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You keep me alive

von

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Sono vegetariano

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Kapitel 5: Sono vegetariano
 

Edwins Starrheit bereitete mir sorgen. Er starrte mich mit diesem dunklen, bösen Blick an, als wäre er der Teufel in Person, die teuflische Seele eines Monster lugte aus diesen dunklen Augen, die gar nichts und gleichzeitig so viel erzählten.

Dann, als würde ihn etwas amüsieren, bewegten sich seine weißen Lippen, zuckten und formten schließlich so etwas wie ein angedeutetes Lächeln.

Er lächelte.
 

„Du glaubst, inmitten einer kannibalistischen Sekte gelandet zu sein?“
 

Als er keine Antwort von mir erhielt, begann sich die Schwärze in seinen Augen etwas zu lichten. Er sah nicht mehr Gefährlich aus, die Flamme des Monsters schien hinter einem hellen Vorhang verschwunden.
 

„Vielleicht liegst du gar nicht so falsch. Wir ernähren uns von Menschen. Der einzige Unterschied ist, dass wir trinken. Wir haben keine andere Wahl. Wir können nicht verdursten, irgendwann müssen wir dem Drang nachgeben. Besser kontrolliert als unkontrolliert.“
 

„Ich verstehe nicht…“ flüsterte ich, mehr zu mir selbst als zu ihm.

Dass ich den Nagel beinahe auf den Kopf getroffen hatte, ließ mich fast wieder übergeben.
 

„Wie ist dein Name?“ fragte er mich, als er sich zu bewegen begann und wir schon bald so schnell waren, dass alles um mich herum verschwand.
 

Ich hatte das Gefühl, ihm meinen Namen bereits genannt zu haben, aber sicher war ich mir nicht. Vielleicht verwechselte er mich auch mit Stella oder Gabriella oder Annabella, so wie manch andere Menschen.
 

„Bella.“ Wisperte ich und kniff die Augen fest zu.
 

Bella ? Perché ti chiami Bella?“ [Warum nennst du dich Schön]
 

„Wie?“
 

„Nichts…“ er schüttelte den Kopf und lief los, blieb allerdings nach dem ersten Schritt stehen und schaute mich vorsichtig an.
 

„Hast du dich wenigstens in der Scheune zurechtgefunden?“
 

„N-nein. Da war nichts… keine Toilette…“
 

Er stöhnte leise und schloss die Augen, ich hatte das Gefühl, dass er vor sich hin murmelte, doch nichts war zu hören.
 

„Heißt das, ich muss dich nochmal zurückbringen?“
 

Kopfschüttelnd suchte ich nach den richtigen Worten.
 

„Ich hab dort keine Toilette gefunden, aber der Brunnen…uhm…“
 

Gewiss hatte ich keinen Grund wegen etwas so natürlichem zu erröten, zumal mein Körper kaum in der Lage war, sich diesen Komfort zu leisten, doch es war mir trotz der absurden und surrealen Umstände peinlich, einem Jungen zu sagen, dass ich gerade in einen Matschbrunnen gepinkelt hatte.
 

Edwin schien hinter den Sinn meiner Worte zu kommen, denn er nickte flach.

„Das nächste Mal zeige ich dir die Türe. Ich bin mir sicher, dass sich dort eine Toilette befindet.“
 

Hinunter ging es viel schneller als nach oben.

Ehe ich mich versah, befand ich mich wieder in den kalten dunklen Gängen und die positiven Gefühle, die mich an der Oberfläche willkommen hatten, existierten hier unten nicht mehr. Ich befürchtete, wirklich auf einem Silbertablett hereingetragen zu werden. Als ich sprechen und fragen wollte, wohin wir jetzt gingen, fühlte ich einen kalten Finger auf meinen Lippen und sah in durchdringende, warnende Augen.

Richtig, nichts sagen und Respekt zeigen… das schaffe ich nicht.
 

