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Küss mich doch!

Der zweite Band von der Liebesreihe 'Lächel doch mal'
von

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Vielleicht doch nicht so schlecht? Aber nur vielleicht!

Nur sehr langsam beruhigte sich mein Herz und schlug im selben Augenblick schneller, als meine Hand auf einer männlichen Brust lag. Die Hand auf meiner Hüfte strich sanft auf und ab, und ich fragte mich, ob sie das schon die ganze Zeit getan hatte.

Nach und nach kehrte ich zu einem normalen Zustand zurück, der es mir erlaubte, nachzusehen, wer es wagte, mich so frech auf sich zu ziehen.

Allerdings nagte neben der Neugier, wer mich penetrant in seinen Armen hielt, eine weitere Empfindung, nämlich Panik!

Denn wie ich mein Glück kannte, war das ein perverser alter Sack. Die Hoffnung, vielleicht von einem netten – und auch noch gut aussehenden – Mann umsorgt zu werden, starb an dem wirklichen Leben…

Langsam hob ich meinen Kopf.
 

Zwei goldene Augen fixierten mich und seine Stirn lag in Falten.

Schlagartig sprang ich auf, verhedderte mich mit den Beinen und knallte lautstark zu Boden.

Einerseits war ich glücklich, über die Tatsache, dass es kein fetter alter Sack war, anderseits war der Gedanke, dass ausgerechnet ER es war, der mir Trost spendete, eine ausgesprochene erschreckende Vorstellung.

Gerade er sollte mich niemals so sehen; niemals!

Niemals sollte er meine Schwäche kenne.

Ich war all die Jahre sehr gut alleine damit zurecht gekommen. Es war mein kleines Geheimnis. Wieso jetzt er?
 

Stillschweigend reichte er mir seine Hand. Als ob ich auf diesen Trick reinfallen würde. Ich rappelte mich ohne seine Hilfe auf; zwar zitterten die Knie noch leicht, doch nichts, was sich nicht bewerkstelligen ließe.

Mein Blick fiel auf die Anzeige des Aufzugs, ich war im vierten Stock ausgestiegen.

Wieso hatte der Kerl sich die Mühe gemacht, nach mir zu suchen? Wieso? Warum, wo er mich dauernd mit diesen Namen strafte. Warum?

Aber ich würde niemals fragen, denn die Antwort, das wusste ich hundertprozentig, war verletzend, und das würde ich nicht ertragen. Nicht jetzt…
 

»Wir sollten endlich losfahren, Pumuckl. Ich hab Hunger«, weckte er mich aus den Gedanken und lief auf die Aufzüge zu.

Weil ich diese Horrorfahrt nicht wiederholen wollte, suchte ich die Treppe auf. Der Notausstieg war nicht weit, und vom vierten Stock konnte ich getrost die Stufen nehmen.

Ich machte mir nicht die Mühe, ihn darauf aufmerksam zu machen, sondern marschierte schnurstracks zum Treppenhaus, und war bereits die ersten Stufen gegangen, als ich hinter mir die Tür hörte.

»Kann es sein, dass du Höhenangst hast, Rotfuchs?«

Ich antwortete nicht. Seinem Feind noch zu bestätigen, dass er Recht hatte, womit er sich zusätzlich – zu den hässlichen Spitznamen – daran weiden konnte; nein danke!

Ohne ein Wort von mir zu geben, lief ich weiter die Stufen runter.

»Du hast also Höhenangst.«

Ich blieb stehen.

»Nein!«, antwortete ich mit schneidender Stimme, »Es ist nur gesündern und billiger als ein Fitnessstudio!«

Er nickte verständnisvoll, dennoch sah ich sein Lächeln, was meine Aussage als Lüge betitelte. Er belächelte mich! Ich ballte meine Hände zu Fäusten.

»Nicht alle haben das Geld, solche Studios zu besuchen«, platzte es aus mir heraus und ich nahm den Weg weiter auf.

