Zum Inhalt der Seite

You keep me alive

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nightmare

----------------------------------------------------------
 

Kapitel 1: Nightmare
 

„Bella, du musst das nicht tun.“ Wiederholte meine Mutter schon zum hundertsten mal und doch wusste ich, dass sie es nicht so meinte. Ihr neuer Verlobter Phil war Baseballspieler, zwar nur zweite Liga, aber sie würde von nun an mit ihm umherreisen. Da war eine Tochter nun mal eine Last und es gab nichts, was ich mehr hasste als anderen Leuten eine Last zu sein. Mein künftiger Alltag war schon so gut wie geregelt, meine Papiere eingewiesen, ab September würde ich die High School in Forks besuchen, eine kleine Stadt mit erschreckend geringer Einwohnerzahl und weniger Schülern insgesamt, als allein in meinem Jahrgang in Phönix waren. Um mich aufzuheitern und mich auf andere Gedanken zu bringen, schenkte sie mir eine Reise nach Europa. Ich wurde immer schnell Müde, doch während Reisen verhielt sich mein Körper anders, besonders wenn es eine sonnige Reise war und nicht in das verregnete Exil im Nordwesten der Staaten ging.

Viele Fotos hatte ich mit meiner Kamera geschossen und sie dabei zum ersten mal richtig eingesetzt, in Phönix hatte ich nichts als einen Anlass angesehen, Fotos zu machen. Vielleicht hätte ich zum Abschied doch Bilder von meinem Leben aufnehmen sollen. Im Nachhinein bereute ich meine Gleichgültigkeit.
 

Die Reiseorganisation mit der ich reiste war eines der größten und beliebtesten, das es überhaupt gab. Dazu kamen noch die günstigen Preise und der Komfort, den das Programm zu bieten hatte. Vier Tage Besichtigung und Übernachtung in Rom, Ein Tag in Florenz, ein Ausflug nach Pisa, Cascina, San Miniato und weiteren kleinen, historischen Städten, deren Namen mir nicht mehr einfallen wollten. Am Hauptplatz dieser Stadt steht der Palazzo dei Priori, der älteste Kommunalpalast der Toskana. Die Stadt wurde von einer alten Mauer umringt, die nicht mehr ganz vollständig war. Heidi hatte erzählt, dass die Bedeutung der drei Köpfe, die darauf als Emblem zu sehen war, umstritten wurde. Die Museen hatten wir noch nicht besichtigt, erst stand dieses Schloss an der Reihe.

Alles hatte mir gefallen, alles bis auf den letzten Punk auf der langen Liste. Ein besonders ängstlicher Mensch war ich nicht, eigentlich fürchtete ich nur meine Flugangst.
 

„Willkommen, ihr lieben Gäste. Willkommen in Volterra.“
 

Meine Gedanken fanden wieder in die Realität. Die Gruppe von dreiundzwanzig Touristen flüsterte untereinander fasziniert, sie waren hin und weg von dem Schauspiel, das man uns hier anbot. Die Decke war sehr hoch und verziert mit bunten, wässrigen Gläsern und das Sonnenlicht ließ dadurch die riesige Halle in verschiedenen Farben strahlen. Sechs Menschen in pechschwarzen Umhängen standen abseits von uns im Schatten, sie bewegten sich nicht, fast so als wären sie Statuen. Ihre Gesichter waren allesamt Marmorweiß und ihre Augen ein dunkles rot. Sie wirkten wie Engel und gleichzeitig verlieh ihnen die Farbe ihrer Augen etwas teuflisches, etwas, das mir die Haare zu berge stehen ließ. Mit zittrigen Beinen trat ich ganz nach vorne, wollte denjenigen sehen, der vorne die Begrüßungsrede hielt und mir blieb dabei fast die Luft weg.

Ein schwarzhaariger Mann, jung und alt, seine Haut wirkte wie durchsichtiges Papier, beinahe transparent, richtete sich langsam von seinem Thron auf und lächelte ein freundliches Lächeln. Jeweils rechts und links neben ihm saßen zwei Herren, die mindestens genauso alt aussahen, doch im Gegensatz zu ihm wirkten sie todgelangweilt. Der Linke hatte weißes, langen Haar, während der Rechte nur teilnahmslos mit seinen fast schwarzen Augen ins Leere starrte.

