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Sorrow and Pain

von

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Insecureness

Während sich die beiden in den Armen lagen, stand Kai nur daneben und beobachtete die Szene. Er schluckte. Wenn das wirklich Aoi war, dann...

""Kou! Ich hab dich überall gesucht. Wo warst du solange? Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht. Du warst solange weg. Was ist passiert? Wie geht es dir?" Aoi sprach wie ein Wasserfall. Ohne Punkt und Komma.

Da entdeckte Kai schon eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden. War Aoi vielleicht mit Uruha verwandt? Oder warum fielen ihm jetzt die enormen Gemeinsamkeiten zwischen ihnen auf?

"Kouyou! Ich bin so froh, dass ich dich endlich gefunden hab."
 

Bei Uruha brachen nun alle Dämme. Mit einem Mal schluchzte er lauthals auf und krallte sich so nahe an Aoi, das zwischen sie kein Blatt Papier mehr gepasst hätte. Er zitterte am ganzen Körper und so langsam überströmten ihn die Erinnerungen. Sein Name war... Kouyou... Takashima Kouyou... Ja... Und Aoi... Aoi war gar nicht Aoi... Nur ein Spitzname... Shiroyama Yuu... Sein... Sein Pflegebruder... Sein älterer Pflegebruder, mit dem er zusammen aufgewachsen war... All dies strömte mit einem Mal auf ihn ein und er schluchzte noch ein wenig lauter.

"Yuu! Yuu!", weinte er immer und immer wieder und konnte sich einfach nicht beruhigen.
 

"Kou..." Mit zitternden Händen hielt er den Jüngeren fest in seinen Armen und drückte ihn an sich. Endlich hatte er ihn wieder. Seit Wochen suchte er nun nach ihm und durch einen dummen Zufall hatte er ihn nun endlich wieder.

"Hey." Liebevoll strich er ihm über den Rücken. "Nicht weinen. Das steht dir doch nicht, Kleiner." Sein Lächeln war unglaublich warmherzig und Kai stockte. Uruha kannte ihn und... sein richtiger Name war also Kouyou...

Kai schluckte. Das waren alles Dinge, die er nicht wusste und der Andere schien ihm auch unglaublich nahe zustehen. Und Uruha schien sich auch an den Anderen erinnern. Er kannte dessen Namen, aber... warum nannte er ihn Yuu? Hatten sie nicht bis eben nach einem Aoi gesucht?
 

Uruha konnte jedoch nicht anders, als sich ganz nahe an den Anderen zu pressen und einfach nur zu weinen. Er war gerade so unglaublich glücklich, dass er dies mit keinen anderen Worten zu beschreiben wusste. Er konnte und wollte es nicht beschreiben. Das Einzige, was er wollte, war in Yuus Armen zu liegen und sich an ihn zu kuscheln und mit seinem großen Pflegebruder zu schmusen. Auch, wenn er sich sonst an nichts anderes erinnern konnte. An Yuu erinnerte er sich jetzt und dafür war er so unsagbar dankbar, dass er keine Worte fand.

"Yuu! Ich hab dich so vermisst! Yuu!", brachte er hervor und drückte dem Älteren einen Kuss auf die Wange. "Yuu!"

Und wieder fing er an zu zittern und war froh, dass sie saßen. Stehen würde er jetzt nicht können.
 

"Kou... Hör auf, so zu weinen. Das ist doch peinlich. Du bist doch ein großer Junge!", witzelte er und streichelte ihn immer noch. Er war wirklich froh, dass er ihn wieder hatte. Sein Bruder war schließlich alles, was ihm Kraft gab. Nur mit ihm hatte er es geschafft.

"Na komm. Beruhige dich. Der junge Mann hier scheint sich schon für uns zu schämen. Sieht ja auch komisch aus, wenn hier zwei Kerle sich im Arm liegen und sich gegenseitig die Ohren vollheulen, ja? Na komm." Und so erhob er sich und zog Uruha mit sich hoch. Doch er ließ ihn nicht los, er freute sich einfach zu sehr, dass er seinen Bruder wiederhatte.
 

Uruha hielt seinen Bruder immer noch fest umschlungen und hatte auch nicht vor, dies in den nächsten Stunden zu ändern. Er war so unbeschreiblich froh, endlich jemanden aus seiner Familie wiederzuhaben. So froh war er seit Wochen nicht gewesen. Auch, wenn es jetzt gemein klang, aber dieses Hochgefühl übertraf das mit Kai noch um Längen. Aber wer konnte es ihm verübeln? Er hatte seinen Bruder wieder.

"Hai... Gomen nasai... Ich freu mich nur so, Yuu.", hickste er und wischte sich die Tränen aus den Augen und sah den etwas Kleineren an. "Ich hab dich so verdammt vermisst, Yuu..."

Er konnte nicht anders und musste den Namen seines Bruders immer wieder sagen. Er hatte Angst, ihn wieder zu vergessen. Kai ignorierte er gerade völlig. Er konzentrierte sich nur auf seinen Bruder.
 

“Hai, Kou... Ich hab dich auch vermisst und mir solche Sorgen gemacht. Ich wusste nicht, wo ich noch suchen sollte. Ich hatte schon die Befürchtung, dass die irgendetwas Schlimmes passiert wäre und ich dich nie wiedersehen würde.", gab der Kleinere zu und drückte ihn wieder an sich. "Komm, lass uns nach Hause gehen. Dort wartet schon jemand sehnsüchtig auf dich. Er hat kaum gefressen und würde sich sicher freuen, wenn du wieder da bist."

Kai indessen stand einfach nur da. Er wusste nicht, was er machen sollte. Uruha schien dem Anderen ja unglaublich viel zu bedeuten. Allerdings wusste er noch immer nicht, in welcher Beziehung die beiden nun zueinander standen. Aber dass sie sich sehr nahe standen, war ziemlich offensichtlich. War dieser Yuu vielleicht...

Er schluckte. Gott! Uruha hatte also einen Menschen in seinem Leben, der ihm so viel bedeutete und jetzt würde er...

Nein! Das konnte er nicht ertragen. Uruha würde ihn jetzt sicher verlassen und er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Er hatte seinen wichtigsten Menschen wiedergefunden. Da hatte er nichts mehr verloren.

Ohne dass die Anderen es bemerkten, verschwand er.
 

Uruha runzelte die Stirn. Oh je. Jetzt musste er Yuu wohl mal sagen, was passiert ist und dass er sich an nichts außer ihn und seinen Namen erinnern konnte. Und wer da auf ihn warten würde, wusste er beim besten Willen auch nicht. Aber dass es sich dabei um ein Tier handelte, das wusste er. Sonst hätte Yuu gegessen anstatt gefressen gesagt. Das wäre ja auch sonst wirklich unhöflich. Sehr unhöflich sogar.

"Du, Yuu?", fragte er den Älteren und kuschelte sich an ihn. "Ich muss dir dann nachher was sagen... Aber... Kann Kai mitkommen? Er ist mein neuer Freund und ich will mich wenigstens richtig von ihm verabschieden können..."

Ja, dass er zu Yuu zurückziehen würde, das wusste er jetzt schon. Aber er würde Kai regelmäßig besuchen und bei ihm sein. Das nahm er sich fest vor. Er drehte sich um und wollte gerade Kais Hand nehmen, als er bemerkte, dass der Andere nicht mehr da war.

"Kai?", fragte er und sah sich um.

Wo war er bloß? Er wollte sich doch noch richtig verabschieden... Freute er sich nicht für ihn, dass er seinen Bruder wiedergefunden hatte?
 

"Meinst du den jungen Mann, der hier eben war?", fragte er und zog eine feingeschwungene Augenbraue nach oben. Er hatte schon bemerkt, dass sich dieser Kai scheinbar die ganze Zeit um ihn gekümmert hatte. Nur fragte er sich gerade, warum dieser mit einem Mal verschwunden war. Vor allem ohne ein Wort. Das kam ihm schon etwas merkwürdig vor.

Doch viel wichtiger war, dass er seinen kleinen Bruder wieder hatte. Er hatte sich unheimlich viele Gedanken um ihn gemacht.

"Komm, lass uns nach Hause und dann erzählst du mir mal, was passiert ist. Außerdem musst du mal wieder vernünftig essen. Du siehst aus, als hättest du die ganze Zeit nichts zu essen bekommen." Und schon zwickte er ihm spielerisch in die Seite.
 

Wieso hackten eigentlich alle immer auf seiner Figur herum? Okay, er war wirklich ziemlich schmal, aber das gab den Leuten doch nicht das Recht, ihn dauernd in die Seiten zu pieken. Aber Yuu konnte er nicht böse sein. Dafür war er viel zu froh, dass er ihn wieder hatte. Und Kai... Ja... Der hatte anscheinend Besseres zu tun, als sich von ihm zu verabschieden. Und das machte ihn irgendwie verdammt traurig. Naja... Dann würde er eben seinen Bruder bitten müssen, ihn mal zu Kai zu fahren.

Hand in Hand ging er mit seinem Bruder durch die Straßen und kuschelte sich an ihn, bis sie schließlich vor einer kleinen Wohnung ankamen. Aoi schloss aus und sie betraten die Wohnung.
 

Sofort kam jemand angetapst und umkreiste die Beine der beiden. Es war Shima, Uruhas Kater. Und scheinbar freute der sich auch enorm, sein Herrchen endlich wieder zu haben. "Schau mal, da begrüßt dich einer schon sehnsüchtig. Hast den Kleinen ja auch lange alleine gelassen. Da musst du dich aber gewaltig ins Zeug legen, wenn er sich wieder mit dir anfreunden soll.", lachte der Ältere und marschierte in die Küche. Shima folgte ihm sofort.

"Komm rein, du weißt ja, wo alles ist.", meinte er nur und kümmerte sich erst mal darum, dass der Kater etwas zu essen bekam. Dann kam er ins Wohnzimmer und schaute den Größeren verwirrt an. "Was ist los, Kou? Geht es dir nicht gut?"
 

Uruha stand einfach nur im Wohnzimmer und sah sich um. Alles war wirklich schön hell und freundlich eingerichtet und auch so modisch. Es gefiel ihm wirklich sehr hier und er fühlte sich auch sofort heimisch. Dann sah er auf den kleinen Kater, der um seine Beine schnurrte. Gott, war der süß. Und das war wirklich seiner? Wie konnte er denn so ein süßes Dingelchen bloß vergessen?