»Jetzt hast du die Möglichkeit. Wobei ein Selbstverteidigungskurz besser wäre, bei deiner Wohnlage.«

»Da gibt es nichts auszurichten!«, wollte ich das Gespräch beenden. Für einen flüchtigen Moment glaubte ich auch, dass er nicht weiter bohren würde, jedoch ließ er lediglich diesen Moment verstreichen, um mich glauben zu lassen, er würde mich in Ruhe lassen.

»Du kommst aus einer Kleinstadt, oder Pumuckl?«

»Nein!«, log ich.

Abermals nickte er und schenkte meiner Antwort keine Beachtung. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und lief einen Schritt schneller.
 

»Sobald ich meine Sachen wieder habe, bekommen sie diese wieder.«

»Sie gehören dir, Rotfuchs«, antwortete er und öffnete mir mit einem charmanten Lächeln die Tür zur Tiefgarage. Ich traute diesem Lächeln nicht, außerdem würde ich in seiner Schuld stehen, wenn ich sie behielte. Ich hatte keine tausende von Dollar, um das zu bezahlen.

»Danke, ich brauch das nicht«, flunkerte ich und war überrascht, dass mir noch keine lange Nase gewachsen war. Die Limousine wartete längst auf uns und der Chauffeur öffnete uns die Tür, sobald er uns sah.

»Ein Selbstverteidigungskurz wäre nicht schlecht…«

Ich schenkte ihm einen bösen Blick, dass er endlich mit dem Mist aufhören sollte. Niemand würde jemals bei mir einbrechen wollen. Es gab nichts zu holen. Die wenigen Wertsachen, die ich besaß, hatte ich stets dabei.
 

Da Mr. Unmöglich es nicht wirklich vorzog zu arbeiten, hatte ich so gut wie kaum etwas zu tun.

Allem und jedem zeigte er die kalte Schulter, nur bei den Akten von der Firma Smith schien er sich zu bemühen, dass alles reibungslos lief.

Weswegen er sich so begierig darum kümmerte, interessierte mich zwar, allerdings würde ich ihn nie danach fragen. Für heute hatte er genug von mir gesehen. Es war mir immer noch peinlich, dass jemand meine Höhenangst mitbekommen hatte. Selbst meinen Eltern hatte ich stets vorgespielt, dass es nichts weiter war als eine Lappalie, eine einfache Kleinigkeit…

Er war der Erste, der mich derartig erlebt hatte, und das verletzte meinen Stolz.

Ich war wütend auf ihn, wütend auf mich und gleichzeitig fühlte ich mich einsam. Wie oft wünschte ich mir in den Stunden, wo die Angst mich übermannte, dass jemand kommen und mich eiskalt an sich ziehen würde. Jemand der mich beschützte und auffinge.

Doch fand sich in meinen vierundzwanzig Jahren niemanden, der diesen Posten übernehmen konnte. Nicht einer…
 

Nachdem ich in Null Komma nichts alles erledigt hatte, saß ich vor meinem Computer, mit einer Tasse Kaffee von Starbucks – ich liebte das Zeug einfach – und spielte Solitär.

Seit über einer halben Stunde folgten keine Spitznamen wie ‚rostiges Ding kopier mal’ oder ‚rote Pest, komm mal her, aber reiß nicht alles um.’ Und ich musste gestehen, daran konnte man sich echt gewöhnen, wenn es doch bloß immer so sein konnte.

Allerdings fragte ich mich schon, was aus den Unterlagen geworden war, die ich kopiert hatte. Erstaunlicherweise befanden sich in den Ordner die Originale ohne Kaffeeflecken.

Weil ich eben perfekt kopieren konnte, konnte ich auch fix Fälschungen erkennen; aber das waren alles Originale. Rausgeworfen wurde ich auch nicht. Schon merkwürdig.

Aber das bedeutete: Ich würde Ende dieser Woche Geld haben. Vor mich hinlächelnd beendete ich den Spielzug und malte mir aus, was ich mir als Erstes damit kaufte.

