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Eine fruchtige Nacht mit Kakashi-Sensei

-Aus Himbeeres Tagebuch-
von

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Obstkorb II

Der heutige Tag war nicht gerade mein Glückstag, wie mir schien. Ich rutschte von einer schlimmen Situation in die nächste. Du meine Güte, das war eben vielleicht peinlich!

„Hey, Himbeere, wann musst du eigentlich nachsitzen? Habe es vorhin nicht ganz mitgehört.“ Die ganze Klasse brach in schallendes Gelächter aus. Mein Mitschüler Birne hatte Mathematikunterricht parallel zu meinem Englischunterricht, natürlich am anderen Ende des Flurs. Wie peinlich!

„Mach dir nichts draus, Himbeere. Grapefruit-Sensei beruhigt sich bestimmt wieder.“ Ah, wie ich den Klang ihrer Stimme mochte: Aprikose. Sie war eine Schulkameradin und Mitleidende unter der gnadenlosen Diktatur von Grapefruit-Sensei und eine sehr aufrichtige Persönlichkeit. Das Manko: Sie war der Inbegriff einer Streberin nur ohne Brille und mit viel Charme. Man konnte ihr also gar nicht böse sein!

„Wenn du deine Strafarbeiten erledigt hast, kannst du morgen aufatmen, da haben wir einen freien Tag. Ist schließlich kurz vor Neujahr! Apropos, was unternehmt ihr eigentlich? Sauerkirsche-chan, trefft ihr euch wieder?“ Bingo.

„Japp, so ist es geplant. Wir wollen richtig die Fetzen fliegen lassen, gemäß unseres Ehrenkodexes!“ Den wir übrigens niemals brechen würden.

„Das heißt also so viel wie: ihr werdet euch hinsetzen, den Raketen lauschen und, wie jedes Jahr, eine Leserunde veranstalten. Korrekt?“ Yay, besser hätte ich es nicht formulieren können.

„Absolut.“

Neugierig blickte ich von Aprikose zu Saki-chan hin und her. Die Unterhaltung war unterschwellig von einer seltsamen Stimmung begleitet worden, die mir noch nie begreiflich schien. Wenn die beiden sich so ansahen, konnte man glatt denken, es wäre ihnen gleichgültig, ob sie mit der anderen oder mit einer Wand sprächen.

Ich hatte sowieso keine Zeit, auf die beiden zu achten – ich war noch ganz perplex. Zum ersten Mal hatte ich Kakashi-Senseis Duft so stark wahrgenommen und trotzdem nicht realisiert, dass er direkt hinter mit gestanden hatte, während ich ihm Hymnen schrieb. Er hatte gar nichts dazu gesagt… Bestimmt dachte er sich bereits seinen Teil dazu! Der weltbekannte „Durchzug“ hatte durchaus auch seine Nachteile, besonders dann, wenn man hören sollte, was um einen herum geschah. Aber die Mischung aus dem Eau de Toilette und seinem natürlichen Duft wirkte wie eine Art kleines Aphrodisiakum für mein Schwärmometer – meine persönliche Temperaturveränderung, so zu sagen.

Und wieder erklang die helle Stimme der Schulglocke. Die Pause war zu Ende, jetzt begann der schönste Teil des Tages: Literaturunterricht! Hach, ich liebte den Literaturunterricht. Abgöttisch. Das lag bestimmt nicht zuletzt daran, dass unser Lehrer ein Fleisch gewordener Gott war. Ich bereute die Entscheidung, auf das Gymnasium zum Obst gewechselt zu haben sehr – bis er das erste Mal (übrigens eine halbe Stunde zu spät, aber das macht mir mittlerweile nichts mehr aus) durch die Tür zur Klasse trat.

Allein die unglaubliche Aura, die ihn umgab, als er (leicht verschlafen) die Klasse musterte und uns dann bat, Namensschilder aufzustellen. Sauerkirsche hatte damals gelacht und mir erklärt, wie unerotisch Namensschilder doch waren. Aber sie hatte ja keine Ahnung, wie erotisch diese tatsächlich werden konnten! Ah, ich musste auf mein Schwärmometer aufpassen.

Die erste Literaturstunde war unspektakulär: Vorstellungen, kleine Infos zu unserem Sensei, Bücher, die gelesen werden würden. Wir lernten bald, dass wir uns in jedem Jahr mit einem Buch beschäftigen würden. Alle drei gehörten einer Serie an, die von einem äußert bekannten Schriftsteller ins Leben gerufen worden war und zugleich Kakashi-Senseis Lieblingsbücher darstellten: Die „Icha-Icha“-Reihe. Eine außerordentliche Liebeserklärung an die Liebe selbst. Die Charaktere waren ausgereift, geradezu perfekt in Szene gesetzt!