Er stand die ganze Zeit nur ratlos im Wohnzimmer. Nein, er wusste eben nicht, wo alles war. Er wusste gar nichts.

"Yuu...?", fragte er leise und sah ihn traurig an. "Ich kenn mich hier nicht aus..."
 

Aoi legte die Stirn in Falten. Wie jetzt? Wieso kannte er sich denn hier nicht aus? Er wohnte doch hier...

"Ano... wieso denn das nicht? Du wohnst doch schon seit Jahren mit mir hier. Und jetzt willst du mir sagen, dass du dich nach ein paar Wochen Abwesenheit nicht mehr auskennst?" Irgendwie gefiel ihm der Blick seines kleinen Bruders überhaupt nicht. Und so zog er ihn einfach an der Hand zum Sofa und setzte sich mit ihm auf das weiche Polster.

Liebevoll strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht.

"Was ist denn passiert, Kou? Ich möchte alles wissen und dir helfen."
 

Jetzt brach alles aus ihm heraus. Er erzählte Yuu alles, was er in den letzten Wochen erlebt hatte. Dass er zusammengeschlagen in einer Gasse gelegen hatte, dass er dadurch sein Gedächtnis verloren hatte, dass Kai ihn bei sich aufgenommen hatte, was sie so erlebt hatten, dass er dann nochmal zusammengeschlagen worden war und wie er ihn verzweifelt gesucht hatte. Tränen liefen seine Wangen hinab.

"Ich erinnere mich nur an dich und meinen Namen. Ich weiß nicht mal mehr, wie alt ich bin, ich kenne diese Stadt nicht, ich kenne diesen Kater nicht und ich kenne diese Wohnung nicht. Ich weiß gar nichts mehr.", schluchzte er verzweifelt. "Ich weiß nicht, was ich noch machen soll..."
 

"Kou..." Er zog den anderen in seinen Arm und drückte ihn fest an sich. "Du hast es bis hierher geschafft und den Rest schaffen wir auch noch. Ich bin bei dir und helf dir, so gut ich kann. Hai? Ich lass dich nicht im Stich. Lass den Kopf nicht hängen. Das wird schon wieder und die Erinnerungen werden bestimmt auch bald alle wieder da sein. Ganz sicher." Was sollte er noch machen? Außer ein paar tröstende Worte konnte er im Moment nicht geben. Aber er war froh, dass es jemanden gab, der sich um seinen kleinen Bruder gekümmert hatte. Das musste er dem Anderen hoch anrechnen. Und wie es den Anschein hatte, hatte der Schwarzhaarige, der vorhin neben ihnen stand, das Leben seines Bruder sogar mehr als nur einmal gerettet.

"Wir nehmen uns so viel Zeit, wie du brauchst. Ich zeig dir alles und werde dir alle deine Fragen beantworten. Jede einzelne."
 

"Ano...", er hickste kurz auf. "Dann möchte ich erst mal wissen, wie alt ich überhaupt bin und wann ich Geburtstag habe. Weißt du, es ist gar nicht schön, nicht zu wissen, wann man geboren worden ist. Und wie alt bist du und wann hast du Geburtstag? Wie heißt denn der kleine Kater? Eto... Wieso leben wir beide hier ganz alleine?"

All diese Fragen schossen geradezu aus ihm heraus und er sah seinen großen Bruder bittend an. Er wollte unbedingt alles wissen, was es zu wissen gab und würde auch keine Ruhe geben, bis er alles wusste.

"Kannst du mich dann hier mal rumführen?"
 

Abwehrend hielt er die Hände hoch und lächelte ihn an. Das waren ganz schön viele Fragen auf einmal, musste er feststellen, aber er würde jede einzelne beantworten.

"Also, nur kurz zur Einführung etwas und dann führe ich dich rum. Versprochen." Er lehnte sich zurück und nahm Uruha wieder fest in den Arm. "Du bist Takashima Kouyou und wurdest am 9.6.1981 hier in Kanagawa geboren. Der Kleine hier..." Er deutete auf den Kater, der vor ihnen saß und sich die Schnute leckte. "...ist Shima. Er gehört zu uns, seit ich denken kann und du bist eigentlich sein Herrchen. Zumindest hat er dich lieber als mich.", kicherte er. "Und zu deinen anderen Fragen. Ich bin dein großer... äh... okay... älterer Bruder Shiroyama Yuu und ich wurde am 20.1.1979 in Mie geboren. Wir beide sind in ein und derselben Pflegefamilie aufgewachsen, bis wir es beide nicht mehr ausgehalten haben und abgehauen sind. Seit dem haben wir uns alleine durchs Leben geschlagen. Reicht das fürs Erste an Informationen?"
 

Uruha nickte ganz beklommen. Das musste er jetzt erst mal verdauen. Das waren wirklich viele Informationen auf einmal und er hoffte inständig, dass er sich alles merken konnte. Er wollte nicht wieder etwas vergessen und auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Er wollte selbstständig sein können. Aber dazu musste er jetzt erst mal seine Gedanken ordnen können. Also nochmal zum Mitschreiben. Er war also 22, Yuu 25 und der Kater hieß Shima. Gut so. Und sie beiden waren zusammen in einer Pflegefamilie groß geworden und dann abgehauen.

"Wieso sind wir von Zuhause weggelaufen, Yuu? Wurden wir schlecht behandelt?"
 

Sofort drehte der Schwarzhaarige den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Genau das wollte er ihm nicht sagen. Warum fragte er genau danach? Sein Gedächtnisverlust hätte wenigstens einen Vorteil gehabt. Er hätte all diese schrecklichen Erlebnisse vergessen können.

Er schluckte. "Kou... Ich... Lass uns darüber jetzt bitte nicht sprechen, hai?", bat er ihn. Es war schwer für ihn, dass er es verdrängen konnte. Sein Bruder war der, der immer alles abbekommen hatte. Nicht immer konnte er ihn beschützen. Doch sie waren genau deshalb weggelaufen. Er konnte es nicht mehr ertragen, wie man Kouyou behandelt hatte. Da war er ausgerastet und hatte seinen Pflegevater zusammengeschlagen und sich Kouyou geschnappt und war mit ihm abgehauen. Da war er fünfzehn Jahre alt gewesen und Kou gerade zwölf.
 

Nani? Er verstand nicht, was los war. Yuu machte ein ganz bedrücktes Gesicht und hatte anscheinend nicht vor, ihm zu sagen, weshalb sie von Zuhause weggelaufen waren. Seltsam fand er das schon, aber irgendwann würde Yuu es ihm sicherlich noch sagen, deshalb fragte er auch nicht weiter nach. Er vertraute seinem großen Bruder sehr und wusste, dass er ihn niemals enttäuschen würde.

"Wenn du nichts sagen willst, ist das okay. Du kannst es mir ja später noch sagen.", er lächelte sanft und gab seinem Bruder einen Kuss auf die Wange. "Zeigst du mir jetzt die Wohnung? Ich möchte mein Zimmer unbedingt sehen. Und... Können wir nachher mal Kai besuchen fahren? Ich möchte mich unbedingt von ihm verabschieden."

Seine Stimme klang furchtbar traurig, als er von Kai sprach.
 

Na klar würde er seinem Bruder die Wohnung zeigen. Er wohnte doch genauso hier wie er auch. Das war doch wohl das Mindeste, was er tun konnte. Und sofort hellte sich seine Miene wieder auf. Dann grinste er breit und wuschelte ihm durch die Haare. "Übrigens hätte ich dich fast gar nicht erkannt." Jetzt zuppelte er ihm an einer Haarsträhne. "Aber das sieht wirklich toll aus und... dein Makeup ist auch anders als sonst.", bemerkte er mal so nebenbei. Dann zog er den Größeren auf die Beine und zeigte ihm in aller Ruhe die Wohnung, wobei er ihn noch vorwarnte. "Aber ich warne dich, erschreck dich lieber nicht. Ich hab dein Zimmer nicht aufgeräumt. Das kannst du schön alleine machen. Bin ja nicht deine Putze, klar?"
 

"Hai. Kai hat mir einen neuen Haarschnitt verpassen lassen und das Make-up hab ich mir heute Morgen selbst beigebracht. Ich wollte dich ja unbedingt treffen und dann nicht wie der letzte Penner rumlaufen, verstehst du? Also komm. Ich will jetzt unbedingt alles hier kennenlernen, wenn ich schon wieder hier wohnen soll.", dann sah er Yuu perplex an. "Wie? Sieht mein Zimmer immer so schlimm aus?"

Er lachte leise und folgte Aoi durch die Wohnung. Erst kam das Badezimmer, dann Yuus Zimmer und dann zum Schluss sein eigenes Zimmer. Als Yuu die Tür aufmachte, wusste er, was er gemeint hatte. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall lagen CDs, Make-up und Klamotten rum. Aber es gefiel ihm wirklich sehr. Alles war in violett eingerichtet. Wirklich alles.
 

Aoi ließ ihn erst einmal in Ruhe. Kouyou sollte sein Reich schon alleine erkunden. Dafür war es halt seines. Vielleicht würden ja auch auf diese Weise wieder ein paar Bruchstücke seiner Erinnerungen wiederkehren.

Doch dann fiel ihm etwas ein, was den Jüngeren sicher noch mehr interessieren würde. Leise schlich er sich davon und holte das, was dem Anderen schon immer so verdammt viel bedeutet hatte. Noch beobachtete er seinen Bruder, wie dieser sich durch den Haufen von Klamotten, CDs und anderen arglos auf dem Boden rumliegender Gegenstände kämpfte. Dann sprach er ihn doch an.

"Ich habe nur etwas aus dem Chaos hier geholt und gut verstaut. Und ich wusste ja, dass dir dein Baby heilig is. Deshalb hab ich ihr ein ordentliches Zuhause besorgt." Nun hielt er dem anderen einen schicken Gitarrenkoffer hin.
 

Verdattert blickte er auf den schwarzen Gitarrenkoffer, welcher ihm nun von Aoi hingehalten wurde und runzelte die Stirn. Er spielte Gitarre und besaß sogar selbst eine? Wow. Deswegen hatte er bei Miyavi so gut spielen können. Das war doch kein Zufall gewesen. Er nahm ihn entgegen und holte eine schöne Gitarre hervor. Sie war, wie konnte es auch anders sein, violett und Uruha strich liebevoll über die Seiten. So langsam wurde er wieder warm und es kam ihm so vor, als würde er dies hier alles wirklich kennen. Er hörte Aoi aufmerksam zu und lächelte sanft. Das war wirklich sehr lieb von Aoi. Er legte die Gitarre beiseite und kuschelte sich ganz eng an seinen Bruder heran und fing leise an zu schnurren.