Ganz oben stand Essen, allem voran leckeren Nachtisch. Ich hatte schon so lange nichts Süßes mehr gegessen. Schokolade! Himmlisch!
 

Die Flügeltür zu unserem Büro ging auf und eine vollbusige Blondine betrat das Zimmer. Ich linste über meine Tasse hinweg und machte mir nicht die Mühe, sie zu fragen, wer sie war oder was sie wollte.

Zielstrebig lief sie auf Mr. Mistkerls Schreibtisch zu und tänzelte seltsam beim Gehen.

»Leo…«, säuselte sie und Mr. Unmöglich hob seinen Kopf. Für einen flüchtigen Moment glaubte ich, seine Augen wanderten durch die Barbie hindurch direkt zu mir. Doch was gingen mich seine Affären an, und widmete mich meinem heiß ersehnten Kaffee. Der Duft war köstlich.

»…Hast du mich vergessen?«

Ihre Finger glitten über den Schreibtisch, weiter über seine Schulter zu seiner Brust.

Flittchen!’

Vermutlich glaubte sie, sie wäre mit ihm alleine, denn Sekunden später saß sie auf seinem Schoss und begann damit seinen Hals zu küssen.

Die werde es doch wohl nicht hier, vor meinen Augen, im Büro treiben?’, rief ich entsetzt im Geiste aus.

Das war einer der Dinge, die ich niemals sehen wollte! Die Vorstellung alleine war schon ekelhaft. Dieser Horrorfilm wäre für keine Altersklasse freigegeben.

»Du störst«, zischte Mr. Macho lediglich und wich mit dem Gesicht ihrem Kuss aus.

»Aber Leo… Seit wann so abweisend. Ein Quicky schadet niemanden.«

Gott, ist diese Barbie hartnäckig!’

Ihre Lippen waren viel zu auf geduzten und der Busen war bestimmt nicht mehr echt.

Das musst ich mir nicht ansehen!’

Ein Mann meinte zwar, dass er keine Lust hätte, aber am Ende gewannen doch die Triebe! Das war immer so und wird auch immer so bleiben.

Männer sind Schweine!’

Klamm und heimlich packte ich meine Sachen zusammen und erhob mich lautlos vom Stuhl. Sollten sie ihr Nummerchen ohne mich schieben.

»Wo willst du hin, Rotfuchs?«, die Frau blickte erschocken in meine Richtung, »Du hast noch Arbeit.«

»Diese kann ich auch nach eurem Quicky machen«, sagte ich einem Ton zu freundlich, dass der Sarkasmus einen förmlich ansprang, und verließ das Zimmer.
 

Geiler Bock!’, knurrte ich in Gedanken und machte mich auf zur Treppe.
 

Lächelnd schaute Leonardo zur Tür.

»Die hätte unbedingt mal Sex nötig«, fauchte die Frau und widmete sich weiter Leonardo. Sie setzte ihre Lippen gerade an seinem Hals an, als seine Hand sie stoppte, und er sie mit einer flinken Bewegung von seinem Schoss beförderte.

»Ich sagte: Jetzt nicht.«

»Und wann? Ich habe keine Lust ewiglich zu warten. So unwiderstehlich bist du auch nicht.«

Perplex über ihre eigenen Worte, biss die Frau sich auf die Unterlippe.

»Ich weiß, dass du bloß mit mir schläfst, weil du dir einen besseren Posten erhoffst. Daher macht es so einen Spaß, dass du dich derartig ins Zeug legst. Aber du langweilst mich.«

»Dann geh doch zu deinem ‚Rotfuchs’«, antwortete sie gekränkt und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.

Leonardo knurrte, worauf sie einige Schritte vom Schreibtisch zurückwich: »Unterstehe dich sie noch einmal so zu nennen.«

»Man könnte fast meinen, du siehst sie als deinen Besitz an!«, lachte die Frau und versuchte es noch einmal, sich bei ihm einzuschleimen. Sie strich mit ihrem Finger über seine Brust, weiter zu seinem Hals, doch die Wolfsaugen funkelten sie bösartig an, dass sie ihre Hand zurückzog.

