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Sommer, Sonne, Idiotie

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kommentar: Die Story ist eine Antwort auf eine Challenge in der 120_minuten community auf live journal. Die dazugehörende Challenge ist folgendes Bild:
http://img.photobucket.com/albums/v289/Reilein/shoe_love.jpg

Warnings: Slash, Kitsch!, Teenie!Romanze Komplett anzeigen

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Die Sonne wandert mit ihnen, wie es scheint, und sinkt tiefer, je weiter sie die Bahn vom Trainingsgelände wegträgt.

Die Sporttasche neben sich auf dem Sitz drapiert, den linken Arm darauf liegend und mit der dazugehörigen Hand die so gut wie leere Wasserflasche haltend, blinzelt man gen Himmel. Zwischen Häuserdächern und diesem strahlenden Blau schwelgen Bäume seicht ihre Blätter zur Melodie des Windes. Irgendwo am Horizont steht die Sonne tief und erzählt den hinter dem Firmament wartenden Sternen von den 35 Grad Celsius, die an diesem Samstag in München vorgeherrscht haben. Es ist Anfang August und die Schulferien haben fast so viele Menschen aus der Stadt getrieben wie hinein.
 

Das Licht lässt beinahe erblinden.
 

Ganz von alleine schlägt Philipp deswegen die Lider nieder und spürt das Knirschen von Sand unter seinen Sportschuhen, als er die Füße leicht bewegt. Mit dem einen Bein die Tasche streift, die sein Gegenüber auf den Boden gestellt hat. Das Plastik ist heiß und unangenehm an Philipps nacktem Unterschenkel und er weicht automatisch aus, indem er den Fuß zurückzieht. Die Augen dabei wieder öffnend und seinen besten Freund betrachtend.
 

Es ist schon das dritte Mal in dieser Woche, dass Andreas ihn nach Hause begleitet. Aber wieso auch nicht, schiebt Philipp schnell in Gedanken hinterher, als er einen Temperaturanstieg auf seinem Gesicht verzeichnet.

Es sind Ferien, sie sind Freunde.
 

Die Jahreszeit hat ihre Spuren auf den beiden Jungen im Teenageralter hinterlassen; ihre Haare von dem dunklen Teint des Winters befreit und sie mit Hilfe von Hitze ausbleichen lassen.

Blondinen von Dienst, schießt es Philipp durch den Kopf, weil es eine der Beleidigungen ist, die ein paar Leute in der Schule herauskramen, wenn sie den Witz über seine Körpergröße leid sind und ihm zu verstehen geben wollen, dass Fußball dumm und er deswegen dumm ist und sie ihn schlichtweg nicht mögen wollen. Es ist nicht so, als würde er dazu einen Anlass bieten; einige Menschen hassen nur gerne. Mit dem Rest kommt er zum Glück gut aus.
 

Philipp ist ordentlich, was die Schule betrifft. Er macht Hausaufgaben, er lernt, er schreibt nicht ab und wenn er sich selbst in einer Klausur dabei erwischt, doch mal zur Seite zur schielen, schämt er sich sogar - ganz schüleruntypisch. Schrecklich so was, weniger für die anderen als vielmehr für ihn, weil er sich jedes Mal selbst überführt. Einer natürlichen Schamesröte sei Dank…

Einige halten ihn für bieder oder zu brav, andere belassen es einfach nur bei klein. Sogar die meisten Mädchen sind drauf und dran, ihn bald zu überragen. Erst recht in High Heels auf Partys, die die Jungs aus den Oberstufen schmeißen. Philipp hat keine Freundin; er hat bisher nicht mal die erste Base erreicht.
 

Seine Augen bleiben leicht zusammengekniffen, als er nun zwischen seinen schwarzen, langen Wimpern hindurch sein Gegenüber mustert. Den Kopf im Nacken liegend, sonnt sich Andreas, die Haare luftgetrocknet, wild und längst nicht mehr nass von der Dusche nach dem Training. Sommersprossen winken von seinen Wangen und seiner Nase ihren Verwandten auf Philipps Gesicht zu; sind goldig, sind ausgeprägt. Erfreuen sich ihres Daseins.

Philipp kann sich nicht zwingen, weg zu gucken. Stattdessen umklammern seine Finger die Flasche fester, da sich plötzlich in ihm die Befürchtung manifestiert, er könne sie fallen lassen und das Geräusch wäre so gemein, Andreas zu verraten, dass sein bester Freund ihn angestarrt hatte.
 