"Ich hab dich lieb, Aoi. Ganz furchtbar lieb.", nuschelte er. "Aber... Können wir jetzt schnell bei Kai vorbeischauen?"
 

"Ich dich auch und ich freu mich so unglaublich, dass du wieder da bist und es dir gut geht. Da werd ich mich wohl bei deinem Kai anständig bedanken müssen, dass er mir meinen kleinen Bruder heile wieder nach Hause gebracht hat.", lächelte er und wuschelte dem Anderen wieder durchs Haar. Das machte er einfach zu gern und dem Anderen hatte es damals nie gefallen. Doch jetzt hatte er sich noch nicht dagegen gewehrt oder irgendwelche Anstalten gemacht, dass ihm das nicht gefiel.

"Gut, dann lass uns mal zu deinem Kai fahren. Aber nicht ohne ein angemessenes Dankeschön. Verstanden? Also überleg dir mal, was ihm gefallen würde. Und ich sag dir eines, Geld spielt dieses Mal keine Rolle. Du bist mir mehr als alles andere wert."
 

Uruha schluckte. Er sollte Kai ein Geschenk mitbringen? Na toll. Und was sollte er da bitteschön nehmen? Er wusste wirklich nicht, was Kai gefallen könnte. Nur eines wusste er. Dass er unheimlich gerne Drums spielte. Uruha begann zu strahlen. Ja! Das war doch bestimmt genau die richtige Idee! Er klatschte begeistert in die Hände und hoffte, dass es wirklich nicht zu viel verlangt war von seinem Bruder. Schlagzeuge waren ja nicht gerade billig.

"Weißt du... Er spielt in einer Band, aber durch einen blöden Zufall hat er sein Schlagzeug nicht mehr. Meinst du... Dass wir ihm vielleicht ein neues kaufen könnten? Er hat mir mein Leben gerettet und ich möchte ihm doch so gerne eine Freude machen."
 

Jetzt schaute er ihn ziemlich bedeppert an. Der Andere hatte was? Eine Band und er spielte Schlagzeug?

"Aha... Und du meinst, er würde sich über ein neues Drumset freuen? Bist du dir da auch ganz sicher?", hakte er lieber nochmal nach. Auch wenn ihm die Idee gefiel, ging er lieber auf Nummer sicher. Er konnte ja nichts dazu sagen. Er kannte den Anderen nicht. Und er hatte ihn auch nur ein einziges Mal gesehen und das auch eher sehr kurz, so dass er sich von ihm kein Bild machen konnte.

"Wenn du meinst, dass ihm das gefallen würde, dann machen wir das."
 

"Hai. Ich glaube, er würde sich wirklich sehr freuen. Das hoffe ich doch zumindest. Jedenfalls war er immer ziemlich traurig. Das hat mir ein anderer Freund erzählt. Er vermisst es, richtig Schlagzeug spielen zu können. Und ich will ihm doch so gerne ein Andenken an mich zurücklassen, wenn ich ihn schon verlasse und bei dir lebe. Weil dich möchte ich wirklich nicht mehr gehen lassen und ich hoffe, dass er das auch versteht."

Ja, davor hatte er am meisten Angst. Dass Kai ihn dafür hassen würde, wenn er ihn verlassen würde, wollte er natürlich nicht. Kai war ihm ja auch ans Herz gewachsen. Aber es war doch normal, wenn er bei seinem Bruder bleiben wollte oder?
 

"Okay, okay. Hab schon verstanden. Also ist das eine Sache, mit der er absolut nicht rechnen wird, hai?" Er sah Kouyou an, dass er das wirklich ernst meinte und seine Augen strahlten auch ein wenig, als er den Namen Kai in den Mund nahm. Dann grinste er schelmisch.

"Kou?", fragte er ihn und stupste mit seiner Schulter gegen die des Größeren. "Kann es sein, dass du Kai magst? Ich meine so richtig magst?"
 

Während sich die beiden so unglaublich angeregt über ihn unterhielten, saß er Zuhause auf seinem Bett und starrte an die kahle Wand vor seiner Nase. Irgendwie war es verdammt ruhig und auch sehr einsam, stellte er fest. Ohne Uruha fehlte hier einfach was. Etwas verdammt Wichtiges. Aber Uruha würde jetzt nicht wieder zu ihm kommen. Dafür gab es auch keinen Grund mehr. Seufzend schaute er zur Uhr. Gut, in ein paar Minuten musste er eh los. Die Pflicht rief und irgendwie würde es ihn hoffentlich von seinen tristen Gedanken ablenken. Und so erhob er sich und machte sich soweit fertig, damit er auch gleich los konnte. Zu spät durfte er nun wirklich nicht kommen.
 

Sofort lief er rot an und sah seinen großen Bruder verwirrt an. Oh Gott. War das etwa so offensichtlich? Und... Wusste Aoi etwa von seiner Neigung? Hatte er sich also doch nicht eingebildet, dass er schwul war? Hilfe. Und er hatte schon gedacht, er würde verrückt werden.

"Hai... Ich glaub... Ich bin ein bisschen in ihn verliebt... Ist das schlimm?", fragte er an Aoi gewandt. "Weißt du zufällig, ob... ob ich schwul bin? Also..."

Mann, war das peinlich. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte.
 

Aoi gab seinem Bruder eine liebevolle Kopfnuss. "Iie... wie kommst du darauf, dass du schwul wärst? Also bisher hattest du nur Mädels angeschleppt, aber man sieht es dir schon an, dass er scheinbar etwas Besonderes für dich ist." Nun wuschelte er ihm wieder wild durchs Haar. "Und mach dir keine Gedanken. Ich habe damit absolut kein Problem. Man verliebt sich halt in den Menschen und nicht in sein Geschlecht. Darauf nimmt die Liebe eben keine Rücksicht." Irgendwie klang er gerade wie so ein altkluger Besserwisser, stellte er fest. Aber na ja, sollte Uruha doch ruhig in diesen Kai verliebt sein. Der schien ja auch so einigermaßen in Ordnung zu sein. Zumindest hatte er sich anständig um seinen kleinen Bruder gekümmert. Da konnte man es ihm schon verzeihen, dass er diesem wohl auch ein wenig den Kopf verdreht hatte.

"Na los, sonst haben die Geschäfte schon zu und dann wird das nichts mehr mit dem Geschenk für den Guten. Ansonsten können wir das nämlich erst am nächsten Wochenende machen, weil ich wieder zur Arbeit muss."
 

"Okay... Dann ist gut. Ich hatte nur Bedenken, dass du mir das vielleicht übel nimmst. Ich hoffe wirklich, dass Kai es mir nicht übel nimmt, wenn er es vielleicht irgendwann rausfindet. Ich will ihn als guten Freund behalten und nicht alles aufs Spiel setzten.", er seufzte leise und nahm dann Aois Hand. "Na komm. Dann mal schnell los. Ich will unbedingt das schönste Schlagzeug kaufen, das sie haben."

Und schon zerrte er Aoi mit sich aus dem Haus und die Straßen entlang. Es war wie eine Art Eingebung, als er zielstrebig auf einen Laden zusteuerte und das dann tatsächlich ein Musikladen war. Er wunderte sich, woher er das gewusst hatte, aber dann zuckte er nur mit den Schultern. War ja egal. Er wollte einfach nur ein Drumset.

Zusammen mit Aoi ging er hinein und sah sich um.
 

Der Schwarzhaarige wurde regelrecht überrumpelt und hinterher geschliffen von seinem "kleinen" Bruder. Der schien es ja mächtig eilig zu haben. Aber er fragte sich, warum dieser Kai es ihm übel nehmen sollte, wenn er ihm sagte, dass er in ihn verliebt war? Das verstand er nicht so ganz. Der sollte sich doch eher glücklich schätzen, dass er das tat, denn es war ja doch eher eine Form eines Kompliments. So sah er das jedenfalls. Deshalb würde er auch niemals jemanden verachten, nur weil dieser ihm gestand, sich in ihn verliebt zu haben. Und eigentlich dachte er, dass andere auch so dachten. Na ja, er musste diesen Kai ja auch erst einmal kennenlernen, bevor er sich eine Meinung dazu bilden konnte.

Nun standen sie hier in ihrem Lieblingsmusikgeschäft und schauten sich um. Der Verkäufer kam auch gleich auf sie zu und verbeugte sich höflich vor ihnen.

"Konban wa, Takashima-san. Konban wa, Shiroyama-san. Es freut mich, dass ihr auch mal wieder bei mir vorbeischaut. Was kann ich für euch tun? Mal wieder eine Saite gerissen, Shiroyama-san?" Angesprochener schüttelte nur den Kopf. "Iie... Wir sind heute mal hier wegen etwas anderem. Wir suchen ein Drumset für einen guten Freund von Kouyou. Hast du da etwas im Angebot, was treffend als ein verdammt großes Dankeschön sein könnte?"
 

"Ano... Ich wusste gar nicht, dass Takashima-san einen Freund hat, der Schlagzeug spielt. Hat er mir gar nicht erzählt. Ihr beiden ward ja auch schon lange nicht mehr bei mir wirklich. Was habt ihr denn die ganzen Wochen so getrieben?"

Der ältere Mann stellte wirklich viele Fragen, wie Uruha feststellte und seufzte. Mann oh Mann. Das ging einem ja wirklich auf den Zeiger nach einer Weile des endlosen Gequatsches. Er wollte unbedingt das Drumset kaufen und dann so schnell wie möglich zu Kai.

"Könntest... Du...", er wusste nicht, ob er ihn duzen durfte oder nicht. "... Uns jetzt vielleicht das Drumset zeigen?"

"Oh, natürlich. Ungeduldig wie immer.", er deutete auf ein schönes Schlagzeug und lächelte. "Das ist das billigste, was wir haben. Aber auch ein richtiges Prachtstück oder? Für jeden Liebhaber das richtige Geschenk."

"Kann ich das für Kai haben, Onii-San?", fragte Uruha und zuppelte aufgeregt an Aois Hemd herum.
 