„Ahhhh, Signor Cullen, mio amico.“
 

Wir blieben stehen und ich hörte eine klare Männerstimme aus der Nähe zu uns sprechen. Sein Akzent war so stark, dass ich seine Worte kaum auseinanderhalten konnte. Nach kurzem Zögern lief Edwin wieder los. Vielleicht hatte man gar nicht uns gemeint.
 

„Verschwinde, du störst. Wir sind nicht zu deiner Unterhaltung da.“
 

„Tu non sai quanto io desideri la tua ragazza, Cullen.“ [Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dein Mädchen will, Cullen.]
 

Abrupt blieb Edwin stehen und ich musste mich an ihm festhalten, um nicht auf den Boden zu fallen. Es war zu dunkel für mich um genaues zu sehen, aber das Licht am Ende des Ganges sorgte dafür, dass ich die Umrisse eines großen Mannes erkennen konnte. Er stand direkt neben mir und beugte sich immer mehr meinem Gesicht entgegen. Ich lehnte mich zu Edwin und stellte erschrocken fest, dass der Mann ein leuchtendes Rot als Augenfarbe hatte und lange, zurückgeflochtene blonde Haare.
 

„Nur zu, nimm sie dir, wenn du sie so sehr willst. Mal ganz davon abgesehen, dass dich eine schmerzvolle Strafe von Aro erwartet. Fass sie ruhig an, aber du kennst Jane… und du weißt, wie ich reagiere, wenn man mir meine Sachen wegnimmt.“
 

Geschockt drehte ich mein Gesicht zu Edwin und blinzelte gegen die Tränen, die aufstiegen. Wie konnte er mir das nur antun, wie konnte er so etwas sagen und mich diesem Barbaren vorservieren?
 

„Aro hat einiges Gut bei mir.“ Antwortete der Mann nun grinsend, mit fließendem amerikanischem Akzent und beäugte mich wie ein Verrückter, der sein neues Spielzeug gefunden hatte.
 

„Sie rieht köstlich. Ihr Körper ist nicht ganz nach meinem Geschmack, aber Spaß bietet er allemal. Nichtwahr, bambina? Wir werden doch Spaß haben?“
 

Zitternd schlang ich den rechten Arm um Edwins Nacken, wollte mehr Abstand zwischen mich und diesem ekelhaften Kerl bringen. Als er mir noch näher kam, drehte ich meinen Kopf von ihm weg und streifte mit dem Mund Edwins Ohr. So leise wie möglich flüsterte ich ihm zu.

„Edwin, was will der Typ?“
 

Ein lautes, schmutziges Lachen ließ mich zusammenzucken.

„Oh ja, Edwin, was will der Typ? Was mag er wohl wollen? Ich sag dir was ich will, Kleines.“

Er berührte meinen nackten Arm und Angst lähmte mich. Wie aus dem nichts hörte ich wieder das mir inzwischen bekannte, tiefe Knurren aus Edwins Brust vibrieren. Die Hand an meinem Arm verschwand sofort.
 

„James, fass sie nochmal an und ich garantiere dir, dass du deine letzen Minuten gelebt hast. Sie steht mir zu. Wenn sie nicht mehr gebraucht wird oder man eine andere Entscheidung fällt, gehört sie mir.
 

„Möchte Edwin denn seine Sängerin nicht teilen?“
 

Da ich so nah an Edwins Gesicht war, sah ich eine ganze Reihe von strahlendweißen, makellosen Zähnen, als er seinen Mund öffnete. Sie waren so gerade und fehlerfrei, dass sie künstlich wirkten.
 

„Deine kranken Spiele spiele ich nicht mit. Du weißt, dass man nur einmal, wenn überhaupt auf seinen ganz eigenen Geschmack trifft. Egal was passiert, das Mädchen stirbt nicht. Wenn sie es tut, ist es, ich wiederhole, ist es mein Blut.“
 

„Ich warne dich nur. An deiner Stelle würde ich sie nicht unbeaufsichtigt lassen.“
 

„Tu was du nicht lassen kannst. Du wirst sehen was du davon hast. Und jetzt mach den Weg frei, ich will durch.“
 

Der Mann, der scheinbar James hieß, hob in einer unschuldigen Geste die Hände hoch und zuckte mit den Schultern.

