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Das Mädchen aus der anderen Welt

von

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Der letzte Kampf

Lucy ging in den nächsten Tagen hauptsächlich neben Shynne her, welche ihr von dem verdeckten Leben einer Gestaltwandlerin und den ständigen Gefahren erzählte.

So vergingen Monate, in denen Dylan und Fley nie von Lucys Seite wichen. Sie waren immer da. Ein paar Schritte abseits, doch sie gaben Lucy die Deckung, die sie benötigte, um sich sicher zu fühlen.
 

Eines Abends, es war schon Anfang des Herbstes und ein kalter Wind ließ die wenigen Blätter an den kargen Bäumen erzittern, fühlte sich Shynne unwohl.

„Was ist mit dir?"

„Ich fühle mich nicht so wohl…"

„Hast du etwas falsches gegessen, oder etwas in der Richtung?"

„Nein!"

Shynne lachte. Doch dann verfinsterte sich ihr Gesicht.

„Nein, ganz und gar nicht! Ich fühle mich nur unwohl, wenn etwas wirklich wichtiges passiert ist! Mit einem Tier!"

Lucy schluckte und wollte den Gedanken verdrängen, der sich in ihrem Kopf formte. Doch die Worte entschlüpften ihrem Mund:

„Ist das Einhorn gestorben?"

„Nein. Wenn ein so mächtiges Tier ins Totenreich überwechselt, würde ich viel stärkere Schmerzen haben! Nein, es ist etwas anderes, was ich bisher noch nicht gespürt habe!"

„Lucy?"

Es war das erste Mal seit Monaten, dass Fley sie direkt ansprach.

„Wir kommen in das Gebiet des Bösen! Hier sollten wir zusammenbleiben und unsere Verbündeten rufen!"

„Wie sollen wir sie rufen?"

„Benutze den Diamanten!"

Fley huschte zum ersten Mal seit Wochen wieder ein kleines Lächeln um ihre Mundwinkel.

Lucy griff sich an den Hals und zog den Diamanten unter ihrem T-Shirt hervor.

Er pulsierte leicht.

„Siehst du, er spürt die Schwingungen auch! Es wird Zeit! Benutze ihn!"

Lucy hielt den Diamanten hoch ins trübe Licht und er fing an zu strahlen und wurde immer wärmer.

So hell, dass Lucy und die anderen sich abwenden mussten.

Dann hörten sie verschiedene Schreie, die von dem Diamanten auszugehen schienen.

„Er ruft sie!", flüsterte Dylan ehrfürchtig und griff nach Fleys Hand.

Das Licht breitete sich von Lucys Hand über die gesamte Ebene vor, neben und hinter ihnen aus.

Es war ein silbernes Licht.

Dann verblasste der Lichtschein und der Diamant wurde wieder zu einem normalen Schmuckstück.

„Was machen wir jetzt?", fragte Dylan nach einer Weile, in der er hastig wieder Fleys Hand losgelassen hatte.

„Wir gehen weiter! Sie werden kommen, wenn wir kämpfen!"

Also gingen sie weiter, doch dieses Mal enger zusammen. Kampfbereit. Die Umgebung änderte sich schlagartig, je weiter sie Richtung Norden gingen. Die Bäume, die in dieser Dürre überlebt hatten, waren nur vereinzelt zu sehen, und es gab weder einen Bach noch Büsche. Das Gras unter ihren Füßen war vertrocknet und selbst der Himmel schien sich verändert zu haben. Sein vorheriges leuchtendes blau hatte sich in ein mattes orange verwandelt, welches ein merkwürdiges Gefühl der Trauer verbreitete.

Kein Vogel war zu hören. Auch keine Tiere zu sehen.

„Mir gefällt es hier nicht! Es ist alles so…tot!"

Lucy schüttelte sich und spürte Fleys Hand in ihrer.

„Wir schaffen das! Vertrau mir!"

Lucy lächelte sie dankbar an und dies ließ die vergangenen Monaten schnell verblassen. Als wären sie nur ein schwaches Abbild, welches sich mit einem Klick auslöschen ließ.

Sie gingen schweigend weiter, jeder in seinen Gedanken vertieft, bis sie gegen Abend immer mehr merkwürdigen Kreaturen begegneten.

Das erste Tier, welches ihnen begegnet war, sah aus wie ein Hund, nur, dass aus seinem Rücken kleine, schwarze Flügel geragt hatten und aus seinem Maul eine gespaltene Zunge hing.