Kami-sama! Wie sollte er diesem Kerl auch widerstehen können? Seinem kleinen Bruder konnte er eh nichts abschlagen und dieses Drumset sah unglaublich toll aus. Er schaute auf das Preisschild und war doch etwas verblüfft. Für dieses unglaublich faszinierende Exemplar wollte er nur so wenig Geld haben? War damit etwas nicht in Ordnung?

"Ano... Auch wenn ich mir damit vielleicht selbst ins Fleisch schneide, aber... wieso kostet es nur so wenig?", fragte Aoi den Verkäufer.

Dieser schaute ihn nur lächelnd an. "Weißt du, das ist so... Ich hab es einem Bekannten abgekauft und der hatte es wohl von einem jungen Mann, der es zwangsläufig loswerden wollte. Ich habe gesehen, dass dort unter der Snape etwas steht. Da ist eine Gravur drin und deshalb kann ich das Set nicht zum vollen Preis verkaufen. Schade, aber was soll´s. Es ist wirklich ein einmaliges Stück."

Davon wollte er sich selbst überzeugen und schaute darunter. Verwundert runzelte er die Stirn. "Ano... Was haben denn diese Buchstaben zu bedeuten? U und Y? Komisch. Na egal. Ich denke, wir nehmen es."
 

Verwirrt blinzelnd starrte er auf die Gravur und runzelte die Stirn. U und Y... U und Y? Nee, jetzt nicht wirklich oder? Wollten die ihn gerade verarschen? Noch einmal schaute er genauer hin, doch die Buchstaben blieben dieselben.

"Ano... Mein Freund, dem ich das Drumset kaufen will, heißt Uke Yutaka. Und er musste es zwangsläufig verkaufen. Wenn ich jetzt echt Glück habe, könnte es sein Schlagzeug sein.", er strahlte regelrecht. "Yuu! Ich will das unbedingt haben! Ich muss es Kai schenken! Wenn das wirklich sein altes Drumset ist, dann wird er, glaub ich, durchdrehen vor Freude!"
 

Verwirrt sah er ihn an. "Nani?" So ganz kam er nicht mit mit den Gedanken des anderen. "Wie jetzt? Kannst du mir das auch irgendwie erklären? Oder wirfst du mir das jetzt nur an den Kopf, weil du es haben willst? Ich hab doch schon gesagt, dass wir es nehmen werden oder nicht?" Fragend schaute er den Verkäufer an, der auch sogleich nickte. Okay, er hatte also doch zugesagt. Aber der andere schien gerade vollkommen aus dem Häuschen zu sein.

"Ano... Wann können wir es denn abholen? So bekomm ich es nicht in mein Auto. Oder würdest du es liefern? Für die Kosten kommen wir natürlich auch auf. Scheint ja eh sehr wichtig zu sein für Kou.", lachte er.
 

"Es ist wirklich so. Er heißt Uke Yutaka und sein Spitzname ist Kai. Er hat vor einiger Zeit sein Drumset verkaufen müssen und ist seitdem todtraurig. Verstehst du? Ich muss es ihm unbedingt wiederholen. Ich will doch, dass er wieder glücklich ist und lacht. Also bitte, Aoi... Onii-San!"

Uruha sah den Verkäufer an, welcher nur leicht grinste und dann sagte:

"Also ich könnte es euch auch gleich nachliefern. Ist kein Problem. Wohin soll das gute Stück denn?"

Uruha strahlte und nannte dem Verkäufer Kais Adresse. Aoi bezahlte und beide gingen fröhlich wieder aus dem Laden raus.
 

Aoi wuschelte Uruha einmal kräftig durchs Haar und grinste ihn an. "Oh Mann, ich glaub, das ist nicht nur ein bisschen verliebt sein, mein Guter. Du strahlst gerade wie ein Honigkuchenpferd und das nur, weil wir ein Drumset für einen gewissen Kai gekauft haben. Du bist schwer verknallt in den Guten.", piesackte er den anderen. "Dann lass uns mal zum Auto, damit wir auch noch vor dem Drumset bei dem Jungen auftauchen. Sonst ist das eher da als wir. Ich glaub nicht, dass du das willst, hai?" Und so packte er ihn an der Hand und zog ihn wieder mit sich. Okay, irgendwie wohl eher andersrum, denn Uruha schien mächtig aufgedreht zu sein. Aber das kannte er ja von ihm. Wenn seinem Bruder etwas gefiel und er Spaß daran hatte, dann war er wie ausgewechselt. Und so strahlte auch er.
 

"Hör auf, Yuu. Das ist saupeinlich! Ich bin zwar verknallt, aber auch nicht so, dass ich ihn anhimmle. Ich will doch bloß, dass er glücklich ist, auch wenn ich nicht mehr bei ihm wohnen werde. Ich will, dass er, wenn er auf dem Drumset spielt, immer an mich denkt. Und natürlich, dass er sich freut. Kai ist mein bester Freund geworden und ich will wirklich nur sein Bestes."

Er lächelte zuckersüß und schleifte seinen großen Bruder hinter sich her die Straßen entlang. Wenige Minuten später standen sie auch schon vor Kais Haustüre und Uruha klingelte. Der Lieferant war noch nicht da. Gut.

"Mach auf, Kai..."
 

Erschrocken zuckte er zusammen, als es plötzlich klingelte. Er war schon im Begriff, zu gehen. Die Arbeit rief schließlich und er wollte keineswegs unpünktlich dort erscheinen. Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass gerade jetzt, wo er zur Türklinke greifen wollte, auch noch jemand was von ihm will.

Und derjenige würde auch noch weiter warten müssen, denn er hatte wirklich keine Zeit. Und so ignorierte er das Klingeln und machte sich auf den Weg. Die Tür zog er leise hinter sich zu und zuckte erneut, als die Klingel scheinbar wieder betätigt wurde. Da war aber einer ziemlich hartnäckig. Aber egal. Darauf konnte er jetzt wirklich nicht eingehen. Er war eh schon spät dran.

Schnell hastete er die Treppen hinunter und riss die Haustür auf. Verdattert blieb er stehen. "U...Uruha?"
 

"Hallo, Kai!", begrüßte er ihn freundlich und umarmte seinen Freund. "Wieso bist du eben einfach so weggegangen? Ich wollte dir doch noch Yuu vorstellen. Das war nicht gerade freundlich, weißt du das? Aber ich bin dir nicht böse. Ich will einfach nur nochmal mit dir reden."

Er grinste und zog Yuu an der Hand zu sich, sodass sich die beiden Schwarzhaarigen gegenüberstanden.

"Kai, das ist Yuu. Yuu, das ist Kai.", er grinste wieder und wandte sich dann nur noch an Kai. "Dürfen wir reinkommen?"
 

Doch der Kleinere winkte ab und schüttelte den Kopf. "Gomen, aber ich muss zur Arbeit.", entschuldigte er sich und wandte sich von den beiden ab. Es tat ihm eh schon weh, dass die beiden sich so nahe standen. Jetzt musste er es ihm wohl auch noch unter die Nase reiben. Das war echt unfair von ihm.

"Ich muss. Bai.", rief er ihnen noch zu und rannte dann los. Seine Uhr verriet ihm, dass er nicht wirklich viel Zeit hatte. Auch wenn das eben Uruha gewesen war, seine Arbeit war verdammt wichtig.
 

Vollkommen perplex stand Uruha nun vor der Haustür und sah Kai hinterher, wie er die Straße entlang rannte. Er schluckte. Und was wurde jetzt aus seiner Überraschung? Er hatte sich doch schon so gefreut, Kai seine Drums wiedergeben zu können. Und nun war der einfach abgehauen. Das war absolut unfair. Nun gut. Ewig konnte Kai ja nicht auf der Arbeit bleiben. Also würde er hier einfach warten.

Er setzte sich vor die Haustür und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ich warte hier, bis er wiederkommt. Du kannst gerne nach Hause gehen. Ich komm dann, wenn ich Kai die Drums geschenkt habe. Aber vorher gehe ich hier nicht weg..."
 

Aoi runzelte die Stirn und sah zu seinem Bruder, der sich auf die Stufen vor der Haustür gesetzt hatte und irgendwie gerade ziemlich entschlossen aussah. "Ano... Du weißt doch gar nicht, wann er wiederkommt. Warum willst du dann auf ihn warten? Außerdem..." Nun setzte er sich zu ihm. Mit den Händen stützte er sich nach hinten hin ab und schaute nach oben in den Himmel. Es dämmerte bereits und das würde heißen, dass dieser Kai ganz sicher nicht vor Mitternacht hier wieder aufkreuzen würde.

Er seufzte und schaute Uruha dann von der Seite an, wie dieser leicht schmollend und mit verschränkten Armen dasaß.

"Ich will dir ja nicht die Laune verderben, aber es kam mir so vor, als sei er nicht gerade erfreut gewesen, uns zu sehen."
 

"Auch, wenn er sich vielleicht nicht gefreut hatte, aber ich bin ja da, um ihn fröhlich zu machen. Wenn er erst mal sein Schlagzeug sieht, wird er ausrasten vor Freude. Aoi, du kannst wirklich gerne gehen, wenn du willst. Ich komm schon zurecht."

Es wurde langsam dunkel und Uruha fing an zu frieren. Er hatte keine Jacke mitgenommen, da er ja auch nicht geplant hatte, die Nacht vor Kais Haustür zu verbringen. Da musste er jetzt eben durch. Und er würde sich auch nicht davon abbringen lassen. Er würde hier auf Kai warten. War doch wohl klar.

Es vergingen viele Stunden, in denen Uruha einfach nur dasaß und auf Kai wartete, als es aber schon kurz nach elf Uhr war, konnte er einfach nicht mehr. Sein Körper sank gegen Aois und er schlief vollkommen erschöpft ein.
 

Der Schwarzhaarige legte den Arm um den Jüngeren und zog ihn näher zu sich. Er spürte, dass der andere fror und wärmte ihn so wenigstens ein bisschen.

Sie saßen schon seit Stunden hier und auch das Drumset stand nun vor ihrer Nase. So sollte das eigentlich nicht laufen. Seufzend schaute er gen Himmel. Das würde sicher eine kühle Nacht werden. Aber er hatte ja auch nicht damit gerechnet, dass er mit ihm hier die halbe Nacht verbringen würde. So war es jedenfalls nicht geplant. Doch Uruha schien sich ja auch nicht davon abbringen zu lassen. Es musste den Kleinen ganz schön erwischt haben, dachte er sich so. Sonst war er eigentlich immer der ungeduldige Typ gewesen. Doch heute zeigte er ganz schön viel Beharrlichkeit.