Ihr Schauspiel beherrschten sie gut, ohne Zweifel war das die überzeugendste Show, die ich jemals gesehen hatte.

Ich suchte nach meiner Freundin, die ich währen des langen Fluges kennen gelernt hatte und stellte im selben Augenblick erschrocken fest, dass noch mehr von den Umhüllten Gestalten sich hier in der großen Halle versammelt hatten. Sie wirkten friedlich, träge, erschreckend geheimnisvoll und noch immer angsteinflößend. Mit dem Händerücken wischte ich mir den kalten Angstschweiß von der Stirn und sagte mir, dass es keinen Grund zur Panik gäbe.
 

Ich löste meinen Blick von den drei großen, die hier wohl die Könige symbolisierten und starrte unbeabsichtigt in das perlweise Gesicht eines großen, muskulösen Mannes, der ebenfalls seine graue Kapuze abgenommen hatte. Plötzlich grinste er breit, eine Reihe strahlend weißer Zähne kam zum Vorschein und als er auch noch zwinkerte, wich sämtliche Farbe aus meinem Gesicht. Mein Herz überschlug sich fast, solche Angst jagten mir diese kostümierten mit erstaunlich guten Schauspieltalent ein. Ich war einfach nur peinlich. Sich wegen einer Show so zu erschrecken passte nicht zu einem fast erwachsenen Teenager.
 

Wieder drehte ich mich im Kreis und hielt Ausschau nach bekannten Gesichtern meiner Gruppe, so schwer konnte es doch nicht sein, sie zu finden. Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass ich nicht mehr die einzige meiner Reisegruppe war, die sich sonderbar benahm und der ganzen Sache misstraute.

Einige der Menschen hatten sich in kleine Gruppen zusammengeschlossen und beäugten ihre Umgebung und das Schauspiel skeptisch, andere wirkten ebenso blass wie ich.

Ich sah, wie Heidi als letzte nun endlich durch das Tor schritt und dabei war, die Türen hinter sich zu schließen. Gleich würde die Führung starten und sie würde uns die Geschichte dieser Burg erzählen.
 

Ich sagte mir erneut, dass alles in Ordnung war und drehte mich mit einem aufgesetzten freundlichen Lächeln und pochendem Herzen zu dem Mann mittleren Alters, der den Anführer symbolisierte, um.

„Entschuldigung?“ fragte ich in höflichem Ton und auf englisch, in der Hoffnung, er würde mich verstehen. Fast schon sehnsüchtig starrte er auf Heidi, und für einen Bruchteil einer Sekunde huschten seine Augen zu mir.

„Wie lange dauert die Führung noch?“

Doch er antwortete nicht, ich versuchte mich nicht gekränkt zu fühlen, vielleicht gehörte das einfach nur Show, oder er verstand schlicht und einfach nicht meine Sprache.
 

Es kicherte neben ihm, ein sonderbares Kichern, so schön wie Glockenklang. Ein kleines Mädchen, höchsten zwölf oder dreizehn, strahlte über ihr engelsgleiches, weißes Gesicht. Noch nie hatte ich ein hübscheres Kind gesehen, sie glich einem Engel, durch und durch. Ihre dunkelroten Augen glänzten durch die Farben, die von oben herab schienen. Sie machte mir Angst, doch ich lächelte ihr schüchtern entgegen, als Zeichen dafür, dass ich ihre Schauspielkünste bewunderte. Wenn Kinder hier anwesend waren, konnte das alles nicht so ernst und angsteinflößend sein, ich war einfach nur Paranoid.
 

Mein Lächeln allerdings schien sie zu verunsichern, fast schon wütend zu machen. Unter ihrem zornigen Blick und der teuflischen Augenfarbe zuckte ich kurz zusammen.

Was dachte sich dieses Mädchen eigentlich? Was fiel ihr ein, so respektlos zu sein?

Egal aus welchem Stand oder welcher Herkunft, niemand sollte einen Mitmenschen, dazu noch einen Fremden, den man gar nicht kannte, so abstoßend anschauen. Als wäre ich ein Stück Dreck verzog sie die Nase und bleckte ihre Zähne. Sie musste den verstand verloren haben, oder sie hatte eine sonderbare Erziehung genossen und man hatte ihr nicht beigebracht, wie man sich unter den normalen Menschen verständigte.