»Sie gehört mir auch.«

Langsam begriff die Frau, sie würde bei diesem Mann nicht mehr landen können. Hochnäsig straffte sie ihren Rücken und ging elegant zur Flügeltür. Sollte er sehen, was er nicht mehr bekam. Allerdings blieb die erwünschte Hoffnung aus, dass er um sie betteln würde, sondern er saß mit einem Grinsen auf dem Gesicht weiterhin auf seinem Sessel.

Schmollend drehte sie ihm den Rücken zu und verließ lautstark das Büro, indem sie die Tür zuknallte.
 

Auf einem der eingesessenen Sessel von Starbucks hatte ich es mir bequem gemacht. Es war ein Vorteil, dass die Bank direkt in der Nähe von einer Filiale war. Vorteilhaft für meine Sucht, schlecht für mein Portemonnaie.

Aufmerksam beobachtete ich die Gäste, wie sie ihren Kaffee holten und schnell in den nächsten Bus verschwanden, oder es sich – so wie ich – bequem machten, nur mit dem Unterschied, dass ich alleine war.

Jeder hatte eine Begleitung, eine Freundin oder den Freund, der mit einem zusammen hier saß.

Meine Freunde waren alle in meinem Dorf, weit weg. Sie würden nie freiwillig in eine Großstadt gehen, wenn es nicht wirklich sein musste.

Ich dagegen wollte nicht in einer kleinen Stadt versauern. Ein Gefühl, in mir, trieb mich immer voran, weit in die Ferne zu reisen und etwas von der Welt zu sehen.

Nun saß ich hier, während mein unausstehlicher Chef einen Quicky mit einer Barbie hatte. Ich erschauderte.
 

»So kalt der Shake, Pumuckl?«
 

Ich blickte rauf und nussbraune Augen sahen zu mir runter. Er ging um den Sessel und ließ sich in den anderen fallen.

Ich hatte ihn gar nicht in das Lokal kommen sehen, und noch viel schlimmer war, dass mir nicht aufgefallen war, wie er sich einen Kaffee bestellt hatte, dennoch hatte er eine Tasse in der Hand und schlürfte daraus.

»Kurzer Quicky.«

Er belächelte mich, sah sich jedoch nicht genötigt darauf zu antworten.
 

»Du hast noch Arbeit, Rotfuchs.«

Langsam bekam ich den Verdacht, dass er es richtig genoss, einen dieser Kosenamen zu nennen. Zu jeder erdenklichen Gelegenheit benutzte er sie.

Vielleicht sollte ich mal damit anfangen, ihn dauernd mit irgendwelchen scheußlichen Kosenamen zu rufen; hingegen fiel mir nicht einer ein, womit ich ihn ärgern könnte.

Egal, wie lange ich ihn ansah, fand ich meinen Makel, womit ich ihn aufziehen konnte. Er war weder dick, noch hatte er eine Hakennase oder ein seltsames Kinn…

Das war nicht fair.

»Die ist in fünf Minuten erledigt. Durch sie habe ich nicht viel Arbeit.«

»Nicht? Lässt sich ändern, Pumuckl.«

»Lassen sie das!«, schnauzte ich. Was zu viel war, war einfach zuviel.

»Womit, Rotfuchs?«

»Damit! Dauernd nennen sie mich ‚Pumuckl’ oder ‚Rotfuchs’. Ich habe einen Namen!«

»Wie sie meinen, Amanda

Ich wollte gerade trinken, als ich abrupt stoppte. Er betonte bewusst meinen Namen so verführerisch, so tief, dass es in mir vibrierte. Das machte er absichtlich, damit ich von mir aus anbot, mich wieder beleidigen zu lassen. Niemals!
 

Damit war mir die Lust an meinem Getränk vergangen.

