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Irgendwo in dieser Welt

von

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Auf der Straße

Selbst zwei Tage später hatte ich nicht den Mut aufgebracht, diesen Anruf zu tätigen. Es wäre so lächerlich einfach gewesen, aber etwas hielt mich davon ab, etwas, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau benennen konnte – und selbst heute, wo ich daran glaube, dass es Bestimmung war, kann ich mir immer noch nicht helfen, mich selbst als feige zu sehen.

Wer, außer mir, traute sich sonst nicht, zu telefonieren?

Ansonsten überraschte mich, dass Isolde dermaßen viel Geduld mit mir hatte. Gut, ich war erst seit ein paar Tagen aus der Klinik draußen – aber wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich von mir selbst dennoch verlangt, dass ich endlich anfing, mir eine Beschäftigung zu suchen, um Geld in die Haushaltskasse zu spülen.

Nein, in Wahrheit wollte ich das selbst einfach nur deswegen, weil ich hoffte, es würde mich von meinen Gedanken ablenken.

Mit Isolde hatte ich bislang noch nicht darüber gesprochen, aber dennoch beschloss ich, mich mal in der Gegend umzusehen – nicht nur, um mir anzusehen, wo ich zukünftig wohnen würde, sondern auch, weil ich hoffte, dass irgendjemand vielleicht zumindest eine Aushilfe suchte. Ein wenig Arbeit würde schon nicht schaden.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mir bis zu diesem Zeitpunkt nie Gedanken um meine Zukunft gemacht hatte. Arbeit oder Studium oder sonst irgendwas... all das hatte mich nie interessiert. Nicht, weil ich faul war – ich war mir nur immer sicher gewesen, dass ich es ohnehin nie brauchen und dass ich für immer in einem Krankenhaus feststecken würde.

Immerhin hatte ich nicht ahnen können, dass Isolde mich dort herausholen würde.

Aber nun, da es soweit war, musste ich zusehen, dass mein Leben weiterging, am besten so bald wie möglich. Also verließ ich die Wohnung nur ein wenig nach Isolde und prägte mir draußen gut das Haus und die dazugehörige Nummer ein, damit ich wieder zurückfinden würde, notfalls indem ich jemanden fragte.

Mein Weg führte mich durch einen Park gegenüber des Hauses. Obwohl es früh am Morgen war, befanden sich bereits mehrere Mütter darin. Während die Frauen die neuesten Gerüchte austauschten, spielten die zu ihnen gehörenden Kinder vergnügt auf dem Klettergerüst. Für einen Moment blieb ich stehen, um das zu beobachten.

Kaum jemand wusste es – und ich redete eigentlich auch nie darüber – aber ich habe eine Schwäche für kleine Kinder. ... Nein, nicht so wie man es denken könnte, niemals, ich mochte Kinder einfach. Sie waren fröhlich, unbeschwert und irgendwie überkam mich immer der Wunsch, sie zu beschützen, wenn ich sie sah. Ich glaube, das war auch ein Grund gewesen, warum ich Baila sofort gemocht hatte. Vom Verhalten hatte sie mich einfach immer an ein Kind erinnert.

Aber das passte nicht zu mir, deswegen redete ich nicht darüber – außerdem war es eine offensichtliche Schwäche, die sollte niemand ausnutzen dürfen, noch ein Grund, darüber zu schweigen.

Als ich sie an diesem Morgen allerdings beobachtete, verspürte ich nur den Wunsch, selbst wieder ein Kind zu sein. Damals als noch alles in Ordnung gewesen war... und wo ich keinen Zetsu gekannt hatte. Ach, warum musste er sich nur immer in meine Gedanken schleichen?

Wieso musste er nur so verdammt außergewöhnlich sein?

Schließlich setzte ich aber meinen Weg fort, um endlich zu den Läden zu kommen... zumindest hoffte ich, dass ich in die richtige Richtung lief. Immerhin war ich hier noch nie einkaufen gewesen und als Isolde mich hergebracht hatte, war ich nicht sonderlich aufmerksam gewesen.

Ich kam an vielen Wohnhäusern vorbei, eines sogar mit Portier, wo ich interessiert für einige Minuten stehenblieb, um diesen zu beobachten. Ich hatte noch nie ein Wohnhaus mit einem Empfang gesehen – aber nach kurzer Zeit lief ich weiter. Der Portier schien bemerkt zu haben, dass ich ihn beobachtete und das ließ ihn misstrauisch werden, was ich zu gut verstehen konnte, weswegen ich meinen Weg fortsetzte.

Eine Stunde später hatte ich zumindest eines gelernt: Die Richtung war eindeutig die Falsche gewesen, denn irgendwann war ich in einen Komplex mit Bürogebäuden gekommen. Dort fragte ich nach keinem Job, sondern machte lieber auf dem Absatz kehrt und ging in wieder in die andere Richtung.

Mein Orientierungssinn war auch einmal besser gewesen, stellte ich auf dem Rückweg fest. Aber auch das musste ein Teil der Bestimmung gewesen sein, denn wenn ich mich nicht erst verlaufen hätte... dazu komme ich noch.