Aoi schaute auf die Uhr. Jetzt war es schon nach Mitternacht und noch immer keine Spur von dem Kerl. Irgendwie wurde er unruhig.

Doch just in diesem Moment kam jemand die Straße entlang.
 

Uruha schlief immer noch vollkommen erschöpft an seinen großen Bruder gelehnt und träumte. Diesmal jedoch keine Alpträume, ganz im Gegenteil. Er sah schöne Szenen mit Aoi vor sich. Wie sie in ihrem Zimmer spielten und lachten. Wie Aoi Uruha hochhob, damit er an einen Apfel herankam, der hoch oben in einem Baum hing. Wie Aoi Uruha immer von der Schule abholte. All dies strömte auf ihn ein und ließ ihn sanft im Schlaf lächeln und sich gleich noch enger an seinen Bruder kuscheln.

Dann jedoch hörte er plötzlich Schritte und wie jemand leise vor sich hin pfiff. Müde öffnete er die Augen und sah, dass Kai gerade genau auf sie zusteuerte. Sofort war er auf den Beinen und lief auf Kai zu.

"Kai! Da bist du ja endlich!"
 

Sofort blieb er stehen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Wieso war Uruha denn hier?

Kai legte den Kopf schief und schaute ihn fragend an. "Ano... Was machst du denn hier?" Mehr brachte er gerade überhaupt nicht raus, denn viel zu perplex war er. Musste er ihn denn auch jetzt noch um diese Uhrzeit mit sich konfrontieren? Er hatte sich, so gut es ging, auf Arbeit abgelenkt und nun... Nun stand er wieder vor ihm.

Uruhas Bruder stand nur da und lächelte ihn an. Am liebsten wäre Kai umgedreht und wieder abgehauen. Aber das konnte er jetzt schlecht tun.
 

"Na, warum bin ich wohl hier? Ich will mich doch richtig von dir verabschieden, was denn sonst? Du bist vorhin einfach weggewesen, da hatte ich ja keine Chance mehr.", er seufzte leise und nahm Kai bei der Hand, zog ihn hinter sich her. "Aoi und ich haben auch eine Überraschung für dich! Ich hoffe, dass du dich darüber freust!"

Er grinste und deutete ganz aufgeregt auf etwas, das von einem großen Tuch abgedeckt wurde. Uruha hibbelte von einem Bein aufs andere und sah ihn an.

"Na los! Mach´s auf!"
 

Sofort senkte er den Kopf, als er Uruhas Worte hörte. Verabschieden. Also war es wirklich so. Toll. Jetzt war er also wieder alleine.

Ohne jegliche Gegenwehr ließ er sich von dem Anderen mitziehen. Was sollte denn jetzt noch kommen? Uruha hatte ihn doch eh schon in ein tiefes Loch geworfen. Wollte er ihn noch weiter in die Knie zwingen? Wenn ja, dann war das absolut unfair von ihm.

Überraschung? Was sollte das denn sein? Die brauchte er nun wirklich nicht mehr. Davon hatte er heute schon genug gehabt. Nein danke, darauf konnte er gut und gerne verzichten.

"Gomen, aber... ich will keine Überraschung." Und so schlich er sich an den beiden vorbei und schloss die Haustür auf. "Man sieht sich vielleicht irgendwann mal. Oyasumi nasai...", murmelte er und schloss die Tür wieder hinter sich. Er wollte nichts von ihm haben. Nicht ein bisschen. Uruha hatte ihm schon viel zu viel genommen.

Oben angekommen, schloss er die Tür hinter sich und ließ sich an dem harten Holz hinab gleiten. "Uruha...", murmelte er nur. Jetzt wurde er sich so langsam bewusst, was der Andere für ihn bedeutete. Er war nicht nur ein Freund. Nein... Uruha war viel mehr für ihn.
 

Hilflos musste er mit ansehen, wie sein bester Freund und heimliche Liebe einfach so an ihm vorbeiging und ihn nicht mal richtig für voll nahm. Dabei hatte er sich so gefreut, Kai sein Drumset wiedergeben zu dürfen und nun war alles aus. Kai hatte anscheinend kein Interesse mehr an ihm. Wie hätte es auch anders sein können? Für Kai war er anscheinend ja nur der Junge von der Straße, dem er das Leben gerettet hatte. Jetzt liefen ihm die Tränen in Strömen die Wangen hinab und er hickste auf. Na klasse. Alles umsonst. Kai hasste ihn...

"Dein Geschenk bleibt trotzdem hier! Ich will, dass du wieder lachen kannst, Kai!", schrie er ihm noch nach, ehe er sich umdrehte und weinend die Straße hinunterrannte.

Er hatte als Freund anscheinend gründlich versagt.
 

Auch ihm liefen die Tränen in Strömen die Wangen hinab. Irgendwie war das alles vollkommen anders gelaufen, als es sollte. Ganz und gar nicht so, wie es für gewöhnlich war. Und trotzdem tat es verdammt weh. Dabei war Uruha doch nur sein Freund und nichts weiter. Warum um alles in der Welt fühlte es sich dann so unglaublich schmerzhaft an, wenn er ihn jetzt mit dem anderen, diesem komischen Yuu oder wie der hieß, zusammen sah? Wenn sie wirklich nur Freunde waren, dann dürfte es ihm doch überhaupt nichts ausmachen. Aber warum war es dann nicht so?

Wimmernd kauerte in seiner dunklen Wohnung und versuchte, sich krampfhaft die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Anscheinend empfand er mehr als bloße Freundschaft für den Größeren. Aber war das denn normal?

Jetzt erhob er sich und ging durch die Dunkelheit direkt zu seinem Wohnzimmerfenster. Von hieraus konnte er nach unten auf die Straße blicken und sah gerade noch, wie Uruha scheinbar davon lief. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, denn das war wohl das letzte Mal, dass er den anderen sehen konnte. "Sayonara, Ru-chan...", hauchte er gegen die Scheibe.

Aoi hingegen sprang auf und rannte ihm hinterher. Er hatte ihn auch gleich an der nächsten Ecke eingeholt und gegen die Hauswand gedrückt. Mit besorgten Augen schaute er ihn an und hielt ihn fest. "Hey, Kou... Was ist los? Gibst du so schnell auf?"
 

Uruha wollte einfach nur weg. Weg von hier. Dahin, wo Kai ihn nicht mehr fand und er in Selbstmitleid versinken konnte. Er wollte nicht, dass Kai noch trauriger wurde, wenn er in seiner Nähe war. Da war es doch das Beste, wenn er ganz weit weg war und Kai nicht mehr belästigen konnte. Es war das Beste für sie alle. Kai konnte wieder ein normales Leben führen, ohne sich um ihn kümmern zu müssen und Uruha konnte endlich wieder mit seinem Bruder zusammen sein und sein altes Leben wieder neu aufrollen.

Plötzlich wurde er gepackt und gegen die nächste Hauswand gedrückt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickte er Yuu an. Es war allerdings kein physischer Schmerz, sondern ein psychischer. Seine Beine gaben nach und hätte Aoi ihn nicht festgehalten, wäre er zusammengebrochen. Er atmete heftig.

"Lass mich los, Yuu... Ich will nicht zu Kai zurück! Er hasst mich doch!"
 

Wenn es für Uruha nicht noch mehr Schmerzen bedeutet hätte, hätte er ihm dafür jetzt glatt eine Ohrfeige verpasst. Aber eine, die sich gewaschen hatte. Manchmal stellte sich sein Bruder aber auch an. Hatte er denn nicht gesehen, warum der andere schnell verschwunden war? Hatte er denn gar keinen Blick für sowas?

Liebe macht wohl doch blind und zwar mächtig.

"Ich will jetzt kein Wort mehr hören!", zischte er. "Ich weiß, dass du gekränkt bist, aber..." Er schaute dem Größeren tief in die Augen. "Bist du blind oder was? Hast du nicht gemerkt, was los ist? Ich glaube absolut nicht, dass er dich hasst. Niemals. Dafür sah er viel zu traurig aus."
 

"Aber... Aber... Ich...", stammelte er und spürte, wie sich Aois Griff verfestigte. "Er hat doch nicht mal angesehen, was wir für ihn gekauft haben. Das hätte er doch wenigstens machen können. Er hasst mich ja anscheinend, weil ich jetzt zu dir ziehen will und nicht mehr bei ihm bleibe. Aber das ist doch normal oder? Ich will natürlich bei meinem Bruder bleiben und nicht bei einem Mann, den ich erst seit kurzer Zeit kenne. Da muss er doch nicht so einen Wind machen! Ich bin eh nicht mehr als ein Freund für ihn!"

Er hickste.

"Ich will nur, dass er glücklich ist... Ich liebe ihn doch..."
 

Genau das hatte er hören wollen. Endlich hatte Uruha die Worte gesagt, von denen er wusste, dass er so empfand. Das hatte er schon gesehen, als er beide getroffen hatte und nun hatte er es selbst bestätigt.

"Kou..." Sanft legte er ihm eine Hand an die Wange und streichelte darüber. "Er hasst dich ganz sicher nicht, glaub mir. Auch wenn du ihn vielleicht besser oder eher länger kennst als ich, so kann ich dir eins sagen. Hassen tut er dich ganz sicher nicht. Das schwör ich dir. Und du musst ihn auch verstehen. Schau mal... Du warst jetzt drei Wochen bei ihm und ihr habt euch angefreundet und du dich sogar in ihn verliebt. Und nun gehst du einfach. So von heut auf morgen. Glaubst du nicht, dass es dir genauso gehen würde, wenn du an seiner Stelle wärst?", fragte er ihn direkt. Er wollte wissen, wie er darüber dachte. Er war sich jedenfalls mehr als sicher, dass der andere ihn nicht hassen würde.
 

"Ich... Ich glaube, ich wäre auch sehr traurig, wenn ich wüsste, dass Kai nie wieder bei mir wohnen würde... Aber... Ich will bei dir bleiben, Onii-San! Ich will bei dir wohnen bleiben, ist das denn so schlimm?", er strich sich die Tränen aus dem Gesicht und schniefte. "Ich will wirklich nur sein Bestes und ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Kai wird immer traurig sein, wenn ich nicht da bin... Aber ich will bei dir sein, Aoi!"