Ich stellte es lieblos auf den Tisch, sprang von meinem Sessel auf und plumpste zurück, weil ich zuviel Schwung nahm.

Mr. Unmöglich versteckte sein Grinsen hinter der Tasse, worauf ich aus dem Lokal flüchtete.

Wenn er wollte, dass ich arbeitete, dann würde ich das tun!

In wenigen Minuten saß ich in seinem Büro, erledigte die Arbeit und musste mich erneut langweilen, weil ich alles erledigt hatte.
 

Seelenruhig kam er mit einem Pappbecher ins Büro und lachte frech, was mich erinnerte, dass ich, wegen ihm, meinen heiß geliebten Kaffee stehen gelassen hatte.

»Wie ich sehe, hattest du tatsächlich Recht, Amanda. Es ist eine Arbeit von fünf Minuten.«

Ich knirschte mit den Zähnen.

»Dann hast du ja jetzt Zeit.«

Was kommt jetzt?’

Ich rollte mit den Augen und folgte ihm dennoch zurück auf den Flur, in die Tiefgarage, wo wir vor einem schwarzen Ferrari hielten.

Wie sollte es auch anderes sein. So ein Mann fuhr einfach ein derartiges Auto, weil nichts anders ihm Komplexe bereiten würde.

»Steig ein, Amanda.«

»Okay, ich hab’s verstanden! Dann lieber ‚Rotfuchs’!«, gab ich kleinlaut nach. Lieber diese Spitznamen, als pausenlos meinen Namen aus seinem Mund zu hören. Das war fürchterlich, denn es machte mich verrückt.
 

Er manövrierte den Wagen auf die Straße und hielt einige Blocks weiter auf einem kleinen Parkplatz. Aus seinem Kofferraum holte er eine schwarze Sporttasche und dazu eine Rote, die etwas kleiner als seine war, und drückte sie mir in die Hand.

Fragend folgte ich ihm treudoof wie ein Dackel.

Was hat er vor?’

Wir liefen in eine kleine Gasse und da leuchtete mir schon ein Neonschild mit der Aufschrift „Gym“ entgegen.

»Müssten wir nicht arbeiten?«, fauchte ich.

»Nicht am Dienstag.«

Er betrat das Fitnessstudio und die Frau an der Rezeption lächelte ihn sehnsüchtig an: »Leo, hier dein Schlüssel!«

Sie warf ihm fix einen Schlüssel zu. Anstatt gleich zu verschwinden, beugte er sich zu ihr rüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf sich schlagartig ihre Wangen rötlich färbten und sie wie ein kleines Mädchen kicherte.

Die auch noch…’, war mein einziger Kommentar.

Zu meiner Überraschung reichte die Frau mir einen Schlüssel und zeigte in eine Richtung, während sie erklärte: »Die Frauenumkleide.«

Ich betrachtete den Schlüssel.

Leonardo war bereits in der Umkleide der Herren verschwunden und so schulterte ich die Sporttasche und suchte die Umkleide für Damen auf.
 

Skeptisch schmiss ich die Tasche auf die Bank und öffnete den Reisverschluss: Turnschuhe, Sporthose und ein Oberteil, neben Shampoo, Handtücher und alles, was ich nach dem Sport brauchen würde.

Ich soll mich doch jetzt nicht umziehen?’

Allerdings wüsste ich sonst nicht, wofür er mir die Sporttasche in die Hand gedrückt hatte. Vielleicht käme gleich eine weitere Barbie in die Umkleide und wollte die Tasche haben?

Weil nach etlichen Minuten immer noch nichts dergleichen passierte, zog ich mich um und verstaute meine Sachen, sowie die Tasche, in dem Schließfach. Den Schlüssel befestigte ich an meiner Sporthose.

Erstaunlicherweise passten die Klamotten perfekt.

Wann hat er die nur gekauft?’, fragte ich mich und konnte mich nicht erinnern, dass er auf unser Tour durch die Stadt an einem Modegeschäft mit Sportsachen gehalten hatte.
 

