Lass krachen!
Am nächsten Morgen kann ich kaum sitzen ohne gleich das Gesicht schmerzerfüllt zu verziehen. Nie wieder lasse ich Reita mit dem Tempo an mich ran – das kann er voll knicken!
Aber trotzdem war’s sehr, sehr schön.
Aber ich höre jetzt auf zu schwärmen, sonst wird hier noch jemand neidisch.
Da meine Wohnung immer noch dem Schlachtfeld des Mongolenkrieges ähnelt, muss ich heute wohl oder übel aufräumen. Und mal ehrlich, solche Zustände hält man doch nicht länger aus!
Reita geht mir auch tatkräftig zur Hand und so haben wir am Nachmittag Klarschiff gemacht. Endlich kann man hier wieder wohnen und in vollen Zügen lieben.
„Hab ich dir eigentlich gesagt, dass Ruki heute Kinonacht macht?“, fragt Reita, als wir gerade auf dem Sofa sitzen und zufrieden mit uns selbst etwas Tee schlürfen. Verwirrt sehe ich auf.
„Nein, davon weiß ich nichts.“
„Na, jetzt weißt du’s“, erwidert Reita und lächelt. „Wir fahren doch dann hin, oder?“
„Dumme Frage, natürlich machen wir das!“ Ich freue mich schon jetzt auf den Abend, denn wenn wir bei Ruki einen drauf machen, passieren immer die witzigsten Dinge! Zum Beispiel wird Aoi witzig (also wirklich witzig und er macht wirklich jeden Scheiß mit!) und Uruha trinkt meistens zu viel.
Einmal hatten wir Rukis Filmenacht mal zu Uruha verlegt und dann hatte ich fast das Haus des Gitarristen abgefackelt – aber zum Glück nur fast …
„Sollen wir noch was mitbringen?“, erkundige ich mich.
Reita zuckt mit den Schultern und sagt dann: „Er meinte nur, wenn dir langweilig sein sollte und du nicht zu viel mit mir beschäftigt sein solltest, kannst du dich gern an den Herd schwingen.“
So was lasse ich mir doch nicht zweimal sagen! Dummerweise bekomme ich in meinem Übereifer gar nicht mit, dass Reita sich irgendwie überflüssig vorkommt und nichts mit sich anzufangen weiß, da er seinen Bass, mit dem er ja hätte üben können, in seiner Wohnung stehen gelassen hatte. Schließlich hängt er lustlos auf der Couch, zappt durch die Kanäle und schmeißt sich Chips rein, während ich den Kochlöffel schwinge.
Als ich schließlich zufrieden mit meinem Werk ins Wohnzimmer trete, ist Reita total in sich zusammengesunken und schläft wie ein Baby. Er sabbert sogar ein bisschen!
Sanft küsse ich ihn wach, denn es ist mittlerweile auch Zeit loszufahren. „Aufwachen, mein Hübscher … Wir wollen doch nicht zu spät aufkreuzen ...“
Er brummt irgendetwas Unverständliches und wischt sich den Schlaf aus den Augen.
„Ich fahre und du nimmst den Auflauf.“ Schon habe ich ihm die warme Büchse in die Hand gedrückt.
„Jetzt mach mal nen Ruhigen“, mault Reita und trottet mir nach in den Flur. Keine fünf Minuten später sitzen wir in meinem tollen Auto und düsen zu Ruki nach Hause. Der Sänger erwartet uns schon und im Wohnzimmer sitzen auch schon Uruha und Aoi.
„Habt euch ja ganz schön Zeit gelassen“, bemerkt Aoi mit einem putzigen Unterton. „Wart wohl noch beschäftigt?“
„Boah, ich penn gleich weg“, meint Reita nur zu diesem Thema und lässt sich auf das Sofa fallen, nachdem er die Auflaufbüchse auf dem Couchtisch abgestellt hatte.
„Und wo soll ich jetzt hin?“, frage ich und sehe mich nach einem netten Plätzchen um, doch das Sofa ist schon voll besetzt und Aoi macht sich im einzigen Sessel ordentlich breit.
„Da ist noch der Arschloch-Platz“, meint Ruki und deutet auf die Matratze, die vor dem Fernseher liegt. Ich versuche über die Gemeinheit zu lachen, doch verkneife ich mir eine Bemerkung. Die müssen ja echt nen Heidenspaß daran haben mich zu dissen … Zum Glück treten sie mich nicht mehr …
„Was n das für ne Pampe?“, fragt Uruha und mustert den Auflauf kritisch.
