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Nur in der Nacht

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Nur in der Nacht

„Mein Prinz? Ihr wolltet mich sprechen?“ Mit einem sachten, oberflächlichen Lächeln schob Kannon seinen Kopf durch die Tür.

„Ja, es gibt da noch eine Sache, die mir nicht aus dem Kopf will“, erwiderte Schneizel, der sich auf der Couch in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes räkelte, den Kopf gelangweilt aufgestützt, „könntest Du noch mal kurz die Fakten mit mir durchgehen?“

Mit einem ruhigen Nicken schloss Kannon die Tür und verriegelte sie vorsorglich.

Es gab keine Fakten, die rekapituliert werden sollten, es gab kein Thema aus den vergangenen Tagen, über das Schneizel um diese Uhrzeit sprechen würde. Viel mehr war der Dialog ein Signal, ein abgesprochenes Zeichen dafür, dass Kannon die Tür abschließen sollte, und dass Schneizel die Überwachungskameras deaktiviert hatte.

Er war ein Prinz Britannias, und als solcher stand er permanent unter Bewachung. Die Presse dokumentierte seine Schritte in der Öffentlichkeit, und die Security-Abteilung des Palastes stellte sicher, dass sein Gesicht in seiner Freizeit über unzählige Bildschirme flimmerte, damit niemand sich ungestraft an ihn annähern konnte.

Niemand außer Kannon.

Denn für den Baron deaktivierte Schneizel die Augen, aus denen seine Gemächer ihn beobachteten.

Mit gerader Haltung und sicherem Gang schritt Kannon auf den Prinzen zu, dem er stets assistierte, seit mehreren Jahren. Kaum zu glauben, dass es nur wenige Monate her war, dass Schneizel ihm an einem Abend wie den heutigen eine Aufforderung der besonderen Art gegeben hatte.

Ein leises Lachen entwand sich den fein geschwungenen Lippen des Prinzen.

„Du kannst aufhören zu schauspielern, es sieht niemand zu“, sprach er gelassen, als Kannon vor ihm zum Stehen kam, und Kannon lächelte, dieses Mal aufrichtig und warm.

„Wie mein Prinz befiehlt“, antwortete er sanft, dann beugte er sich vor und platzierte seine Lippen behutsam auf denen des Thronerben.

Es war ein kurzer, flüchtiger Kuss, als hätten sich ihre Körper nur gestreift, anstatt sich innig zu berühren. Rasch zog Kannon sich zurück, unsicher durch die Reglosigkeit, die Schneizel ihm entgegenbrachte. Er suchte den Blick des Prinzen, entschied sich jedoch, kaum dass er in die tiefblauen Augen sah, ihn zu meiden, weil er spürbar errötete.

Mit einem leisen Seufzer richtete Kannon sich auf und streckte den Rücken durch, doch Schneizel schüttelte bloß den Kopf.

„Jetzt fang nicht wieder damit an“, bat er, doch Kannon verharrte vor ihm, bis Schneizel aufstand. Seine Wangen waren noch immer blassrosa, und sein Herz pochte nervös.

„Du bist etwas ungeduldig, hm?“, fragte Schneizel amüsiert, während seine Finger über Kannons Mund fuhren. Schneizels Hände waren filigran, mit schlanken Fingern und weicher Haut. Er war ein Denker, kein Kämpfer, und strahlte doch eine fast unmenschliche Stärke aus.

Durch und durch ein Prinz eben; unantastbar, aber gütig. Sollte er den Thron Britannias erben, so würde er ein exzellenter König sein.

Und was würde aus Kannon werden?

Kaum jemand vermochte zu sagen, ob er auch in diesem Fall noch Schneizels rechte Hand sein würde, wie er es schon so lange gewesen war. Er konnte es sich kaum vorstellen, nicht mehr den Platz einzunehmen, der heute noch der seine war – an Schneizels Seite.

Und in seinem Bett.

„Ein bisschen vielleicht?“, hob Kannon fragend an, und Schneizel schenkte ihm ein warmes Lächeln, das Kannons Herz rasen ließ. Der Prinz brachte ihn um den Verstand, wenn er ihn so ansah, mit diesen blauen Augen, mit diesem schönen Gesicht, mit diesem zärtlichen Ausdruck.

Es war ein himmelweiter Unterschied, ob Schneizel ihn einfach nur mit einer gewissen Sympathie ansah, wie er es tagtäglich machte, oder ihn so anlächelte wie gerade jetzt.