Dann war ihnen eine Ziege begegnet, mit den Hufen eines Pferdes und dem Kopf einer Schlange.

Die Gestalten wurden immer abstoßender, bis Dylan entschied, dass sie nicht mehr bei Tag gehen konnten. Zu groß war die Gefahr, entdeckt zu werden!

Also bewegten sie sich nur noch bei Nacht. Shynne machte sich als Führer besser, als alle angenommen hatten. Durch ihren ausgeprägten Geruchs- und Stimmungssinn konnte sie die anderen schon lange warnen, bevor sie entdeckt werden würden.
 

Wie an den letzten Tagen legten sie sich wieder zum Schlafen in eine Kuhle, die Shynne gebuddelt hatte. So würden sie nicht auf den ersten Blick auffallen.

Doch an diesem Tag konnte Lucy nicht schlafen. Das trübe Licht war in den vergangenen Tagen zu einem ständigen Begleiter geworden, und wie sie alle mit Erschrecken festgestellt hatten, verloren ihre Anziehsachen an Farbe. So hatte Lucys T-Shirt zum Beispiel anfangs eine knallrote Farbe gehabt, nun war es blassrosa.

Die Farben würden, so hatte Dylan es ihr erklärt, in diesem Teil der Welt verblassen, bis alles schwarz-weiß war.

Der Herr der Finsternis mochte keine Farben. Wenn sie Glück hatten, würden sie ihre Gesichtsfarbe behalten. Lucy hatte nur traurig an sich heruntersehen und wollte so schnell wie möglich wieder an einen Ort, wo sie frisches Gras fühlen und sehen konnte! Wo der Himmel blauer war als ein Ozean, wo die Bäume mit ihren Blättern im Wind raschelten.

Lucy hatte solche Sehnsucht, dass es sie an manchen Tagen fast zeriss.

Sie könnte hier nicht freiwillig leben. Sie wollte ihre Aufgabe erfüllen und dann so schnell wie möglich wieder an einen anderen Ort.
 

Doch an diesem Tag konnte sie wie schon gesagt nicht schlafen, und so stand sie auf, schob den schlafenden Fuchs neben sich ein Stück zur Seite und stieg aus der Kuhle. Sie streckte sich und sah zum Horizont. Die Sonne verbarg sich wie in den letzten Wochen hinter einer Wolkenschicht, als dürfte sie sich nicht zeigen. Als wäre sie gezwungen.

Lucy hielt es nicht länger aus. Sie schrie verzweifelt. Warum wusste sie nicht. Doch sie wollte nicht mehr an diesem Ort sein.

Sie schrie, und schrie.

Verlangte den Herrn der Finsternis zu sprechen.
 

Dann veränderte sich die Welt um sie herum. Sie stand inmitten eines runden Kreises. Ihre Freunde standen schreckensbleich hinter ihr.

Als Lucy den Kopf hob, sah sie in die höhnischen Augen des schwarzen Pferdes.

„Du hast mich gerufen? Ich hoffe, du hast auch einen Grund dafür, kleines Mädchen!"

Es schnaubte verächtlich und seine Untertanen hinter ihm lachten. Es waren Tausende.

Tausende widerlicher, abstoßender Gestalten.

Lucy stellte sofort fest, dass sie nicht im geringsten eine Chance hatten.

Trotzdem trat sie dem schwarzen Pferd mit gewissem Stolz gegenüber.

„Ich bin hier, weil ich dich besiegen werde! Dich und deine Untertanen! Ich werde das Reich des weißen Einhorns retten! Ich bin das Mädchen aus der Prophezeiung!"

Das Pferd wiehert erneut.

„Du bist ganz schön mutig, aber ich werde dich genauso töten wie alle anderen vor dir! Es ist wirklich schade! Aber ich mache es schmerzlos! Doch eines solltest du vor deinem Tod noch erfahren! Ich habe die Prophezeiung erstellt! Bei einem Pokerspiel. Sie ist erfunden!"

Lucy wollte eerst bei der Vorstellung von einem Pferd beim Pockern losprusten, doch dann merkte sie, wie ihr Lächeln erfror und kalte Angst sie durchströmte.

„Ich werde dir deine Gefühle nehmen, alles, was du liebst! Danach wirst du wahrscheinlich Selbstmord begehen, doch das ist mir egal. Schau mir nur in die Augen!"

Lucy wollte nicht hinschauen, doch dann tat sie es doch.

