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Infinite - Bis(s) zum Unmöglichen

The Bella & Edward Story
von

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Appetitlosigkeit

In der ersten Woche ohne Edward schrieb ich keinen Brief. Zu sehr wartete ich, dass er jeden Tag, jede Stunde bei mir zu Hause in meinem Zimmer auf meinem Bett saß (ich glaubte nicht, dass ich ihn erst in der Schule treffen würde, wenn er wieder käme). Die Cullens waren zwar in der Schule, doch gingen mir gekonnt aus dem Weg. Entweder waren sie wegen der zeitweisen Sonnenstunden nicht da oder ich fand sie nicht.

Doch gegen Ende der Woche verlor ich den Mut. Dass ich Edward in naher Zukunft wieder sehen würde, hatte ich längst abgeschrieben. Es gab einfach kein Anzeichen, außer meinen abendlichen Halluzinationen, die sich in Schatten in unserem Garten äußerten. Doch ich hoffte, wenigstes etwas Neues über Edwards Befinden zu erfahren. Ich hoffe umsonst.

Am Freitag fasste ich mir ein Herz und schrieb Edward einen Brief. Ich saß jedoch erst mal einen paar Minuten mit einem Stift in der Hand vor einem weißen Blatt. Dann fiel mir ein, dass ja einer der Cullens ja den Brief hier in meinem Zimmer abholen würde. Vielleicht konnte ich dann mit ihm reden! Mit dieser kleinen aufglimmenden Hoffnung schrieb ich einen Brief:
 

Hallo Edward,

ich weiß eigentlich nicht, was ich schreiben soll. Ich mache mir große Sorgen um dich. Vor allem, weil ich niemand von euch sehe und mir keiner sagt, wie es dir geht.
 

Ich hielt inne. War ich zu vorwurfsvoll?
 

Ich mach mir große Vorwürfe und habe sehr große Angst um dich. Und – ich glaube es ist das erste Mal – ich wünsche mir schlechtes Wetter.

Ich liebe dich so sehr und habe so große Sehnsucht nach dir. Du glaubst gar nicht wie groß die Versuchung ist, mich auf die Suche zu dir zu machen. Bitte nimm mir dieses Verlangen und melde dich bei mir. Du glaubst gar nicht wie qualvoll es ist, nicht zu wissen wie es dir geht.

Bella
 

Ich las den Brief noch mal und strich, Augen verdrehend, den letzten Satz weg. Ich heule hier rum, weil ich so leide, dabei war ich es, die ihm sein Leid zu gefügt hatte!

Ich legte den Brief auf mein Nachttischchen, stellte mich bettfertig an die Fensterbank und wartete. Die vom Wind raschelnden, sich wiegenden Bäume nahm ich schemenhaft im Licht der Straßenlaterne wahr. Doch irgendwie war mir unbehaglich. Es wirkte alles so künstlich und es kam mir vor, als sähe ich Schatten, die gar nicht da sein durften, da nichts dort war, was Schatten hätte werfen können. Das grünlich wirkende Dämmerlicht, das fleckige Grass und vor allem, der Klang des Rauschens und das Bild was sich mir bot passte nicht zusammen. Ich erschauderte unwillkürlich. Ich wusste nicht, ob ich mir wieder einmal einbildete, dass etwas Unnatürliches in meiner Umwelt passierte oder ob ich dieses Mal meinen Wahrnehmungen trauen darf. Doch es geschah nichts. Ich beobachtete das Schauspiel weiter und zweifelte ebenso immer weiter an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit. Ja, Edward treibt mich zum Wahnsinn. Sowohl wenn er da ist, als auch wenn er nicht da war. Es war weit nach Mitternacht als ich mich endlich ins Bett legte. Ich träumte wirsch. Immer wieder hatte ich verschiedenste Bilder von Begegnungen zwischen Edward und mir aus der Vergangenheit vor Augen. Doch ich konnte ihn nie berühren. Obwohl es so wirkte, als stünde er nur ein paar Zentimeter von mir entfernt, konnte ich den Arme strecken so viel ich wollte, ich spürte seine Haut nicht. Doch auf einmal, ich zuckte selbst in meinen Traum so sehr zusammen, dass ich schlagartig aufwachte, hatte sich meine linke Hand um ein eiskaltes Handgelenk geschlossen. Ich starrte hoch an die Stelle, wo der Körper dazu sein müsste, doch da war kein Körper. Ich hielt das Handgelenk fest und machte das Licht an. Ich starrte wieder auf dieselbe Stelle wie eben. Nun sah ich den Körper der zu dem Handgelenk gehörte (erst jetzt fiel mir auf, dass eben diese Hand meinen Brief hielt). Es war Esme. Sie hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen, welches ich – fassungslos und mit offenem Mund – nicht erwidern konnte, doch mitten durch ihr Gesicht prangte eine lange Narbe. Zumindest glaubte ich, dass zu sehen. Ich richtete mich auf. Esme kniete sich zu mir. Ihr Handgelenk hatte ich weiterhin umschlossen. Ich traute mich nicht es los zu lassen, zu ängstlich war ich, dass dies nur ein schöner Tagtraum war.

