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Irgendwo in dieser Welt

von

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Am Abend

Früher dachte ich immer, Schultage würden quälend langsam vergehen. Aber langsam bekam ich das Gefühl, dass die noch das Paradies gewesen waren, verglichen mit dem, was ich hier durchmachte. Es war immer noch gerade mein zweiter Tag, dabei kam es mir bereits wie zwei Wochen vor. Allerdings war mein Plan aufgegangen.

Bis zum Mittagessen hatte ich vollkommene Ruhe in meinem Zimmer. Während des Essens hielt ich den Kopf gesenkt, um Zetsu nicht sehen zu müssen und im Anschluss war ich sofort wieder in meinem Zimmer verschwunden – wo ich den ganzen Nachmittag saß.

Das Abendessen verlief ebenfalls schweigsam, keiner schien recht Lust zu haben, irgendetwas zu sagen, am Allerwenigsten ich. Das Schweigen, so sehr ich es auch genoss, wurde allerdings von zwei Personen nicht sonderlich gut aufgenommen.

Jatzieta und Satsuki standen im Türrahmen, beide mit einem tadelnden Blick bewaffnet, den ich nicht nachvollziehen konnte. Was konnte an Schweigen nur auszusetzen sein?

Einige Minuten schafften wir es, sie kollektiv zu ignorieren, bis eine es nicht mehr aushielt.

„Wollt ihr eigentlich noch lange da rumstehen?“, fragte Thalia schließlich genervt. „Ich kann es nicht leiden, wenn man mir beim Essen zusieht.“

„Ja, weil man dann sieht, wieviel du verschlingst“, gluckste Sorluska.

Der Schlag gegen seinen Hinterkopf, der als einzige Reaktion darauf erfolgte, tat sogar mir beim bloßen Zusehen weh. Fluchend rieb er sich die schmerzende Stelle und bedachte die teilnahmslos weiteressende Thalia mit einigen Flüchen.

Statt einzuschreiten oder das Mädchen gar zu tadeln, schmunzelte Jatzieta nur amüsiert. „Immerhin könnt ihr noch reden.“

Ich fühlte mich wirklich wie im falschen Film. Als ob ich mir Mission: Impossible hätte ansehen wollen und dabei in einer schlechten Sitcom gelandet wäre – und ich hasse Sitcoms.

Das einzige Gute an dieser war... nein, nein, nein!

Hastig verwarf ich den in mir aufkeimenden Gedanken an Zetsu wieder und warf ihm nicht einmal einen Blick zu, obwohl er mir wie bei bisher jeder Mahlzeit gegenübersaß und es mich doch interessiert hätte, ob er vielleicht mich ansah.

Doch statt mich damit zu beschäftigen, blickte ich immer wieder zu Jatzieta hinüber. Das erneut eingesetzte Schweigen ließ sie wieder die Stirn runzeln. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob sie nicht eitel genug war, um sich um dadurch entstehende Falten zu kümmern. Aber vielleicht interessierte sie so etwas auch gar nicht und sie nahm den natürlichen Alterungsprozess ihres Körpers als gegeben. Sollte dem so sein, würde ihr Ansehen bei mir um zwei Punkte steigen – immerhin würde sie dann unter hundert Minuspunkte kommen.

Während ich noch beschäftigt war, Zetsu nicht anzusehen, stand dieser plötzlich auf und ging an Jatzieta vorbei. Als er sich ihr zuwandte, konnte ich sein blasses Gesicht und die eingefallenen Wangen sehen. Heute Vormittag hatte er noch ausgesehen wie immer – er wurde doch nicht etwa krank?

„Ich bin müde, ich werde ins Bett gehen“, kündigte er der Schwester an, die nur ein ernstes Nicken für ihn übrig hatte.

Schließlich fuhr er wieder herum und verschwand in den Flur, wo man nach kurzer Zeit eine Tür hören konnte.

Ich wandte mich wieder den anderen zu und stellte überrascht fest, dass jeder einen ernsten Zug auf seiner Miene trug. Plötzlich kam ich mir mit meiner ins Gesicht geschriebenen Verwirrung nur noch fehl am Platz vor.

