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Eisblume

von

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Kapitel 2

Drei Tage später hatte Yachiyo noch immer kein Wort gesprochen. Langsam kehrte die Kraft in ihre Glieder zurück, aber der Schmerz nistete in den Wunden und ließ sich auch mit Medizin nicht herauslocken. Vielleicht wollte sie es auch selber nicht, dass der Schmerz verging, immerhin war es ihr Bruder gewesen, der ihr eine dieser Wunden zugefügt hatte. Gedankenverloren ruhte ihre linke Hand auf ihrem Bauch und ihre schlanken Finger ertasteten den Verband, dessen Strukturen sich durch das dünne Gewand durchdrückten.

Sie war es Leid immer nur in ihrem Bett zu sitzen und zu lauschen. Auch wenn sie auf diese Art bereits einiges hatte erfahren können, aber mit der Zeit wuchs in ihr der Drang aufzubrechen. Doch noch wollten ihre Beine sie nicht tragen. Glaubte sie den Worten von Kouhei, dann würde dieser Zustand noch mindestens eine Woche anhalten. Solange wollte er es ihr auch nicht gestatten das Zimmer, oder sogar das Bett zu verlassen. Dabei hatten die Wunden angefangen sich zu schließen und nässten auch nicht. Der junge Herr des Hauses, wie ihn der Diener immer nannte, war also tatsächlich ein hervorragender Arzt, auch wenn ihr diese Tatsache bereits nach dem Aufwachen klar gewesen war.

Ohne Reaktion auf die herannahenden Schritte, saß sie aufrecht da und hing ihren Gedanken nach. Selbst als die Tür aufgeschoben wurde und Kouhei eintrat, blieb die junge Frau absolut ruhig und starrte einfach nur vor sich auf die Decke. Unmerklich jedoch, verkrampften sich jedes Mal, wenn jemand das Zimmer betrat, ihre Hände unter dem schweren Stoff und sie war sich nicht sicher, ob der Mann bei ihr, es nicht auch bemerkte. Seine Hände waren nicht nur die eines Heilers, dafür schienen sie viel zu edel und filigran. Zudem hatte sie bemerkt, dass der junge Herr sehr auf Bücher versessen war. Jedes zweite Mal, wenn sie ihn sah, oder auch nur seinen Schatten an den Schiebetüren, hatte er ein Buch in der Hand und war ganz vertieft. Sein Atem wurde langsamer, sein Gang gebeugter und er neigte auch dazu, sich mit der linken Hand ans Kinn zu fassen, wenn er etwas interessant fand oder es für wichtig erachtete.

Verstohlen musterte sie jede seiner Bewegungen aus den Augenwinkeln. Sie waren regelmäßig und fließend. In seinem Gang lagen Selbstbewusstsein und Güte. Doch da war etwas, dass ihr immer wieder auffiel. Wenn er nach rechts schaute, dort wo die kleine Komode an der Wand stand, voll gestellt mit allen möglichen Medikamenten und einem kleinen Kästchen, dann verharrte sein Körper für einen kurzen Moment in der Bewegung.

Die Frage nach dem Grund lag einige Augenblicke lang auf ihrer Zunge und verleitete ihren Verstand fast dazu sie zu stellen. Doch sie beherrschte sich und blieb still. Es gab nichts, das sie mit diesem Mann bereden wollte. Umso weniger er von ihr wusste, um so sicherer konnte er sich seines Lebens sein. Jeder der mit ihr in Kontakt kam war in Gefahr. Er sollte sie ruhig so ansehen. Immer weniger Faszination lag in seinen klaren blauen Augen. Langsam aber sicher wurden sie immer trauriger, malten sich aus, welche Schrecken das Mädchen in seiner Obhut wohl zum Schweigen gebracht hatten. So wuchs in ihm auch der Zweifel, ob es ratsam war, überhaupt etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren. Doch das Verlangen ihren Namen zu kennen, das hatte der Mann immer noch. Bei jeder Gelegenheit versuchte der Arzt ihn ihr zu entlocken.

Auch den Hausdiener und das Hausmädchen hatte er darauf angesetzt, aber sie blieben ebenso erfolglos wie ihr Herr. Und dieser große braunhaarige junge Mann, hatte es bereits gänzlich aufgegeben mit der jungen Frau reden zu wollen.

„Immer noch schweigsam wie ein Grab. Langsam fürchte ich, dass eure seelischen Wunden tiefer sind, als die eures fleischlichen Körpers“, seufzte Kouhei und kniete sich neben die junge Frau, um wieder einmal die Verbände zu wechseln.

Ihre nussbraunen Augen huschten kurz herüber. Was war das für ein seltsamer Glanz, der in seinen Augen lag? Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als er ihre Hand berührte. Nicht etwa, weil er eine zärtliche Berührung wollte, vielmehr hatte es wohl seine Notwendigkeit.