Denn dieses Lächeln provozierte geradezu, ihn zu küssen, doch Kannon wahrte seine Beherrschung. Niemals würde er über Schneizel herfallen wie der letzte Idiot; immerhin war es ein Prinz, der seine Gedanken vernebelte, kein billiges Flittchen, das man später wegwarf wie ein Spielzeug.

Und er selbst?

War Kannon nicht auch bloß ein Flittchen, ein Spielzeug in den Händen des Prinzen?

Rasch schob der Baron diesen Gedanken beiseite. Nein, war er nicht.

Er war nicht zum Wegwerfen – der Prinz hob ihn immer wieder auf, um erneut seinen Spaß zu haben.

Immer wieder verlangte es ihn nach Kannons Nähe, immer wieder rief er ihn zu sich, mitten in der Nacht. Es lag bereits eine gewisse Regelmäßigkeit in diesen Treffen, und doch hatte sich kein Alltag eingestellt. Schneizel war erstaunlich experimentierfreudig.

„Dann sollte ich dich wohl nicht warten lassen“, stellte Schneizel mit sichtbarer Genugtuung fest. Seine Hand strich über Kanons Wange, und unwillkürlich griff der Baron danach, als Schneizel sie zurückzog.

So gut, es tat so gut, von ihm berührt zu werden.

Beinahe zu gut.

Und so hielt Kannon Schneizels Hand, wartete sehnlichst danach, dass der Prinz endlich aufhörte, ihn zappeln zu lassen. Er wollte endlich wieder in seinen Armen liegen, wollte in seinen Küssen versinken, wollte vergessen, dass sie Verbotenes taten.

Er wollte endlich wieder ihm gehören.

Einmal mehr hasste Kannon sich selbst dafür, dass er Schneizel so verfallen war; eines Tages würde es sicher sein Tod sein. Wenn alles herauskam, und was würde es bestimmt. Es wäre einfach zu perfekt, wenn sie nicht entdeckt würden.

Endlich erlöste Schneizel seinen Assistenten, indem er den freien Arm um seine Hüfte legte und ihn in einen innigen Kuss zog. Kannon ließ seine Hand los, um die Arme um seinen Hals zu schlingen.

Er drückte sich eng an Schneizels Körper, erleichtert, dass er ihm endlich wieder nahe sein durfte. Schneizels Zunge fuhr über Kannons Lippen, und Kannon öffnete bereitwillig den Mund, um sie einzulassen. Unterdessen drehte Schneizel ihn herum und schob ihn auf die Couch, begrub ihn unter sich in den weichen Polstern. Kurz lösten sie den Kuss, um nach Luft zu schnappen, doch rasch krallten sich Schneizels Finger in Kannons Haare, und erneut schoss seine Zunge in den Mund des anderen.

Zitternd wanderten Kannons Hände über Schneizers Oberkörper, was dieser mit einem zufriedenen Stöhnen quittierte, ehe er sich wieder in den Kuss vertiefte, fuhren unter den Stoff und entledigten sich allmählich der beinahe störenden Kleider. Auch Schneizel ließ mit einer Hand von Kannons Haaren ab, um seinen Gespielen auszuziehen, doch die andere verharrte in den dichten, altrosa Strähnen.

Früher waren Kanons Haare lang gewesen, ein ordentlicher Zopf, der über die Schultern auf seinen Rücken glitt, und seit Schneizel Gefallen an ihnen gefunden hatte, überlegte er, sie erneut so lang wachsen zu lassen.

Für den Prinzen würde er alles tun, einfach alles.

Er war ihm treu ergeben, hatte die letzten Jahre zusammen mit ihm verlebt und gelernt, ihn besser zu verstehen als manch anderer.

Es schien beinahe unmöglich, zu sagen, wann Kannon sich verliebt hatte. Als er sich seiner Gefühle bewusst geworden war, kam es ihm vor, als bestünden sie schon sehr lange Zeit. Ob Schneizel davon wusste, blieb Kannon verborgen. Bisher hatte er nicht darüber gesprochen; er wusste, dass es alles nur unnötig verkomplizieren würde.

Schon die Tatsache, dass sie miteinander schliefen, war riskant für das Ansehen beider Beteiligten, und sobald Gefühle ins Spiel kämen, würde es schwieriger werden, aufzuhören.