Sorluska wandte sich an Nozomu. „Yo, ist alles in Ordnung mit ihm?“

Ich konnte sehen, wie der Braunhaarige mir einen raschen Blick zuwarf, so als wollte er prüfen, ob ich zuhören würde, dann nickte er knapp. „Ja. Er fühlt sich nur ein wenig ausgelaugt, das ist alles.“

Wovon fühlte der sich denn ausgelaugt? Beim Sport tat er nichts und so wie ich ihn am Vortag erlebt hatte, war er wohl auch den Rest des Tages nur rumgesessen.

Doch ich stellte die Frage nicht laut. Nozomus Blicke verrieten mir, dass es ihm gar nicht gefiel, wenn ich mich zu neugierig, besonders in Bezug auf Zetsu, zeigte.

Betont desinteressiert blickte ich daher in eine andere Richtung. Noch einmal spürte ich seinen brennenden Blick auf mir, doch ich glaubte, auch die Befriedigung fühlen zu können, als er sich wieder von mir abwandte.

Der Rest des Abends verlief schweigend. Ohne Zetsu schien wohl niemand wirklich Lust zu haben, sich zu unterhalten oder sie nahmen Rücksicht auf den Schlafenden, damit er nicht durch eventuell zu laute Gespräche geweckt werden würde. Wenngleich ich immer noch nicht verstand, weswegen alle so einen Terz um ihn machten.

Ja, er war außerordentlich charismatisch und gutaussehend, aber musste sich deswegen alles um ihn drehen?

Erst bei dieser Frage fiel mir wieder auf, dass ich nicht sonderlich besser war. Seit ich hier war, drehten sich meine Gedanken auch nur noch um ihn. Mit Sicherheit war ich von ihm verhext worden, eine andere Möglichkeit konnte es einfach nicht geben.

Es war unmöglich, dass ich mich aus freien Stücken wie Bella Swan verhielt. Allein der Gedanke jagte mir kalte Schauer über den Rücken, die mich frösteln ließen.

Es verging noch eine Weile, in der ich bei den anderen saß. Die träge Stimmung schlug mir auf das ohnehin schon deprimierte Gemüt, weswegen ich erleichtert aufsprang, als Baila mir zu verstehen gab, dass sie nun in unser Zimmer zurückkehren würde.

Als sich die Tür hinter und schloss, spürte ich bereits, wie ein Teil der Deprimiertheit von mir abfiel. Ich wollte die Gelegenheit, endlich allein mit Baila zu sein, nutzen, um einige Dinge in Erfahrung zu bringen.

„He, Baila~“, begann ich so ungezwungen wie möglich. „Kann ich dich etwas fragen?“

Lächelnd wandte sie sich mir zu, sie nickte, genau wie ich es erwartet hatte. Nur wie sollte ich anfangen?

„Weißt du vielleicht, weswegen Zetsu hier ist?“

Für einen Moment blickte sie mich an, als wollte sie fragen, ob ich mir das nicht denken könnte, dann schüttelte sie den Kopf. Eine ausführlichere Antwort schien ich nicht zu bekommen, ihr Block blieb geschlossen.

„Und weißt du, warum es ihm plötzlich so schlecht ging?“

Erneut sah sie mich mit diesem Blick an, dann schüttelte sie wieder mit dem Kopf.

Wieder einmal beschlich mich das Gefühl, dass ich von ihr oder Subaru keine großartigen Informationen über Zetsu erhalten würde. Mir blieb also nur, ihn selbst oder Nozomu zu fragen – aber bei beiden Varianten erschien mir die Möglichkeit, aus dem Fenster zu springen um einiges attraktiver.

Da sie mich aber immer noch aufmerksam ansah und offensichtlich auf eine weitere Frage wartete, beschloss ich, etwas anderes in Erfahrung bringen zu wollen. „Warum ist Subaru hier?“

Es musste etwas mit diesem Shou und knirschenden Bremsen zu tun haben – aber das konnte so vieles bedeuten.

Endlich öffnete Baila ihren Block, mit flinken Strichen begann sie etwas aufzuschreiben. Gespannt wartete ich darauf, dass sie mir das Geschriebene endlich zeigen würde.

Schließlich drehte sie mir die beschriftete Seite zu.