„Wollt ihr mir nicht endlich euren Namen verraten? Welcher Fluch soll schon darauf lasten, dass selbst das bloße nennen...“

„Hört auf... es nützt nichts“, entgegnete Yachiyo. Ihr Blick wanderte nach unten und verengte sich. „Allein mit euch zu diskutieren, würde zu nichts führen. Hört auf zu fragen.“

Sie konnte sehen, wie ihm der Atem stockte. Hatte sie so lange nicht mit ihm reden wollen und plötzlich beleidigte sie ihn derartig. Er hatte ihr das Leben gerettet und das würde sie ihm nicht vergessen, aber er wusste nicht, was für ein Leben er gerettet hatte.
 

Doch es waren nicht nur die forschen Worte der Fremden, die den jungen Herren so paralysierten. Vielmehr war es der Klang ihrer Stimme. Nach einem Schweigen, dass nunmehr eine Woche gehalten hatte, schienen sie nicht nur einfache Worte zu sein, sondern etwas Besonderes. Ihre Stimme war so klar und doch so kalt und unnahbar. Sie klang so sanft in seinen Ohren, obwohl der Satz scharf wie ein Schwert in seinen Verstand gedrungen war.

„Respekt ist etwas, auf das man stets Acht geben sollte. Ihr seid in meinem Haus und solange ihr hier seid, werdet ihr mit Folge leisten“, seine Hand schoss vor und klammerte sich um das Handgelenk der jungen Frau. Regungslos trafen sich ihre Blicke. Seiner voller Enttäuschung und der ihre, so kalt wie immer. Sie hatte gelernt ihre Emotionen zu verstecken, hatte es lernen müssen, war dazu gezwungen worden.

„Behaltet euren Namen von mir aus für euch. Aber erwartet von nun an keinen Respekt mehr von mir.“

Ein unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum. Yachiyo war über ihren Anfall hinweg und hatte ihre Lippen erneut versiegelt. Umso mehr er sich von ihr distanzierte, umso besser.

„Ich werde Daisuke bitten ein Auge auf euch zu haben, so lange ich unterwegs bin. Immerhin seid ihr nicht meine einzige Patientin“, Kouhei lehnte sich über die Braunhaarige und platzierte seine linke Hand neben ihrem Ohr, an ihrer Wange.

Geduldig wartete sie auf seine Worte, doch er blieb stumm und setzte sich einige Minuten später einfach wieder neben ihr Lager, als wäre nichts geschehen.

Schweigend wechselte er ihre Verbände. Ihrem Gefühl folgend, hatte sich die Wunde am Bauch nur sehr wenig geschlossen. Wie der Schmerz den sie festhielt, hielt sie auch die Verletzung davon ab sich zu schließen. Der Mann neben ihr musterte ihr Gesicht, während seine Hände geschickt die frischen Verbände anlegten.

Sie wich seinen Blicken aus. Es war ihr unangenehm, dass ihr nach all der Zeit erneut ein Mensch wieder so nahe kam.
 

Nachdem er seine Arbeit beendet hatte stand Kouhei auf und ging langsam zur Tür. Seine Finger legten sich auf die kreisförmige Vertiefung in der Schiebetür. Er überlegte kurz, atmete dann tief ein und schob sie auf. Yachiyo hörte wie seine Füße auf das Holz der Veranda traten und sich die Tür langsam wieder schloss. Kurz bevor sie ganz geschlossen war, verklang das leise quietschende Geräusch, an seine Stelle trat wieder die Stimme des jungen Herren.

„Ich werde dich nicht gehen lassen...“, klang seine Stimme sanft zu ihr herüber. Dann das Klacken von Holz auf Holz. Die Tür war zu. Sie war wieder allein im Zimmer.

Was sollten diese letzten Worte? Was hatte er damit gemeint? Er verstand sie doch gar nicht. Er wusste nichts über sie. Er war so ein Narr zu glauben, dass sie wirklich bleiben würde.
 

„Hört, hört!“, posaunte Shiro los, als sein Freund um die Ecke bog, „'Ich werde dich nicht gehen lassen...' Mann.... noch schnulziger ging's ja wohl nicht, oder? Nein warte!... Das nächste Mal gestehst du ihr dabei deine Liebe.“

Der Braunhaarige musste lauthals loslachen: „Die ist grad' 'ne Woche hier und du machst dich an sie ran?“

„Was?! Sag mal bist du jetzt völlig von Sinnen? Du glaubst doch nicht wirklich...“, Kouhei sah zu seinem Freund herüber, „Doch tust du... Shiro... Hör mir jetzt genau zu. Ich weiß nicht warum sie uns nichts von sich erzählen will, aber ich hab dir doch erklärt wovon die Wunden stammen.“

„Ja... die stammen von einem Katana. Außerdem hast du noch gesagt, dass du auf einige ältere Wunden gestoßen bist. Aber ich versteh jetzt nicht...“