Ihr verhalten war einfach nicht normal, widerlich. Ich glaubte sogar, ein Fauchen von ihr gehört zu haben, ein Knurren, das unmöglich von so einem kleinen Geschöpf stammen konnte.

Das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Also starrte ich ebenso finster in ihre roten Kontaktlinsen und verzog das Gesicht. Ha, das hatte bestimmt noch niemand gemacht.
 

„Jane, liebes?“ fragte der König mit transparenter Gesichtsmaske und schaute neugierig zu dem kleinen Engel.

„Ich will die da, Meister Aro, ich will die. Sie ist nicht normal.“ Antwortete die Kleine und ihre Stimme klang so hoch, schrill und gleichzeitig sanft, dass ich mich ein weiteres mal erschreckte.

„Wer ist hier nicht normal?“ grummelte ich und schaute besonders finster zu dem alten Mann, der ungläubig den Kopf schüttelte und seine weiße Hand, die so aussah, als würde sie jeden Augenblick auseinanderfallen, tröstend auf die Schulter des Mädchens legte.

„Gleich, gedulde dich noch einen Augenblick.“

So viel Autorität, so viel Macht. Allmählich zweifelte ich daran, ob das alles wirklich nur ein Schauspiel war.

Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf meine Reiseführerin, die graziös durch die Menschenmasse glitt und sich höflich vor dem König verbeugte. Sie gehörte also auch hierher, das passte zusammen. Ihre Schönheit stach unter uns Touristen hervor, doch hier unter ihresgleichen wirkte sie nicht auffallend.
 

„Meister, gibt es ein Problem, oder weshalb habt ihr das Mahl noch nicht eröffnen lassen?“
 

Neugierig trat ich winzige kleine Schritte auf die Schauspieler zu, ich wollte keine Geräusche verursachen und damit ihr Werk unterbrechen. Es war nur so schwer, ihren leisen Stimmen zuzuhören.

Plötzlich schellte der Kopf des alten Mannes zu mir, es sah so aus, als würde er mich zum ersten mal bewusst anschauen. Seine Hand ruhte noch immer auf der Schulter des wütenden Engels, deren Verhalten mich eher an eine Hexe erinnerte. Mit teuflischen Augen durchbohrte sie mich, nur mich, wie ich verbittert feststellte. Selbst Heidi schaute mich an und wartete geduldig.
 

Adrenalin peitschte durch meine Adern, als der König mich mit seinen rubinroten Augen, auf denen ein milchiger Schleier lag, nachdenklich beäugte.

Ein lautes Knurren drang zu mir von allem Seiten, einige Menschen schrien bei dem animalischen Raubtiergeräusch erschrocken auf.
 

Spätestens in diesem Augenblick wurde mir endgültig klar, dass das hier kein Spiel war. Es war eine Falle, irgendetwas würde hier geschehen. Verängstigt schlang ich meine Arme um meine Brust und konzentrierte mich auf mein regelmäßiges Atmen. Eine Woche vor meiner Abreise hatte mich eine schwere Grippe geplagt und ich hatte Angst, durch den Temperaturunterschied hier in der Halle und der prallen Sonne, die oben auf mich wartete, einen Rückanfall zu bekommen.
 

Aro ließ seine Hände solange in der Luft, bis alle merkwürdigen Geräusche verstummten.
 

„Wartet, wartet, habt etwas Geduld. Mir scheint, es hat sich etwas äußerst interessantes in unseren Fang geschlichen.“ Und wieder musterte er mich mit den trüben Augen voller Interesse.

„Würde es dir etwas ausmachen näher zu schreiten, meine Liebe?“
 

Ich schaute mich panisch um, suchte diejenige, die er gemeint hatte, aber außer mir war niemand hier. Die anderen Mädchen in meinem alter standen in einem Kreis zusammen und unterhielten sich lautstark über die tolle Theateraufführung, die uns geboten wurde. Mir wurde schlecht, aber nicht aus Übelkeit, sondern aus Angst.

Der Mann meinte mich. Was wollte er von mir, warum sollte ich näher kommen?

Mechanisch schüttelte ich den Kopf.

„Oh. Schade. Dir tue ich kein Leid an, magst du dich wirklich nicht hertrauen?“

Weder Kopfschütteln. Er sollte mir bloß fern bleiben und eine andere aus dem Publikum suchen.
 