Als sie in die kalten Augen sah, empfing sie nichts als Leere. Sie wurde verschluckt und merkte, wie ein Gefühl von Einsamkeit in sie drang. Sie fühlte sich alleine, sie war schutzlos, egal wie viele Krieger sie gebracht hätte.

Das Pferd war mächtiger.

Vor Lucys innerem Auge tauchte ihre Familie auf, ihr Hund. Sie würde sie nie wieder sehen. Sie würde gleich sterben. Alleine, ohne dass jemand etwas dagegen unternehmen würde.

Nein! Lucy hielt das Bild ihrer Familie in ihrem Kopf fest, es leuchtete hell und klar vor ihrem inneren Auge auf. Sie würde nicht aufgeben! Nicht so einfach! Sie hatte Freunde, die ihr Leben für sie opfern würden, sie war nicht allein!

„Ich werde mich dir nicht beugen, du Pferd!"
 

Lucy schrak hoch und stand wieder dem Pferd gegenüber. Doch dieses Mal spürte sie etwas neben sich.

Sie musste ihren Kopf nicht drehen, um zu sehen, dass es das weiße Einhorn war. Auf ihrer anderen Seite standen Shynne, Dylan und Fley. Sie konnten sich an den Händen halten, da Shynne eine menschliche Gestalt angenommen hatte.

„Du hast deinen eigenen Kopf, du weißt, was du willst! So etwas wäre Verschwendung! Willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Ich könnte dich gut in meiner Armee gebrauchen!"

„Niemals!"

„So sei es!"

Das Pferd galoppierte auf Lucy zu, doch das weiße Einhorn sprang zwischen Lucy und Areus.

„Ich glaube, das ist unser Kampf!", sagte es bissig.

Obwohl das Einhorn geschwächt war, rammte es sein Horn in Areus Bauch.

Das schwarze Pferd lachte, als die Wunde, die durch das Horn entstanden ist, durch welche Lucy mit Abscheu die Bauchknochen sehen konnte, sich wieder verschloss.

Das weiße Einhorn keuchte.

An seinem Fell klebten immer noch die Blutspuren, und es war merklich geschwächt.

„Los! Greifen wir an!"

Lucy gab das Kommando an die Gestalten hinter ihr und schon ging die Schlacht los.

Gut gegen Böse. Wer würde gewinnen?

Lucy stürzte sich mit in die Schlacht, mit dem Messer, welches Dylan ihr in die Hand gedrückt hatte. Shynne hatte sich in einen Drachen verwandelt, doch auch sie hatte Probleme, mit den Kreaturen fertig zu werden. Dylan und Fley hatten ihre Messer gezückt und waren Seite an Seite verbissen auf die Kreaturen losgegangen.

Der Minotaurus senkte seinen Kopf und rannte in eine Horde Basilisken hinein.

„Du musst dem Einhorn helfen! Töte Areus, dann ist die Schlacht vorbei!", schrie Fley und hieb weiter auf eine Gestalt ein, die Lucy nicht mehr benennen konnte.
 

Lucy fuhr herum, rammte dem Angreifer hinter sich ihr Knie in den Bauch und kämpfte sich zum Kreis vor.

Das Einhorn lag am Boden, blutüberströmt. Lucy stürzte zu ihm hin und sah, dass es noch atmete.

„Lucy, du musst die Prophezeiung erfüllen!", hörte sie eine leise Stimme.

Entschlossen ging sie auf das schwarze Pferd los. Sie kämpfte wieder gegen die Einsamkeit an, dann kam sie nahe genug an den Körper heran und stach mit ihrem Messer einfach drauflos.

Das schwarze Pferd jedoch störte es nicht und es rammte Lucy seinen schweren Kopf in den Bauch. Lucy schrie auf und flog neben dem Einhorn zu Boden. Ihr Ellenbogen schmerzte höllisch und sie wusste, dass er mit Sicherheit gebrochen war.

Doch Lucy biss die Zähne zusammen und stemmte sich in die Höhe.

Das schwarze Pferd setzte zu einem tödlichen Sprint an.

Lucys Messer steckte ein Stück entfernt im Boden. Sie warf sich in seine Richtung, doch es steckte fest. Sie rüttelte, doch sie sah schon das mächtige schwarze Horn auf sich zukommen.

„Neeiiiinnn!"

Lucy sah wie in Zeitlupe, dass sich Dylan mit einem Aufschrei vor sie warf und das Horn tief in den Körper gebohrt bekam.