Schade bloß um die Hochsteckfrisur, die ich nun lösen musste, um meine Haare zu einem Zopf zusammenzubinden.

Kritisch betrachtete ich mich im Spiegel und ging mit meinen Händen über die Sommersprossen an den Armen. Diese blöden Dinger waren wirklich überall.
 

Seufzend verließ ich die Umkleide und entdeckte Mr. Unmöglich mit einer weiteren Frau. Dieser Mann schnappte sich wirklich alles, was er bekommen konnte.

Geneigt wieder in der Umkleide zu verschwinden, drehte er sich zu mir um, als konnte er mich riechen.

»Rotfuchs!«

Ich knirschte mit den Zähnen und roch anschließend an meinen Klamotten. Vielleicht war da irgendein Duftstoff daran, dass er mich sofort wahrnahm, oder einen Peilsender, der piepte, sobald ich in der Nähe war.
 

Ich schlich durch den Flur und erhaschte einen Blick durch die Fenster, die zu einem Fitnessraum mit Geräten führten. Fahrräder standen an einem Fenster. Während man sich abstrampelte, durfte man die Straße betrachten.

Irgendwie bescheiden, wenn man doch nicht vorankam.

»Hat ja lange gedauert.«

Ich ignorierte ihn, um ihn nicht anzusehen, denn zu meinem Bedauern stand ihm das Sportoutfit wirklich ausgezeichnet. Wäre er nicht so ein Eckel würde ich glatt behaupten, ich finde diesen Mann anziehen. Aber auch nur fast…
 

Schweigend folgte ich ihm zu einem der Kursräume, wo bereits etliche Leute auf den Trainer warteten. Ich blieb weit hinten.

Sport war eines der schlimmsten Dinge in meinem Leben. Wenn ich nun dämliche Übungen machen musste, war ich eine Gefahr für jeden Teilnehmer.

Mr. Mistkerl freute sich dafür prächtig. Jeden begrüßte er und klopfte dem einen oder anderen Mann auf die Schulter und den Frauen schenkte er, neben seinem verführerischen Lächeln – was vermutlich bei jeder wirkte –, eine Umarmung.

Zu meiner Verwunderung stellte er sich vorne, direkt vor den Spiegel auf.

Natürlich wollte er auch in diesem Bereich ganz vorne stehen. Wie sollte es auch anders sein?
 

Mr. Ich- bin- ja- so- viel- besser- als- du klatschte in die Hände und alle stellten sich überraschenderweise auf.

Irritiert betrachtete ich das Spektakel, als er mir einen Platz neben einer Frau zeigte. Zögernd stellte ich mich dorthin und lächelte verlegend.

Ich werde sie alle umbringen…’, stöhnte ich in Gedanken, ‚Eigentlich wäre es ein Unfall, dafür kommt man doch nicht in den Knast, oder doch?’

Die Klänge von Musik ließen mich Hochschauen. Bitter reimte ich mir eins und eins zusammen und konnte nur mit meinem Kopf schütteln; das meinte er nicht ernst!

Heimlich rutschte ich immer weiter zur Wand; bloß weg.

Ich will nicht in den Knast!’

Er gab eine Anweisung und sofort machten alle die Bewegung nach, die er vorgab.

Wieso, verdammt noch mal, ist er ein Trainer in einem Fitnessstudio?’

Er hatte doch schon einen Job. Das war gemein! Ich dagegen musste bangen, morgen wieder auf der Straße zu sein, und er hatte gleich zwei Stück.

Ich rutschte noch weiter zur Wand. Vielleicht kam ich unauffällig zur Tür und konnte flüchten.
 

Die Realität sah leider anders aus.

Mr. Fürchterlich zog mich zurück auf den Platz und verlange von mir seine Schritte zu wiederholen. Allen anderen fiel es so leicht. Das schaffte ich nie.

Ich funkelte ihn wütend an, was ihm eher ein Lächeln auf den Lippen bescherte. Zusätzlich meinte noch ein eifriger Schüler mir helfen zu müssen und mischte sich mit schlechten Ratschlägen und Aufmunterungen ein.