„Hallo Bella“, sagte sie melodisch, „wie geht es dir?“

„Wie geht es Edward? Geht es ihm besser?“, fragte ich prompt, ohne auf die Frage ihrerseits einzugehen.

„Ja. Aber noch nicht gut genug, um dir begegnen zu können, Bella. Es tut mir Leid“, setzte sie hinzu, als mir augenblicklich die Tränen übers Gesicht flossen.

„Wann kann ich ihn wieder sehen?“

Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß es nicht“, sagte sie leise und strich mir liebevoll mit der Hand über die Wange. Die Berührung fühlte sie ähnlich an, wie die von Edward, doch sie löste etwas anderes bei mir aus: Dankbarkeit.

Ich sah zu Boden.

„Okay“, sagte ich Sekunden später, „ich- ich akzeptiere das, ich warte einfach nur. Ich verspreche es.“

„Bella du bist sehr stark.“

„Nein, das bin ich nicht“, widersprach ich, „ich bin feige, schwach und schuldig. Ich kann nur an ihn denken, ich versuche ununterbrochen Wege zu finden mit euch zu sprechen oder mit ihm. Ich zerfliese hier im Selbstmitleid, obwohl er ja noch viel mehr leidet als ich und ich das zumal selbst verschuldet habe.“

„Du darfst nicht so hart mit dir. Du bist auch nur ein Mensch“, ich lachte kurz schnaubend auf, „und Edward ist es tief in seinem Inneren auch.“

Ich nickte. Sie richtete sich langsam auf, als wartete sie auf eine Reaktion meinerseits. Ich nickte wiederum, damit sie wusste, dass es mir gut ging und sie gehen konnte. Ich ließ ihr Handgelenk los, packte jedoch zu gleich wieder zu. Sie sah mich an. Ich nahm ihr mit der anderen Hand den Brief ab.

„Ich möchte nicht, dass er sich von mir bedrängt fühlt“, erklärte ich, „bitte sag ihm, er soll sich so viel Zeit nehmen wie er braucht. Egal wie lange, ich werde warten. Er soll ganz gesund werden.“

Sie lächelte, nickte und war verschwunden. Ich schlief augenblicklich wieder ein.
 

Ich hielt mein Versprechen. Ich war diszipliniert und dachte nicht an Edward. Am kommenden Wochenende fuhr ich mit den anderen nach „La Push“, wir zelteten dort. Es sollte vorerst das letzte richtig warme Wochenende werden. Ich gab mich gut gelaunt und fröhlich und doch wunderte ich mich, dass niemand auf meine Schauspielerei reinfiel (ich schien besser geworden zu sein).

Die Woche darauf verbrachte ich damit sämtliche Hausarbeiten am Stück abzuarbeiten. Ich fuhr in alle umliegenden Bibliotheken und Büchereien um mich mit Literatur einzudecken. Am Freitag verbrachte ich den ganzen restlichen Tag damit, jeden Raum des Hauses zu wischen und war sichtlich enttäuscht, als Charlie es nicht einmal bemerkte. Allerdings bedankte er sich umso überschwänglicher für das Essen, was eher einem Festmahl glich. Am Wochenende zwängte ich mich dann wieder irgendjemandem aus der Schule auf. Seitdem Jessica und Mike zusammen waren, war meine Beziehung zu beiden wesentlich erträglicher und ungezwungener. Ich unternahm viel mit den beiden, einem weiteren Paar, Amber und John, und einem Jungen, der Conner hieß. Am Sonntag hatte ich mich durchgesetzt und wir gingen zu einer großen Literatur- und Film-Messe in einem Vorort von Seattle. Auf dem größten Industriegelände Seattles drehten sich sämtliche Hallen nur um das Thema Literatur und Film. Wir teilten uns in drei Gruppe auf, ich mit Conner, und erkundeten das Gelände und die Hallen.