Schwieriger, als es ohnehin schon war.

Schneizel wurde ungeduldiger; achtlos warf er Kannons Kleidung neben die Couch, das Gesicht dicht an dem des Barons. Seine Hand strich über Kannons Schenkel, und Kannon streifte die Hose des Prinzens herunter.

Er wusste, was nun kam.

Soweit man das bei Schneizel wissen konnte. Es fiel Kannon immer wieder schwer, die komplizierten Strategien zu entschlüsseln, denen Schneizels Handlungen folgten. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, und Wellen der Erregung ließen seinen Körper erbeben.

Für Schneizel würde er alles tun, für Schneizel würde er alles geben, was er besaß.

Und wenn sein Prinz es annahm, war Kannon glücklicher als in jedem anderen Moment seines Lebens.

Schneizel berührte ihn, so zärtlich und doch fordernd, dass Kanon leise aufstöhnte, und mit einem Lächeln, das vor Vorfreude fast zerbarst, flüsterte Schneizel Kannons Namen, ehe sie erneut in einem leidenschaftlichen Kuss versanken.
 

Irritiert blinzelte Schneizel.

„Auf der Couch hatten wir bisher noch gar nicht, oder?“, fragte er nachdenklich, und Kanon lachte leise.

„Nein, noch nicht“, bestätigte er erschöpft, aber durchaus zufrieden, und Schneizel schüttelte lächelnd den Kopf.

„Scheinbar habe ich heute eine ziemlich lange Leitung, was?“, meinte er amüsiert, doch Kannon antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern und drückte sich an seine Brust. Sanft streichelte Schneizer ihm den Kopf.

Sie waren beide verschwitzt, und Schneizel versuchte vergeblich, sich eine seiner blonden Locken aus dem Gesicht zu pusten – die Haarsträhnen klebten förmlich an seiner Haut, doch er wollte die Hände nicht von Kannon lösen, um seine Frisur zu bändigen.

Er wollte nicht loslassen.

Kannons Herzschlag raste noch immer und er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Er brauchte immer etwas länger, um sich wieder zu entspannen, wenn es vorbei war. Diese Momente, in denen er sich förmlich an Schneizel klammerte, die Stirn gegen seine Schulter gelehnt und die Augen geschlossen, liebte der Prinz, auch wenn er nicht wirklich wusste, wieso.

Vielleicht war es das Wissen, dass diese Momente immer dann eintraten, wenn er den Baron gerade in vollstem Maße genossen hatte.

Vielleicht war es die Tatsache, dass Kannon in diesen Momenten herzzerreißend niedlich, aber dennoch männlich aussah.

Vielleicht war es auch einfach nur die Nähe des anderen, die in diesen Momenten besonders intensiv war, die er spüren wollte.

Schweigend vergrub Schneizel das Gesicht in Kannons Haaren, der die Arme um seinen Oberkörper schlang, die Nase auf Höhe des Schlüsselbeins und die Stirn an die Halsbeuge des Prinzen gelehnt. Schneizel, der noch immer über ihm kniete, drehte sich vorsichtig auf die Seite und legte sich neben Kannon, welcher sich augenblicklich noch enger an ich zog.

Schneizel merkte, wie sein langjähriger Assistent und Freund in seinem Armen erschlaffte und sich mit wohligem Schaudern in die Umarmung kuschelte.

Es war bereits nach Mitternacht, und Kannon musste endlos müde sein.

Schneizel war es jedenfalls.

Er gähnte leise und tastete nach der Tagesdecke seines Bettes, die er vor einigen Stunden achtlos über die Lehne der Couch gelegt hatte, um sich für eine Weile schlafen zu legen, bevor er nach seinem Assistenten rufen ließ.

In ihm machte sich die Befürchtung breit, dass Kannon gehen würde, wenn Schneizel aufstand, um sich mit ihm ins Bett zu legen; Kannon verschwand immer, um das Geheimnis zu wahren. Er wartete, bis Schneizel einschlief, und stahl sich dann davon, unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen.

Es sei denn, man zählte einen nackten Schneizel und dessen im Zimmer verteilte Kleidung als Spuren.

Kannon zuckte erschrocken zusammen, als Schneizel die Decke über ihnen ausbreitete, doch Schneizel legte sofort wieder den Arm um seine Taille.