„Pardon, Edwin. Man sieht sich, Bambina.“
 

Nach wenigen Sekunden befanden wir uns vor einer schwarzen Doppeltüre.

Edwin ließ mich vorsichtig runter und nachdem er sich vergewissert hatte, dass ich auf den eigenen Beinen stehen konnte und nicht umfiel, öffnete er das Tor und streckte mir eine Hand entgegen. Unsicher schaute ich auf seine blasse Haut, bis ich begriff was er meinte und legte ganz langsam meine Hand in seine.
 

Es fühlte sich merkwürdig an, ihn freiwillig zu berühren, ohne Angst oder Zwang. Seine Hand war so kalt und hart, gleichzeitig zart und außergewöhnlich. Sie faszinierte mich, diese Hand und die seltsam straffe, seidige Marmorhaut.
 

Sobald meine Hand in seiner lag und ich das merkwürde Gefühl in meiner Handfläche in den Hintergrund meiner Gedanken geschoben hatte, führte er mich langsam durch das Tor und machte sich von mir los, um einen lockeren Arm um meine Taille zu legen. Ich fühlte mich dadurch nicht bedrängt oder belästigt, seine Haltung glich vielmehr dem eines Bodyguards.
 

Je weiter wir hineinliefen, desto mehr viel mir auf, dass mir dieser Raum bekannt vorkam. Der Einzige Unterschied zu meinem vorherigen Besuch war, dass nun finstere Nacht herrschte und nur ein paar Fackeln an den Wänden und das Mondlicht, das von oben durch die bemalten Fenster herab schien für Licht sorgten.

Das letzte Mal war ich mit einer gesunden, reiselustigen Gruppe hier gewesen.

Was war mit diesen Leuten geschehen? Aus tiefstem Inneren hoffte ich, dass das alles nur ein Missverständnis war und ich mir nur eingebildet hatte, tote Körper auf den Boden fallen zu sehen.
 

Normalerweise hätte ich vor Angst und Nervosität hier umkommen müssen, doch seltsamerweise war ich völlig nüchtern, fast schon ein wenig zu nüchtern. Als hätte man mir schwere Beruhigungsmittel verabreicht.
 

Wir hatten durch eine hintere Tür in den großen Hauptsaal betreten, die drei Throne konnte man nun von hinten sehen. Edwin machte einen großen Boden um die Throne und wir kamen in der Mitte des Saals zum stehen. Mein Blick fixierte die Marmorplatten unter meinen nackten, eiskalten Füßen.

Ich wollte nicht schon wieder an den Tod denken, der mir bevorstehen konnte.
 

Als ich diese Stille nach einigen Augenblicken des Schweigens nicht mehr ertrug, hob ich vorsichtig den Blick und schaute, die Angst in mir ignorierend, zum Hauptthron. Er war leer, sie waren alle unbesetzt.

Erleichtert, aber auch nervös darüber, was das verheißen mochte, schaute ich zu meinem Begleiter auf und sah, dass er mich eindringlich musterte.
 

„Uhm.. Edwin… wie… lange… wollen…wir…hier…stehennnn…“ meine Zähne klapperten laut, was mir zuvor gar nicht aufgefallen war.

Mir war wirklich sehr, sehr kalt. Meine Beine sahen so weiß aus wie nie zuvor, sie konnten wahrscheinlich mit Edwins Haut konkurrieren.

Edwin beugte sich zu mir und dieses Mal schien seine Augen eine dunkle Ockerfarbe angenommen zu haben. Man konnte dennoch kleine goldene Pünktchen in ihnen erkennen. Eine logische Erklärung konnte mir dafür nicht einfallen. Sicherlich machte er sich nicht die Mühe, ständig Kontaktlinsen zu wechseln und durch Farbenspiel und Illusion allein entstand solche ein verwirrender Effekt nicht.
 

