noch einmal inne hielt und zögernd ihren Kopf senkte. L stand nun ebenfalls von seinem Bett auf und schritt nun langsam an Marti heran, worauf er sie erneut sanft an ihrem Arm fasste und ihr nun vorsichtig zuhauchte: „...Ich will dir doch bloß helfen, Marti. Jetzt sei doch bitte nicht so...!“

Marti verharrte ein letztes Mal in Schweigen, dann schließlich sah sie L kurz aus einem Blinkwinkel heraus an als sie leise seufzte: „Nun gut, okay, hast ja gewonnen! Aber sei bitte etwas vorsichtiger!“

So ging sie nun wieder zu Ls Bett zurück, wo sie nun wieder Platz nahm und auch L sich erneut neben sie setzte, um nun sein ersehntes Übriges an ihrer Wunde zu tun. Gewiss war es für Marti alles andere als angenehm und sie hatte sich während der leidigen Konfrontation mit dem Desinfektionsmittel ganz schön zusammen zu reißen, aber letzten Endes ging alles dann doch schneller vorüber als sie es erwartet hatte und sie spürte am Ende doch den Hauch einer Erleichterung, nachdem L den Verband noch ein letztes Mal ein wenig straffer zog.

„D-danke“, murmelte Marti: „Und du meinst wirklich, es wird heilen...?“

„Warum sollte es nicht?!“ antwortete L nur knapp, wobei er seinen Blick gezielt zu Boden richtete, während er neben ihr auf dem Bett in seiner typischen Sitzhaltung kauerte.

Beide saßen sie nun da und verharrten in stiller Schweigsamkeit und das für noch einige Minuten lang. Dann schließlich wendete L sein Gesicht nun doch langsam zu Marti und suchte deren Blickkontakt.

„Ich glaube, du solltest besser auf dich aufpassen...“ sagte er ihr beinahe schon im Flüsterton, wobei er selbst nicht recht verstand, warum er ihr gerade das nun plötzlich sagte. Marti musterte ihn daraufhin leicht und antwortete ihm mit einer hörbaren Gereiztheit in ihrer Stimme: "Wie soll ich das machen, wenn ich mich nicht im geringsten an irgendetwas erinnern kann, hach..."

Mit diesen Worten erhob sie sich von ihrem Platz und verließ das Zimmer, ohne ihn noch eines einzigen Blickes zu würdigen. Er merkte, dass sie die ganze Sache sehr mitgenommen haben musste, wenn auch er sich selbst überhaupt keinen Reim darauf bilden konnte, wie es dazu eigentlich gekommen war. Er war sich ebenso ratlos wie sie und es tat ihm insgeheim sogar ein wenig Leid für sie. So blieb er still auf seinem Bett hocken und verweilte in seinem kleinen Dachzimmer noch eine ganze Weile lang nachdenklich.
 

Muses Gehör wurde von der erzürnten Stimme des Großen Shiozzan bereits erfüllt als sie noch zusammen mit Marti in Ls Wohnzimmer verblieben war, wo sich diese nach ihrem Ausschreiten aus dem Dachzimmer auf der Couch zurück gezogen hatte.

"Muse", so erklang seine mächtige Stimme, welche allein nur für Muse wahrnehmbar war: "Muse!! Komm zurück und bring auf der Stelle dein Death Note! Unverzüglich!!"

Muse horchte erschrocken auf. 'Oh nein, ich hab's doch geahnt', so dachte sie sich und fühlte sich nun arg in die Enge getrieben. Sie antwortete lediglich mit einem sehr gehaltenen Schweigen. Marti starrte auf der Couch liegend nachdenklich an die strahlend weiße Decke des Wohnzimmers und war ganz in sich selbst vertieft. Die Schmerzen in ihrer Schulter waren inzwischen spürbar abgeklungen, was wohl allein Ls Fürsorge zu verdanken war. Einerseits verspürte Marti tiefste Dankbarkeit für seinen sofortigen Einsatz, jedoch fragte sie sich skeptisch ob dieser merkwürdige junge Mann tatsächlich ganz allein in diesem überaus großen Haus wohnte, was wirklich äußerst schwer vorzustellen war. Sie merkte, dass sie über ihn ja bisher noch so gut wie gar nichts wusste.

