Es ist kurz vor Weihnachten. Alle Leute hetzen, setzen eine Maske der Fröhlichkeit und Güte auf. Immer wenn de aus einem Kaufhaus kommen werfen sie Kleingeld in die Buchsen der Weihnachtsmänner, für Waisenkinder. Einmal im Jahr gütig sein. An Weihnachten dem Fest der „Liebe“. Eigentlich sollte es doch fest des „Scheines“ sein. Jeder Mensch lebt in dem Schein, die Welt an diesen 3 Tagen völlig okay ist, keine hungernden, keinen sterbenden, überhaupt kein Leid mehr in dieser Welt. In diesen 3 Tagen ist die Welt völlig geheilt.
Alles Schein.
Alles Lüge.
Ein Knall. Galssplitter. Schmerzen.
Das macht nichts. Es ist okay. Ich bin es nicht wert.
Ich stehe strauchelnd auf, bemerke die geschockten Blicke der Passanten. Ich lächele selig. SO bekommt also die Aufmerksamkeit die man sich sein Leben lang wünscht?
Mein Arm schmerzt. Nicht durch die feinen Glassplitter, die meinen Körper befallen haben, als ich durch die Scheibe gefallen bin. Der dreckige Verband um mein Handgelenk versteckt die neonroten Ritzer, obwohl er selbst langsam durchsüfft ist. Ein kleines Lächeln. Ja, alles ist gut. Es ist Weihnachten. Komm wir gehen auf den Rummel. Dort kannst du Karussell fahren, so oft du willst. Immer rund herum und rund herum. Ich drehe mich um mich selbst, als ob ich allein in diesem riesigen Kaufhaus wäre. Rund herum, wie auf einem Karussell. Hinter mir die nie davon galoppierenden Pferde, vor mir die Feuerwehr. Alles dreht sich. Gesichter glücklicher Eltern wabbern in einer Masse um mich herum. Ich höre Kinderjauchzen. Ja, es ist Rummel, mein eigener Rummel, nur für mich.
Doch es ist nicht Realität. Realität ist Kälte. Es liegt Schnee. Es ist Weihnachten. Das Fest der Liebe. Wo ist meine Liebe?
Die einzige „Liebe“ die ich kenne ist hart, aber warm. Hände, Gürtel, Rohrstöcke. Sie sind alle warm. Doch am Wärmsten sind die Klingen. Sie liebkosen meinen Arm, meine Beine, meine Brust. Doch diese Liebkosung hinterlässt etwas: Narben . Die einen ein Leben lang immer wieder diese Geschichte der Liebkosung durch die Klingen erzählen werden. Jeden Tag auf neue, erzählen sie mir wie dieser kleine Junge, naiv wie er war, wie er aus Verzweiflung geliebt hat, nur um akzeptiert und zurückgeliebt zu werden. Aber nur bis sein Herz zurückgeschmissen wurde, wieder und wieder draufgetreten wurde. Aber es ist okay, es ist nur mein Herz. Der kleine Junge sitzt in der Ecke und weint. Es ist okay…
Wütende Stimmen. Habe ich jemanden getroffen? Es ist egal…Ich drehe mich weiter. Wer achtet schon auf einen Straßenjungen…? Ich bin frei, kann tun,was ich will. Wann ich es will…
An niemanden gebunden…
Frei von allem…
Und doch gebrochen…
Danke Vater…