„Hey, Himbeere!“ Da erklang wieder Aprikoses zartes Stimmchen.

„Hm? Was ist denn, Kosi?“ Ich liebte es einfach, den Menschen in meiner Umgebung Kosenamen zu geben! Einmal hatte ich mir einen Namen für Grapefruit-Sensei überlegt – das war bevor er zum ersten Mal in meiner Anwesenheit den Mund aufgemacht hatte. Ich wollte ihn tatsächlich ‚Dornröschen’ taufen – wie auch immer das kam. Heute weiß ich das nicht mehr. Hätte ich damals doch gewusst, wie passend das gewesen wäre!

„Hast du deine Strafarbeiten schon angefangen? Soll ich dir helfen? Ich könnte ein paar der Aufgaben bearbeiten, wenn du möchtest?“ Wie kam ‚Dornröschen’ noch mal zu Stande? Ich glaube, es war wegen dem rosa Fruchtfleisch einer richtigen Grapefruit.

„Schon gut, Aprikose. Die ist gerade wieder in einer Art Delirium. Hier, ich gebe dir einfach mal diese drei Zettel. Dann hat sie immer noch zwölf zum selber machen.“

Oder war es doch nicht das Fruchtfleisch? Seine Kleidung war es bestimmt nicht.

„Himbeerchen“ Ich bin mir sicher, er trug schon seit Anbeginn der Zeit dieselbe Hose und absolut dasselbe Hemd.

„Himbeerchen…“ Dann war der Gedankengang wohl doch durch die Farbe ausgelöst worden.

„Himbeere!“ Oder hatte ich damals plötzlich Einsicht in ein Loch des Zeit- und Raumkontinuums und konnte ahnen, wie es einmal mit uns enden würde? So viele Fragen offen, so wenig Zeit bleibt, um das Rätsel zu lösen…

„Dein Buch brennt gerade ab.“

„WAAAAAS?!?!“ Da war meine Aufmerksamkeit aber sofort wieder im Diesseits.

„MEIN BUCH!!! ICH BRAUCHE WASSER!!!!! NEIN!!!! KEIN WASSER!!!!! DECKEN!!! GIB MIR EINER EINE LÖSCHDECKE!!!!!!!!“ Moment….

Ich starrte auf den Tisch vor mir. Ich hatte mich von meinem Stuhl erhoben und meine vor Hysterie geweiteten Augen blickten zum ersten Mal klar auf die gebundenen Seiten. Da war nicht einmal ein Anzeichen für ein Fünkchen. Oh du meine liebe Göttin im Himmel und auf Erden… Oder wie man als Atheist korrekt sagen müsste: Oh du meiner lieber irgendwer in der Atmosphäre und auf dem Dreck!

„Das war nicht lustig, Aprikose!“ Erstaunt schaute ich zum Ursprung der kreischenden Stimme: Saki-chan war ebenso aufgestanden und schon zum Feuerlöscher gelaufen. Aus einem Paar Metern Entfernung (es waren wohl geschätzte 2,78m) brummelte die Kirsche etwas in ihren nicht vorhandenen Bart.

„Es war eine gelungene Methode, sowohl Himbeere als auch mich einem Herzinfarkt näher zu bringen! Bist du denn komplett des Wahnsinns?! ES GING UM EIN BUCH!!!!“ Da war sie wieder. Sauerkirsche war eine ruhige und eher grummelnde Person; verletzte man jedoch ein Buch, wurde sie zu einer rasenden Bestie. Eine beinahe obsessive Liebe für Bücher war der Grund dafür, dass Saki-chan und ich überhaupt so gut miteinander befreundet waren.

Es war im ersten Jahr an der Mittelschule, gemeinhin auch die fünfte Klasse genannt. Ich hatte mich als Aufseherin für die Schülerbücherei beworben. Schon damals hatte ich im zarten Alter von zehn Jahren meine Leidenschaft für Bücher aller Art entdeckt. Keiner der Schüler unserer Klasse und kaum welche unseres Jahrganges hatten sich freiwillig gemeldet. Wir sollten uns bereits früh in die verschiedenen Arbeitsgruppen (kurz AGs) eingliedern, um unsere Talente rechtzeitig zu erkennen und gezielt zu fördern. Ätzend! Richtig ätzend!

Wie soll man denn als beinahe noch kleines Kind seine Talente entdecken?!