In seinem ganzen Leben hatte Schneizel nie einen Mann gesehen, der eine Taille hatte, doch Kanon war die Ausnahme, die seine ungeschriebene Regel bestätigte. Der Baron sah nicht wirklich feminin aus, auch wenn seine Haarfarbe verdächtig an Prinzessin Euphemia erinnerte, aber er hatte eine Taille, und Schneizel mochte seine Taille, auch wenn sie Kannon manchmal peinlich war.

Seufzend blickte Kannon den Prinzen an, und Schneizel schenkte ihm ein warmes Lächeln, denn er wusste, wie sehr Kannon dies liebte. Er drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Nasenspitze, und Kannon errötete.

Herzzerreißend niedlich, aber dennoch männlich.

Wäre er eine Frau, so wäre er immer noch nicht mehr als eine rechte Hand für Schneizel, überlegte der Prinz. Denn der seltsame Reiz, mit dem Kannon gesegnet war, hätte in keinen weiblichen Körper gepasst.

Es war gut, dass er ein Mann war, denn als Mann war er so schön, dass Schneizel es kaum für möglich hielt.

Kannon erwiderte das Lächeln, und Schneizel fragte sich, warum der Baron nicht vorm Spiegel starb, wenn er sich selbst anschaute, so hinreißend sah er aus.

Schließlich zog Kannon einige Sofakissen heran, die von der Couch hatten weichen müssen, um Platz zu machen für Schneizel und ihn. Es war ein Wunder, dass die beiden nicht selbst heruntergefallen waren, hatten sie doch bislang immer die Größe von Schneizels pompösen Bett ausnutzen können.

Schneizel machte es sich auf den Kissen gemütlich und Kannon wartete geduldig, bis er sich erneut anschmiegen konnte.

Von Mal zu Mal wurde er zutraulicher, anhänglicher.

Verliebter.

Schon seit langem wusste Schneizel, dass Kannon nicht so an die Sache heranging, wie er sollte – rein platonisch, rein sexuell.

Dafür war Kannon zu weich.

Diese Augen, diese Lippen, dieses Gesicht, diese Art, mit der er überall Sympathien erntete, alles an ihm war zu weich dafür. Und Schneizel musste ihm gegenüber hart wirken, um zu verhindern, dass sie das, was sie teilten, auf die Nacht beschränkten.

Solange es nur in Schneizels Gemächern geschah, solange sie nur hier vereint waren, konnte Schneizel die Situation kontrollieren.

Am Tage jedoch, wenn er der Prinz und Kannon sein Assistent war, dann durften sie keine Zärtlichkeiten austauschen, durften nicht zeigen, dass sie sich näher standen, als sie sollten.

Doch noch hielt die Nacht sie umfangen, verbarg sie vor den Blicken der anderen.

Und während er die Lampe neben dem Sofa ausschaltete und Dunkelheit über das Zimmer fallen ließ küsste Kannon den Prinzen zum letzten Mal in dieser Nacht, ehe er den Kopf erneut an seine Brust legte und die Augen schloss. Er schlief immer so ein, das Ohr an Schneizels Herzen, wogegen dieser Nacht für Nacht betete, dass Kannon nicht sein Shampoo änderte, denn der sachte Erdbeergeruch mischte sich gekonnt mit seinem natürlichen Geruch. Zugegeben, Erdbeere war mehr herzzerreißend niedlich als männlich, aber es war ein wunderbarer Duft, um einzuschlafen. Euphemia hatte Kannon einmal ihr Shampoo geliehen, als die Dienerschaft die Kulturtasche des Barons verschlampt hatte, und seither benutzte Kannon die gleiche Haarpflegeserie wie die Prinzessin – Erdbeere.

Schneizel merkte, wie sich Kannons Lippen sacht auf seiner Haut bewegten, als der Baron die Worte wisperte, die Schneizel nie laut ausgesprochen hören würde.

„Ich liebe dich“, flüsterte er tonlos, fest in dem Glauben, dass Schneizel es nicht wahrnehmen würde.

Und Schneizel seufzte ebenso leise und unbemerkt ein „Ich dich auch“ in Kannons Haare.

Wenn er aufwachte, würde Kannon nicht mehr an seiner Seite liegen, würde sich aus seinen Armen gewunden und in sein eigenes Bett geschlichen sein, wo er keinen Schlaf mehr fand.

Doch er würde wiederkommen.

Immer wieder.

Nur in der Nacht.



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