„Denk doch mal nach!“, Kouheis Blick wurde todernst und seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, „In Japan ist es den Frauen untersagt, den Schwertkampf zu erlernen. Samurais sind ausschließlich Männer. Sie aber führt zwei hochwertige Schwerter mit sich. Die Arbeit ist wirklich meisterhaft, die Klingen sind ein Vermögen wert, außerdem habe ich einige Einkerbungen darauf gefunden. Nur sehr wenige und zudem meist überpoliert...“

Der junge Mann unterbrach den Hausherren: „Also in anderer Leute Sachen herum schnüffeln ist aber nicht...“

Die Hand des Arztes schlug gegen die Wand: „Bleib nur einmal ernst, Shiro... einmal! Verstehst du es denn immer noch nicht?“

Verlegen schüttelte Shiro den Kopf.

„Jemand will sie umbringen. Die älteren Wunden stammen von vielerlei Waffen, unter anderem von Pfeilen oder auch feinen Nadeln. Ihre jetzigen Verletzungen stammen höchstwahrscheinlich von einem fehlgeschlagenen Mordversuch.“

„Bist du sicher?“, fragte der junge Mann kleinlaut und wurde etwas blass um die Nase.

„Ja... ich bin sicher.... auch wenn ich wünschte es wäre nicht so“, seufzend ließ sich Kouhei an der Wand zu Boden sinken, „Ich will ihr helfen. Ich bin Arzt geworden, nicht nur wegen meines Vaters und auch nicht, um nur die körperlichen Leiden der Menschen zu heilen... Ich will ihnen als Mensch helfen. Wozu sollte ich sonst ein Leben retten, wenn es kurz darauf doch verlischt?“

„Aber was willst du denn deswegen unternehmen? Wenn sie wirklich verfolgt wird und das auch noch aus dem Grund, dass sie gegen die japanischen Traditionen verstoßen hat, dann stellst du dich gegen das Gesetz, wenn du sie hier behältst. Ich sag es ja nur ungern, aber wenn sie wirklich eine Verbrecherin ist, dann müssen wir sie der Polizei überstellen.“

„Das kann ich nicht...“, hauchte Kouhei nur und war schon tief in Gedanken versunken. Er würde das Mädchen nicht eher der Polizei übergeben, ehe er wusste, was sie verbrochen hatte.

„Kouhei!“, fuhr Shiro ihn an.

„Schweig!“, gab dieser nur zurück, „Ich werde niemanden aus Gründen dem Tode ausliefern, die ich nicht kenne und erst recht nicht, wenn sich diese 'Gründe' als Nichtigkeiten herausstellen sollten!“

Der junge Herr stand auf und ging ohne zu zögern an dem Braunhaarigen vorbei: „Solange ihre Wunden nicht verheilt sind, werde ich nichts unternehmen und so lange hälst du gefälligst deinen Mund gegenüber jedem Außenstehenden. Hast du mich verstanden?“

Shiro verschränkte die Arme vor der Brust und ließ nur ein verärgertes Brummen von sich hören. Na gut, wenn sein Freund sich unbedingt in Gefahr bringen wollte, dann bitteschön, sollte er das tun. Aber wehe er zog ihn in die Sache mit rein.

„Es tut mir Leid... Shiro“, dachte Kouhei traurig, bevor er sich in die Stadt aufmachte.
 

Yachiyo saß noch immer im Bett und fand keine Ruhe. Ihre Gedanken überschlugen sich. Eine Woche war sie schon hier und noch immer wusste sie nicht, wo genau sie sich überhaupt befand. Wie hieß die Stadt, in der sie sich im Moment befand? Wie weit war sie den Fluss abwärts getrieben worden? Sieben Tage... war ihr Bruder womöglich schon hier?

Sie schüttelte den Kopf. Nein... Yoshio hätte sie schon längst gefunden, wenn er gewollt hätte. Es ergab alles keinen Sinn für sie. Warum schickte ihr Vater nun auch noch seinen eigenen Sohn hinter ihr her? Sollte er nicht noch mit seinem Lehrmeister auf Reisen sein?

„Ich muss von hier fort... heute Nacht noch. Ich kann die Menschen hier nicht unnötig in Gefahr bringen. Ich will... nicht noch mehr Menschen sterben sehen. Das muss endlich aufhören...“

Mit Tränen in den Augen legte sie sich hin und rollte sich auf die Seite.

Gegenüber anderen konnte sie hart und lieblos sein, aber sich selbst konnte sie nicht belügen. Ein kalter Hauch streifte ihr Gesicht. Einige Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie drehte sich nicht um. Wer auch immer dort stand und sie beobachtete, es kümmerte sie nicht. Sie spürte, dass dieser Jemand ihr nichts tun wollte.

Eine Weile noch streichelte der Wind ihr durch das Haar, bis sie einschlief.
 