Lucy blieb keine Zeit, das Messer zu zeihen, sie brauchte etwas anderes. Dylan hatte ihr ein bisschen Zeit geschindet und sie hatte eine Idee.

Das schwarze Pferd hatte Dylan mittlerweile abgeschüttelt und ihn zu Boden geworfen.

In einer letzten Verzweiflung riss Lucy ihren Diamanten unter dem T-Shirt hervor und er fing an zu glühen.

„Was ist das?!", brüllte das Pferd und stoppte im Galopp.

Der Diamant wurde flüssig und ein silbernes Schwert formte sich langsam.

Lucy stand zitternd auf, hob das Schwert über ihren Kopf und schlug dem schwarzen Pferd den Schädel ab. Dumpf fiel er zu Boden.

Lucy ließ das Schwert fallen und kniete sich neben das Einhorn. Sein Bauch hob sich nur noch wenig, als es ein Auge öffnete. Lucy vergrub ihren Kopf in seinem Fell und schluchzte:

„Ich habe getan, was ich tun konnte. Es tut mir so leid!"

„Was tut dir leid? Du hast Areus besiegt!"

„Aber du bist schwer verwundet. Nur meinetwegen!"

Das Einhorn schnaubte freundlich.

„Mach dir um mich keine Sorgen! Meine Zeit ist gekommen. Ich kann dir nur danken, dass du meine Welt gerettet hast! Geh zu deinen Freunden, sie brauchen deine Hilfe."

Lucy strich ihm noch ein Mal über die Mähne, dann lief sie zu ihren Freunden, die sich um eine Person versammelt hatten. Dylan.

Sein Bauch war quer aufgeschlitzt und sein Hemd blutig.

Fley riss es herunter und offenbarte die große Wunde.

Sie schluchzte auf und drehte sich weg.
 

Er würde sterben. Er hatte mich gerettet, um selbst zu sterben.

Dieser Gedanke zuckte durch Lucys Körper, als auch sie anfing zu weinen. Er hatte sich für sie geopfert. Und für seine Welt.

Plötzlich hörte sie neben sich ein leises Schnauben und das Einhorn legte mit seinem letzten Atemzug sein Horn auf Dylans Wunde.

Dann fiel es leblos zu Boden.

Lucy sah sich das Schlachtfeld an. Die Heere von Areus hatten sich verzogen und nun waren auf der weiten Ebene nichts als Tote zu sehen. Teils aus ihren Reihen, teils aus den anderen.

Der Regen fiel auf die Ebene nieder, löschte die Blutspuren, machte alles ungeschehen.
 

Plötzlich riss der Himmel auf und ein einzelner, heller Lichtstrahl fiel auf das Einhorn und Dylan. Geblendet von dem hellen Licht schloss Lucy die Augen und als sie sie wieder öffnete, schwebte aus dem Mund des Einhorns eine winzige Perle heraus. Sie leuchtete und pulsierte silbern.

Sie schwebte langsam zu Dylan und verschwand in seinem Mund.

Beim nächsten Regentropfen nahm Dylan einen tiefen Atemzug und öffnete verwundert die Augen.

„Was steht ihr hier denn alle herum?"

Fley lachte erleichtert und fiel ihm um den Hals. Lucy drückte Shynne an sich, welche sich auch ein kleines Tränchen der Erleichterung aus den Augenwinkeln wischte.

Dylan stand auf und schaute an sich herunter. Die Wunde war verheilt!

Lucy sah ihn an und er lächelte stolz. Dann rannte er auf sie zu und wirbelte sie herum.

„Du hast uns alle gerettet!"

„Du hast mich gerettet, sonst hätte ich es nicht geschafft! Du bist hier der Held!"

Dylans Lächeln reichte nun von einem bis zum anderen Ohr.

„Stimmt ja!"

Fley lachte und in dieses Lachen stimmten alle mit ein, Shynne, Lucy, Dylan, die Meerjungfrauen, die Kobolde, die Nymphen, der Minotaurus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  AnniPeace
2010-01-07T16:59:18+00:00 07.01.2010 17:59
Q____Q
yaaayyy~ ein happy happy end~
*sing*
tolle geschichte bis jetzt, muss noch epilog lesen ;D
ld anni~
Von: abgemeldet
2010-01-03T17:23:53+00:00 03.01.2010 18:23
ein happy end...
okay, ich fand das ende gut, auch wenn ich mit he nicht so gut klar komme :)
jetzt muss ich nur noch den epilog lesen ;)


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