Das war wirklich eine verzwickte Angelegenheit. Aber er würde jetzt auch nicht eher aufgeben, bis Kai und er zusammen gesprochen hatten.

Und so machte er eine Kehrtwende, sprintete zu Kais Haus zurück und klingelte Sturm.
 

So schnell konnte er dem Anderen gar nicht hinterher schauen, wie dieser wieder davonrannte. Doch dieses Mal schien es sogar die richtige Richtung zu sein. Schmunzelnd lehnte er sich an die Wand und seufzte. "Warum nicht gleich so, du Sturkopf.", lachte er, ehe auch er sich wieder in die Richtung begab, aus der sie eben gekommen waren. Die Hände hatte er in den Hosentaschen versteckt und trottete seelenruhig zurück.

In der Zwischenzeit hatte Kai sich vom Fenster zum Sofa begeben und kauerte dort nun. Irgendwie fühlte er sich verdammt einsam. War das schon immer so gewesen? Oder war es jetzt anders.

Doch er kam gar nicht mehr dazu, länger darüber nachzudenken, denn da klingelte es auch schon Sturm. Irgendein Irrer schien es sich zur Aufgabe zu machen, ihn mitten in der Nacht zu terrorisieren. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber er versuchte es erst einmal mit Ignoranz. Vielleicht würde der nächtliche Störenfried schnell wieder aufgeben.
 

Uruha stand wie zur Salzsäule erstarrt vor Kais Haustür. Sein Zeigefinger drückte ohne einmal abzuheben auf die Klingel und ließ sie im Dauerton schrillen. So. Er würde jetzt hier nicht eher weggehen, bis er mit Kai gesprochen und Kai sein Geschenk angenommen hatte. Wäre ja noch schöner. Da bezahlte er - okay, Aoi hatte bezahlt - ein Heidengeld dafür und Kai nahm es nicht an. So ging das ja auch nicht. Kai würde schon noch rauskommen müssen. Uruha würde jedenfalls nicht nachgeben.

Dass sein Bruder schon wieder grinsend hinter ihm stand, hatte er nicht bemerkt. Und selbst, dass er ziemlich fror, war ihm gerade egal. Was zählte, war Kai.
 

"Baka!", fluchte er in Richtung Tür, als das Klingeln noch immer nicht erlosch. Irgendwer hatte da wirklich gute Nerven und schien, sie an ihm auslassen zu wollen. Aber nicht mit ihm.

Wutschnaubend erhob er sich und schritt zur Tür. Er drückte nicht auf den Summer, sondern auf den Knopf für die Gegensprechanlage. "Verzieh dich, du Baka!", motzte er. "Weißt du, wie spät das is?! Nerv gefälligst wen anderes! Ich hab genug Probleme!" Und schon ließ er wieder los. Doch er sank an der Tür wieder nach unten. Kami-sama. Warum fühlte er sich so verdammt verloren? Lag es denn wirklich nur an dieser einen Person?
 

Geschockt starrte Uruha auf die Tür und dann zur Gegensprechanlage. Nein. Das hatte er jetzt nicht gemacht oder? Wieso beschimpfte er ihn als Baka, bitteschön? Was hatte er denn gemacht?

Und wieder drückte er auf die Klingel und ließ nicht los. Was sollte das, verdammt nochmal? Kai sollte endlich mal nicht so verbohrt sein und mit ihm reden! Sich wenigstens richtig verabschieden! War das etwa zu viel verlangt?

"Mach sofort diese verdammte Tür auf, Kai! Aber sofort!"
 

Gerade hatte er erneut die Gegensprechanlage eingeschalten und wollte demjenigen da unten nochmals ein paar nett gemeinte Worte an den Kopf werfen, als er auch schon selbst zur Schnecke gemacht wurde.

Verdutzt starrte er auf den Lautsprecher der Anlage, aus der ihm gerade mal ordentlich ein paar laute Worte an den Kopf geworfen wurden.

Er schluckte. War das etwa Uruha? Oder halluzinierte er schon wieder? Aber es klang schon ein wenig nach ihm. Nur leider war er sich nicht sicher, denn so hatte er den anderen eigentlich noch nie gehört gehabt.

Während die Gegensprechanlage weiter leise vor sich hin summte, schwieg er und starrte weiter auf das Hightech-Ding an seiner Wand.

Aoi schlich sich neben Uruha und grinste ihn an. Dann hauchte er einfach ein paar nette Worte hinein. "Ano ... Kai-san? Hier ist Aoi. Uruha würde gerne mit dir etwas besprechen. Etwas ziemlich Wichtiges würd ich sagen. Lass ihn rein, hai? Das ist sehr nett von dir."

Wusch! Mit einem Mal gehorchte ihm sein Körper nicht mehr und sein Finger betätigte den Summer wie von selbst.
 

"Sei nicht so nett zu ihm, Aoi! Der Kerl hat verdient, angeschrien zu werden, verdammt nochmal! Ich lass mich doch nicht von dem als Baka bezeichnen, wo kommen wir denn dahin? Das ist so ein verdammter, verbohrter, nichtsnutziger...", weitere Schimpftriaden konnte er jedoch nicht ausführen, da in diesem Moment der Summer gedrückt wurde, die Tür aufging, Aoi ihm die Hand auf den Mund legte und ihn ins Treppenhaus zog. Er wurde die Treppen zu Kais Wohnung geschleift und dann konnten sie auch schon die Wohnung betreten. Uruha löste sich sofort von seinem Bruder und baute sich vor Kai auf, der ihn verwirrt ansah.

"Nun hör mir mal gut zu, ja? Ich will dir bloß richtig tschüss sagen und dir alles Liebe wünschen! Nur, weil ich jetzt bei meinem Bruder leben will, musst du doch nicht so ein Theater machen! Ich bin immer noch in derselben Stadt wie du und wir können uns jeden Tag sehen! Mach nicht so ein Drama draus! Und du kommst jetzt sofort mit mir runter, damit ich dir meine Überraschung geben kann!"
 

Kai sah verwirrt aus. Er hockte hier auf dem Boden und schaute ihn aus tränenverschmierten Augen an. Für Uruha schien dies hier selbstverständlich zu sein, doch ihm viel es verdammt schwer.

Schnell senkte er den Blick und vergrub sein Gesicht in den Händen. Also war es doch so, dass er nicht wegen ihm zurückgekommen war, sondern sich nur von ihm verabschieden wollte. Toll! Ganz toll! Das war auch ganz sicher das, was er sich erhoffte hatte.

"Iie... Ich möchte nichts, danke...", nuschelte er vor sich hin. Er konnte dem Anderen ja noch nicht einmal ins Gesicht sehen. Und auch seine Worte nahm er gar nicht so richtig für voll.

Doch dann legte sich ein warme Hand auf seine Schulter und er hob den Kopf. Vor ihm hockte dieser komische Aoi und lächelte ihn auch noch an. Super! Noch mehr davon und er würde sich gleich einen Strick nehmen.

"Was ist los? Kou hat ein Geschenk für dich. Und ich möchte schon ganz gerne sehen, was du dazu sagst. Er hat mir damit den ganzen Weg hierher in den Ohren gelegen. Und meinem kleinen Bruder kann ich doch eh nichts abschlagen. Ich bin dir verdammt dankbar, dass du auf ihn so gut aufgepasst hast. Wirklich."
 

Uruha fuhr sich mit zitternden Händen durchs Haar und versuchte, sich zu beruhigen. Er war auf 180. Himmel noch einmal. Seit wann war Kai bloß so verdammt verstockt? Er hatte doch nun wirklich keinen Grund. Uruha war immer noch in derselben Stadt wie er und hatte sich auch fest vorgenommen, ihn jeden Tag zu besuchen. Aber nein, Kai war das also nicht gut genug. Schön. Wenn er das so wollte. Aber sein Geschenk bekam er trotzdem. Er hatte doch nicht so viel Geld für nichts und wieder nichts ausgegeben. Nein, ganz sicher nicht. Kai würde es annehmen müssen. Eher ging Uruha auch nicht weg.

Grob packte er den weinenden Schwarzhaarigen am Arm und zog ihn auf die Beine. Dann schleifte er ihn einfach so mit sich hinunter aus dem Haus hinaus und stellte ihn vor das abgedeckte Drumset. Er stemmte die Hände in die Hüften und deutete darauf.

"Schau es dir wenigstens einmal an. Nur einmal."
 

Stolpernd wurde er hinterher gezogen und dann einfach wieder auf die Straße gezerrt. Irgendwie lief heute aber auch alles schief. Konnten sie ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ihm ging es nicht gut und nun sollte er auch noch einfach irgendwas von ihnen annehmen?

Er kannte sie doch beide so gut wie gar nicht. Okay, Uruha kannte er schon ein wenig, aber diesen Aoi sah er gerade zum ersten Mal und trotzdem ging er mit ihm um, als würden sie sich schon Jahre kennen. Was tat dieser Kerl eigentlich?

"Ano..." Nun stand er wieder hier unten und würde wohl auch nicht eher gehen gelassen, wenn er sich das da unter dem Tuch nicht endlich anschauen würde. Aber wenn er das tat, hieß das dann nicht auch, dass er es annahm? Aber er wollte doch gar nichts. Er wollte nur noch in seiner Bude hocken und niemanden mehr an sich ranlassen. Mehr nicht. War das denn so schwer zu verstehen?

"Ich...ich kann nicht."
 

"So langsam reicht es mir wirklich mit dir, Kai! Du hast dich die ganzen Wochen über so gut um mich gekümmert und mir geholfen und jetzt willst du nicht mal ein Dankeschön von mir annehmen! Es ist ungerecht, okay? Ich will, dass du glücklich bist und jetzt nimm es endlich an, verdammt nochmal!"

Jetzt liefen ihm auch die Tränen die Wangen hinab und als Kai immer noch nicht reagierte, wurde es ihm langsam zu bunt. Er packte den Saum des Tuches und zog einmal kräftig daran, sodass das Drumset zum Vorschein kam und unschuldig im Mondlicht glitzerte. Uruhas Körper zitterte und er blickte in Kais geschockte Augen.