‚Dabei wär’s gelogen!’, denkt Philipp peinlich berührt und dreht das Gesicht blitzartig zurück zum Fenster. Sein Hals ist staubtrocken; er traut sich aber nicht, jetzt zu trinken.
 

Er ist ein Idiot.
 

Eigentlich könnte Philipp nach dem Training auch mit zu Andi fahren, aber auch das machen sie nicht – meistens. In letzter Zeit schon mal gar nicht. Es ist ein unbesprochenes, festes Ritual geworden im Laufe der Ferien.
 

Sie sind beide Idioten und Philipp weiß weder, welche Position er in diesem Spiel einzunehmen hat, noch an welche Taktik er sich halten soll.
 

So kann es doch nicht funktionieren…?!
 

Philipp muss schlucken und er beginnt zu verstehen, dass er diesen unsichtbaren Kloß im Hals einfach nicht runterkriegt ohne Wasser. Innerlich hoffend, dass er nicht verräterisch zittert, klaubt er seinen Mut zusammen und schraubt sein Wasser auf. Kohlensäure entweicht zischend; man spürt, wie das Gegenüber träge die Augen öffnet. Blickkontakt lässt man jedoch nicht zu, sondern ist beruhigt, als das Nass hilfreich die Kehle hinab rinnt und einen vor dem Erstickungstod bewahrt.
 

Philipp beobachtet seine Finger, wie sie den Deckel wieder auf die nun leere Wasserflasche schrauben, dann den Reißverschluss seiner Sporttasche aufziehen und die Flasche in ihr verschwinden lassen.

Wenige Sekunden später ist der Reißverschluss wieder geschlossen und weil sie ohnehin in zwei Minuten aussteigen müssen, erhebt man sich vorsichtig. Die kurzen Sommerklamotten, die Philipp am Leibe hat, gleichen glühendem Stoff.
 

Andreas reagiert, indem er seine eigene Sporttasche vom Boden aufliest und so den Weg für Philipp frei gibt. Seine Taschen schulternd, trottet er dann dem Kleineren hinterher.
 

Philipp sieht das Spiegelbild seines Freundes im Glas der Türe, als er abwartend davor steht. Eine Hand an der Stange daneben, nur für den Fall, dass es ihm den Boden unter den Füßen wegzieht, als Andreas neben ihn tritt. Seine Schulter berührt. So viel heißer ist als es die Sonne je sein könnte…
 

Ohne Umwege beißt sich Philipp auf die Unterlippe und spürt, wie die Hitze durch seinen Körper schießt, bis sie sich auf seinem Gesicht entlädt. Es fühlt sich an wie explodierende Brause; prickelnd, die Muskeln reizend. Nur nicht im Mund, sondern im Gesicht. Er ist deutlich rot geworden.
 

„Das ist garantiert der heißeste Tag in diesem Jahr“, stößt Andi hervor, als sich nun die Türen öffnen und sie beide aussteigen. Die stickige Luft in der Bahn wird nur durch geringfügig angenehmere ersetzt.
 

Philipp nickt, lächelnd, weil es ihm in letzter Zeit so schwer fällt, gescheite Antworten von sich zu geben. Deswegen schweigen sie auch so viel und es endet so wie jetzt: seine Augen sprechen in Form eines lautlosen Glänzens.
 

Er wünschte, er wäre kein Idiot.
 

Sein einziger Trost ist, dass es Andreas nicht zu stören scheint. Dieser schirmt nur seine eigenen Augen mit der Handfläche ab und erwidert den Blick, während sie mit einigen anderen Leuten den Bahnsteig entlang trotten. Zu dieser Tageszeit fahren stets wenig Menschen nach Gern; das ist gut so, wie Philipp entscheidet und verlegen seine Schuhe betrachtet.
 

„Was gibt’s ’n heute bei euch zu essen?“
 

„Weiß nicht“, muss man mit einem Schulterzucken gestehen. Der Geruch von Feld, von Gras, von Sommerhitze weht ihnen lebenslustig ins Gesicht, als sie die Hauptstraße umgehen und die Abkürzung über die Felder nehmen, wo sich jegliches Gewächs der spärlichen, lauen Brise hingibt.
 