Nachdenklich ging Kouhei durch die Straßen. Die schwere Umhängetasche stieß bei jedem seiner Schritte gegen sein Bein und er war kaum in der Lage aufrecht zu gehen. Als Arzt konnte man auf die eigene Gesundheit nicht so viel Rücksicht nehmen, wie man vielleicht wollte und auch sollte. Seine Gedanken waren beherrscht von dem Rätsel, dass die junge Frau in seinem Anwesen ihm aufgegeben hatte. Wer war sie? Welche Schatten barg ihre Vergangenheit?

Das Schütteln seines Kopfes war ein Ausdruck seiner Ahnungslosigkeit. Doch das war keinesfalls ein Grund, das Rätsel beiseite zu legen und aufzugeben. Vielmehr stachelte ihn dieses Gefühl weiter an. Er war fasziniert von ihr. Nicht von ihrem Körper, wie es ein Mann vielleicht sein würde, war sie doch hübsch und schlank. Nein, es war ihr Geist, jene Seele, die sich hinter den eiskalten Augen verbarg und sich niemandem preisgeben wollte. So undurchschaubar wie die Finsternis der Nacht und so kalt wie der eisige Hauch des Winters. Ein Mensch der selbst noch lebt, wenn sein Körper zu erfrieren scheint. Er erinnerte sich, dass sie tatsächlich eiskalt gewesen war, als er sie aus dem Fluss gezogen hatte, aber seltsamerweise, hatte sie keine Erfrierungen gehabt.

Ein einziges Geheimnis. Wiederrum schüttelte er den Kopf und zog den Gurt der Tasche ein wenig höher, damit sie ihm nicht einfach von der Schulter rutschte.

Er mochte diesen Weg in der Nacht, wenn der Mond lediglich ein schwaches Zwielicht erschuf, in dem die Realität verschwamm. Das Geräusch des Flusses zu seiner rechten klang dann so fremd und doch vertraut. Als würde man es deutlicher wahrnehmen als am Tag. Vielleicht lag es daran, dass der Geist nicht so sehr durch das abgelenkt war, was er sah. Selbst seine Hand war nur noch ein Schemen.

Vor ihm, in einiger Entfernung, schimmerten die Lichter der Stadt und hinter ihm schimmerte das einsame Licht des Hofes, welchem er einen Besuch abgestattet hatte. Ein kalter Hauch erfasste ihn. Seine Kleidung wehte leicht im Wind. Er fröstelte, zog den Mantel enger um sich.

Bald schon würde es den ersten Frost geben... da war er sich sicher.
 

Yachiyo erwachte mitten in der Nacht. Schlaftrunken richtete sie sich auf und rieb sich die Müdigkeit aus den Augen. Die Tatsache, dass sie zu dieser Uhrzeit noch müde war, konnte nur bedeuten, dass ihr Körper noch immer schwächer war, als sie erwartet hatte. Normalerweise wandelte sie nur in der Nacht und war selten bei Tag unterwegs. Sie hatte sich daran gewöhnt den Mond aufgehen zu sehen und nicht die Sonne, wie die meisten anderen Menschen, wenn sie von ihrem Lager aus zum Fenster hinaus blickten.

Noch etwas unsicher stand sie auf. Es war ein seltsames Gefühl, welches sie in ihren Beinen wahrnahm, als wusste ihr eigener Körper nicht mehr, wie es war zu stehen, als würde er sich noch immer nach der Wärme des Futons sehnen. Dabei kannte ihr Verstand die Gefahren nur zu gut, die auf sie zukommen würden, wenn sie noch länger in diesem Haus verweilte.

Ihre Schwerter waren nur wenig von ihr entfernt auf einer niedrigen Komode aufgebahrt. Ihre Augen fixierten die Waffen und langsam schritt sie darauf zu. Ihr Herz pochte, aber sie wusste nicht warum. Erst als sich ihre Finger um die Scheiden der Klingen schlossen, wurde sie ruhiger und atmete erleichtert aus. Nie schlief sie ohne Bewaffnung. Es wäre töricht.

Von draußen hörte sie ein dumpfes Geräusch, doch es verhallte fast im gleichen Augenblick, in dem sie es entdeckt hatte. Sie blieb reglos. Nichts bewegte sich, kein weiterer Laut drang an ihre Ohren, außer der Melodie der Nacht. Vorsichtig schlüpfte sie in ihre alte Kleidung und legte den weißen Kimono, den man ihr angezogen hatte, sorgfältig zur Seite. Im Gegensatz zu dessen edler Seide, fühlte sich die einfache Wolle ihrer eigenen Kleidung auf ihrer Haut rau und uneben an. Es kratzte ein wenig. Das hatte sie zuvor nie wahrgenommen.

Die Klingen befestigte sie seitlich an ihrem Hakama und öffnete dann leise die Schiebetür. Ihre Augen spähten hinaus in den dunklen Garten. Wieder nichts. Sie ging hinaus und schlich über die hellen Holzdielen.