„Was habt ihr heute nur alle für Launen? Reita pennt dauernd weg (auch jetzt ist er schon wieder weggeratzt), ich bekomme rein aus Prinzip den Arschlochplatz und du meckerst an meinen Essen rum!“
„Und was ist mit mir?“, will Aoi mit gespielt weinerlicher Stimme wissen. „Mich hast du gar nicht erwähnt! Du bist so ein böser Leader!“
Ich atme einmal tief durch und nehme mir vor nicht rum zu heulen – das habe ich noch nie gemacht, aber ich nehme es mir besser mal vor für den Fall, dass ich wieder komische Hormonschwankungen bekommen sollte.
„Genau, Kai … was bist du nur für ein mieser Bandleader!“, labert Ruki weiter.
„Bäh! Ihr seid doch alle scheiße!“, platzt es aus mir heraus. Mist! Doch so ein dummer Hormonschub! Und jetzt will ich Sex …
Was schläft Reita gerade? Der soll sich mal mit mir auf die Toilette verziehen … Aber vorher hol ich mir noch Schlagsahne, Schokosoße oder Honig aus Rukis Küche!
„Hey, das war doch nich so gemeint“, entschuldigt sich Uruha gleich für die beiden anderen und wahrscheinlich fühlt er sich auch etwas schuldig, wegen der blöden Bemerkung über das Essen.
„Der Auflauf ist sehr lecker“, fügt er mit vollem Mund hinzu.
„Ich will auch was! Friss nicht alles alleine weg!“, motzt Aoi los.
Was ist nur mit den Jungs heute los? Haben wir alle unsere Tage?
Den ersten Film verpennt Reita vollkommen. Was macht er eigentlich nachts? – also wenn er nicht bei mir schläft. Weil sonst bin ich ja auf dem Laufenden, wie viel er schläft.
Doch als Ruki dann meint, er gehe Popcorn machen, schreckt mein Schatz auf, als hätte er schlecht geträumt. „Was – wer will Uruha poppen?!“
Wir brechen alle in schallendes Gelächter aus und Reita kuckt nur bedröppelt.
„Süß, Liebling“, lobe ich und küsse meinen Traumprinz.
„Was hab ich verpasst?“
„Die ersten eineinhalb Filme … und Rukis Ansage, dass er Popcorn macht, ist leicht abgewandelt in deinem Hirn angekommen.“ Ich muss lachen, denn Reita kuckt irgendwie wie ein verwirrtes Eichhörnchen.
„Lass krachen, Ruki!“, brüllt Uruha in Richtung Küche, als das Plobben von dem Puffreis langsam laut wird. Er hat schon einiges an Alkohol gekippt und hängt nun über Aois Schoß, fleißig damit beschäftigt noch reichlich nach zu schütten.
„Ich krach dir gleich eine!“, tönt es aus der Küche.
„Wieso?“, lallt Uruha zurück.
„Aaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!“
Sofort bin ich auf den Beinen. „Ruki, was ist?!“
„Der Topf ist zu klein!!!!“, schreit der Sänger und kommt mit den Händen über den Kopf ins Wohnzimmer gerannt.
„Wie viel hast du denn rein?“
„Na ich hab den Topf halb voll gemacht und jetzt ist mir fast der Deckel in die Fresse geknallt!“ Der Sänger tastet nach seiner Nase, um sicher zu gehen, dass noch alles dran ist.
„Kracht ganz schön“, stellt Uruha halb neben sich stehend fest. „Hast du was gegen, wenn ich dich vollkotze?“, fragt er dann Aoi.
„Nein, wie käm ich denn dazu“, antwortet Aoi mit sarkastischem Unterton.
Sofort stürzt Reita los (er ist nun wieder relativ wach) und holt einen Eimer. „Bist du dumm?! Du kannst doch nicht mit Sarkasmus antworten, wenn Uruha dermaßen gebechert hat! Hast du ein Glück, dass er noch nicht losgelegt hat!“
„Kuckt mal!“, ruft Uruha begeistert.
„Was?“, fragen wir unisono.
„Da ist ne rosa Kuh!“ Er deutet auf ein rosa Kissen, das auf der Arschlochmatratze liegt. „Dort in der rechten Ecke des linken Winkels, der sich im 5. Universum am Ende der langen Passage mit den Teppichen und Vasen nach der Tankstelle befindet.“
„Was hat er getrunken?“, fragt Reita mit kritisch gehobener Augenbraue.
„Zu viel“, antwortet Aoi sachlich. Uruha grinst uns an wie ein kleiner Junge, dann beugt er sich nach vorn und entleert seinen Magen in den Eimer.
„Er bekommt heute keinen Alkohol mehr“, legt Ruki sofort fest.
„Was ist jetzt eigentlich mit dem Popcorn?“
„Öhm …“
„Lass krachen!“, röhrt Uruha vor dem nächsten Würgen. Wir verziehen kollektiv das Gesicht. Das ist echt widerlich.
Und das Popcorn poppt in der Küche munter vor sich hin … Da haben wir noch genug zum Frühstück, Mittag- und Abendessen.
