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Irgendwo in dieser Welt

von

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Unmut

„Au! Geht das auch ein wenig vorsichtiger!?“, fauchte ich.

Genervt blickte der Arzt mich über den Rand seiner Brille an. Warum musste jeder verdammte Arzt in diesem Krankenhaus eine Brille tragen? Und warum musste ausgerechnet der hier dabei auch noch so arrogant aussehen?

„Du machst mir die Behandlung ganz schön schwer“, murrte er. „Ich hätte eigentlich schon seit zehn Minuten Feierabend – müsst ihr jungen Leute euch das Leben gegenseitig schwer machen und mich mit hineinziehen?“

„Vielleicht haben Sie auch einfach den Beruf verfehlt“, erwiderte ich.

Wütend starrten wir uns gegenseitig an, bis er wieder murrend den Kopf senkte und seine Arbeit fortsetzte – ohne dabei Rücksicht auf meinen geschundenen Fuß zu nehmen.

Fast schon gewaltsam riss er eine der Glasscherben mit dem Kommentar „Die saß ungünstig“ heraus. Die beinahe liebevolle Bewegung, mit der er die Scherbe in einer Nierenschale ablegte, wirkte wie der reinste Hohn, aber er schien das zu genießen.

Wie gern hätte ich ihm irgendwas über den Schädel gezogen, aber er war ja eigentlich nicht Schuld daran, dass ich hier herumsaß. Nein, es war diese verdammte Narukana.

Gut, ich konnte es nicht beweisen, da sie ziemlich gerissen vorgegangen sein musste, aber wer sollte mir sonst Glasscherben in meine Schuhe geben?

Ich fragte mich nur, wie sie das geschafft hatte, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hatte. Bailas tiefer Schlaf war ja zumindest für das Mädchen eine Ausrede, aber bei mir war das eigentlich nicht so. Warum hatte ich nichts gemerkt?

Wie üblich hatte ich an diesem Morgen ohne vorher nachzusehen, einen meiner Schuhe angezogen, nur um direkt darauf vor Schmerzen aufzuschreien. Bislang hatte ich über diese Art des Mobbings immer nur müde gelächelt, aber bei der Geschwindigkeit, in der sich mein Schuh mit Blut gefüllt hatte, war mir nicht mehr nach Lächeln zumute gewesen.

Zum Glück hatte Nelia sofort Sorluska angewiesen, mich ins Hauptgebäude zu bringen, wo sie einen Arzt aufgespürt hatte – eben diesen Idioten hier, dessen Name ich in seinem Murren nicht mitbekommen hatte.

Sorluska war ziemlich stark, auch wenn man ihm das kaum ansah. Selbst gegen meinen ausdrücklichen Protest hatte er mich den ganzen Weg ins Hauptgebäude und dort sogar die Treppe hinaufgetragen – und ihm schien das auch noch Spaß gemacht zu haben. Vermutlich sah er mich als kostenloses Krafttraining. Aber nun gut, mich sollte das nicht kümmern, ich war immerhin dankbar, dass ich den Weg nicht hatte humpeln müssen. Aber es wäre doch irgendwie schöner gewesen, wenn Zetsu derjenige gewesen wäre, der...

Argh, nein verdammt!

Besser ich dachte wieder an etwas anderes wie zum Beispiel... Narukana! Dieses verdammte Miststück mit ihrem Gottkomplex! Wenn ich könnte, würde ich sie von einem hohen Gebäude hinunterwerfen.

Schmerzen rissen mich wieder aus meinen Gedanken. „Au! Verdammt nochmal! Ich dachte, Sie sind Arzt und nicht Schlächter!“

Er schmunzelte bösartig. „Ein Schlächter wäre wesentlich sanfter.“

Ich war versucht, diesem Kerl meinen Fuß ins Gesicht zu treten, aber das hätte eher bei mir für Schmerzen gesorgt statt bei ihm, also ließ ich es lieber bleiben.