„Vielleicht hat meine Oma Spätzle gemacht.“
 

„Das wär geil!“
 

Die Luft erleichtert Philipp das Reden; er linst dennoch zur Seite, um sich Andreas weites Grinsen nicht entgehen zu lassen. Er ist ausschlaggebend dafür, selbst zu grinsen.

Auf dem Platz fällt Philipp erstaunlicherweise alles leichter: jede Geste, jede Silbe und jede Reaktion. Doch unter freiem Himmel, wenn kein Ball und kein Training und überhaupt so gut wie nichts in der Nähe ist, ist die Schüchternheit plötzlich sehr präsent. Philipp weiß nicht, warum sie ausgerechnet ihn so gerne hat. Offenbar ist er ihre Sandkastenliebe und sie weigert sich strikt, ihn loszulassen. Wenn sie auch noch plant, ihn zu heiraten, stehen die Chancen, dass er jemals auch nur einem anderen Menschen näher kommt als beim Sport, gleich null. Selbst seine Schwester ist nicht so zurückhaltend wie er und sie ist… richtig, logisch, ein Mädchen eben.
 

Nur gut, dass er schon längst weiß, dass er ein Idiot ist. Ein ganz großer sogar, der jetzt einen kleinen Stein beiseite kickt und in Richtung Boden spricht.

„Ich sagte vielleicht, ich weiß es ja nicht…“
 

Zu ihrer rechten wird das Feld von einem langen Gartenstück abgelöst, hinter dessen grünem Zaun Sonnenblumen neugierig auf die zwei Jungen hinunter gucken. Andreas seufzt und lacht gleichzeitig, und das macht es so seltsam.

„Also im Hoffnungen machen bist du sonst immer besser, Phil.“
 

Der nächste Schlagabtausch geht schnell von statten: Andi kneift ihn – mitten in die Hand, die fest auf dem Riemen seiner umgehängten Sporttasche liegt. Philipp ist zu heiser, um zu schreien; seine Reflexe lassen ihn dafür affektiv zurückhaschen, ohne dass sein Verstand weiß, was er tun möchte. Kneifen, Feixen, irgendwas wird es wohl sein.

Letzten Endes ist es auch irrelevant, denn Andreas fängt seine Hand, auf den Lippen ein Grinsen, das von einem Ohr zum anderen reicht. Irgendwo ist da auch noch ein Lachen, das sich glucksend Philipps Sinne entlang hangelt und auf den Strahlen der Abendsonne surft.
 

Philipps Reaktionen lassen ihn zurückweichen, nur einen Schritt, um die Hand zu befreien, um die sich fünf feste Finger geschlungen haben. Es geht nicht. Stattdessen gerät Philipp ins Stolpern, und Andreas lacht wieder auf, lauter noch, und dann rennt er los. Philipp noch immer bombenfest haltend, sodass diesem keine andere Wahl bleibt, als mitzulaufen. Schnell, spurtartig, den Weg entlang, ein paar Meter, in deren Verlauf Philipp an zu viele Umarmungen auf dem Platz denken muss. Zu viele Male, in denen er seinen besten Freund ein paar entscheidende Sekunden zu lange festgehalten hat.
 

Er weiß doch, dass er ein Idiot ist. Muss Andreas es ihm noch beweisen?
 

In ihren Sporttaschen werden Schuhe, leere Trinkflaschen und schmutzige Sportsachen sowie Handtücher und Duschkram wild durcheinander geschleudert. Philipp spürt es richtig, auch in sich, direkt hinter seinen Rippen, wie all die Dinge aus ihren Rahmen fallen und ihre festen Plätze verlassen.

Er ist puterrot und keucht, gewiss nicht vor Anstrengung, als Andreas genauso unvorhersehbar anhält, wie er eben losgesprintet ist. Philipp festhaltend, als dieser fast wieder das Gleichgewicht verliert, sie zum Gartenzaun führend, runter von dem Feldweg. Die Blumen schielen neugierig aus der Ferne, hoch interessierte Mienen zur Schau stellend.
 

Philipp ist eine Mischung aus Übermanntheit, Röte und Angst. Ein Idiot eben, wie er das kurz und knapp in seinen Gedanken stets zusammenfasst, sich wacklig auf den Beinen vorkommt und den Gartenzaun an der rechten Seite wahrnimmt. Hart und konstant. Andis Atem bläst ihm geradewegs ins Gesicht und versengt seine Haut. Ruft lautlos nach ihm, will ihn bedingungslos zu sich ziehen.
 