„Was ist los? Warum fangen wir nicht an?“ beschwerte sich der große weißhaarige auf dem Linken Thron und schaute abwertend auf die Touristen.
 

„Aber Caius, merkst du denn nicht, was für eine Blüte in unsere Reihen gefunden hat?“ Aro lachte, dann machte er einen Schritt, oder tat zumindest so, ich konnte seine Füße unter dem dunklen Umhang nicht erkennen. Dann war er blitzartig vor mir, ich hatte ihn nicht kommen sehen. Die Menschen schlossen sich misstrauisch zusammen, einige Männer redeten auf Heidi ein, andere liefen zur Türe, sie hatten eindeutig auch genug.
 

Doch bevor er seine Hand an den Griff des Tores legen konnte, blockierte eine verschleierter Mann seinen Weg. Von einer Sekunde auf die andere war er dort erschienen, wie aus dem nichts aufgetaucht, und ich hatte den Verstand verloren. Es gab nicht die nötige Kulisse für solche Spezialeffekte, das ganze war völlig unmöglich, einfach lächerlich. Meine Augen mussten mir einen fiesen Streich spielen.

Mit erstarrtem Hals schluckte ich den aufgeblähten Klos hinunter, denn wie es aussah, wollte mich der König nicht in Ruhe lassen. Das Gemurmel der Menschen wurde Lauter und ich spürte, wie die schwarzen Gestalten ungeduldig wurden.
 

„Dürfte ich deine Hand berühren?“ fragte Aro höflich und geheimnisvoll.

Ich zögerte, unschlüssig, wie ich mich entscheiden sollte. Hatte ich überhaupt eine Wahl? Was konnte er mir schon antun, er wollte aus irgendeinem Grund nur meine Hand anfassen. Zitternd streckte ich meine etwas aus und legte sie auf seine ausgestreckte Handfläche. Es fühlte sich nach kaltem Marmor an, als hätte ich keinen Menschen, sondern den glatten Boden berührt. Aus Neugier hätte ich gerne an der transparenten Haut gezogen, um zu sehen, ob die Maske abfallen würde, aber der Schrecken schien sich in meinen Fingern festgefroren zu haben.

„Das ist nicht zu glauben.“ Jubelte er plötzlich und hob beide langen, zerbrechlichen Hände hoch in die Luft.
 

Toby, ein dreijähriger Junge, hatte sich gestern das Knie aufgeschlürft und stolperte nun über seine kleinen Beine, dabei begann sein ohnehin verletztes Knie begann zu bluten.

Da hörte ich es zum ersten mal.

Ein ohrenbetäubendes Grollen, ein bestialisches Schnauben. Hinter mir schrie eine Frau, es war ein entsetzlicher Schrei. Alarmiert taumelte Rückwärts, bis in die Knochen erschrocken. Es war ein Todesschrei, ein verzweifelter Ruf nach Hilfe.

Die Umhüllten schmissen sich auf die Menschen, zogen sie an ihre Körper, alles passierte so schnell, dass sie keine zeit hatten sich zu wehren. Ich sah, wie ihre Körper zappelten, aus Erschrockenheit und Verwirrung, und im nächsten Augenblick regten sie sich nicht mehr.
 

Blut breitete sich auf dem weißen Boden aus, viel Blut, mehr, als ich jemals gesehen hatte. Jetzt war ich die einzige, die noch schreien konnte. Meine Augen sahen was vor ihnen geschah, doch ich konnte das, was sich abspielte, keiner Logik zuordnen. Nichts war vergleichbar, nie hatte ich etwas ähnliches in den widerlichsten Horrorfilmen gesehen. Monster, das waren Monster, Dämonen, Teufel, alles in einem, aber keine Menschen. Ich taumelte nach hinten, wusste nicht wohin ich sollte, die Erkenntnis, jeden Augenblick auf diese abartige Art und Weise getötet zu werden, sickerte in mein Kopf.
 

Das war so widerlich, dass ich mich übergeben wollte, ich spürte, wie sich die Wände zu drehen begannen, wie meine Lungen die Luftzufuhr verweigerten. Der alte Mann beugte sich zu mir, mein Bewusstsein registrierte, dass sein Gesichtsausdruck äußerste Unzufriedenheit zeigte. Ich schloss die Augen, kniete mich auf den Boden und legte mir die Arme über den Kopf. Ein Albtraum, ein abscheulicher, widerlicher Albtraum, den ich niemals mehr vergessen konnte.