Es ist nicht meine Schuld, wenn sie alle sterben!’, sagte ich mir und atmete tief durch, dann rief ich mir die Schritte in Erinnerung. Das Merken von Bewegungen war nie mein Problem, mein Problem war eher das Umsetzen.

Bitte Gott, wenn es dich gibt, lass mich niemanden töten.’

Die Musik setzte erneut an und ich streckte zuerst zaghaft meine Arme aus. Noch war keiner zu Schaden gekommen; jetzt hieß es die Beine dazu bewegen.

Ich will nicht!’

Allerdings gab es kein Entkommen und so begann ich nach und nach die Schritte abzutanzen.

Mein Herz schlug mir bis in die Ohren und ich musste mich zwingen meine Augen offnen zu halten, um nicht in jemanden rein zu laufen.

Gut, bis jetzt ist nichts passiert. Nun werden die Beats schneller…’

Ich schluckte den Klos runter und drehte mich. Innerlich jubelte ich, als ich nicht zu Boden ging und niemanden umwarf. Erstaunlicherweise machte es sogar nach der Hälfte Spaß, dass mir ein flüchtiges Lächeln über die Lippen kam.

Ich blendete alles um mich herum aus und dachte nur noch an den nächsten Schritt, den Nächsten und den Nächsten…
 

Vollkommen außer Atem stoppte ich in der letzten Pose.

Ich hatte es geschafft, eine Stunde Sport zu treiben ohne einen Menschen umzubringen, oder noch viel wichtiger, ohne über meine eigenen Füße zu stolpern.

Mr. Mistkerl schaltete die Musik und verabschiedete sich von allen.

Ich hatte es geschafft!

Ich lebte noch, löste mich aus der Pose und meine Beine verhedderten sich prompt. Mit einem lauten Knall lag ich auf dem Boden und gaffte zur Decke. Sofort stürmten die Teilnehmer in meiner Nähe zu mir und halfen mir auf.

»Hast du dir was getan?«, fragte der Übereifrige. Ich schüttelte den Kopf. Er wollte mir seine Hand reichen, als Leonardo ihm zuvorkam und mich einfach ohne Mühe hochzog.

»Anscheinend stellst du dich beim Tanzen nicht so ungeschickt an, Rotfuchs.«

Ich sagte dazu nichts; ich wollte lediglich duschen, denn meine Klamotten klebten an mir, und der Schweiß begann langsam zu stinken. Gleichwohl musste ich mir eingestehen, dass männlicher Schweiß schon verführerisch roch.

Diese Erkenntnis durch den Geruch meines Chefs zu bekommen, der ein Vollidiot war, war ein Schock. Fix riss ich mich los.

»Nichts passiert!«, zischte ich. Er grinste frech.
 

Inzwischen waren alle von den Kursteilnehmern aus dem Raum verschwunden.

»Du bist Trainier?«, stellte ich die dümmste Frage, auf die ich längst eine Antwort hatte. Er zuckte mit den Schultern.

»Wieso?«

Leonardo schmiss eine Matte auf einen Stapel, auf dem noch weitere von diesen dünnen Matten lagen.

»Wieso nicht?«

»Du arbeitest doch schon…«

Ich half ihm unbewusst beim Wegräumen der Matten.

»Ein Hobby«, antwortete er, »Ein Ausgleich zum Stress.«

»Welcher Stress?«, murmelte ich vor mir hin und erntete einen bitterbösen Blick. Er schmiss die Matte, die ich mit festhielt, auf den Haufen und beförderte mich gleichsam mit darauf.

Krachend lag ich am Boden und schnappte nach Luft.

Zweifelnd hockte er sich zu mir runter und musterte mich einschätzend.