„Auf was hast du Lust? Science Fiction, Romantik, Comics, Horror…”, las er vor, während ich ebenfalls in meiner Broschüre mitlas.

„Hm, ich weiß nicht so genau. Wollen wir nicht einfach mal durch die Halle schlendern und schauen was so ansprechend ist?“

Conner war einverstanden.
 

Die Halle, das gesamte Gelände an sich, war riesig – und voll. Wir hatten Mühe an einigen Stellen der Halle durchzukommen.

„Du bist mit Cullen zusammen nicht wahr?“, fragte Conner plötzlich und ohne Zusammenhang. Er blickte weiter auf das Buch in seiner Hand. „Edward Cullen“, ergänzte er und tat nun so, als würde er den Buchrücken lesen, doch ich wusste, dass er das nicht tat, da seine Augen wie gebannt auf eine Stelle starrten.

„Ja, ja bin ich“, antwortete ich unsicher.

„Hmmm“, machte er und nach einigen Sekunden sagte er: „Wo ist Cullen eigentlich?“

„Edward“, sagte ich nachdrücklich, „ist krank.“

„Krank?“, er zog die Augenbrauen hoch und warf mir einen ungläubigen und irgendwie auch abschätzigen Blick zu.

„Ja, er ist krank“, sagte ich lediglich.

Wir liefen ein Stück weiter und kamen in die nächste Abteilung: Medizin, Naturwissenschaft und Technik.

„Und er mag dich?“, fragte er, als ich ein Plakat betrachtete. Ich sah ihn direkt an. Mir passte die Betonung des „dichs“ nicht. Ich wollte ihm eigentlich eine neutrale Antwort geben, doch so langsam wurde ich sauer, wendete mich wieder dem Plakat zu und sagte trocken: „Scheinbar.“

Wir sahen uns dort noch ein wenig um und betraten dann den nächsten Hallenabschnitt: Kinder- und Jugendbücher. Wir interessierten uns beide nicht sonderlich dafür und gingen den Hauptweg weiter, sahen mal rechts, mal links, bis wir den Bereich „Ausländische Literatur“ betraten. Wir waren gerade durch den Türbogen gegangen, als Conner fragte: „Und du magst ihn auch?“ Diesmal gab es keine besondere Betonung, doch ich blieb trotzdem entrüstet stehen. Er sah sich zu mir um.

„Conner, was willst du?“, fragte ich genervt.

„Na ja, ich meine Cullen ist jetzt schon seit einiger Zeit nicht da-“

„Edward. Ist. Krank!“, sagte ich mit der festesten Stimme, die ich aufbrachte.

„Jaja, klar- ich meine, er könnte sich ja auch irgendwo mit einem anderen Mädchen vergnügen“, sagte Conner Schultern zuckend.

Ich hätte erwartet, dass mir das den Rest gab und ich in Wut ausbrach, ihn anschrie, vielleicht ein Ohrfeige gab, doch nichts dergleichen tat ich. Ich starrte ihn mit offenem Mund an, als wäre das, was er gesagt hatte, Fakt, drehte mich auf dem Absatz um und ging.
 

Ich war völlig aufgelöst und wusste nicht einmal warum. Conner spinnt. Und ich lasse mich auf sein Geschwafel ein, dachte ich und verlangsamte meinen Schritt, als ich draußen auf dem Gelände ankam. Das Schlimmste war eigentlich, dass ich ihm mit meinen Reaktionen nur noch mehr verdeutlich hatte, dass etwas nicht stimmte. Das würde Montag ganz Forks wissen und auch mein Vater, dachte ich bitter. Er hatte sich gerade so an Edward gewöhnt und sich sogar zwischendurch nach seinem Befinden erkundigt, was ich ihm hoch anrechnete. Er durfte nicht erfahren, dass zwischen Edward und mir im Moment nicht alles glatt lief, also genau genommen gar nichts lief. Schließlich fand mein Dad leider immer noch, dass Edward an meinem Unfall schuld war und ich wollte ihn auch nicht mit Gewalt überzeugen. Das würde sich geben, hatte ich mir gedacht und es dabei belassen. Ich bemerkte, dass ich an Mikes Auto angekommen war. Wir trafen uns erst in 3 Stunden, bemerkte ich, als ich auf die Uhr sah. Na klasse, dachte ich, für mich war der Tag definitiv gelaufen und ich hatte nicht mal einen Grund.
 

Als die anderen so langsam eintrudelten und mich fragten, warum ich allein war, fiel mir nichts ein, doch Conner rettete mich, als er in diesem Augenblick zu uns stieß und etwas von „wir wollten uns verschiedene Sachen angucken“ murmelte. Ich war dankbar, dass er nichts sagte und doch wütend auf das, was er gesagt hatte.
 