Muse schaute derweil sehr besorgt zu Marti als die Stimme Shiozzans sie erneut einholte: "Zum letzten mal, Muse - Sofort!!"

"Shio, jetzt nicht!" murmelte Muse daraufhin leise.

Marti hatte dies nicht überhört und sah Muse sofort fragend an: "Was?"

"Ach, nix", antwortete Muse sogleich und mühte sich, ihr gegenüber möglichst unauffällig lässig rüberzukommen: "Nur wieder einpaar familieninterne Meinungsverschiedenheiten, nichts weiter..."

"Hmm..." Marti verfiel nun in eine gewisse Trübsinnigkeit als sie sich wieder zurück legte und erneut in ihre Gedanken verlor, die sich ihr permanent im Kreise drehten. Es gingen ihr derartig viele verschiedene Dinge durch den Kopf, die wohl auch einen gewissen Einfluss auf ihr weiteres Handeln nehmen würden. Ihre Nachdenklichkeit, geprägt von eiserner Stille, blieb von Muse keineswegs unbemerkt und sie wollte mit ihr gerade das Gespräch suchen, als der Große Shiozzan erneut ihren Namen rief und das diesmal erzürnter den je: "MUSE!"

Nun konnte der Shinigami einfach nicht mehr länger an sich halten und sie polterte wutentbrannt zurück: "Verdammt noch mal, Shio, jetzt nicht!! Meine Güte, bist du lästig! Ich hab zu tun!!"

Marti schaute nun etwas erschrocken über Muses ausfallendes Verhalten drein. Sie verstand natürlich gar nicht, um was es eigentlich ging. Da wendete sich ihr Muse schließlich wieder zu: "Was wirst du jetzt tun? Ich meine, er hat sich um dich gekümmert und es scheint mir, als wäre dieser Kerl an sich gar nicht mal so schlecht gepolt, wenn auch er mit Abstand das Allerfreakigste ist, was ich bei euch Menschen je gesehen habe!"

"Ja, ich weiß..." seufzte Marti nur.

"Deine Hilfe von vorgestern hat bei ihm offensichtlich gesessen, nehme ich an!" Muse lächelte leicht. Da erhob sich Marti plötzlich von der Couch und schritt Richtung Tür. Dabei starrte sie weiterhin nachdenklich ins Leere. Wortlos ging sie aus dem Zimmer in die Küche hinein.

"Ha, na sieh mal einer an, die hat doch ganz sicher was vor!" lachte Muse, entschied sich dann aber doch erst einmal kehrt zu machen, um einen sicheren Platz für das Death Note zu suchen. Gerade wollte sie sich umwenden um empor zu flattern, da blickte sie auf einmal in das wütende Antlitz ihres "netten Genossen" Latok, der sich vor ihr demonstrativ aufbäumte.

Muse verdrehte nur genervt ihre Augen und meinte mit ihrer typisch kecken Art zu ihm: "Nicht du schon wieder, hau ab!" Sie war im Begriff wortlos an ihm vorbei zu flattern, doch dies wollte er nicht ohne Weiteres zulassen und versperrte ihr erneut den Weg. Auch als sie es nochmals versuchte, an ihm vorbei zu hasten, schob er sich ihr wiederholt einfach eiskalt entgegen und machte sich dabei nur noch breiter als es ohnehin schon der Fall war. Sein Blick verharrte dabei äußerst streng in ihrem Gesicht und blieb kalt und fordernd.

"Jetzt werd mal nicht albern! Lass mich gefälligst durch!" protestierte Muse und versuchte weiterhin an diesem "nervigen Kraftprotz" vorbei zu kommen, was jedoch zusehends vergeblicher wurde. Latok wurde höchstens nur noch energischer und drückte sich sogar mit aller Kraft gegen Muse, um sie regelrecht zurück zu schieben.

"Du willst wohl schon wieder 'nen saftigen Tritt einkassieren, oder was?!" drohte Muse wütend: "Es ist mein Recht, hinzuflattern, wo immer ich hin will, kapiert?!"

"Nein! Nicht, solange du das Death Note bei dir trägst!" widersprach Latok: "Ich bin gekommen, um dich nun höchstpersönlich zu dem Großen Shiozzan zu bringen und zwar mit deinem Death Note zusammen! Also wirst du jetzt mit mir mitkommen - sofort!"