Schließlich kam ich aber wieder in eine Straße, die nicht weit von unserer Wohnung entfernt lag und tatsächlich mit allerlei Geschäften und auch kleineren Tavernen gespickt war. Hier bestand immerhin die Hoffnung, dass ich irgendwas zu tun finden würde – und wenn es nur das Auffüllen von Regalen wäre, das versprach immerhin zumindest für ein paar Stunden eine entsprechende Abwechslung.

Ich ging mit viel Selbstbewusstsein daran – aber ein paar Stunden später stellte sich heraus, dass es wohl doch mehr brauchte, selbst um einen kleinen Aushilfsjob zu bekommen. All die Fragen, die mir gestellt wurden und noch dazu diese abschätzigen Blicke, das war ja noch schlimmer als in der Klinik – da wünschte ich mir fast Dr. Hanto zurück, dem konnte ich immerhin Paroli bieten. Bei diesen Supermarktleitern war es um einiges schwerer. Die waren nicht nur potenzielle Chefs, die trugen eine ganz eigene Art von Arroganz mit sich, auf die man einfach nichts erwidern konnte.

Ich bereute es, die Schule geschmissen zu haben – ohne einen solchen Abschluss schien es mir wohl kaum möglich, irgendeinen Job zu bekommen, egal wie stumpf und stupide er doch war. Und sobald diese Supermarktleiter erfuhren, dass ich keinen Abschluss besaß, wurden ihre Blicke noch um einiges abfälliger und ihre Gesichter noch arroganter.

Ziellos lief ich weiter durch die Straßen, ich wusste inzwischen nicht einmal mehr, wo genau ich eigentlich war, aber immerhin gab es immer noch Geschäfte – wobei ich mich wunderte, wie viele es davon gab. Wie konnten die sich alle in direkter Nachbarschaft zueinander halten?

Missgelaunt und leicht deprimiert trugen mich meine Füße die Straße entlang, irgendwohin. Ich betrat nicht einmal mehr die Geschäfte, weil es ja ohnehin aussichtslos war. Wer stellte schon ein depressives, leicht ungehobeltes Mädchen ohne Abschluss ein, egal für welche Tätigkeit?

Vor einem Schaufenster blieb ich schließlich stehen. Ohne großes Interesse betrachtete ich die Kleidung jenseits der Scheibe und überlegte dabei, wie der Tag gelaufen war.

Eigentlich war der ganze bisherige Tag, so wie die letzten Wochen, ein Sinnbild für mein ganzes Leben gewesen: Ich lief in Sackgassen, weil ich falsche Entscheidungen traf und musste dann im Kreis herumirren, ohne die Aussicht, jemals irgendwo anzukommen.

Ich glaube, das lag auch daran, weil ich zu selten innehielt, um darüber nachzudenken, was ich tun sollte, sondern immer direkt das tat, was mir als erstes in den Sinn kam. Der Klinikaufenthalt war auch so ein Beispiel. Um von meinen Eltern wegzukommen, hätte es in meinem Alter auch andere Möglichkeiten gegeben, aber ich wählte diese – und traf dort auf Zetsu, der dafür sorgte, dass es nun meine Gedanken waren, die sich im Kreis drehten, immer rund um ihn herum, ohne die Aussicht, dass es bald wieder einmal aufhören würde.

So intensiv wie ich an ihn dachte, glaubte ich im ersten Moment, dass die Spiegelung in der Scheibe nur meiner Einbildung entsprang. Es war einfach unmöglich, dass er auch hier war – und in Filmen fuhren die Protagonisten in dem Moment immer erschrocken herum, nur um festzustellen, dass die gewünschte Person nicht da war.

Ich machte es ein wenig... cooler und fuhr betont kühl herum – nur um wirklich zusammenzuzucken, als ich ihn entdeckte. Er wirkte genauso überrascht wie ich, die Augen geweitet wie nie zuvor, die Augenbrauen so hoch gezogen, dass sie mitten auf seiner Stirn zu sitzen schienen.

Für einen Moment konnte ich ihn nur anstarren, während er meinen Blick genauso erwiderte. Ich war immer noch davon überzeugt, dass er lediglich meiner Einbildung entsprang, weil ich einfach nicht mit ihm abschließen konnte, denn wie sollte es möglich sein, dass er sich hier befand?

Selbst wenn er nicht mehr in der Klinik wäre, konnte er unmöglich hier sein, ein solcher Zufall wäre doch viel zu verrückt und hollywoodreif, um real zu sein. Und er würde doch kaum meinem Blutgeruch gefolgt sein, er war immerhin kein Vampir und auch kein Moomba... wie kam ich jetzt auf dieses Wesen?

Ich verwarf den Gedanken wieder, ehe ich am Ende erneut im Kreis dachte und konzentrierte mich wieder auf meinen Gegenüber, der entgegen meiner Erwartungen immer noch vor mir stand. Also war er wohl doch echt, so erstaunlich es sein mochte. Warum nur konnte ich nichts sagen?