Ein wirklich edles Haus. Im Garten schlugen die Wellen unruhig gegen die Steine des Teiches und der hohe Bambus rauschte leise. Doch sonst war alles ruhig und unbewegt. In den perfekten Sand- und Kiesgärten, markierten hohe, naturbelassenen Steine das Zentrum der kreisförmigen Anlagen. Die Shojis des Anwesens waren verziert mit Tierbildern, vorwiegend Kraniche, doch sie fand auch vor einem Zimmer die Abbilder von zwei Tigern. Bei dem Anblick verkrampfte sich etwas in ihrer Brust und ein nur all zu bekannter Schmerz wallte in ihr hoch und überdeckte das Pochen in ihrem Bauch und der Schulter.

Sie durfte nicht zurückblicken, konnte aber jeden Augenblick ihres Lebens nur an all das Leid denken, dass sie bisher erlebt hatte. Es beherrschte sie, ließ sie niemals los, raubte ihr alles.

Sie schloss für einen Moment die Augen und löste sich aus ihrer Starre. Sie atmete tief ein und aus. Die Luft war so schön klar. Die Kälte um sie herum nahm sie kaum wahr, auch wenn ihr Leib zitterte.

Fast andächtig blickte sie am Tor angekommen noch einmal auf das Haus hinter ihr und öffnete dann die massive Holztür. Im gleichen Moment, in dem sie hinaustrat auf die Straße und das Tor sich hinter ihr wieder schloss, fühlte sie die Einsamkeit der Nacht nach ihrer Seele langen. So sehr die Menschen auch fürchteten allein zu sein, so hatte Yachiyo begonnen diese Einsamkeit zu lieben. Sie strebte sogar danach. Jeder Moment mit anderen Menschen, war ein Moment voller Angst.

In dem Wissen den Arzt und seine Freunde vor einem grausamen Ende zu bewahren, schritt die Ronin die Straße entlang und bedauerte keinen Moment das Anwesens verlassen zu haben. Niemand dort wusste wer sie war und so würden sie sicher sein vor ihren Verfolgern.

Ihr Blick wanderte vom Boden nach vorne. Das fahle Mondlicht zeichnete nur wenige Schatten in die Nacht.
 

Yachiyos Weg führte weg von der Stadt. Ihr wurde immer kälter und die Schmerzen wurden bald so stark, dass sie sich nur mühsam fortbewegen konnte. An einem der äußeren Bauernhäusern hatte sie kurz gestoppt. Ohne gesehen und gehört zu werden, war sie dort in das Haus eingedrungen und hatte einen dickeren Wollmantel mitgehen lassen, in den sie sich nun hinein schlang.

Vielleicht war das Stechen in ihrer Brust nicht nur das Resultat der eisigen Luft, die sie einatmete, sondern so etwas wie Reue. Doch selbst den Gedanken daran erlaubte sie sich nur für Sekundenbruchteile. Sie wusste genau, dass jeder Schritt zurück bedeutete, dass jene, die sich so sorgsam um sie gekümmert hatten, mehr und mehr in Gefahr gerieten.

Sie zwang ihren Körper immer weiter zu gehen. Stunden verstrichen und die Lichter der Stadt waren längst hinter den zahlreichen Biegungen der Straße verschwunden. Die leeren Reisfelder der Bauern verschwanden allmählich unter einer zarten Eisdecke. Der Frost hatte sich langsam in die Nacht geschlichen.

In weißen Wolken stieg der Atem von ihr auf und verschwand dann auf dem Weg in den klaren Sternenhimmel. Links von ihr lag ein dichter Wald still da. Langsam aber sicher war der Herbst zum Winter geworden und das Leben widmete sich dem Schlaf, der es über die kalten Monate bringen würde.

Als ein einsames Licht in der Ferne sichtbar wurde, wechselte die Ronin in den Wald und setzte dort ihren Weg fort. Die Gerippe der Bäume verbargen nur ihren Schatten, doch in der Finsternis mochte das reichen.

Bald erkannte Yachiyo, dass sich vor ihr ein kleiner Rasthof befand. Vorsichtig schlich sie heran und achtete darauf, nicht auf irgendwelche toten Äste zu treten. Immer näher stahl sie sich zu dem Gebäude und drückte sich schließlich in der Nähe des Eingangs an einen breiten Stamm.

Erst leise, dann immer deutlicher drangen zwei Stimmen zu ihr herüber. Sie war sich nicht sicher, was die Männer miteinander zu bereden hatten, aber etwas tief in ihr ließ sie spüren, dass es nichts Gutes sein konnte.

Die beiden Gestalten traten neben das Gebäude und schauten in den dunklen Wald. Yachiyos Herzschlag stoppte für einen Moment. Hatten sie sie bemerkt? Nein, sie drehten sich wieder weg.

Angestrengt lauschte die junge Frau und presste sich das Wolltuch gegen den Mund, um nicht von ihrem Atem verraten zu werden.
 