Er öffnete die Lippen um etwas zu sagen, entschied sich dann aber plötzlich doch dagegen und schaute stattdessen rasch in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
 

Der Mann, den alle Aro nannten kam mit schnellen, langen und anmutigen Schritten auf uns zu. Er trug komplett schwarze Kleidung, eine schwarze Hose und ein schwarzes, langärmliges Hemd, was ihm mit seinen langen schwarzen Haaren und seiner blassen Haut einen düsteren Look verlieh. Ganz im Gegensatz zu Edwin, dessen hellere Haare ihm kein zu starkes Emo Aussehen verliehen.

Ich hatte das Gefühl, dass dieser alte Mann vor uns so etwas wie der Anführer war. Was ich von den bisherigen Informationen, die mir Edwin gegeben hatte, herausfischen konnte war, dass ich diesen Aro nicht verstimmen durfte. Das war leichter gesagt als getan, wenn man nicht wusste, was von einem erwartete wurde, konnte man schlecht absichtlich falsch handeln.
 

„Und wie ich sehe geht es unserem jungen Gast wieder besser. Das ist erfreulich, wirklich erfreulich. Wir haben noch so viel vor uns. Das wird äußerst interessant.“
 

Er betrachtete mich mit einem breiten und irgendwie wahnsinnigen Lächeln. Den Blickkontakt mit seinen rubinroten Augen konnte ich nicht lange halten und betrachtete wieder meine weißen Füße.
 

„Hast du unserem hübschen Mädchen von uns erzählt?“ fragte Aro meinen Begleiter, seinen Blick ließ er dennoch stur auf mir.

Ich hatte fast das Gefühl, dass er mich anspringen und ablecken wollte, so wie er mich beäugte.
 

„Sie weiß noch nichts. Das wird ein längeres Gespräch und ihr ging es in den letzten Tagen sehr schlecht. Ich weiß noch immer nicht, ob es eine gute Idee ist, keine richtige medizinische Versorgung durchzuführen. Ich scheine ihr ziemlich stark auf den Kopf geschlagen zu haben.“
 

Aro lachte laut und schrill, ich zwang mich, mir nicht die Ohren zuzuhalten.

„Mein Lieber, wir wissen nicht, ob sie davor nicht auch verwirrt gewesen ist. Wie ist denn dein Name, dolcetta?“
 

„Sie nennt sich Bella.“ Antwortete Edwin für mich, der wohl sah, dass ich nur mit den Zähnen klappern konnte.
 

Aro schien meinen Namen amüsant zu finden.

„Na also. Wenn das nicht mal ein passender Name ist. Bella, wie alt bist du?“
 

„Sieb… ze-hn.“
 

Mein Gegenüber überlegte kurz, schaute dann zum ersten Mal von mir weg und nahm mit seinen roten Augen Edwins braune gefangen.
 

„Sie sieht jünger aus als sie wirklich ist. 17 ist gut. Edward, du wirst vorerst an keinen Missionen mehr teilnehmen und dich stattdessen um dieses entzückende Geschöpf kümmern. Dein Durst bereitet mir bedenken, aber ich glaube an deine Fähigkeiten. Niemand war solange unter Menschen wie du. Jeder andere hier hätte sie schon längst getötet und das muss auf jeden Fall verhindert werden. Seit fünfhundert Jahren hat sich uns solch eine Gelegenheit nicht ergeben. Wenn die Zeit gekommen ist werde ich unsere Bella aufnehmen.“
 

„Persönlich?“ fragte Edwin… oder hieß er etwa Edward?

Aro begann zu grinsen und verengte leicht die Augen.

„Kann ich sonst jemandem einen Biss zumuten?“
 

Edwin schüttelte den Kopf und als ich zu ihm aufschaute, sah er gequält aus. Seine Nasenflügel bebten und seine Lippen waren so hart aufeinander gepresst, dass es sicher wehtun musste.
 

„Ich weiß, dass ich dir keine leichte Aufgabe erteile. Sie ist deine Sängerin. Ich würde dir ihr Blut wirklich gerne geben und ich bewundere deine Stärke, doch ihre mögliche Gabe ist von größerer Bedeutung.“
 

Wie aus dem Nichts hielt Aro plötzlich Edwins Hand in seiner.

