Wiedersehen mit Shinn - Kiras Sicht
„Sieh zu, dass zu einem Arzt kommst!“ Mwu schon Kira durch die Gänge der Archangel. Dieser ließ es einfach über sich ergehen, zumal der Oberst ja auch Recht hatte. Aber Freedoms Pilot ging zuerst in sein Zimmer und tauschte den Druckanzug gegen seine Orb Uniform, bevor er sich untersuchen ließ.
Der Arzt sah sich die Schulter genau an. „Da hast du noch einmal Glück gehabt.“
Dann legte er Kira einen neuen Verband an. „Normalerweise müsste ich dir jetzt zwei bis drei Tage Bettruhe verschreiben, aber da du dich eh nicht daran halten würdest, belaste die Schulter wenigstens so wenig wie möglich.“
Kira nickte. In diesem Moment hörte er, wie Mwu lauf vor sich hin schimpfend den Gang entlang rannte. Einige Brocken konnte er aufschnappen. „... Was bildet sich der Kerl ein?! Erst nervt er so lange, bis wir auf seinen Versuch, Kontakt aufzunehmen, reagieren und jetzt will er auch noch hier landen, dieser...“
Überrascht sprang Kira auf und sah im Gang nach. Mwu war nicht mehr zu sehen. Er hatte davon gesprochen, dass jemand hier landen wollte, also lief Kira in Richtung der Einheiten. Der Arzt, welcher ihm zuerst etwas verwundert zugesehen hatte, sprang jetzt auf. „Ich bin noch nicht fertig!“
Aber der Angesprochene reagierte nicht. Der Mann in der weißen Kleidung packte den Rest von Kira Uniform und rannte ihm hinterher.
Bei den Einheiten angekommen sag Kira sich verwundert um. Er hörte, wie Mwu irgendwem Befehle gab. „Hey, nicht stehen bleiben!“
Kira eilte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Kaum war er um die Ecke gelaufen, sah er auch schon, wie das gesamte Wartungsteam zwei Mobile Suits umkreiste. Einer von ihnen war Akatsuki. „Was ist hier los?“
Einige sahen ihn verwundert an. Aber da rief auch schon jemand seinen Namen. „Kira!“
Das war doch die Stimme von. „Shinn?“
Sofort rannte Kira auf ihn zu. Ihm folgte der wütende Arzt, welcher ihm den Rest seiner uniform hinterher trug. „Hey, hier geblieben, Kira, ich bin noch nicht mit den Untersuchungen fertig!“
Mwu sah den Atzt fragend an. Dieser antwortete: „Nachdem ich den neuen Verband angelegt hatte, ist er einfach aufgesprungen und hier her gerannt.“
Kira ignorierte die beiden. Bei Shinn angekommen sah er den ZAFT Soldaten ernst an. Er war kreidebleich und zitterte am ganzen Körper. „Du bist ja kreidebleich. Was ist passiert?“
Shinn schnitt eine Grimasse und deutete auf die Crew, die ihn umstellt hatte. Jeder hatte seine Waffe auf ihn gerichtet. So war das also. Verstehend nickte Kira. „Nehmt die Waffen runter.“
Keiner rührte sich. Kiras Blick wurde todernst. „Das ist ein Befehl!“
Alle gehorchten, außer einer: Der Oberst widerspracht. „Bist du noch ganz bei Trost?“
„Du auch, Mwu-san.“ Kiras duldete jetzt keinerlei Widerspruch mehr. Etwas eingeschüchtert starrte Shinn ihn an.
Freedoms Pilot bemerkte das. Freundlich lächelte er den jungen Piloten an. an. „Besser so?“
Der Shinn nickte, „Danke, Kira.“, bevor er einen besorgten Blick auf dessen Schulter warf.