„Und jetzt stell dich nicht so an“, wies er mich zurecht. „Ich dachte immer, Depressive stehen auf Schmerzen.“

Verärgert zog ich meine Stirn kraus. „Wie bitte?“

„Ihr schlitzt euch die Arme auf, nicht tief genug, um euch umzubringen, aber immer noch tief genug, damit ihr schön blutet, um zu sehen, dass ihr am Leben seid, woohoo~“

In seiner Stimme konnte ich neben Spott auch Unverständnis und Abscheu hören. Anscheinend bekam er öfter mal Patienten von der anderen Station, wie auch seine nächsten Worte mir bestätigten: „Und ich darf sie dann alle wieder zusammenflicken und mir ihr Gejammer anhören, wie schlimm ihr Leben doch ist, weil ihre Eltern ihnen keine Taschengelderhöhung geben wollten.“

Er schien mir sehr mitteilungsbedürftig zu sein, weswegen ich ihn nicht unterbrach und ihm weiter zuhörte, obwohl ich mit seiner Meinung keineswegs konform ging.

„Den meisten Jugendlichen heutzutage geht es so gut, dass sie nicht mal mehr wissen, wie gut es ihnen geht“, fuhr er fort. „Weißt du, was ich in deinem Alter getan habe? Ich habe gemeinsam mit meinem Vater Leichen von der Straße eines Kriegsgebiets gekratzt.“

Allein beim Gedanken daran wurde mir schlecht, ein Schauer fuhr über meinen Rücken.

„Ich bin Arzt geworden, um Menschen zu helfen, nicht zu sterben. Nicht, um Jugendliche nach ihrem Beinahe-Selbstmordversuch wieder zusammenzuflicken. Ich bin dafür, dass das auch Ciar und Salles übernehmen, die haben immerhin Erfahrung mit Depressiven.“

Die drei kannten sich also? Vielleicht hatten sie ja den Club der Brillenschlangen eröffnet und trafen sich abends immer, um gemeinsam eine Weinschorle zu trinken. War bestimmt interessant, wenn Dr Breen und Dr Cworcs sich über die neuen Depressiven austauschten und dieser Kerl dann dazwischenrief, dass die Jugendlichen doch alle nur übertrieben.

Als ob er meine Gedanken erahnen würde, zog er erneut einen Splitter besonders schmerzhaft heraus. Sein sadistisches Grinsen dabei war hoffentlich nur ein Streich meines Vorstellungsvermögens.

„Vielleicht hätten Sie lieber Zahnarzt werden sollen“, meinte ich. „Die werden für's Quälen bezahlt und ihre Patienten halten gewöhnlicherweise die Klappe.“

Er schmunzelte wieder. „Das war mein Plan B, falls ich durch das Medizinstudium gefallen wäre.“

Das Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, was ihn sehr zu freuen schien. „Oho, du kannst also noch lächeln. Du bist wohl anders als die anderen Depressiven, die hier vorbeikommen.“

„Kann schon sein“, erwiderte ich neutral.

Immerhin hielt er mich für keine dieser Klischee-Depressiven, auch wenn ich diesem Kerl nichts zu beweisen hatte. Es kam immerhin darauf an, dass Dr Breen und Dr Cworcs mir glaubten und nicht er, der hoffentlich bald mit meinem Fuß fertig war.

Endlich wurden meine Gebete erhört und die letzte Scherbe landete in der Nierenschale. Nachdem er eine Salbe aufgetragen und den Fuß verbunden hatte, stand er auf und ging zu seinem Schreibtisch hinüber, wo er sich wieder setzte. Er zückte einen Kugelschreiber und begann in meiner Akte herumzukritzeln.

„Ich kann dir ein Schmerzmittel verschreiben, wenn du willst“, sagte er, ohne aufzusehen.

„Nein, das geht schon.“

Aber Narukana würde eines brauchen, wenn ich mit ihr fertig war. Niemand zerschnitt mir meinen Fuß und kam damit einfach davon. Primitiv? Vielleicht, aber was kümmerte mich das? Manche lernten es einfach nicht anders und Narukana gehörte offensichtlich dazu.