„Scheiß Kälte. Im Süden wird’s bei uns nicht so kalt“, beschwerte sich einer der Männer. Yachiyo konnte nur erkennen, dass er relativ kräftig gebaut war und die Arme vor dem Körper verschränkte. Seine Stimme war rau und tief.

„Ja... zweifellos befinden wir uns auf der Schwelle zum Winter“, entgegnete der andere, nicht minder kräftig, jedoch auf seine Art eleganter, besonders, da seine Stimme wesentlich sanfter klang.

„Hast du Neuigkeiten für uns?“

„In der Tat. Laut unserem Informanten befindet sich Yachiyo Yokote in der nächsten Stadt. Sie soll dort bei einem Arzt untergekommen sein. Die Adresse sollen wir vor Ort erfahren.“

Die Worte durchfuhren die Ronin wie ein Schock. Kraftlos sank ihre Hand, mit der sie das Wolltuch festgehalten hatte, nach unten. Ihre Augen zitterten hin und her und ihre Beine drohten jeden Moment nachzugeben. Dennoch zwang sich die Ronin ruhig zu bleiben und biss sich auf die Lippen. Sie musste erst alles hören, bevor sie kopflos davon stürmte.

„Dann machen wir uns am Besten gleich auf den Weg.“

„Unnötig. Soweit wir wissen, sollte sie schwer verletzt sein. Sie wird wohl kaum in der Lage sein, weite Strecken zurück zu legen. Es ist ohnehin ein Wunder, dass sie noch am Leben ist.“

„Wenn du meinst... Dann hau'n wir uns wieder hin und gehen erst morgen früh los.“

Der eleganterer von den beiden schaute nachdenklich in den angrenzenden Wald. Yachiyo konnte seine Blicke in ihrem Rücken spüren. Sie hielt den Atem an.

Schließlich drehte der Mann sich wieder weg: „Ich frage mich, ob die Zeit nicht sowieso für uns arbeitet. Ob der Tod wohl schon neben ihrem Lager wacht?“

„Das ist mir ehrlich gesagt egal. Wir gehen hin, schauen nach und wenn sie noch lebt, nehmen wir dem Tod halt seine Arbeit ab.“

„So grob... Na ja... gehen wir rein. Die Nacht ist kalt und ich bin einer Erkältung doch recht abgeneigt.“

Beide gingen wieder ins Gebäude, doch kurz bevor die Tür zum Gasthaus zufiel hörte sie noch einen letzten Satz.

„Vergiss nicht.... Der Auftrag lautet: Keine Zeugen.“
 

Warum klang dieser Satz so seltsam in ihren Ohren? War er nur gesprochen worden, um den Kampf in ihrem Innern erneut zu entfachen? Oder hatte der Mann sie gar bemerkt?

Zitternd griff ihre rechte Hand nach ihrer Stirn. Immer noch zuckten ihre Augen unruhig hin und her und waren weit aufgerissen. Was sollte sie jetzt tun? Was? WAS!?

Ihre Beine gaben nach und sie sackte auf den kalten Boden und kippte vorn über. Ihr Kopf grub sich in ihre Arme und Tränen begannen über ihr Gesicht zu rinnen. Wieder biss sie sich auf die Lippen, doch diesmal spürte sie nach kurzer Zeit, wie Blut über ihr Kinn rollte.

Sollte ihr sinnloses Dasein erneut seinen Tribut fordern? Die Verzweiflung in ihrem Herzen wuchs, bis Yachiyo sie nicht mehr ertragen konnte.

Sie stemmte sich hoch und rannte davon. Immer wieder rissen niedrige Äste an ihrer Kleidung und ihr Atem wurde zu einem angestrengten Keuchen. Taub und blind für die Welt um sie herum, lief sie in Richtung Stadt. Vielleicht würde sie sie retten können... Vielleicht war es noch nicht zu spät.

Vor ihrem geistigen Auge sah sie bereits das Blut des Arztes und seines Freundes durch die Dielen der Veranda sickern. Das durfte nicht geschehen... nicht schon wieder...

Das Pochen in ihrem Brustkorb wurde immer stärker. Ihr Körper und ihre Seele schrien gleichzeitig auf. Sie konnte es nicht mehr ertragen.

In ihrer überstürzten Hast stolperte sie über eine Baumwurzel und schlug hart auf den Boden auf. Sie spürte, wie sich ein stumpfer Stein in ihren Brustkorb drückte und eine Rippe unter der Wucht nachgab. Vor Schmerz krümmte sie sich auf dem Boden und fing an entkräftet zu husten.

Minuten vergingen. Sie durfte hier nicht liegen bleiben. Sie musste weiter. Immer weiter... immer weiter.