Wer macht hier eigentlich wem Hoffnungen?
 

Aus dem Augenwinkel notiert Philipp, dass Andreas ihn nicht losgelassen hat. Seine Finger haben lediglich den festen Griff gegen einen neutralen eingetauscht, wobei sie den Bereich um Philipps Handgelenk endgültig verlassen haben, zentimeterweise, bis sie sich ganz um seine Finger geschlungen haben.

Es fühlt sich zu gut an, um einen klaren Gedanken aufkommen zu lassen.
 

Die Straße ist leer, als sich ihre Blicke begegnen und die Sonne den Anstand besitzt, tiefer zu sinken. Ganz wegschauen, das kann sie nicht. Dafür steckt zu viel Spielkind in ihr.
 

Sie können das hier nicht machen…!

Philipp weiß, sie können es nicht. Auch wenn sie beide noch so große Idioten sind, sie-!
 

Es ist zu spät.

Sie sind bereits im Inbegriff, es zu tun… Und Philipp kann nicht zurück, er kann nicht weg, denn ihm wird klar, dass Andreas seine Furcht wittert und sich deshalb so weit genähert hat, dass der alles entscheidende Point of no Return bereits hinter ihnen liegt. Die Spitzen von Andreas Turnschuhen sind dabei auf Philipps eigene gerutscht und halten ihn somit an Ort und Stelle gefangen.
 

Da kann die Schüchternheit mit all ihren Leibeskräften an Philipps Körper zerren. Sie kann sein Herz so laut klopfen lassen, dass er glaubt, es springt ihm jeden Moment aus dem Mund. Aber sie kann nicht gewinnen; sie kann ihn Andreas nicht entreißen.
 

Andreas Lippen schmecken nach trockener Sommerluft, nach Augustwärme, nach wohliger Abenddämmerung. Nach zu vielen Gelegenheiten, die schon unergriffen verstrichen sind und jetzt nachgeholt werden wollen.
 

Es ist nicht klug, erster Kuss hin oder her…

Das, was sie beide für ihre berufliche Zukunft in ihren Träumen anstreben und den Namen Profisport trägt, ist doch nicht mit dem hier vereinbar. Philipp will es sagen, um ihrer beider Willen. In seinem Hals sitzen die drei Worte und versuchen, sich an seinem Herzpochen vorbei zu quetschen.

„Wir sind Idioten!“, möchte er brüllen, ganz laut, damit der Schall Andreas bis ans andere Ende der Welt schleudert.
 

Philipp bleibt aber stumm; sein Verstand unter Wärme- und Gefühlseinfluss verdampft und seinen ganzen Kopf mit Nebel auskleidend. Andreas freie Hand liegt mit einem Mal an seinem Kiefer, wandert langsam daran entlang und macht Philipps Haut hoch empfindlich für jede noch so kleine Berührung. Unter diesem Einfluss stehend neigt Philipp den Kopf, ergibt sich endgültig in den Kuss und verfolgt geistesabwesend, wie die Gestalt seines Freundes, die ob der Nähe unscharf geworden war, hinter seinen zufallenden Lidern verschwindet.

Was bleibt, ist das Gefühl.

Das Gefühl von Lippen, die sich neugierig an seine schmiegen und die besten Positionen zu suchen scheinen.

Das Gefühl von Herzklopfen über dem Limit eines Marathonlaufes.

Das Gefühl von zitternden Händen, von denen eine liebevoll gedrückt wird.

Das Gefühl von Andis Daumen, der unmittelbar unter Philipps Ohr anhält, während die restlichen vier Finger der Hand ihre betörenden Kräfte in Philipps empfindlichen Nacken ausbreiten. Die Haut sanft mit ihren Kuppen überreizen und ihn vor lauter Emotionen sowohl aufkeuchen als auch zurückweichen lassen wollten. Letzteres ist ein unmögliches Unterfangen, nach wie vor. Andreas hält ihn fest - nicht auf dem von Philipp sonst so hochgeschätzten Boden der Tatsachen, sondern bei sich. Einem anderen, verliebten Idioten.
 

ENDE



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Amideyla
2010-02-12T16:24:50+00:00 12.02.2010 17:24
Wahnsinn!
Ich bin noch ganz benebelt und gefangen von der Geschichte...

Du bist wahnsinn!!!!


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