"Ich hab es für dich wiedergeholt... Ich will doch nur, dass du glücklich bist, verdammt nochmal..."

Weinend machte er auf dem Absatz kehrt und lief davon.
 

Entsetzt starrte er auf das Drumset, das Uruha gerade freigelegt hatte. Auch wenn das fahle Licht der Straßenlaternen und der Mond es nicht in seiner ganzen Pracht erscheinen ließen, so kannte er es. Hart schluckte er und hielt sich die Hand vorm Mund. Das... Das durfte nicht wahr sein. Das war... Zögerlich machte er ein paar Schritte darauf zu. Und jetzt war er sich sicher. Es war wirklich seins. Es war sein Drumset, das er zwangsläufig verkaufen musste. Aber...

Verwirrt schaute er zu Aoi, denn Uruha war weg. Nur Aoi stand noch hier und lächelte ihn an. Dann legte der Ältere ihm eine Hand auf die Schulter. "Wo...woher wusste er, dass..." Und schon wuschelte der andere ihm durchs Haar. "Tja, wenn man jemanden mag, dann will man alles über ihn wissen und genau das hat er getan. Woher genau er das weiß, kann ich dir nicht sagen, aber er wusste es einfach. Ohne dieses Set wollte er nicht mehr zu dir kommen.", meinte er nur. Dann wandte er sich von ihm ab. "Ich werd mal nach ihm sehen. Mach dir keine Gedanken und nimm es ruhig an. Es bedeutet ihm sehr viel, wenn du es in Ehren hältst."
 

Uruha lief immer weiter, bis er nicht mehr konnte. Weinend brach er auf dem Boden zusammen und kauerte sich an eine Hauswand. Die Beine zog er an den Körper, schlang die Arme darum und legte den Kopf darauf ab. Die Tränen liefen ihm ungehindert aus den Augen und Uruha machte sich auch nicht die Mühe, sie aufzufangen oder wegzuwischen. Es hatte doch eh alles keinen Sinn mehr. Kai würde das Drumset nicht annehmen und sich für immer und ewig von ihm abschotten. Genau das war es, wovor er Angst hatte. Dass Kai nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte und ihn immer wieder wegschickte. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint.

"Baka...", hickste er leise und verkrümelte sich noch weiter in die Seitengasse hinein. Aoi sollte ihn jetzt nicht so sehen. Das würde er nicht aushalten. Aoi würde ihm nur wieder einen Vortrag halten und sagen, dass er feige wäre und zu Kai zurückgehen sollte. Aber das würde er nicht. Nicht nochmal. Kai wollte doch sowieso nichts mehr von ihm wissen.
 

"Warte." Kai hielt den Anderen am Arm fest. Dann drückte er ihm etwas in die Hand. "Ich weiß, dass es vielleicht ganz schön dreist ist, dich das zu fragen, aber... würdest du bitte auf das Schlagzeug aufpassen, solange ich weg bin?", fragte er den anderen mit leiser heiserer Stimme. "Ich werd ihn suchen gehen. Onegai...", bat er. Und schon verschwand er in die Richtung, in die Uruha davongelaufen war.

Ein etwas verwirrter Aoi blieb zurück. Er starrte auf seine Hand. Der Jüngere hatte ihm den Schlüssel in die Hand gedrückt. Okay, so würde er garantiert warten müssen, denn sonst hatte er es zu verantworten, dass der Andere nicht mal mehr in seine eigene Wohnung kam. Aber ihm sollte es recht sein. Sollten die zwei Turteltäubchen sich doch mal so richtig aussprechen. War vielleicht gar keine schlechte Idee. Und in der Zeit konnte er sich ja ein wenig nützlich machen.

"Uruha!" Immer wieder nach ihm rufend rannte er durch die rabenschwarze Nacht. Seine Blicke schweiften nach rechts und nach links und er hoffte, dass der andere noch nicht allzu weit gekommen war.
 

Plötzlich hörte er eine Stimme, die nach ihm rief und drückte sich noch weiter in die Gasse hinein. Oh nein. Er kannte diese Stimme doch. Das war... Er lauschte erneut. Kein Zweifel. Das war Kais Stimme und er rief nach ihm. Aber nicht mit Uruha, auf gar keinen Fall. Jetzt konnte Kai auch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Auf dessen Heuchelei hatte er jetzt gar keinen Bock. Kai wollte doch bloß, dass er bei ihm blieb. Aber das wollte Uruha nicht. Auch, wenn er Kai liebte... Er kannte ihn noch nicht so gut und Aoi war seine Familie. Da war es doch wohl verständlich, dass er zu ihm ziehen würde und nicht mehr zu Kai.

Er gab keinen Mucks von sich und hoffte, dass Kai ihn nicht finden würde. Doch zu früh gefreut. Just in diesem Moment ging Kai an der Seitengasse entlang, in der er saß.
 

Sein Blick fiel in eine kleine Seitengasse. Das fahle Licht machte es ihm verdammt schwer, etwas erkennen zu können. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass auch er beobachtet wurde. Konnte es sein, dass hier jemand war?

Hastig schüttelte er den Kopf. Quatsch, Kai! Wer sollte dich denn beobachten? So ein Hirngespinst kannst ja auch nur du dir einreden, dachte er so. Allerdings hatte er das Bedürfnis auch diese Gasse abzusuchen, genau wie er es mit den anderen auch getan hatte.

"Uruha?", rief er etwas kleinlaut in die schmale Straße hinein. "Uruha? Komm raus, ich muss mit dir reden. Bitte." Seine Stimme klang aufgeregt und besorgt zugleich.
 

"Hau ab, Kai...", murmelte er leise und hoffte, dass Kai ihn nicht gehört hatte.

Er wollte jetzt nicht mehr mit Kai reden. Eben hatte er es die ganze Zeit versucht und Kai hatte abgeblockt und nun versuchte er es doch. Was war nur mit dem Kerl los? Irgendwie benahm er sich gerade total anders als sonst. Kam da etwa Kais wahre Seite zum Vorschein? Uruha hoffte es nicht. Diese Seite an Kai war nicht gerade dass, was er erträglich nennen würde.

Er atmete erleichtert auf, als Kai sich umdrehte und anscheinend in einer anderen Gasse weitersuchen wollte. Doch er hatte mal wieder kein Glück. Etwas kitzelte ihn an der Nase und er ließ einen leisen Nieser hören. Mist.
 

Erschrocken drehte er sich wieder um. Da war doch etwas gewesen oder hatte er sich geirrt? Nein! Ganz sicher nicht. Da war etwas. Und so ging er wieder ein Stück weiter in die Gasse hinein. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und er konnte erkennen, dass dort in einer Ecke jemand kauerte. War das etwa ein Penner? Ein Obdachloser? Egal, er konnte ihn ja fragen, ob dieser hier jemanden vorbei hatte laufen sehen. Fragen kostet ja bekanntlich nichts und im Notfall gab er dem armen Schlucker auch ein paar Yen.

Langsam kam er auf die zusammengekauerte Person zu. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, denn er wollte ja niemanden erschrecken oder einschüchtern. Das wollte er wirklich nicht. Er suchte ja auch nur jemanden.

"Entschuldigen Sie. Haben Sie zufällig jemanden hier vorbeilaufen sehen? Es ist wirklich wichtig, wissen Sie? Bitte helfen Sie mir, hai?"
 

Verwirrt drückte Uruha sich noch mehr in die Ecke. Nani? Was war das denn jetzt? Hatte Kai ihn nicht erkannt? Wenn ja, dann war das echt ein Glückstreffer. Kai konnte anscheinend nichts erkennen, da es in der Ecke hier so finster war. Und das war Uruhas Glück. Er räusperte sich kurz und antwortete dann mit tiefer Stimme:

"Ich habe niemanden gesehen. Hauen Sie einfach ab."

Er hoffte, dass Kai sich dadurch ein wenig einschüchtern ließ und wirklich die Biege machte. Er wollte alleine sein.
 

Kai hingegen runzelte nur die Stirn. Was war das denn für einer? Er hatte ihn doch bloß nach jemandem gefragt. Manchmal waren diese Leute echt unmöglich. Doch er wollte sich ja wenigstens bedanken. Und so hockte er sich hin und lächelte den Anderen an. Dann stockte er. Irgendwie kam ihm diese Silhouette verdammt bekannt vor. Sofort zog er den Vergleich zu dem Bild, das sich ihm in der Dusche gegeben hatte. Das... Konnte es sein?

Nun verdrehte er die Augen und erhob sich wieder. Beleidigt stemmte er die Hände in die Hüften.

"Uruha, du Baka!", schnauzte er. "Verarschen kann ich mich allein."
 

Mist. Voll ins Fettnäpfchen getreten. Och Manno. Konnte Kai ihn denn nicht mal alleine lassen? Er hatte wirklich keine Lust, mit ihm zu reden. Und er hatte auch keine Lust, sich dauernd von ihm beleidigen zu lassen. Jemanden Baka zu nennen war ja nun wirklich kein Kavaliersdelikt. Er zog eine Schnute und stand auch auf. Die Arme legte er um seinen Oberkörper, da ihm immer noch furchtbar kalt war.

"Was willst du, huh? Ich will jetzt nicht mehr mit dir reden, okay? Aoi und ich nehmen das Drumset wieder mit und verkaufen es. Du willst es doch sowieso nicht mehr haben. Anscheinend hab ich mich geirrt. Es bedeutet dir rein gar nichts."
 

Perplex starrte er den Anderen erst an. Doch dann reichte es ihm. Wieso konnten sie sich seit Aois Auftauchen nicht ein einziges Mal vernünftig unterhalten? Sie motzen sich entweder gegenseitig an oder schwiegen vor sich hin. Das war doch vorher auch nicht so gewesen.

Und nun sollte Uruha nicht noch einmal einfach so abhauen. Jetzt wollte er die Fronten klären. Ein für alle Male. So konnte es doch wohl unmöglich mit ihnen weitergehen. Hatten sie nicht gesagt, sie wären Freunde? Was für Freunde waren sie denn, wenn sie nicht einmal das auf die Reihe brachten.

Kraftvoll knallte er mit der flachen Hand gegen die Hauswand direkt neben Uruhas Kopf. Grimmig blickte er ihn an. "Ich WILL jetzt aber mit dir reden. Und zwar Klartext. Verstanden?"
 