Muse wendete ihren Kopf zur Seite wobei einige Strähnen ihrer langen, spröden Haare ihr Gesicht vermummten, so als hätte sie sich in diesem Moment am liebsten unsichtbar gemacht. Leise, aber mit klaren Worten, sagte sie schließlich: "Was wollt ihr denn noch mit diesem Schinken? Er ist alleiniges Eigentum von Martina Sakamoto-chan! Es ist zwecklos, bei mir nach diesem zu suchen..."

"Dann holst du es uns jetzt und wir werden es vernichten! Wir zerstören es; entsagen ihm jegliche Existenz!" zischte Latok. Muse erschrak: "Was, wie bitte? Das kann doch nicht euer Ernst sein!? Du weißt, was das zu bedeuten hat, Latok!??"

Dieser nickte stumm. Dabei starrte er sie mit eiskalten Augen an, die nicht mal mehr den Hauch von irgendeinem Mitgefühl zuließen. Muse wurde starr vor Schreck als sie sich der Situation nun bewusst entgegen sah.

"Latok!!" rief sie entsetzt und ungläubig zugleich. Dieser schwieg und wendete ihr schließlich seine Kehrseite zu, gespickt mit seinen großen, federnden Schwingen.

"Latok!!" wiederholte Muse: "Das würde sowohl mein Ende als auch selbiges von Marti bedeuten!! Das... das kann dir doch unmöglich egal sein!? So grob und gefühllos du auch immer sein magst - SO extrem bist nicht einmal du, dass dich diese Tatsache absolut kalt lassen würde!?"

Latok wandte sich noch einmal zu Muse um und antwortete: "Es ist deine eigene Schuld!"

Dann verfiel er erneut ins Schweigen. Muse starrte ihn weiterhin ungläubig und entsetzt zugleich an. Wie sollte sie mit dieser endgültigen Strafe nur klar kommen? Es war einfach Tatsache: Würde man das Death Note, welches einst Eigentum des Shinigamis Muse gewesen war und nun einem Menschen übertragen wurde, zerstören und das gleich in welcher Art und Weise auch immer, so würden sowohl Muse als auch die betreffende Person, der das Heft nun gehörte, dem sofortigen Tod geweiht sein; sie wären vernichtet und ihre Seelen würden weder Himmel noch Hölle, kennen. Nein, dieser Tod würde noch weitaus schlimmer für sie werden, denn die ewige Verdammnis entsprach weit finstereren Mächten als man es sich je hätte vorstellen können und niemand wagte es jemals, auch nur im Entferntesten darüber zu spekulieren. Muse wusste, dass sie wohl keine Wahl haben würde und dennoch war sie immer noch fest entschlossen, alles Erdenkliche zu tun, um es zu verhindern, obgleich sie selbst wusste, dass Marti bereits verloren war. Sie klammerte sich an jeden noch so winzigen Hoffnungsschimmer, dem Schlimmsten vielleicht doch noch auf irgendeine Weise entfliehen zu können. Immerhin hatte sie alles allein zu verschulden und sie konnte sich beim besten Willen nicht einfach den ihr drohenden Strafen des Großen Shiozzan zu beugen, anstatt alle weiteren Folgen wenigstens noch zu verhindern zu versuchen. Marti war ihr dafür einfach zu wichtig geworden und sie würde für sie kämpfen. Koste es, was es wolle...

"Latok!" schrie sie nun in einem äußerst wütenden Tonfall: "Ich erdulde eure Flüche und Konsequenzen nicht mehr länger! Ich fühlte mich grundsätzlich noch nie zu euch dazu gehörig und ich habe echt keinen Bock mehr auf euch! Marti gehört jetzt das Death Note und daran werdet und könnt ihr nichts mehr ändern, verstanden?!"

Ihr Gesicht verdunkelte sich. Es schien ihr zum allerersten Mal in ihrem langen Leben wirklich ernst zu sein, wenn es darum ging, eine feste Entscheidung zu fällen.

Latok spürte dies sehr genau, antwortete ihr jedoch lediglich damit, dass er sich noch ein Stückchen weiter von ihr distanzierte.