„Du machst deinem Vater alle Ehre. Als ich damals meinen Sänger traf, nun ja, ich habe mich von nichts aufhalten lassen.“
 

Es schien eine unausgesprochene Unterhaltung zu folgen, bei der ich nur verwirrt hin und her schauen konnte. Was meinte er mit Biss und Durst? Und ob ich singen konnte oder nicht, das wussten diese Menschen doch gar nicht.
 

Nachdem Aro seine Hand losgelassen hatte, drehte er sich wieder zu mir.

„Bella, weißt du, wie alt diese Stadt hier ist?“
 

Ich konnte nur den Kopf schütteln.
 

„Fast 3000 Jahre alt. Meine Brüder uns ich, wir gehören zu den Gründern dieser Stadt. Wir haben sie aufgebaut und verteidigt und letztendlich beschlossen, uns dauerhaft hier niederzulassen. Auf diesem Boden stand noch kein Mensch so lange wie du.“
 

Die Verwirrung musste nur zu deutlich auf meinem Gesicht zu sehen sein, denn er fuhr mit seinem Märchen fort.
 

„Ich bin wahrlich nicht mehr jung, wenn man es genau nimmt bin ich 300 Jahre älter als Volterra.“
 

Er erschreckte mich, das war mir auch anzuerkennen, doch sollte ich ihn bis jetzt nicht für gänzlich durchgeknallt gehalten haben, dann änderte sich meine Meinung mit seiner lächerlichen Äußerung gewaltig.

Er glaubte, 3000 Jahre alt zu sein. Und all diese Menschen hier standen ihm und seinem Wahnsinn bei.
 

„Bella.“ Aro nahm meine zitternden, eiskalten Hände in seine und hätte ich genug Kraft gehabt, hätte ich mich von ihm loszureißen versucht.

Er war so verdammt kalt, als würde man mir Eisbrocken an die Haut halten.
 

„Edward hier wird von nun an für die nächste Zeit dein Berater, und wenn man es genau nimmt, auch dein Beschützer sein. Wenn du nicht von meinen Brüdern hier getötet werden möchtest, solltest du auf ihn hören und ihm nicht widersprechen.“
 

„Waaa…“ begann ich und sah, dass Aro geduldig wartete, dass ich zu Ende stotterte.
 

„Warum bin… ich…“
 

„Warum du hier bist?“ riet er und ließ meine Hände los, nachdem ich genickt hatte.
 

„Weil du eine von uns werden wirst, meine Liebe. Wir halten ein, zweimal während eines Jahrhunderts Menschen, doch sie erweisen sich nicht als würdig, ein Teil von uns zu werden. Ich sammle keine wilden Neugeborenen, ich möchte die Stärksten der Starken, die Besten der Besten. In dir liegt viel Potential, mehr als ich es bei sonst einem Menschen gesehen habe.“
 

Ein Teil von ihnen werden… was sollte ich mir darunter vorstellen? Mein erster Gedanke war, nicht sterben zu müssen. Was immer es auch bedeutete, zu diesen Leuten zu gehören, es konnte nicht schlimmer sein als der Tod. Man würde mich sicher keiner Gehirnwäsche unterziehen.

Doch was meinte er unter Potential? An mir war nichts besonders, es gab so viele begabte, außerordentliche Menschen. Isabella Swan gehörte nicht dazu.
 

„Wo soll ich sie unterbringen? James hat Interesse an ihr gezeigt und ich habe in den Gedanken manch anderer Vorstellungen gesehen, die nicht tolerierbar sind. Wenn sie so lange überleben soll, brauchen wir eine… menschenfreundliche Unterkunft.“
 

„Du möchtest nicht, dass sie in ein normales Zimmer kommt?“
 

Edward überlegte.

„Sie sind zu kalt. Es gibt keine Fenster und an manchen Tagen ist der Sauerstoff knapp.“
 

Aro schmunzelte, während Edward sehr überzeugt klang und ihm scheinbar wichtig war, in was für einem Zimmer ich gefangen gehalten werden würde.
 

„Vielleicht eines der Turmzimmer?“ schlug mein Begleiter vor.
 