Kira folgte der Blickrichtung seiner Augen und winkte ab. „Das ist nichts ernstes, nur ein Streifschuss.“
Erschrocken starrte Shinn Freedoms Pilot an. „Streitschuss?!“
Dann senkte der Junge seine Stimme. „Dann hat der Präsident also schon-“
Kira nickte. „Ja, heute Mittag.“
Shinn ballte seine Hände zu Fäusten. „Er hat es also tatsächlich gewagt?!“
Worauf wollte er hinaus? Wusste er etwa etwas über den Präsidenten? Shinn holte einmal tief Luft, bevor er begann, zu sprechen. „Kira, du musst mir helfen!“
Jetzt war Kira endgültig verwirrt. „Wobei?“
„Athrun war vor zwei Tagen beim Präsident. Ich habe zufällig etwas von ihrem Gespräch mitbekommen. Der Präsident will unbedingt wissen, wer der Pilot vom Strike gewesen war.“
Kira stoppte ihn. „Das weiß ich. Er hat Lacus heute morgen mehrfach danach gefragt, aber-“
Weiter kam er nicht. Shinn redete ihm dazwischen.
„Athrun hat ihm gesagt, Strikes Pilot lebt noch und er weiß, wer es ist.“
Kira sah, wie der Junge im Gesicht immer bleicher wurde. Auch das zittern nahm zu.
„Der Präsident ist wütend geworden und hat ihn angeschrieen. Aber Athrun hat nicht geredet. Deshalb hat der Präsident ihn festnehmen lassen. Sie wollen ihn so lange foltern, bis er freiwillig aussagt.“
Geschockt über diese Informationen starrte Kira ihn an. Das durfte nicht wahr sein. Was hatte sich Athrun nur bei der ganzen Sache gedacht? Wahrscheinlich gar nichts...
Zum Ende hin war der Junge Pilot immer leiser geworden. Man sah ihm an, dass er am Ende war. So konnte Kira ihn auf keinen Fall auf die Minerva zurückschicken. Aber was sollte er jetzt mit ihm tun? Die Frage erübrigte sich. Shinn geriet immer mehr ins Schwanken, Kira bemerkte, mit dem Jungen stimmte etwas nicht, bevor er nach vorn umkippte.
Erschrocken fing Kira ihn auf. „Shinn!“
Nicht nur er war erschrocken, auch die anderen hatten mit so etwas nicht gerechnet. Kira seufzte, bevor er sich an Mwu wandte. „Gibt es irgendwo ein Gesetz, das verbietet, einen ZAFT Soldaten, der an Bord zusammengeklappt ist, zu behandeln?“
Der Oberst lachte. „Mir ist keins bekannt. Selbst wenn, du würdest dich eh nicht daran halten!“
Da hatte er allerdings Recht. Als sie Shinn ins Krankenzimmer brachten, murrte keiner mehr. Der Arzt, er hatte Kira inzwischen seine Uniform in die Hand gedrückt, damit er sie anziehen konnte, untersuchte Shinn. „Verletzungen hat er keine, aber sein Körper ist in einem ziemlich schlechten Zustand. Er hat fast drei Tage lang nicht gegessen, getrunken und geschlafen.“
Kira konnte sich schon denken warum. Sicher war während des Gesprächs von Athrun mit dem Präsidenten noch etwas anderes vorgefallen.
Vorsichtshalber hängten sie den jungen Piloten noch an den Tropf. Nach der kurzen Behandlung verließ der Arzt das Zimmer. Kira zog sich endlich die andere Hälfte seiner Uniform an, Langsam wurde es etwas kühl, bevor er sich einen Stuhl holte und neben Shinns Bett setzte. Mwu war ebenfalls geblieben. Er hatte es sich auf dem Bett, gegenüber von Shinn bequem gemacht.
Kira hatte das Geschehene immer noch nicht richtig verarbeitet. Athrun war in Schwierigkeiten, das wusste er. Ihm musste so schnell wie möglich geholfen werden. Aber wo war er gerade? Bevor Kira das nicht wusste, konnte er überhaupt nichts unternehmen.
Shinns Augenlider zuckten. Wenig später öffnete der Junge seine Augen und sah sich irritiert um. Unsicherheit spiegelte sich in seinem Gesicht.
„Du bis im Krankenzimmer der Archangel.“, klärte Freedoms Pilot ihn auf.
„Wie?“ Scheinbar konnte sich Shinn nicht mehr erinnern.
„Du bist zusammengebrochen.“
Jetzt nickte der junge Pilot verstehend setzte sich auf und zog sich die Nadel aus dem Arm. Inzwischen sah er nicht mehr so unsicher aus.