Zahlreiche Bilder, die ich in den vergangenen Sekunden gesehen hatte, drehten sich in meinem Kopf, sie würden mir erst später richtig bewusst werden. Später? Es gab doch kein später, kein naher, kein morgen. Ich würde hier und jetzt sterben, zwischen diesen wilden Dämonen, die sich über Blut hermachen, Menschen aussaugten, sie bissen. Das alles war unrealistisch, gegen alle Gesetze dieser Welt, gegen alle Menschenrechte, gegen jede Vernunft. Um mich herum wurde es lauter, es wurde geknurrt und geschlagen und mit jedem dieser widerliche Laute fühlte ich die Übelkeit in mir aufsteigen. So klein wie ich mich nur zusammenrollen konnte kroch ich hinter einen der leeren Throne, doch keine Sekunde glaubte ich daran, dem Tod irgendwie zu entkommen.

Ich wagte es nicht die Augen zu öffnen, ich wagte es nicht zu atmen, ich wollte keine Schmerzen. Wenn es nicht zu vermeiden war, dann wollte ich schnell und schmerzlos sterben. Ich wartete auf den Angriff, den abartigen Biss, wünschte mir, dass ich mein Leben noch ein letztes mal vor meinem geistigen Auge sehen konnte. Doch das einzige, was ich sah, waren die abscheulichen Augenblicke von eben, die Hilfeschreie hatten sich in meinen Kopf eingebrannt.
 

Das war es also, so würde ich sterben. Die während einer Reise von einer psychopathischen Sekte ermordete Isabelle Swan. Ob jemals ans Licht kommen würde, wie ich gestorben war? Oder würde ich monatelang gesucht werden und schließlich in Vergessenheit geraten? Ich hoffte, dass wenigstens ein paar meiner Gruppe dieses Blutbad überlebten, möglicherweise würden sie die Kinder und Babys verschonen und sich mit uns zufrieden geben.

Ich dachte an den kleinen Toby und fühlte, wie sich meine Hände zu festen Fäusten ballten. Was tat ich hier eigentlich, warum kämpfte ich nicht um die anderen? War ich so feige, dass ich freiwillig den Tod wählte, anstatt mich zu wehren?
 

Es wurde erschreckend leise und diese Veränderung jagte eine neue, zweite Angst durch meinen Körper. Mein ersticktes Keuchen und rangen nach Luft hallte in der Halle umher, als wäre ich die einzig Anwesende. Minutenlang versuchte ich, meine Atmung in den Griff zu bekommen, mich aufzurichten, aber alles an mir war versteift. Der Thron hatte auf der Rückseite einen winzigen Hohlraum und genau da hatte ich mich, so gut es ging, reingezwungen.
 

Ein beängstigendes Rauschen begann in meinen Ohren. Warum lebte ich noch? Warum hatte man mich verschont? Oder war ich eine Art von Nachtisch? Ich versuchte mich zu besinnen, was man in solchen Augenblicken unternehmen sollte. Auf den Boden legen und so tun, als wäre man gestorben? Flehen und betteln, mich am leben zu lassen? Zitternd richtete ich mich auf und sah, wie etwas dunkles meine Sicht bedeckte. Ein schwarzer Umhang berührte mein Gesicht, irgendwer war über mir und ich hatte ihn schon wieder nicht bemerkt. Augenblicklich machte ich mich ganz klein.
 

„Ich hatte nicht angeordnet, das Mahl zu beginnen. Ihr habt unbeherrscht gehandelt und damit einen guten Plan zunichte gemacht.“ Der Meister klang aufgebracht und seine Stimme kam von ganz in der Nähe. Ihm gehörte also der schwarze Umhang, der über mir zu schweben schien.

„Das ist lächerlich, Aro. Was soll das werden, seit wann spielen wir mit unserem Essen? Wenn du sie nicht haben willst nehme ich sie, für mich riecht sie vorzüglich.“ Unverkennbar die Stimme des weißhaarigen.
 