"Hörst du, Latok?" rief Muse erneut: "Mich schert ihr einen Dreck, solange ihr eine unschuldige, junge Frau mit reinzieht, deren bisheriges Leben so abgrundtief zerstört war, dass sie sich keinen anderen Ausweg mehr wusste als mit Hilfe des Death Notes endgültig einen Weg hinaus zu finden. Ja, verdammt, dazu habe ich ihr verholfen, okay, und vielleicht war es auch falsch von mir, klar! Aber jetzt ist es nun einmal so und ich werde ihr nicht mehr von ihrer Seite weichen und sie dabei vor euch allen beschützen, koste es, was es wolle!"

"Zu welchem Preis machst du diesen Irrsinn, Muse??" herrschte Latok sie nur überreizt an: "Zu welchem Preis, hä? Du weißt selber am besten, was bereits geschehen ist - deinetwegen! Und das bedeutet nun mal jetzt auch, die dafür vorgesehenen Konsequenzen zu tragen. Du willst zu deiner Verantwortung für diesen Fehler stehen? Gut! Aber dann tue das in dem ehrenhaften Namen eines Shinigami!"

Muse merkte allmählich, dass es überhaupt keinen Sinn hatte, die Sache weiter mit ihm zu diskutieren, geschweige denn darüber zu verhandeln. Sie war sich im Klaren, dass er nicht eher Ruhe geben würde bis sie ihm das Death Note ausgehändigt haben und anschließend mit ihm kommen würde, um beim Großen Shiozzan ihre gebührenden Strafen abzuholen, ehe man sie, mitsamt Marti, für immer in den Untergang stürzte. So blieb ihr nur noch eine einzige Möglichkeit, den für sie nötigen Schritt zu wagen, zu dem einiges an Überwindung gehörte, sie aber nun bereit war, ihn zu begehen.

"Verzeiht mir, hochehrwürdiges Volk der Shinigami! Verzeiht, dass ich Euch nie die gebührende Genossin sein konnte", so sprach sie nun und wendete sich von Latok ab: "Ich werde mein Death Note jedenfalls nicht hergeben, wenn ich Marti dafür ins Unglück stürzen muss, auch wenn Ihr es noch so von mir fordert! Dann werde ich lieber mein eigenes Leib und Wohl riskieren und von Euch gehen - für immer! Ich werde Eurer Welt, in die ich nie wirklich reingepasst habe, entsagen!"

"Exil?" brach es kurz und knapp aus Latok heraus, der Muse dabei noch immer nicht ansehen mochte: "Ich nehme an, du weißt in deiner kindlichen Naivität sicherlich nicht, dass..."

"Jetzt halt endlich dein verfluchtes Maul und stell mich nicht immer nur als dumm dar!!" schrie Muse ihn völlig außer sich an: "Ja, ich weiß es selbst, was mir wahrscheinlich blüht und JA, den Schritt werde ich trotzdem gehen!"

Nun blickte Latok sie doch noch ein letztes Mal eindringlich an. Sein Gesicht war erfüllt von grenzenloser Fassungslosigkeit.

"Ähm... Muse?"

"Es ist alles gesagt!" schloss diese ihre Worte nun endgültig ab: "Ich werde jetzt gehen, mich weiter Marti annehmen und alles so hinnehmen, wie es nun mal kommt. Danke!"

Mit diesen Worten schwirrte sie davon und entfernte sich immer weiter in die neblige Ferne des Himmels. Latok sah ihr beklemmt nach. So wie sich der Nebel um ihren ganzen Körper legte, so löste sich dieser umso mehr in ihm auf und glitt ins pure Nichts über. Für Latok war es die Gewissheit, dass er sie zum letzten Mal in ihrer lebendigen Form gesehen haben würde. Wortlos starrte er ihr nach, ohne auch nur das geringste Gefühl von Mitleid oder gar Verständnis zu empfinden. Nachdem einige Sekunden in völliger Stille vergangen waren, brachte er schließlich doch jene letzten Worte über seine kahlen Lippen hervor: "So sei es dann!", ehe er nun empor flog und zurück in die Welt der Shinigami überging.
 

L hockte noch immer zusammen gekauert sitzend auf seinem Bett. Er dachte in höchster Konzentration nach und es schien, als würde ihn nicht das Geringste aus seiner inneren Ruhe bringen können. Nicht mal die sich plötzlich öffnende Zimmertür änderte etwas an diesem Zustand. Erst als Marti daraufhin vorsichtig ihr Gesicht aus ihr zum Vorschein kommen ließ und ihn schüchtern ansprach: "Ryuzaki?", erhob L sein müdes Haupt und schaute sie zuerst etwas perplex an als er kurz inne hielt und dann schließlich fragte: "... äh, ja? Was denn?"