Schließlich öffnete er seinen Mund und sagte mit einer überirdisch melodischen Stimme nur ein Wort:

Hallo.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2012-07-13T09:22:06+00:00 13.07.2012 11:22
Als ob ein Happy End so einfach wäre -.-
Ah, aber deswegen bin ich ja nicht hier. Ich bin ja hier, um einen Kommi zu schreiben und meinen Senf dazuzugeben XD

Wer, außer mir, traute sich sonst nicht, zu telefonieren?

Ich? XD


Arbeit oder Studium oder sonst irgendwas

Also ich finde, dass Lea studieren sollte. Ich mag die Vorstellung sie als Studentin zu sein XD


Sie waren fröhlich, unbeschwert und irgendwie überkam mich immer der Wunsch, sie zu beschützen

Hach ja. Leas Beschützerinstinkt und ihre Schwäche für Kinder XD


Wieso musste er nur so verdammt außergewöhnlich sein?

Weil außergewöhnlich sein zweiter Vorname ist? XD


Aber auch das musste ein Teil der Bestimmung gewesen sein, denn wenn ich mich nicht erst verlaufen hätte... dazu komme ich noch.

Machs doch nicht so spannend! Ich weiß doch, was passiert XD


ein solcher Zufall wäre doch viel zu verrückt und hollywoodreif, um real zu sein

Das ist Schicksal!!!11elf!!11!
Ist seid voll füreinander bestimmt und so XD


Ah, endlich treffen sie sich... und es hatte echt was hollywoodmäßiges XD
Aber jetzt wird es endlich spannend. Denn jedes Kapitel mit Zetsu ist ein gutes Kapitel :D
Von: abgemeldet
2011-09-01T12:30:14+00:00 01.09.2011 14:30
Auf der Straße ... da macht sie doch bestimmt diese besondere Begegnung, oder? =3
Hoffentlich ist es Zetsu, haha. *anfang zu lesen*

> Selbst zwei Tage später hatte ich nicht den Mut aufgebracht, diesen Anruf zu tätigen.
Oh ... Q____Q

> Wer, außer mir, traute sich sonst nicht, zu telefonieren?
*Hand heb*

> Ansonsten überraschte mich, dass Isolde dermaßen viel Geduld mit mir hatte.
Das hat mich ehrlich gesagt auch überrascht. Sie ist wirklich eine tolle Schwester. <3

> Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mir bis zu diesem Zeitpunkt nie Gedanken um meine Zukunft gemacht hatte.
Damit habe ich auch ziemlich spät angefangen ... eigentlich weiß ich jetzt sogar immer noch nicht so genau, was ich mir für die Zukunft vorstelle. :,D

> aber ich habe eine Schwäche für kleine Kinder.
Awwwwwwwwwwwwwwwwwwwww~ Damit hat sie viele Pluspunkte gemacht. =3
(auch wenn ich selbst Kinder nicht ausstehen kann, aber bei anderen finde ich es irgendwie süß XD)

> verspürte ich nur den Wunsch, selbst wieder ein Kind zu sein.
Den Wunsch verspüre ich auch oft ... fast jeden Tag. :,D
Natürlich hat Erwachsen sein auch seine Vorteile, aber ich vermisse meine unbeschwerte (wenn auch mit viel Streit erfüllte) Kindheit so sehr. >.<
... Oh je, ich werde wieder mal melancholisch.

> denn wenn ich mich nicht erst verlaufen hätte... dazu komme ich noch.
Och Menno! Immer erst neugierig machen und dann zappeln lassen. >.<

> wurden ihre Blicke noch um einiges abfälliger und ihre Gesichter noch arroganter.
Was wäre ich gerne in der Zeit geboren, in der man sofort überall einen Job bekam, egal ob Abschluss oder nicht ... wie mein Vater damals. Der ging in einen Supermarkt und konnte noch am selben Tag sofort mit der Arbeit anfangen. Damals war alles besser, nun ja, das meiste. :,D

> Und er würde doch kaum meinem Blutgeruch gefolgt sein, er war immerhin kein Vampir und auch kein Moomba... wie kam ich jetzt auf dieses Wesen?
XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD
Wie kann man in solche einem schönen Moment immer noch so mit den Gedanken abschweifen, sie ist zu genial für meine Nerven. Sind mit "Moomba" die gemeint, die ich aus FFVIII kenne? Ich fand die immer so niedlich. <3

> Schließlich öffnete er seinen Mund und sagte mit einer überirdisch melodischen Stimme nur ein Wort:
Falls du ein Video kennst, in dem man seine Stimme hören kann, schick es mir bitte mal, denn ich möchte schon seit Ewigkeiten wissen, ob seine Stimme wirklich so traumhaft ist. ^^

Oh, irgendwie ist das so romantisch. <3
Ich bin wirklich froh, dass Zetsu diese Begegnung ist. Jetzt fehlt nur noch das passende Happy End dazu. =3


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