Aro schüttelte den Kopf.

„Nein, nein. Noch können wir ihr nicht trauen. Wenn ich gesehen habe wie sie sich durchschlägt, überlege ich es mir. Mir ist nicht wohl dabei, ihr ein Zimmer zu geben, von dem sie womöglich Signale geben kann. Der Turm bietet eine wunderbare Aussicht auf den Marktplatz. Das ist zu riskant. Wir haben gesehen, was unsere Bella vor nicht einer Stunde dummerweise versucht hat, nicht wahr?“
 

„Da ist was dran.“
 

Gerade als ich zu Edward hochschaute, um seinen Gesichtsausdruck zu sehen, schaute auch er zu mir und für einen langen Augenblick konnten wir unsere Blicke nicht voneinander lösen. Seine Augen spiegelten so viele Gefühle wieder, dass ich nicht deuten konnten, ob sie positiv oder negativ waren und ob auch nur die kleinste Möglichkeit bestand, Vertrauen zu ihm aufzubauen.

Denn wie es aussah würden wir die nächste Zeit oft zusammen sein.
 

„Meine jungen Freunde, ich werde mich jetzt zurückziehen. Edward, ich lasse dich rufen, wenn ich über die Fortschritte erfahren möchte. Ich habe vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten. Mache dir um James oder die anderen keine Sorgen, ich werde sie ein letztes Mal warnen. Und Bella…“
 

Aro hielt plötzlich meine Hand wieder in den seinen und fuhr mit den Fingern über meine Haut. Es war nur ganz leicht, dennoch fühlte es sich durch die Kälte an wie ein Messerschnitt.

„Ich erwarte bestes Benehmen. Enttäusche mich nicht.“
 

Nachdem Aro den Saal verlassen hatte, wagte ich es wieder auszuatmen. Ich war den Tränen nahe. Alles war verwirrend, ich begriff rein gar nichts von dem, was hier vorhing.

Mit den Fingern wischte ich mir hastig die Tränen weg, doch die peinlichen Geräusche konnte ich dadurch trotzdem nicht zurückhalten.
 

„Ich verstehe nicht.“ Schluchzte ich in meine Arme hinein.

„Was wollt ihr denn von mir? Was hab ich dir und diesen Leuten angetan? Ich wollte doch nur eine Reise machen… und jetzt bin ich eine Gefangene und weiß nicht, was man mit mir machen wird.“
 

Noch mitten im Schluchzen wurde ich hochgehoben. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und drückte mein verweintes Gesicht auf sein T-Shirt. Wenigstens roch er gut.

Er roch sogar sehr gut. Es war ein komischer Duft, beruhigend und fast schon betäubend. Ich atmete schnell und tief ein, um den ekelhaften, kalten, sterilen und steinigen Geruch dieses Raumes durch den zarten, beruhigenden Duft zu ersetzen. Für einen Mann roch er seltsam blumig und süß.
 

„Es wird alles gut. Ich werde dir alles erklären, Bella.“
 

Als ich wieder zu mir kam, fühlte es sich so an, als hätte ich lange geschlafen. Ich bewegte meine steifen Arme und Beine, machte mich auf das unangenehme Gefühl des Steinbodens gefasst… doch er kam nicht. Dieses Mal lag ich tatsächlich auf etwas weichem, nicht nur einem Lacken, sondern einer Matratze.
 

Nachdem ich mehrmals geblinzelt und gewartet hatte, bis sich mein Kopf nicht mehr drehte, richtete ich mich etwas auf und schaute mich um, um zu sehen wo ich mich befand.

Eine einzige Glühbirne an der Decke erhellte ein großes Zimmer. Ich lag auf einer Couch, auf den etwa zwei Personen sitzen konnten, nicht besonders groß, aber um Welten bequemer als der Boden. Neben mir befand sich ein kleiner, niedriger Tisch, auf dem ein verpacktes Sandwich und eine Flasche Wasser stand. Bei genauem betrachten erkannte ich Regale, vollbepackt mit Büchern und einen großen Schrank am anderen Ende des Raumes, der höchstwahrscheinlich Kleidung verstaute. Der Boden war aus demselben Marmor, wie scheinbar auch jeder andere Winkel dieses Schlosses. Ich trug noch immer meine Shorts und mein Top, um mich war eine dicke Wolldecke geschlungen.
 