»Wie hast du nur all die Jahre überlebt?«

»Das hat mich mein Bruder auch immer gefragt«, säuselte ich vor mir hin, daran erinnert, wie mein Bruder sich ebenfalls immer zu mir hinhockte, wenn ich wieder zu Boden gefallen war. Dann hatte er sets meinen Kopf getätschelt und in einem witzigen Ton gesagt: ‚Gut, dass es mich gibt.’

Vielleicht hätte ich doch dort bleiben sollen, bei meinem Bruder, bei meiner Familie und bei…

Ich riss meine Augen auf und starrte in goldene Augen, die mich eingehend studierten.
 

Sofort erhob ich mich, klopfte mir den Dreck von den Händen und suchte die Umkleide auf.

Niemals mehr wollte ich auch nur einen Gedanken daran verschwenden, was der eigentliche Auslöser war, um nach New York zuziehen. Niemals mehr!
 

_____________________________________________________
 

Einen schönen Nikolaus
 

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© Jessica Monse 2009

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Jacky280791
2009-12-09T14:22:05+00:00 09.12.2009 15:22
Verdammt ich quick gerade wie nen kleines Kind ich kanns kaum fassen das die Story weitergeht xDDDDDD*rumhampel wie ne Irre*
Denkt man sich nicht Böses bei und besucht mal wieder deine Seite*hust stalkt wohl eher -//-,* und dann sowas BÄÄÄM Fortsetzung von....!!!

Also schon mal im Vorraus DU WIRST MICH NICHT MEHR LOS xDDDD

Die Story is mal wieder eins a und ich bepiesel mich immernoch vor Lachen über Amandas Tollpatschigkeit xDDDD

Lg Jacky
Von:  P-Chi
2009-12-07T00:22:52+00:00 07.12.2009 01:22
Toll wie immer, aber ich muss il_gelato zustimmen xD'
Du hast diesmal einige Fehler gemacht ;) *grins*
Am besten wir bringen das schnell hinter uns, damit ich wieder mit Lobpreisen drankommen kann, ja? Schön.
Also, bitteschön:

1. Bei 'Ich will nicht in den Knast!', wolltest du da kursiv schreiben? Denn DAS hat scheinbar nicht funktioniert xD'

2. Mr. Ich-bin-ja-so-beser-als-du -> Ich denke da gehört noch ein 'viel' reingequetscht, zwischen 'so' und 'besser'. ^^

3. Was um Himmels willen ist ein SCHAMPON...? xDDD
Tampon + Schampoo = Schampon??? xDD (wtf?)

4. ..., weil nichts anders im Komplexe bereiten würde. -> ich denke da gehört ein 'anderes' hin.

5. Ein Gefühl, in mir, trieb mich immer voran; weit in die Ferne zu reisen, etwas von der Welt zu sehen. (zu viele Beistriche, meine Liebe^^) -> Ein Gefühl in mir, trieb mich immer voran, weit in die Ferne zu reisen, (oder ein 'und' statt dem Beistrich) etwas von der Welt zu sehen.

6. Okay, ich bin mir zu 99% sicher, das dieser Satz keinen Sinn ergibt: Jeder hatte KEINE Begleitung, KEINE Freundin oder den Freund, der mit einem zusammen hier saß. o__ô

xDDD
So, das wars.
Ansonsten: Spitze Kapitel! ;3
Waaah, Leonardo als Fitness-Trainer, hätt ich NIE gedacht! xDD War voll von den Socken, als ich mir Vorgestellt hab, wie der irgendwelche 'Leibesübungen' macht xDD
Pff.
Und wie Amanda dann am Ende trotzdem hingeknallt ist, war auch toll xDD
Uiuiui, freu mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel! <3

glg Angels
Von:  il_gelato
2009-12-06T22:10:19+00:00 06.12.2009 23:10
Schönes Nikolausgeschenk!
Tolles Kapitel, habe viel geschmunzelt! Aber bei Leo blick ich echt nicht durch...

Irgendwie hatte ich heute das Gefühl, dass du das Kapitel schnell hinter dir haben wolltest, oder?! Der Schreibstil war heute: zack, zack!


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