Jedenfalls erinnere ich mich noch sehr gut an diesen schicksalhaften Tag: Es war Spätsommer und kochend heiß. Die meisten Schüler waren bereits auf dem Weg ins Schwimmbad oder ans Meer, wer könnte es ihnen auch verübeln, dass sie nicht im einzigen Raum der Schule ohne Klimaanlage arbeiten wollten? Am Tag zuvor war ein neuer Termin für das Treffen der Schülerbücherei aufgesetzt worden und so gut wie keinem von uns wurde es direkt gesagt – schon die Hälfte der (sowieso schon selten gewordenen) Buchwürmer hatte das Warten aufgegeben und nun saßen wir zu dritt vor verschlossener Tür.

„Sag mal, Himbeere-chan, warum willst du unbedingt in der Bücherei Aufsicht spielen? Wärst du nicht viel besser im Schwimm-Klub aufgehoben? Du hasst schließlich heißes Wetter!“ Ein letzter wahrer Buch-Veteran war noch übrig und brach nun das ewige Schweigen, das über uns lag. Glücklicherweise – sonst wäre ich wohl wieder eingeschlafen. Wenn ich mich so daran erinnere, war ich wohl schon immer der verschlafene Typ, wenn ich mich langweilte.

„Nun, das mag sein. Aber mehr als Wasser an heißen und kalten Tagen, liebe ich Bücher über alles! Die aneinander gereihten Buchstaben zeugen von Leben und Stillstand, von Geschichte und Poesie zugleich, jedes Buch hat eine eigene Seele, die man spürt, wenn man nur sanft über den groben Einband streicht… Ich liebe Bücher!“

„Jaaaa~, schon klar.“ Mein Mitschüler starrte mich etwas hilflos von der Seite an, während ich eine meiner bekannten Lob-Hymnen sang. In der Grundschule bekam ich den Beinamen „Himbeere von Haydn“ – Heute kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, woher das wohl kam… Okay, zugegebenermaßen kann ich das vielleicht schon – aber dann nur schummrig!

Der neue Termin für die Versammlung und das kennen lernen war ganze zwei Stunden später. Es war bereits mühsam gewesen, den neuen Termin herauszufinden – Man sollte meinen, dass es schon auf meiner Mittelschule eine bittere Frucht gab, die meinem Leben eine katholische Drohung nahe bringen wollte?

Und dann geschah es. Plötzlich spürte ich eine fremde Aura, die um die Ecken des Ganges kroch – neugierig und gespannt starrte ich in den Flur, um den Besitzer dieser Aura ausfindig zu machen. Sie bog um die Ecke – sie hatte langes, rostbraunes Haar, trug die gewohnte Schuluniform in eher legerer Art und Weise, in ihren Händen befand sich ein Stapel mit mehreren Büchern. Die Brille war am Ausschnitt befestigt und als sie sich das Haar nach hinten warf, war es um mich geschehen… Diese grazile Art, diese Kurven und Ecken! Die Farbkombination von zeitlosem Grau und edlem Schwarz! Hach, welch wunderbarer Anblick! MEINE LIEBLINGSBÜCHER!

Ich stand sofort auf und kam ihr entgegen. Offenbar hatte auch ich ihr Interesse geweckt. Damals trug ich die Haare übrigens noch kürzer und wurde deshalb oft für einen Jungen gehalten – wahrscheinlich hielt auch sie mich für einen, vor Allem weil ich zuvor die Schuluniform ausgezogen hatte und in Zivil zum Treffen losmarschiert war.

Wir gingen langsam aufeinander zu, unsere Auren vermischten sich und wurden zu einer. Wir hatten so lange nacheinander gesucht und nun wussten wir, dass wir uns gefunden hatten: Bücherfreaks unter sich! Es ist ein wunderbares Gefühl, mit jemandem eine Passion, eine Obsession oder sogar nur ein Hobby zu teilen. Das verbindet fürs Leben.

So kam es, dass wir letzten Endes nur zu zweit blieben und uns Stunden über Stunden über Bücher und Autoren und den Rest der Welt unterhalten hatten. Der Anfang einer wahrlich Jahre andauernden Freundschaft!

Bis Heute habe ich es nicht fertig gebracht, Saki-chan so sehr auf die Nerven zu gehen, dass sie wieder ihre bevorzugte einsame Ruhe sucht – und bis Heute können wir uns Englischstunde über Englischstunde über unsere gemeinsame Passion unterhalten. Sehr zum Leidwesen einer gewissen bitteren Frucht.



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