Geschockt starrte Uruha in Kais Augen. Neben sich bröckelte schon leicht die Hauswand. Eiderdaus, da hatte Kai aber wirklich heftig zugeschlagen. Mit ihm wollte sich Uruha niemals anlegen. Also schluckte er nur und sah ihn dann abwartend an. Wenn Kai was mit ihm besprechen wollte, dann sollte er auch endlich anfangen, zu reden. Ansonsten würde Uruha nämlich gleich die Biege machen.

"Nun fang schon an oder ich gehe.", grummelte er und lehnte sich an die Hauswand.
 

Eigentlich hatte er gehofft, dass er das hier nicht so schnell sagen musste, aber... es gab auch keine andere Möglichkeit, Uruha dazu zubringen hierzubleiben. Okay, vielleicht würde er dann auch einfach Reißaus nehmen. Aber wer wusste denn schon, wie ein Anderer reagierte.

"Ich danke dir sehr dafür, dass du mir ein so tolles Geschenk machen möchtest. Aber... ich kann es nicht annehmen. Das geht einfach nicht. Ich habe dir nie etwas getan, was dieses Geschenk auch nur annähernd rechtfertigt. Du bist mein Freund und da ist es selbstverständlich, dass ich mich um dich kümmer. Es ist nur..." Jetzt senkte er den Blick. "Seit dieser Yuu aufgetaucht ist, hab ich das Gefühl, dass ich nur noch Luft für dich bin. Das tut weh, Uruha. Verdammt weh."
 

Uruha runzelte die Stirn. Jetzt verstand er wirklich nur noch Bahnhof. Kai dachte, dass er Luft für ihn wäre? Das war doch nun wirklich lächerlich. Kai machte sich gerade ziemlich zum Deppen.

"Kai... Yuu ist mein Bruder. Ich hab ihn endlich wiedergefunden und da ist es doch wohl selbstverständlich, dass ich mich wahnsinnig freue und auch gerne bei ihm sein will oder? Außerdem bist du sofort, nachdem ich Yuu wiedergefunden habe, abgehauen. Da hatte ich gar keine Zeit, dich wie Luft zu behandeln. Und als ich dann zu dir gekommen bin, hast du MICH doch wie Luft behandelt. Und das hat mir wehgetan, Kai. Ich verstehe dich wirklich nicht. Ich behandele dich nicht wie Luft. Aber Yuu ist mein Bruder und er ist mir sehr, sehr wichtig."
 

Kais Augen weiteten sich merklich und er spürte gerade, wie sein Herz in seine Hose sackte. Yuu war was? Er war Uruhas Bruder?

"Ano..." Verlegen wandte er den Blick ab und drehte sich weg. Kami-sama. Noch peinlicher ging´s jawohl nicht. Und er hatte gedacht, dass Yuu... dass Yuu Uruhas Freund oder so etwas war. Und ganz bestimmt nicht sein Bruder.

"Go... gomen....", stammelte er und ließ sich auf den Boden sinken. Irgendwie lief zurzeit alles schief und ganz und gar nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

"Ich bin so ein Idiot...", murmelte er leise vor sich hin. Uruha hatte vollkommen Recht, wenn er ihn jetzt nicht mehr sehen wollte. Er hatte sich aufgeführt wie ein eifersüchtiger Ehemann.
 

Irgendwie kam sich Uruha vor wie der letzte Idiot. Er verstand mal wieder nur noch Bahnhof. Wieso entschuldigte Kai sich jetzt bitteschön? Wofür? Und er sah so verdammt verwirrt und erschrocken aus. Musste Uruha sich etwa Sorgen um den Anderen machen?

Er hockte sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. Dann sah er ihm direkt in die Augen und runzelte die Stirn.

"Ano... Alles okay bei dir? Du bist so blass. Soll ich mal Onii-San holen? Wir bringen dich wohl lieber nach Hause, Kai. Hast du dich vielleicht erkältet oder so?", er machte sich gerade wirklich Sorgen, da Kai leichenblass geworden war. "Was ist los?"
 

Aus ziemlich verwirrten Augen schaute er ihn an und schüttelte leicht den Kopf. "Scho... schon gut, alles okay, denk ich. Aber..." Wieder senkte er den Blick. "Ich kapier einfach nichts mehr. Ich versteh mich selbst nicht mehr. So bin ich doch sonst nicht. Aber... seit ich dich kenne, ist irgendwie alles so merkwürdig.", wisperte er in die Nacht.

"Es ist nicht so, dass ich dir Vorwürfe machen will. Ganz und gar nicht, aber es ist wirklich so... Seit ich dich kennengelernt habe, macht mein Verstand nicht mehr richtig mit. Ich hab dir andauernd irgendwie weh getan, obwohl ich das nie wollte. Mein Körper reagiert ständig mit irgendwelchen eigenartigen Gefühlen, wenn du bei mir bist, wenn du mich berührst. Ich versteh es einfach nicht.", sprudelte aus ihm heraus.
 

Sofort wurde Uruha leicht rot. Kai beschrieb gerade genau das, was in ihm auch vorging. Aber er wusste ja bereits, dass er in Kai verliebt war. Uruhas Atem stockte. Hieß das etwa, dass... dass Kai vielleicht auch in ihn verliebt war? Uruha schüttelte den Kopf. Nein. Ganz sicher nicht. Die Friseurin hatte ihm ja selbst gesagt, dass Kai nur Mädchen mitbrachte. Niemals einen Jungen. Also war er auch nicht schwul, sondern hetero. Uruha schluckte. Oh Mann. Konnte das Leben denn nicht einmal gerecht zu ihm sein?

"So geht es mir bei dir auch, Kai... Ich hab immer ein Kribbeln im Bauch, wenn ich dich sehe und... Es fühlt sich so seltsam an.", flüsterte er.
 

Jetzt war er noch mehr verwirrt. Erneut hob er den Kopf und sah Uruha aus erstaunten Augen an. "Nani?", war sein geistreicher Kommentar zu den Worten des Größeren. Hatte Uruha ihm eben gesagt, dass es ihm genauso ging?

"Aber... weißt du vielleicht, was das zu bedeuten hat? Ich versteh´s nicht. So komisch hab ich mich noch nie gefühlt. Auch nicht, wenn ich mit einem Mädchen zusammen war. Nicht einmal beim..." Er stockte und wurde rot. Okay, das musste er nun wirklich nicht sagen. "Es ist so ganz komisch. So ungewohnt. Und ich weiß nicht einmal wieso. Das ist alles so neu und ich kann es einfach nicht einordnen. Und als dann dein Bruder aufgetaucht ist, da war ich irgendwie total enttäuscht. Ich hab gesehen, wie glücklich du warst und wie sehr du dich gefreut hast, dass er wieder da war. Da hab ich Panik bekommen. Ich wollte, dass du dich auch bei mir so fühlst. Aber ich hab das nie geschafft."
 

Er seufzte und hockte sich nun etwas weiter vor Kai. Er drückte dessen Beine auseinander, damit er zwischen ihnen Platz nehmen und Kai in den Arm nehmen konnte. Seufzend kuschelte er sich an seinen Freund und strich ihm vorsichtig über die Wange. Dann sah er ihm tief in die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Okay. Jetzt war wohl der Zeitpunkt der Wahrheit gekommen. Länger würde er es wohl nicht mehr vor Kai geheim halten können. Dafür war Kai ihm zu wichtig. Er wollte ihn nicht die ganze Zeit über anlügen müssen.

"Ano... Yuu hat mir gesagt, dass es sein könnte... dass... Ich...", oh Kami-Sama, war das schwer. "Ich... also... Yuu meinte, dass ich in dich... verliebt wäre und... Ich glaube auch, dass... es stimmt.", vorsichtig hob er den Blick und wurde augenblicklich rot. "Bist du mir böse deswegen?"
 

Sein ganzer Körper verkrampfte sich augenblicklich, als Uruha sich zwischen seine Beine setzte und ihn in die Arme zog. Aber am meisten geschockt war er von den Worten, die er ihm so offenkundig gesagt hatte. Uruha war in ihn verliebt? Aber... Wieso? Wieso verliebte man sich denn in einen Mann, wenn man selber einer war? Das... Irgendwie war das schon unheimlich. Aber irgendwie ehrte es ihn auch, dass Uruha sich ihn ausgesucht hatte.

Langsam färbte sich sein Gesicht rot. Nur gut, dass man das bei dieser Dunkelheit nicht wirklich erkennen konnte. Dann schüttelte er leicht den Kopf. "Ano... Bin ich nicht. Wirklich, aber..." Ja, da gab es etwas, dass er noch nicht sagen konnte. "Ich weiß nicht, ob ich diese Gefühle so erwidern kann, wie du sie für mich hast.", entschuldigte er sich. Aber der eigentliche Grund war, dass er Angst hatte. Und wieder stand ihm seine Vergangenheit im Wege.
 

Tief getroffen senkte er den Blick und löste sich von Kai. Er hatte es doch gewusst. Wie hatte er so blöd sein und glauben können, dass Kai ihn vielleicht auch lieben könnte? War er denn total bescheuert? Kai war ein Mann und Männer sollten eigentlich Frauen lieben. Irgendwie empfand er gerade Abscheu vor sich selbst. Er war wirklich dumm.

Er stand auf, klopfte sich den Dreck von den Klamotten und brachte ein gequältes Lächeln zustande. Er hätte es sich doch denken können.

"Gomen nasai... Ich hätte dich damit nicht belästigen sollen, es tut mir leid. Ich verschwinde besser."

Und schon drehte er sich um und wollte gehen. Zu seinem Bruder und alles vergessen.
 

"Warte!" Schnell griff er nach seinem Handgelenk und zog ihn zu sich. Dass er Uruha dabei zu Fall brachte, hatte er zwar nicht gewollt, aber es war schon ein passender Nebeneffekt, denn so landete dieser auch gleich auf seinem Schoß. Kais Wangen waren feuerrot und es war ihm schon etwas unangenehm, dass Uruha nun auf seinem Schoß saß. Doch er machte auch keine Anstalten, dies wieder zu ändern. Sanft legte er die Arme um ihn und legte seinen Kopf auf die Schulter des Größeren.

"Du belästigst mich nicht damit, wirklich... Gib mir etwas Zeit und hilf mir dabei, herauszufinden, was ich für dich empfinde. Du bist mir wirklich wichtig. Unheimlich wichtig."



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