Achtsam setzte ich mich auf, griff nach der Flasche und trank einen Schluck Wasser, bevor ich das Brötchen auspackte und einen kleinen Biss nahm.

Als ich mich gestärkt genug fühlte, stand ich auf, schlang die Decke um mich und lief orientierungslos im Zimmer herum. Für ihre Größe war dieser Raum zu leer und dekorationslos. Auf den ersten Blick wirkte es mehr wie ein Klosterzimmer, wie die Behausung eines Menschen, der in Abstinenz lebte. So stellte ich mir das Zimmer eines Mönches vor.
 

Die Bücher auf den Regalen waren fast alle auf Italienisch, deshalb konnte ich nicht viel damit anfangen. Die wenigen englischen Titel, die hervorstachen, waren Geschichtsbücher, die aussahen, als wären sie ein paar Jahrhunderte alt.
 

Die Gesamtausstrahlung war ordentlich, sauber und aufgeräumt, aber auch sehr, sehr kalt und leblos.

Hier schien jemand in Enthaltsamkeit zu leben. So ein trostloses Zimmer würde mich auf Dauer wahnsinnig machen. Der Kleiderschrank befand sich am Ende des Zimmers, etwa fünf Meter hinter der Couch, auf der ich aufgewacht war. In die Nähe der Zimmertüre, die mich in die Freiheit oder in mein Verderben stürzen würde wenn ich sie öffnete, ging ich nicht und hielt einen gesunden Abstand.
 

Stattdessen öffnete ich die Schranktüren und sah wie erwartet viele Kleidungsstücke, die ich allerdings nicht deutlich erkennen konnte, dafür war das Licht in diesem Zimmer zu schwach. Die Türen wieder schließend, drehte ich mich um und lief zur Couch zurück.
 

Mir fiel so etwas wie ein Schaukelstuhl neben der Couch auf. Man konnte wenig erkennen, da das Lämpchen die Ecke, in der er stand, kaum beleuchtete. Die gebogenen Kufen des Holzstuhls kamen mir bekannt vor, sie glichen einem Stuhl, den ich als kleines Mädchen besessen hatte. Sehnsüchtig lief ich hin und wollte mich gerade hinsetzten, als ich eine Hand auf meinem Rücken spürte.
 

„Warte.“ Hörte ich Edwards Stimme hinter mir sagen.
 

Ich erstarrte und war nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen, war geschockt, dass ich ihn auf dem Stuhl nicht gesehen hatte. Er war so still und unvorhersehbar.
 

Starke Arme schoben mich leicht zur Seite. Edward stand auf und drückte mich dann auf den Stuhl. Ungeschickt ließ ich mich darauf fallen und meine Decke rutschte mir dabei runter. Bevor ich danach greifen konnte, hatte er sie mir schon wieder umgelegt.
 

„Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Sagte er leise und setzte sich auf die Couch.

Von dem Schaukelstuhl aus hatte man perfekte Sicht darauf. Mir wurde unwohl, als mir bewusst wurde, dass er mich die ganze Zeit über hatte beobachten können.
 

Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, schaute ich ihn richtig an. Er sah… unglaublich normal aus. Sein dunkelgrünes T-Shirt und blaue Jeans ließen ihn wie einen Teenager erscheinen. Sein Gesicht war noch immer ungesund weiß und jetzt, wo ich seinen Hals und den Anfang seiner Brust sehen konnte stellte ich fest, dass er überall blass und muskulös war.

Er trug, genau wie ich, keine Schuhe und war barfuß. Ich zwang mich, nicht so auffällig auf ihn zu starren, doch das fiel mir sehr schwer. So sehr ich das nicht zugeben wollte, es war unbestreitbar, dass er gutaussehend war.
 