Plötzlich ergriff etwas festes und hartes meinen Arm, so stark, dass ich kurzzeitig das Gefühl hatte, es würde brechen. Ich hatte Angst, doch war ich seltsamerweise froh endlich erlöst zu werden. Meine Beine zitterten, konnten mich nur schlecht aufrecht halten.

Jemand zerrte mich durch die Halle, mein Körper fühlte sich so schwer an wie Blei und dennoch schaffte es der alte Mann, mich ohne jegliche Anstrengung durch den Saal zu zerren. Von meiner Reisegruppe konnte ich niemanden entdecken, ich konnte nicht zuordnen, ob das gut war oder schlecht, auch die Anzahl der Sektenmitglieder hatte abgenommen.
 

Ich hörte, wie der weißhaarige am anderen Ende des Saales einen unzufriedenen Laut von sich gab, und plötzlich blieb der Schwarzhaarige, der mich in unsagbarer Geschwindigkeit zum Tor gezerrt hatte, abrupt stehen. Seine Stimme klang nüchtern.

„Aber, aber, Caius. Höre dir erst an, was mir durch den Kopf geht, ich bin mir sicher dann wirst auch du hinter meiner Entscheidung stehen. Ist das nicht wunderbar? Zugegeben, ich hatte nicht gewollt sie zu verschrecken, es mag sein, dass ich alles nun von neuem Überdenken muss. Ordne jedem unserer Brüdern und Schwestern an, diesem Menschen nichts anzutun, bis ich mich entschieden habe.“
 

„Lassen Sie mich gehen, bitte, ich schwöre ich werde nichts sagen!“
 

Das musste mein Überlebensinstinkt sein, ich wollte nicht sterben. Vorsichtig schaute ich in das weiße Gesicht des Mannes, er zog interessiert die Augenbrauen nach oben. Er wirkte ebenso teuflisch wie die anderen, doch vielleicht war er der Einzige mit dem man sich unterhalten konnte. Angst durchfloss mich mit der Erinnerung an das hübsche kleine Mädchen, welches sich auf einen der Touristen gestürzt hatte. Nein, sie hatte genau so unschuldig und sanft ausgesehen wie alle Teufel hier. Ich würde sterben, jetzt oder später, durch diesen großen schwarzen Mann oder durch die kleine Hexe.
 

„Verzeih mir diese unangenehme Situation. Manchen von uns fällt es noch immer schwer, sich zu bezwingen, den heutigen Tag haben wir schon lang hervorgesehnt und meine Brüder konnten nicht verstehen, weshalb ich dich erst hier rausbringen wollte. Wirst du mir deinen Namen nennen?“

Ich erschauderte. Warum wollte er die Name seiner Opfer wissen, führte er womöglich eine Liste? Wie krank und psychisch gestört waren diese Menschen hier eigentlich? Mit meiner freien Hand umschloss ich meinen Mund, damit das Schluchzen nicht zu laut wurde.
 

„Dir wird nichts passieren.“ Versicherte er, doch ich konnte die Gleichgültigkeit in seinem Blick sehen. Es war ihm egal, wenn ich Schmerzen empfand oder Todesangst hatte. Er wollte mich aus irgendeinem unerklärlichen Grund noch eine Weile am Leben lassen, vielleicht um mich zu foltern oder zu mästen, damit er später mehr zum aussaugen hatte. Blut. Blut. Fest presste ich meine Hand gegen meinen Mund, als ich mich an den widerlichen Geruch erinnerte und die Übelkeit wieder aufstieg.
 

Das Tor ging auf und jemand trat ein, ich starrte gebannt darauf, hoffte, dass mich der alte Man loslassen würde, damit ich entkommen konnte. Aber er hatte mir gezeigt, wie schnell er war und meine Beine waren jetzt noch träger als sonst. Nicht einmal bis zu Türe würde ich es schaffen, ohne aufgehalten zu werden.

„Edward!“ freute sich Aro und die eiserne Fessel um meinen Arm gab mich frei, ich holperte nach vorne, jauste nach Sauerstoff und stolperte dem wieder zufallenden Tor entgegen.

Nur noch drei Meter und ich würde es erreichen. Nur noch ein bisschen und der Weg würde freistehen. Ich rannte, setzte meine gesamte übrig gebliebene Energie in meine Beine, doch jeder einzelne Schritt war eine Qual. Ich war langsam, so langsam, dass es mir zum Verhängnis werden würde. Als ich unerwarteter Weise das Tor erreichte, fiel es gerade vor meinen Augen zu und ich fühlte die Tränen in meinen trockenen Augen aufsteigen.