Mwu ging einige Schritte auf ihn zu und starrte ihm direkt in sein Gesicht. „Du bist der, der Impulse gesteuert hat, richtig?“
Zögerlich nickte Shinn.
Dann wandte der Oberst sich an Kira. „Woher kennt ihr euch?“
Freedoms Pilot seufzte. „Athrun…”
Dann wandte er sich an Shinn. „Also noch mal langsam. Was genau ist passiert?“
Der junge starrte auf den Fußboden. „Der Präsident wollte irgendetwas wichtiges mit mir besprechen. Als ich vor seinem Büro stand, hörte ich, wie er sich gerade mit Athrun unterhielt. Ich war neugierig und habe gelauscht. Sie haben über Strike gesprochen. Athrun sagte, er würde noch leben und wollte es ihm mitteilen, wer der Pilot war, aber als er erfuhr, dass der Präsident ihn umbringen will, hat er es sich anders überlegt. Sie haben ihn abgeführt. Ich hätte ihm helfen müssen. Aber ich hab mich versteckt, tat so, als ginge mich das nichts an. Als sie an mir vorbeigegangen sind, sagte er: ‚Sag Kira nichts, bitte.’ Als ich dann zum Präsident bin, hat er telefoniert. Ich habe gehört, wie er ein Attentat auf Lacus-sama plante. Deinem Gesicht nach zu urteilen, geht es ihr gut. Aber Athrun ist- ich“
Verzweifelt schlug Shinn mit der Faust auf das Bett. „Ich hab ihn verraten!“
„Hättest du das wirklich, wärst du jetzt nicht hier.“, Kira senkte seine Stimme.
Kira war selbst überrascht über seine ehrlichen Worte.
Shinn riss seine Augen geschockt auf. „Ich hab ihm nicht nur nicht geholfen. Ich hab es dir auch gesagt, obwohl er-“
„Was glaubst du, warum wollte er nicht, dass ich es erfahre?“
Shinn zögerte. „Ich- ich weiß nicht.“
„Er will nicht, dass ich dem Präsidenten alle Informationen über Strike, die er haben möchte, im Austausch für ihn gebe.“
„Du weißt es auch?“ Shinn klang überrascht.
Trotz dass Kira innerlich mehr als nur aufgebracht war, blieb er ruhig. „Jeder auf diesem Schiff weiß es.“
„Ach so...“
„Willst du es wissen?“
Zu Kiras Überraschung schüttelte der Junge den Kopf. „Nein, wenn Athrun es mir nicht sagt, will ich es auch von keinem anderen erfahren.“
„Keine Sorge, wir holen Athrun da wieder raus. Und sollte er sich weigern, mitzukommen, entführ ich ihn einfach.“
Kira hörte, wie Mwu erleichtert ausatmete. „Es ist besser, er weiß es nicht, noch nicht.“
Dann wandte sich der Oberst an Shinn. „Ich will dich zwar nicht rauswerfen, aber wenn du nicht bald auf dein Schiff zurückkehrst, machen sie sich sicher Sorgen.“
Erschrocken sprang Shinn auf. „Das habe ich völlig vergessen!“
„Wenn du dich überanstrengst, klappst du wieder zusammen!“, warnte Kira, bevor er Shinn zurück zu seiner Einheit brachte.
Vor den beschlagnahmten Einheiten blieb Shinn stehen. Er sah sie einige Sekunden an.
„Strike, Aegis, Duel, Buster und Blitz!“
„Du kennst dich aber gut aus. Das sind Prototypen, noch nicht fertig gestellt und ohne Betriebssystem. Die eigentliche Mission der Archangel war es, sie zu beschlagnahmen und schnellstmöglich nach Orb zu bringen.“
Das Wartungsteam machte inzwischen Shinns Einheit startklar. Wenig später stieg dieser in das Cockpit. Doch auf halber Strecke stoppte er und drehte sich zu Kira.
„Ich werde versuchen, mich beim Präsidenten einzuschleimen. Sobald ich etwas neues über Athrun weiß, sag ich dir bescheid.“
Kira nickte. „Ich nehme inzwischen Kontakt zu einigen aus ZAFT auf. Sie sind gute Freunde von ihm. Vielleicht helfen sie uns.“
Vor den Augen der immer noch verwirrten Crew stieg Shinn zurück in seine Einheit und startete diese.