„Bella, ich- gibt’s heute kein Abendessen? Ich meine, ich kann auch-“, fragte Charlie am Abend nach unserem Ausflug. Eigentlich aßen wir sonntags immer früher, weil Charlie früher ins Bett ging (er hatte montags Frühschicht).

„Oh sorry Dad, hab die Zeit vergessen“, murmelte ich und sprang vom Sofa.

„Nein, nein, ich mach das, sag nur was ich machen soll, ich-“

„Ich mach schon“, sagte ich knapp und ging an ihm vorbei. In der Küche wärmte ich die Reste von gestern auf und machte ein paar Sandwichs dazu. Ich spürte, dass mich Charlie aus dem Augenwinkel misstrauisch beäugelte.

Wenig später stellte ich Charlie einen perfekten und riesigen Teller hin, während ich einen Apfel aß. Charlie rührte es nicht an und sah mich an.

„Alles okay mit dir?“, fragte er und deutete auf den Apfel.

„Ja… ich hab schon gegessen“, log ich, „auf der Messe“, setzte ich hinzu.

Er nickte nachdenklich und begann zu essen.

Als ich dann endlich abräumen und spülen konnte, eilte ich hoch in mein Zimmer, ohne, dass Charlie noch etwas sagen konnte. Ich legte mich aufs Bett. Ich hatte absolut keinen Hunger. Das hatte ich öfters wenn ich meine Periode hatte, doch allzu lang dürfte es nicht mehr dauern, da ich sie bereits 5 Tage hatte. Morgen beginnt die dritte Woche ohne Edward, dachte ich und schmunzelte bei dem Gedanken, dass ich ihn vor einem halben Jahr nicht mal kannte und bereits sechzehn einhalb Jahre ohne ihn verbracht hatte. Es kam mir vor, wie ein anderes Leben.

Ich ging gedankenversunken in den Keller, nahm mir eine Flasche Wasser, zwei Packungen Saft, eine Packung Milch und noch zwei Flaschen Cola, mehr konnte ich nicht tragen und stellte alles auf den Fußboden neben meinem Bett in mein Zimmer. Hunger hatte ich zwar die letzten Tage kaum gehabt und dementsprechend wenig gegessen, aber dafür hatte ich umso mehr Durst. Aber das würde morgen vorbei sein, sagte ich mir, da meine Periode morgen vorbei sein dürfte. Ich trank mehrere Schlücke aus jeder Packung ohne wirklich zu schmecken. Die nächsten Stunden war ich damit beschäftigt, die Flaschen und Packungen nach einander zu leeren, auf Toilette zu gehen und zwischendurch meinen Gedanken nach zu hängen. Ich war froh, dass Charlie nicht hoch kam und mich in Ruhe ließ.

Wie ich es vorausgesagt hatte, hatte ich meine Periode am nächsten Tag nicht mehr. Doch meine andere Voraussage hatte sich nicht bewahrheitet: Ich hatte keinen Appetit, nicht mal annähernd und mein Durst blieb. Ich lachte kurz auf, als mir der Gedanke kam, mir doch Tipps von Alice bzgl. Vorhersagen zu holen, dann wischte ich den Gedanken wieder weg. Er führte mich nur wieder zu Edward, den ich im Moment genauso wenig in meinen Gedanken haben wollte wie Essen in meinem Magen. Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Körper sich vor Nahrung in meinem Körper sträubte, obwohl ich gelegentlich mal Heißhunger auf etwas verspürte, es aber nicht fertig brachte, es dann wirklich zu essen. Das einzige, was ich halbwegs ohne flaues Gefühl im Magen essen konnte, waren Cornflakes. Vermutlich war mein Körper schon so an die süße Pampe gewöhnt, dass er ihr selbst jetzt nicht widerstehen konnte.

Nachdem ich zwei Schüsseln gegessen hatte, machte ich mich fertig und fuhr zur Schule. Es war, wie immer in letzter Zeit, alles andere als spannend. Jessica redete mit belanglosem Zeug auf mich ein (ihre nervige Mutter, Mikes Liebeleien mit ihr, ihre geplante Shoppingtour und meine Antwort sehr gerne mit zu wollen), Mike war vergnügter denn je, Angela fachsimpelte über die Bio-Hausarbeit und all die anderen deren Name ich nun nicht nur kannte, sondern auch, so kam es mir vor, ihre gesamte Lebensgeschichte, die in der Cafeteria weiter ausgewälzt wurde. Ich stocherte ein wenig in meinem Essen und nahm ein paar Gabeln, obwohl ich nicht einen Hauch von Hunger oder gar Lust auf das, wenn auch gute, Essen verspürte.