Ich rüttelte, zerrte an der Türe, doch sie ging nicht auf, ich schrie und hämmerte darauf ein, doch nichts geschah. Am Rande meiner Angst spürte ich die Schmerzen, die meine Fäuste durchzuckten, da ich immer und immer wieder auf die eiserne Türe einhämmerte. Mein Hals kratzte, ich schrie, während immer mehr warme Tränen sich ihren Weg über mein Gesicht suchten.
 

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte der Fremde, den Aro Edward genannt hatte und als ich meinen Kopf leicht zu der Stimme drehte sah ich, dass er noch immer dicht neben dem Tor stand.

Da er seine graue Kapuze abgenommen hatte, konnte ich das unnatürlich blasses Gesicht sehen, er strahlte dieselbe Gefahr aus, auch wenn irgendetwas an ihm anders war, etwas, das ich nicht zuordnen konnte. Was auch immer der Unterschied war, es würde mich nicht retten, es würde für meinen Tod verantwortlich sein, dieser abartige Zusammenschluss von Wahnsinnigen würde mich auf die grausamste Art foltern. Kein normaler Mensch mit gesundem Verstand würde tatenlos dabei zusehen, wie ich hier zugrunde ging. Da standen sie und taten nichts anderes als sich anzustarren, während ich um mein Leben bangte.
 

Ich beobachtete den gefährlich aussehenden Jungen, der unentwegt Blickkontakt mit Aro hielt und sich dabei kein einziges mal bewegte. Mit war nicht aufgefallen, dass ich aufgehört hatte auf die Tür einzuschlagen. Schlaff hingen meine Hände nun neben meinem Körper und ich stürzte auf die Knie, wartete auf das erneute ansetzen des Zitterns. Möglicherweise sollte es so sein? Hatte mich Aro für diesen Jungen aufgehoben, weil er während dem widerlichen Blutbad vorhin nicht dabei gewesen war? Meine Kehle schnürte sich zu. Das war so krank, so unmöglich, so widerlich. Was erhofften sich diese Menschen, wenn sie mich umbrachten? Was ging hier eigentlich vor sich? Das konnte doch alles nicht wahr sein.
 

„Ich habe verstanden.“ Sagte er schließlich und nickte wissend, als hätte er gerade eine aufklärende Unterhaltung geführt. Er verbeugte sich leicht, dann war sein Gesicht plötzlich zu mir gewandt, ich hatte seine Bewegung nicht gesehen. Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. "Nein, ich kann sie nicht hören."

Aro begann zu lachen, laut und fröhlich und mir jagte dieses Geräusch eine Gänsehaut ein.

"Wunderbar, einfach großartig. Mein Junge, du wirst mir in diesem Fall eine große Hilfe sein."
 

Bedächtig kam Edward auf mich zu, beugte sich gewandt runter und streckte mir seine weiße Hand entgegen. Alles an mir zitterte, während ich über die Bedeutung seiner Geste spekulierte und die restlichen Sekunden zählte, die ich noch zu leben hatte.

„W- was geht h- hier vor?“ fragte ich und meine Stimme bebte mit dem Rest meines Körpers. Ich wollte ihm nicht die Hand geben, ich wollte nicht, dass er mich anfasste. Mein Arm schmerzte noch immer aufgrund des brutalen Griffes, mit dem ich vorhin hochgehoben worden war.

Der merkwürdige Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen veränderte sich, ich hatte geglaubt etwas wie Reue in seinen Zügen erkannt zu haben, doch nun sah ich, wie sich seine Muskeln anspannten. Die braunen Augen verdunkelten sich, dasselbe ohrenbetäubende Geräusch, welches ich in meinen schlimmsten Minuten gehört hatte, dröhnte aus ihm.

Ich hatte recht behalten, man hatte mich für diesen Wahnsinnigen aufgehoben. Hier und jetzt würde ich von ihm getötet werden, auf diese kranke, brutale weise, die sich in mein Unterbewusstsein eingebrannt hatte und das mir, wenn ich noch etwas Zeit zum leben hätte, die schrecklichsten Albträume bescheren würde.