Schnell schüttelte ich diesen dummen Gedanken ab. Dieser Mann hier war kein Teenager und er war ganz sicher nicht gutaussehend. Ich war nur gerade dabei, dem Stockholm- Syndrom zu verfallen und suche mir ausreden, um meine Entführer sympathisch zu finden.
 

Seine Hände lagen auf seinen Knien und ich folgte seinen Fingern, als sie nach oben wanderten und in seine Jeanstasche griffen. Er zückte ein kleines schwarzes Heftchen hervor, seine weißen Finger bildeten einen besonders deutlichen Kontrast.
 

„Isabella Swan.“ Sagte er leise und überraschte mich.

Bei dem kleinen Heftchen handelte es sich um meinen Reisepass und mein Herz begann einen kleinen Tick schneller zu schlagen.
 

Mir klappte der Mund auf, als er mir seine große weiße Hand entgegenstreckte.
 

„Mein Name ist Edward Masen.“
 

Ich starrte ihn weiterhin mit offenem Mund an und schloss ihn erst, als er mir in die Augen schaute. Sie waren hell, sehr hell, fast schon gelb. Meine Finger zuckten, ich wollte die Hand, die er mir entgegenstreckte berühren und seiner Geste entgegenkommen.
 

Vorsichtig hob ich meine rechte Hand und berührte seine, ignorierte den Stromschlag, der durch mich hindurch zuckte.
 

„Ich schulde dir einige Erklärungen. Bevor ich anfange solltest du wissen, dass ich kein Menschenfresser bin. Ich ernähre mich nicht von Menschen, ich jage Tiere. Ich bin Vegetarier.“
 

Er klang so freundlich und professionell, dass ich mich fragte, ob das derselbe Mann war, der mich herumgezerrt und der mir gedroht hatte. Dennoch wollte ich ihn korrigieren und ihm sagen, dass man kein Vegetarier war, wenn man Fleisch aß. Er schien etwas durcheinander zu bringen.

Vielleicht ist er doch verrückt. Kein gesunder schließt sich so einer Sekte an.
 

„Was bist du dann?“ Es ging nicht anders, ich musste das fragen.

Natürlich war er ein Mensch, etwas anderes war gar nicht möglich, dennoch wollte ich wissen, als was sich diese Leute hier ausgaben.
 

„Ein Vampir.“ Antwortete er.
 

Er war also doch verrückt.
 


 

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Renesmee-Bella
2010-08-10T10:56:44+00:00 10.08.2010 12:56
Super Kapitel,
Warum hat er sich Masen genannt und die anderen Cullen alle, schon komisch.

cu R.-Bella
Von: abgemeldet
2010-05-14T21:55:16+00:00 14.05.2010 23:55
Heii !
*hat's auch mal wieder geschafft*
Dieses Kapitel war sehr schön. ;)
Ich finde das sehr interessant, man nennt Edward unter den Volturi noch "Cullen" , er selbst nennt sich "Masen". Wirklich äußerst interessant.
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung!
LG, Kiara
Von: abgemeldet
2010-05-13T12:36:35+00:00 13.05.2010 14:36
Hab grad gesehen, dass du mit deiner neuen Geschichte weitergemacht hast. *jeeeyyy*
Die beiden neuen Kaps waren toll!! Besonders das letzte - Edwin! *lach*
Bin schon gespannt wie's weiter geht, anscheinend wird Bella ja jetzt erst mal längere Zeit bei ihm wohnen...
^,^

*knuff*
Von: abgemeldet
2010-05-11T15:32:48+00:00 11.05.2010 17:32
ich fand das kap echt super, vor allem die wandlung zum schluss...
mal schaun wie sich das entwickelt!

einfach super!

lg
heartly
Von: abgemeldet
2010-05-10T17:59:39+00:00 10.05.2010 19:59
ohh schade, dass das kap wieder vorbei ist.
ich liebe deine geschichten zu lesen...
Von: abgemeldet
2010-05-09T20:10:26+00:00 09.05.2010 22:10
WOW ... Deine FF ist GENIAL! Bitte schreib schnell weiter ;-)


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