Langsam trat Marti nun ins Zimmer ein, worauf dieses mit einem Mal von einem verlockend köstlichen Duft erfüllt wurde, welcher ganz klar auf frische, mit süßen Bohnen gefüllte Pfannkuchen schließen ließ, welche Marti in Form kleiner Fische, auf einem größeren breiten Teller nun näher an L heran brachte. Obendrein waren diese allesamt mit Ahornsirup übergossen, was ihren süßen Geschmack noch intensivieren würde.

"Ich denke mir, du bist sicher hungrig, hm?!" sagte Marti als sie den Teller nun sachte auf dem Nachttisch abstellte: "Und außerdem vielen Dank! Meiner Schulter geht es schon einiges besser!"

Sie bewegte daraufhin demonstrativ ihren rechten Arm auf und ab. L jedoch hielt wieder seinen Kopf gesenkt und starrte höchstfixiert zu Boden, so als wäre sie gar nicht wirklich anwesend. Das erstaunte Marti schon ziemlich und sie näherte sich ihm, um nach dem Rechten zu sehen.

"Ist irgendwas, lieber Ryuzaki?" hakte sie nach.

L schüttelte langsam den Kopf: "Nein, wieso? Ich lieb nur diese unbekümmerte Ruhe, die für mich nun mal von Nöten ist, um mich konzentrieren zu können..."

"Ach ja? Und auf was konzentrierst du dich grad so dermaßen?" Marti kam die Sache doch etwas seltsam vor. Sie mochte es gar nicht, wenn man ihr gegenüber derartig abweisend war; das erinnerte sie nur wieder an gewisse vergangene Zeiten... L schwieg. Da versuchte Marti es erneut, indem sie etwas anderes ansprach: "Übrigens hast du in deiner Küche ja wirklich so einiges an guten Sachen gebunkert, aus denen sich viele Köstlichkeiten machen lassen. Du und deine Familie, ihr macht durchaus sinnige Hamstereinkäufe, hehe!"

Noch immer zeigte L keine Regung. Langsam kam es Marti immer seltsamer vor und sie musste sich allmählich regelrecht zu einem weiteren Lächeln zwingen.

"Ähm, willst du jetzt was essen, oder nicht?!" fragte sie zögernd und suchte seinen Blickkontakt. Ohne diesen zu erwidern, antwortete L nur kurz und bündig: "Du hast mir ja was hingestellt. Danke."

Marti konnte sich nicht mehr länger zurückhalten, ein tiefes hörbares Seufzen loszulassen. Sie spürte wie sie seine kalte Art merklich kränkte. Wie schon so oft in ihrem Leben, fühlte sie sich nun auch in dieser Situation mehr als ungerecht behandelt und sie war sich sogleich jener quälenden Sache bewusst, dass dies nur wieder eine von ihren vielen schlechten Erfahrungen sein würde, an der sie nun erst einmal wieder eine ganze Weile lang zu nagen hatte.

Traurig wendete sie sich ab, stand vom Bett auf und eiferte zur Tür, worauf sie das Zimmer mit den gekränkten Worten verließ: "Also gut, dann war's das jetzt, nicht wahr?!"

Nachdem sie die Zimmertür hinter sich ins Schloss fallen gelassen hatte, schritt sie nun Richtung Haustür die Treppe hinunter. Nur noch wenige Schritte trennten sie von Außerhalb. Sie war grad im Begriff, die Klinke hinunterzudrücken als sie auf einmal eine sanfte Berührung an ihrem rechten Arm verspürte und sogleich inne hielt. Sie blickte sich um und hörte die ruhigen Worte: "Geh noch nicht!" als sie dabei direkt in zwei große dunkle Augen blickte, die ihr die Botschaft dieser klaren Bitte nur allzu deutlich bestätigten. Sachte zog L ihren Arm leicht in seine Richtung um sie von der Haustür ein gutes Stück zu entfernen.

"Aha, und warum jetzt doch nicht!?" fragte Marti leicht säuerlich.