Voller Hass und Abscheu durchbohrte er mich mit einem teuflischen Blick, genau das war er auch, ein Teufel. Seine glatten Lippen zogen sich zurück, genau wie die anderen armen Menschen war ich gerade dabei ein Opfer zu werden. Er schien mit sich selbst zu Kämpfen, einen inneren Konflikt zu führen, seine Hände begannen zu zittern und er beugte sich noch tiefer.
 

Ich schrie erneut, hämmerte gegen das eiserne Tor und hörte selbst nicht dann auf um mein Leben zu schlagen, als ich ein reißen in meinen Fingern und den darauffolgenden stechenden Schmerz spürte. Der Runde Griff des Tores wollte sich einfach nicht für mich öffnen, es war, als hätte sich die ganze Welt gegen mich verschworen. Warum griff er mich nicht endlich an, warum verzögerte er das ganze? Warum musste er mich so quälen?
 

Dann kam sie endlich, die Erlösung. Mein Arm wurde gepackt, so fest, dass ich nichts weiter als den Druck darauf wahrnahm. Er zog mich nach hinten und ich war gezwungen in die teuflischen Augen zu sehen, das Gesicht mit den Augen eines Dämons war nur Zentimeter von meinem entfernt. Ich hatte schöne siebzehn Jahre gelebt, ich hatte eine schöne Kindheit hinter mir. Nur ein anderes Ende hätte ich mir gewünscht, einen späteren und weniger schmerzhaften Tod.

Ich fühlte, wie ich hochgeschleudert wurde und mit einer erschütternden Wucht ungeschützt auf den Steinboden knallte, ehe ich das Bewusstsein verlor. Bevor mich der Tod holte sah ich eine längst verblasste Erinnerung aus Kindertagen, eine Erinnerung, die meine Mutter auf einem Foto festgehalten hatte. Dieses Foto stand eingerahmt auf meinem Schreibtisch in Phönix, es war einer meiner Lieblingserinnerungen. Meine Eltern hielten mich in einer liebevollen Umarmung, es war mein dritter Geburtstag.

Das kleine Mädchen auf dem Bild verblasste und löste sich vollständig auf, zurück blieben nur ihre Eltern, in ihrer Mitte ein schwarzes Loch.
 


 

-----------------------------------------------------------------------------------
 

A/N: Bella bleibt ein Mensch.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-04-11T13:26:37+00:00 11.04.2010 15:26
Hallo !
Ja, das hat sich doch definitiv gelohnt !
Ich muss schon wieder gleich weg, weshalb ich jetzt und nicht später, einen Kommentar verfasse. Bisher finde ich diese Fanfictions sehr gut, wirklich. Ich habe noch keine Fanfiction gelesen/angelesen, die auch nur annähernd in diese Richtung geht. Wirklich, Kompliment.
Ich bin sehr gespannt darauf, wie es weiter geht (und vor allem darauf, zu erfahren, weshalb Edward bei den Volturi ist >.>)
LG
Kiara
Von:  Renesmee-Bella
2009-09-03T09:40:13+00:00 03.09.2009 11:40
Wow, das wahr mal wieder so fesselnt und ich bin schon gespannt wie es weiter geht.

cu R.-Bella
Von:  Jaden_Girl
2009-08-30T07:32:19+00:00 30.08.2009 09:32
oh ich ma deine geschichten so dolllll *ganz neidisch werd*
bitte mach schnell weiter bin ganz gespannt^^
LG kay
Von: abgemeldet
2009-08-29T10:42:37+00:00 29.08.2009 12:42
Nachdem "the only reason for living" so langsam zu Ende geht, war ich schon super traurig. Aber hier ist mein Ersatz!! Super Einstieg, bin schon gespannt wie's weitergeht!
Von: abgemeldet
2009-08-27T13:50:08+00:00 27.08.2009 15:50
jippiiiee!!!!!^^
ich will aucgh mehr *süchtig sei*
xDD
grüße sobi ♥
Von: abgemeldet
2009-08-27T11:45:34+00:00 27.08.2009 13:45
UIHHHHH will mehr!!!!! xD

LG
heartly^^
Von: abgemeldet
2009-08-26T22:37:23+00:00 27.08.2009 00:37
wow..
=) ich mag deinen schreibstil..
und das kapitel auch..
schön spannend..

ich freu mich auf die fortsetzung!
lg


Zurück