„Du wirst aber erst mal an Krücken laufen müssen“, sprach er weiter, ohne den Stift abzusetzen. „Und schone den Fuß bestmöglich. Falls es keine Komplikationen gibt, würde ich dich gern nächste Woche noch einmal sehen.“

„Geht klar.“

Es gab ohnehin nichts, was ich sonst machen wollte – außer Narukana verprügeln.

Schließlich beendete er das Aktualisieren meiner Akte. Er steckte den Kugelschreiber wieder weg und faltete das Datenblatt zusammen, um es wieder sicher zu verstauen. Schmunzelnd sah er mich wieder an. „Soll ich drüben anrufen, damit sie den Muskelkerl vorbeischicken?“

Entschieden schüttelte ich den Kopf. „Wenn Sie mir die Krücken geben, komme ich schon allein wieder rüber.“

Noch einmal wollte ich nicht als Sorluskas Gratis-Training angesehen werden.

„Wie du willst. Warte einen Moment.“

Er stand auf und verließ den Raum. Seufzend blickte ich auf die blutdurchtränkte Socke, die neben der Nierenschale lag. Der Arzt hatte sie aufschneiden müssen, um an meine Verletzungen zu kommen, ohne diese noch zu verschlimmern. Hoffentlich würden nicht noch mehr Kleidungsstücke unter Narukana leiden müssen.

Ich besaß keinerlei Geld, mir Neues zu kaufen und auf meine Eltern konnte ich auch nicht bauen.

Da fiel mir etwas anderes ein: Was würde ich nach diesem Krankenhausaufenthalt machen?

Wo sollte ich hingehen?

Eiskalte Panik erfasste mich, doch ich kämpfte sie hastig nieder. Bei Gelegenheit würde ich darüber mit den anderen oder einem der Ärzte oder Therapeuten sprechen, im Moment war es unwichtig.

Ich konzentrierte mich wieder auf Narukana und meine Wut ihr gegenüber, die mich mit einer erstaunlichen Hitze füllte und alle anderen Gedanken verdrängte. Ja, schon viel besser.

Der Arzt kam wieder zurück, mit zwei Krücken in den Händen, die er mir reichte, ehe er mir zu erklären begann, wie ich diese zu benutzen hatte.

Ich lauschte ihm aufmerksam, während meine Gedanken wieder zu Narukana wanderten und der Frage, wie ich es ihr wohl am besten heimzahlen könnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2010-12-30T11:30:10+00:00 30.12.2010 12:30
Oh, komm schon, Ciela. Das ist doch keine Herausforderung. Beim nächsten Mal bitte mehr schreiben XD
Anyway. Das macht es mir einfacher *grins*

Narukana geht mal wieder ab. Glasscherben im Schuh. Sonst kenne ich das nur mit Reiszwecken XD
Und auf deine Frage, Lea-chan, warum alle Ärzte Brillen dort anhaben... wende dich damit an Alo, die steht so auf Männer mit Brillen. Die hat sich hier ihr Traumkrankenhaus geschaffen. Ein Paradies mit heißen Brillenträgern *lach*
Oder warum glaubst du läuft sie selbst dort rum? Alles nur wegen Salles *grins*
Aber ich war echt überrascht, dass du Beliar reigenommen hast. Er hat es sicher genossen Lea solche Schmerzen zuzufügen. Bestimmt hat ihn das in Ekstase gebracht, dieser kleine Sadist *lol*
Finde ich aber schön unsere Charaktere hier wiederzufinden. So muss ich mich nicht an neue gewöhnen XD
Übrigens mag ich wieder dein Geschwafel und deine Wortspiele. Die sind immer herrlich X3
Von: abgemeldet
2010-08-18T21:23:45+00:00 18.08.2010 23:23
Glasscherben in den Schuhen?! Du meine Güte, die Schmerzen müssen ja fruchtbar sein, ich mag mir das nicht mal vorstellen. Arme Leana. ^^"
Irgendwie...mag ich diesen Arzt nicht. XD
Du weißt ja inzwischen nur zu gut, wie sehr mir die Story gefällt, also warte ich an der Stelle ohne weitere Worte ungeduldig auf das nächste Kapi. ;)


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