"Nun, du solltest dich besser noch schonen. So eine Schussverletzung heilt schließlich nicht von heute auf morgen. Und außerdem hast du doch bestimmt noch nichts gegessen, nehme ich an!?" erklärte L ihr ausgesprochen ruhig und gelassen.

"Und wenn schon. Ich merke, wenn ich nicht willkommen bin..." seufzte Marti gereizt und drehte ihren Kopf bewusst zur Seite, damit er möglichst nicht sehen konnte, wie sie dabei mit den Tränen kämpfte. Für einige Sekunden verstummte L, dann meinte er jedoch in einem ausgesprochen schüchternen Tonfall: "Ich habe nichts dagegen, wenn du noch etwas bleibst..." Dann fügte er noch etwas lockerer hinzu: "Außerdem, hey, du hast mir so einen großen Berg an Pfannkuchen gebacken, den ich nur zu ungern ganz alleine vertilgen mag. Also komm jetzt und hilf mir dabei...!"

Er mühte sich zu einem leichten Lächeln, was ihm auch einen kleinen wenig gelang. In seinem so trüben, blassen Gesicht erkannte Marti nun mehr ein deutliches Zeichen von Reue, was sie direkt wieder etwas milder stimmte. Zumindest ließ sie jenen Widerstand, sich von seinen Berührungen los zu reißen, in diesem Moment allmählich locker und sie entfernte sich nun einpaar Schritte von der Tür weg in seine Richtung.

"Na gut, okay!" gab sie nun klein bei: "Ich verstehe nur nicht, warum du dich so verhältst. Das eben fand ich jedenfalls ausgesprochen unfreundlich von dir, Ryuzaki!"

"Verzeih mir, Marti. Es ist nur..." L wurde wieder zunehmend betretener und er rang förmlich nach den richtigen Worten, die ihm jedoch so schnell einfach nicht einfallen wollten: "Nun ja... es ist... halt eben für mich etwas ungewohnt, auf einmal wieder in Gesellschaft zu sein, nachdem ich mich hier Monate lang allein zurück gezogen habe..."

"Wieso das?" fragte Marti darauf: "Du wohnst hier also wirklich ganz alleine?"

Sie konnte es überhaupt nicht nachvollziehen. Doch L nickte tatsächlich als Antwort: "Wenn man sein Leben lang Vollwaise war und eigentlich nie wirklich Freunde gehabt hat..."

Marti wurde immer ungläubiger: "Was? Aber..." Sie malte sich im Gedanken die tragischsten Umstände aus, musste dabei jedoch direkt an ihre Worte zurück denken, die sie noch kürzlich erst geäußert hatte von wegen dass L garantiert reiche Eltern hätte und aus diesem Grund als äußerst verzogen und arrogant gelten würde. Nun jedoch machte dieser wirklich nicht mehr den geringsten Eindruck - eher das exakte Gegenteil war der Fall und sie bereute ihre Äußerung zunehmend.

Noch ehe sie ihm weitere Fragen stellen konnte, sagte er ihr mit sanfter Stimme: "Nun komm! Am besten setzt du dich zu mir ins Wohnzimmer und ich werde dir dann alles in Ruhe erklären. Was hältst du davon?"

Marti nickte nur stumm, worauf L seine Hände nun wieder lässig in seine schlabberigen Hosentaschen vergrub und in Richtung Treppe zu seinem Dachzimmer voran schritt.

"Geh du ruhig schon mal ins Wohnzimmer! Ich werde derweil die Pfannkuchen und noch etwas mehr herbei holen." bat er sie, was Marti sofort einwilligte und sich ins Wohnzimmer begab. Dabei kam neben ihr plötzlich wieder Muse zum Vorschein, die nun wieder mit ihren voll ausgebreiteten Schwingen an ihrer Seite wachte. Für diese stand nun eines felsenfest; sie würde für Marti da sein, solange es ihr möglich war.

Draußen wehte frischer Herbstwind, worauf sich viele bräunlich gefärbte Blätter von den Bäumen lösten und in Massen in dem Vorgarten von Ls großem Anwesen verteilten. Die letzten Sonnenstrahlen wärmten die Umgebung angenehm auf und konkurrierten mit der kühlen Herbstbrise, die sich nun langsam immer mehr verstärkte.



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