Zitternd und stöhnend zog die Ronin sich an einem nahen Baum hoch und krallte sich in das Holz, um nicht augenblicklich wieder zusammen zu brechen. Wie lange sollte das noch so weiter gehen? Wie lange würde sie den Schmerz noch aushalten können? Wann erlöste sie endlich jemand von ihren Qualen? Sie war nicht so kalt, wie sie immer vorgab zu sein. Sie gab ja zu, dass sie sich nach menschlicher Wärme verzehrte, doch die Nacht, in der sie seit Jahren lebte, hatte sie verändert. Hatte ihre wahre Natur hinter einer Maske aus Eis verborgen.

Wolken schoben sich vor den Mond und die Finsternis forderte die Herrschaft über die Nacht zurück. Yachiyo rannte nicht mehr. Sie wandelte langsam durch den Wald. Schwer beladen von Trauer und Schuldgefühlen. Ihr Körper ausgezehrt und fahl.

Stunden später lag ihr Körper zusammen gekauert unter einer hohlen Baumwurzel, eingeschlungen in den Wollmantel. Die wachen Augen fielen immer wieder zu, bis die Kälte sie einlud zu schlafen. Der Eingang zur Höhle war mit totem Laub zu geschaufelt, sodass die Wärme in der Höhle blieb. Die junge Frau hatte noch längst nicht aufgegeben, auch wenn die Furcht um das eigene Leben zu einem ständigen Begleiter geworden war.
 

Der nächste Morgen erwachte so kalt, wie die vorige Nacht verklungen war. Kurz vor der Dämmerung hatte es angefangen zu schneien und so lag nun eine dichte Schneedecke in den Straßen und auf den Dächern der Stadt.

Kouhei kauerte auf der Veranda seines Anwesens. Die Knie angezogen und den Kopf in den verschränkten Armen vergraben, saß er mit dem Rücken zu dem Raum, in dem am Abend zuvor noch die Fremde gelegen hatte. Neben ihm dampfte der heiße Tee, den er vor Schreck vergossen hatte. Die Scherben der Tasse lagen verstreut auf dem hellen Holz der Veranda.

Er verstand nicht genau, warum ihn das Verschwinden der jungen Frau so mitnahm, hatte er doch in ihrem Blick lesen können, dass sie bald gehen würde. Aber wahrscheinlich hatte er sich zu sehr der trügerischen und törichten Hoffnung hingegeben, dass sie vielleicht auf seine Worte hören würde.

Die Frage nach dem Warum hörte nicht auf in seinem Kopf herum zu spuken und auch eine quälende Sorge, gleich dem Stoß eines eiskalten Dolches, beherrschte ihn. Wohin war sie gegangen? Sie konnte doch in ihrem Zustand unmöglich in der Kälte überleben.

Ein tiefer Seufzer ging über seine Lippen und floh in Form von weißem Dunst von ihm.

„Wie lange willst du denn noch da sitzen? Es hat keinen Sinn einer wie der nach zu weinen. Sie hat ihren Dickschädel genauso wie ich meinen hab... und das heißt, dass es da nichts zu rütteln gibt“, zerriss Shiro die erdrückende Stille.

Der junge Arzt hob seinen Kopf ein Stück weit in die Richtung seines Freundes, doch seine Augen blickten weiterhin ins Leere.

„Komm... hoch mit dir“, der junge Mann krallte sich den Arm des Hausherren und riss ihn nach oben.

„Lass mich...“, protestierte Kouhei, doch er schaffte es nicht einmal sich dem Griff des anderen zu entwinden.

Langsam wurde dieser ungeduldig und etwas begann sich in seinem Hinterkopf zu Wort melden zu wollen. Vielleicht war es eine Art Verpflichtung, die er seinem Freund gegenüber empfand, oder auch ein schlechtes Gewissen, immerhin hatte er im Nebenzimmer geschlafen und nichts von der nächtlichen Flucht mitbekommen.

„Bevor du hier noch in Selbstmitleid zerfließt, geh ich sie halt suchen“, brummte Shiro genervt und gab den Versuch auf, seinen Nebenmann gewaltsam auf den Füßen halten zu wollen.

„Schon gut... Ich geh sie selber suchen.“

„Bist du sicher?“, hakte der Braunhaarige nach und wollte nicht recht von dem gequälten Lächeln seines Freundes überzeugt werden.

„Ja ich bin sicher“, bekräftigte dieser noch einmal seine Entscheidung und richtete sich gerade auf, „Sie ist meine Patientin... und ich verliere so ungern welche.“

„Du konntest doch bei deinem Vater...“, weiter kam Shiro nicht, er selbst und auch Kouheis Blick hatten ihn davon abgehalten, diese alte Wunde wieder aufzureißen.

„Sag Daisuke bitte er soll mir den dicken Mantel bringen.“

Shiro nickte und verschwand daraufhin in einem der angrenzenden Zimmer und ließ den Arzt mit seinen Gedanken allein.