Subarus Freund Shou starb bei einem Autounfall. Subaru denkt, dass es seine Schuld war, weil das Auto Shou erwischte, nachdem er Subaru weggeschubst hat.

Dann waren es Schuldgefühle, die ihn in die Depression und schließlich hierher getrieben hatten?

Eine Woge von Mitgefühl überkam mich, allerdings hielt sie nicht sonderlich lange an, sondern wurde von Scham ersetzt. Wenn ich die Gründe der anderen für ihr Hiersein hörte, kamen mir meine eigenen so unbedeutend vor.

Ich musste wirklich der undankbarste Mensch auf der Welt sein – genau wie meine Eltern es immer gesagt hatten.

Der Gedanken an meine Erzeuger, die sich stets einen Dreck um mich geschert und nur an ihrem Ruf interessiert gewesen waren, erfüllte mich wieder mit Wut. Eine so unbändige, ohnmächtige Wut, die mir die Tränen in die Augen trieb. Das bemerkte ich allerdings erst, als Baila mir vorsichtig mit einem Taschentuch an den Augenwinkeln herumtupfte.

Peinlich berührt trat ich einen Schritt zurück, fahrig ging ich mir mit dem Ärmel über die Augen.

„Ist schon gut, alles nicht so schlimm“, versicherte ich.

Dieselben Worte, die ich mir seit Jahren einredete und langsam ihre Wirkung zu verlieren schienen – auf Baila dagegen hatten sie offensichtlich von Anfang an keine.

Ungläubig und besorgt sah sie mich an, doch ich wandte mich von ihr ab und begann damit, mich umzuziehen. Ich wollte nicht über meine Eltern reden, die Probleme mit ihnen waren nichts im Vergleich zu denen der anderen, ich würde mich nur selbst lächerlich machen.

Wäre Zetsu nicht gewesen und die Aussicht, zu meinen Eltern zurück zu müssen, hätte ich auf der Stelle gepackt und wäre wieder nach Hause gefahren. Irgendwie hätte ich mich mit Sicherheit durchgebissen, so wie ich es mein ganzes Leben geschafft hatte.

Ohne Baila, die mich immer noch mitleidig ansah, zu beachten, legte ich mich schließlich ins Bett, mit dem Rücken zu ihr.

„Guten Nacht“, murmelte ich mit erstickter Stimme, bevor ich das Licht auf meiner Seite löschte.

Für einige Minuten hörte ich Baila noch geschäftig rascheln, dann schaltete sie ihre Lampe ebenfalls aus. Wie am Tag zuvor dauerte es nicht lange, bis sie wieder eingeschlafen war.

Hastig verkroch ich mich unter meiner Decke, nur für den Fall der Fälle, wo ich sofort ungehindert in Tränen ausbrach und mich fast lautlos schließlich in den Schlaf weinte. Ein Schlaf, in dem ich endlich frei war von den Gedanken an meine Eltern und meine eigene Empfindlichkeit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LeanaCole
2010-02-27T16:51:28+00:00 27.02.2010 17:51
Owwwwww~ Mein armer Zetsu T_______T
Ich weiß was er hat, ha ha! XD
Und es ist nicht schön. Es macht mich so traurig Q___Q

Das Kapitel war depressiv... irgendwie. Gab zwar einige Witze, aber insgesamt war es ein bedrückendes Kapitel. Zetsu gehts schlecht, keiner redet, Leana erfährt von Shou und natürlich ihre eigenen Probleme.
Die bedrückende Stimmung hast du, wie ich finde, sehr gut rübergebracht. Ich habe fast mit Lea-chan geweint T_____T
Ich finde sowieso, dass sie fiese Eltern hat. Natürlich sind nicht nur die an Leas Problemen Schuld, aber sie machen es ihrer Tochter auch nicht gerade einfach, finde ich.

Aber lieber wieder zu schöneren Sachen XD
Ich muss endlich mal loswerden, dass ich die Beziehung zwischen Lea und Baila so knuffig finde. So ein bisschen wie Geschwister :3
Ich finde es nämlich immer so süß, wenn Lea Baila lobt oder ihren Koof tätschelt.
Allgemein finde ich es toll, dass Lea sie mag, da sie ja für sowas nicht unbedingt bekannt ist. Aber wie kann man Baila auch nicht mögen?
Die großen, süßen Augen, der Block, auf dem sie zeichnet und mit der Welt kommuniziert (dabei muss ich immer an Aimi denken XD) und das sie Lea und Subaru so gerne hat. Einfach sooo süß~

Auch fand ich einige der Witze wieder tollig. Ja, irgendwie ähnelt das dort ein bisschen einer Sitcom. Und Lea hasst die Dinger, weil sie keinen Humor hat XDDDD
Wo ich besonders lachen musste, war die Stelle, wo Lea meinte, dass ein Sprung aus dem Fenster besser ist, als Noz oder Zetsu zu fragen XDDDDD
Natürlich musste auch wieder Twilight dran glauben. Das gehört ja schon richtig dazu. Würde sowas nicht mehr kommen, wäre ich sehr traurig XD

Was kann ich sonst noch sagen? Ach ja. Komm mal in die Gänge. Lea kann doch nicht ewig im zweiten Tag festhängen. Also langsam muss mal ein wenig Zeit vergehen oder Lea kommt da nie wieder raus XD
Apropos Lea: Nur Alo-chan und ich dürfen Leana so nennen. Sonst gibts Ärger XD
Von: abgemeldet
2010-02-23T16:28:13+00:00 23.02.2010 17:28
Heeey, endlich habe ich mal Zeit zum lesen! :D
(mein geliebtes Menschlein schläft nämlich immer noch... *hust*)

Oh... sie ist echt erst seit 2 Tagen dort?! o.Ô' Kommt mir irgendwie auch schon wie 'ne halbe Ewigkeit vor. XD Die Arme...

Also ich schweige auch seeehr gerne. *grinst* Darunter leiden immer meine Tischnachbarinnen in der Schule. XD
Und wer wird schon gerne beim Essen beobachtet?! Also echt mal... *hust*

Sitcoms... oh man... d-das ist... nun ja... äh... also...

Hmmm... Zetsu wirft viele Fragen auf. Ich bin ja immer noch der Meinung, dass er sicher an einer unheilbaren Krankheit leidet und nicht mehr lange zu Leben hat! Q__Q Oder so... wie auch immer. Mich würde es jedenfalls auch aufregen, wenn sich alles und jeder nur um eine einzige Person drehen würde. Deshalb kann ich Lea auch verstehen, finde es aber auch irgendwie süß, dass sie selbst ständig an ihn denkt. =3

Es gibt keine guten oder weniger Guten Gründe für Depressionen. Sondern es kommt immer ganz auf den Menschen an, der an Depressionen leidet, da jeder individuell anders auf sein Umfeld reagiert und mit Gefühlen umgeht. Ich hasse immer diese dämlichen vergleiche wie" er oder sie hat es schlechter als ich", obwohl es durchaus lobenswert ist, nicht sich selbst als bemitleidenswert darzustellen. Aber ab und zu muss man eben auch an sich denken. Eine gesunde Portion Egoismus braucht eben jeder Mensch im Leben. Hm... was versuche ich eigentlich zu sagen? Ich weiss nicht, aber dieses Kapi hat mich irgendwie sehr zum nachdenken gebracht. Vor allem weil es hier um Depressionen geht. Ein Thema, wo jeder Mensch mitreden kann, egal in welche Art Depression man steckt oder gesteckt hat. Depressionen sind einfach keine schöne Sache und ist sehr schwer, mit ihnen umzugehen. Jeder Mensch der es schafft sein Leben mit Depressionen zu meistern, hat meinen vollen Respekt! Also Lea... kämpfe! Kämpfe! Kämpfe!
Ab und zu weinen muss sein... jedenfalls befreit es mich immer, wenn ich mal in so einer Phase bin. Leider löst weinen alleine nur nie Probleme, da hilft dann nur noch schlafen. *seufz* Uwah, was schreibe ich hier für ein psychologisches Zeug?! Ich hör jetzt lieber schnell auf! XD

War auf jeden Fall ein gutes Kapi, wie immer! =)
Syr für den späten Kommi und immer schön dran bleiben! :D


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