Dieser ging in das Zimmer hinter ihm herein und starrte eine Weile auf das leere Futon, bis er auf die Komode zu schritt und ein kleines Kästchen aus der untersten der drei länglichen Schubladen nahm. Mit traurigem Blick öffnete er die feine hölzerne Schachtel, mit den vier vergoldeten Beinen und den eleganten Blumenschnitzereien. Darin lag ein langes und feines Messer, gleich einem Skalpell. Das Metall war an einigen Stellen mit dunklem Rost verunreinigt. Vorsichtig fuhr er mit dem rechten Zeigefinger über die Klinge des Messers, jedoch war die Schneide stumpf und hinterließ keinerlei Schaden auf der Haut.

Innerlich kämpfte Kohei mit alten Erinnerungen und schärfte sich erneut ein, warum er Arzt geworden war und weshalb er es immer sein würde. Schließlich legte er die Klinge wieder in das Kästchen und schloss die Schublade. Die hölzerne Schachtel stellte er auf die Komode und trat wieder hinaus auf die Veranda.

Der junge Mann tat einen tiefen Atemzug und genoss die wohltuenden Strahlen der noch jungen Sonne, die sich nur für Augenblicke hinter den dichten grauen Wolken hervor kämpfen konnte.

„Euer Mantel, Kouhei-sama.“

„Ich danke dir Daisuke-san“, wandte sich der Schwarzhaarige zur Seite und nahm die schwere Jacke, „Sei bitte so gut und heize das Haus ordentlich auf. Es wird sehr kalt in den leeren Räumen.“

„Wie ihr wünscht“, verbeugte sich der Diener und klopfte dann dem jungen Herren aufmunternd auf die Schulter. Als Dank für die Geste schenkte ihm der junge Hausherr ein aufrichtiges Lächeln.

„Ihr wisst, dass ich immer für euch da sein werde, selbst, wenn der Rest der Welt euch den Rücken kehrt, oder ihr den euren Rücken der Welt zukehrt. Was immer ihr auch entscheiden werdet... ich stehe hinter euch“, sagte der Butler mit einem traurigen Unterton in der Stimme, jedoch war sich Kouhei sicher, dass sein alter Freund ihm auch dieses Mal wieder die Wahrheit sagte.

Er drehte sich um, fasste nach der Hand des Dieners und nahm sie zwischen die seinen: „Ich weiß nicht was du meinst... Das hört sich fast an, als würdest du dich von mir verabschieden wollen, dabei kannst du sicher sein, dass ich zurück kommen werde.“

„Verzeiht mir...“

Der junge Mann schüttelte nur den Kopf: „Nein... mir tut es Leid, dass ich dir immer wieder nichts als Sorgen bereite. Ich komme zurück, das verspreche ich dir.“

Mit diesen Worten ging er an seinem alten Freund vorbei und warf sich den Mantel über. Am Tor schenkte er Aiko dasselbe Lächeln, wie zuvor Daisuke und auch auf ihren Zügen las er tiefe Sorgen.
 

Wo sollte er nur anfangen sie zu suchen? Die Stadt war groß, auch wenn er nicht glaubte, das Mädchen irgendwo in hier zu finden. Vielmehr glaubte er, dass sie schon längst fort war. Dennoch war das etwas, dass ihm sagte, dass er sie finden würde, egal wo sie auch sein mochte. Mit solchen Wunden konnte sie nicht weit gekommen sein.

Also begann er seine Suche bei einem der nahen Bauernhöfen. Die Wege aus der Stadt raus waren immer noch mit Schnee bedeckt, auch als die Mittagsstunden sich näherte und Kouhei den ersten Hof erreichte. Doch die Antwort die er dort erhielt, sollte er auch an den anderen Höfen erhalten und in der Stadt. Niemand hatte die junge Frau gesehen oder gehört.

Irgendwann senkte sich der Abend über den Ort und wieder begann es zu schneien. Dicke Flocken fielen vom Himmel und die Schneedecke wurde immer dichter. Gefangen in seinen Gedanken bemerkte er kaum noch, was um ihn herum geschah. Erst das Geräusch von Holz unter seinen Füßen und das Rauschen des Flusses rissen ihn aus der Versunkenheit.

Er stand auf derselben Brücke, von der er vor einer Woche das Blut im Wasser bemerkt hatte. Langsam wurden die Tropfen an den Grashalmen des Ufers matt und gefroren zu Eis. So wie der Tag mit seiner Wärme das Eis schmolz, so ließ die Kälte der Nacht sie wieder gefrieren. Tau und Reif, so nah verwandt und doch zwei ganz verschiedene Dinge, die lediglich den gleichen Ursprung hatten.

Der junge Mann seufzte herzhaft und stützte sich auf das dunkle Geländer der Brücke. Ob die Wolken sich wohl in der Nacht verziehen würden? Es war Vollmond heute Nacht und er würde es bedauern, wenn er dessen silbernes Licht nicht sehen könnte.



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