Am Abend las ich die – mittlerweile – 20 Mails meiner Mutter. Meist mit demselben Inhalt („Bitte melde dich!!!“). Ich schrieb ihr, entschuldigte mich höflich und machte dann den PC wieder aus.
 

Die Shoppingtour war auf Freitag nach der Schule angesetzt. Ich versuchte Jessica zu überzeugen, dass es mir wirklich nicht allzu gut ging und ich wirklich nicht mit wollte. Sie zeigte zwar kurzzeitig Verständnis, doch meinte felsenfest, dass ich nur ein wenig frische Luft brauchte, damit ich wieder etwas Farbe im Gesicht bekam (ich war blasser als sonst, soweit das noch ging). Ich nickte nur und seufzte leise. Vielleicht war es wirklich keine allzu schlechte Idee mal wieder ein bisschen unter Menschen zu kommen.

„Wie findest du das?“

Ich hob den Kopf und war froh, dass Angela angesprochen war oder sich zumindest angesprochen fühlte.

Ich stand ein wenig abseits hinter einem Ständer mit Hosen, die ich uninteressiert begutachtete. Die drei Mädchen die noch mit gekommen waren, neben Angela und mir, waren Jessica Cousinen ¬– Drillinge in unserem Alter – und Jessica nicht unähnlich. Daher fiel die Stille meinerseits nicht sonderlich auf.

„Keine Lust auf Shopping?“, kam Angela nach ihrem Statement über Jessicas T-Shirt zu mir.

„Nein, nicht wirklich. Und du?“

„Auch nicht wirklich. Aber wenn man so was nicht mitmacht, hat man außer Schulsachen gar nichts zu tun oder?“, lächelte sie.

Ich lächelte. Es kam mir merkwürdig vor zu Lächeln. Als wäre meine Gesicht gefroren und die Muskeln eingerostet.

„Lust auf einen Spaziergang?“, fragte sie, „Ich glaube wir können die vier gut sich selbst überlassen“, sie zwinkerte mir zu. Ich willigte ein.

Wir liefen durch die Straßen und blieben hier und da an ein paar Schaufenster stehen ohne wirklich viel zu reden. Ich genoss diese Unkompliziertheit. Als wir an einem Supermarkt vorbei kamen, sprang ich schnell rein, kaufte zwei Packung Cornflakes – Charlie würde sich wundern, dass ich zwei Packungen innerhalb einer halben Woche geleert hatte – und brachte sie mit Angela zum Auto.

„Dir geht’s nicht besonders gut oder?“, fragte Angela aufmerksam.

„Nein“, sagte ich bloß, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen. Wie Edward es immer gesagt hatte, ich war in mancherlei Hinsicht nicht die beste Schauspielerin. Der Gedanke an ihn versetzte mir einen Stich.

„Du brauchst mir nicht zu sagen warum, ich möchte nur wissen, ob man dir oder besser ob ich dir irgendwie helfen kann?“, sagte sie ehrlich.

Ich starrte sie an. Mir wären vor Rührung fast die Tränen gekommen.

„Danke, aber-“, ich holte Luft, „aber ich komme klar.“

Angela presste die Lippen leicht auf einander und lächelte. Ich tat es ihr gleich und wir gingen zurück, um Jessica zu treffen und zurück zu fahren.
 

Zu Hause angekommen, wechselte ich die beiden Cornflakes-Packungen aus, aß eine Schüssel und nahm dann die beiden leeren mit hoch und versteckte sie unter dem Bett. Ich legte mich aufs Bett. Ich fühlte mich vollkommen erschöpft, schlapp und ausgelaugt. Ich blieb liegen bis Charlie eine Stunde später kam, dann ging ich runter und machte ihm essen.

„Und du hast bei eurem Ausflug gegessen?“, erkundigte er sich.

Ich sah ihn direkt an. Sein Unterton machte mir Sorgen. Er wirkte fast belustigend.

„Ja“, sagte ich lediglich, sah ihm beim Essen zu (ich hielt angestrengt die Augen offen, da mich eine plötzliche Müdigkeit überkam) und räumte schließlich ab.

„Bella, ich mach das schon. Ich spüle-“ In diesem Augenblick war ich über die mir bekannte hohe Kante zur Küche hin gestolpert und hatte den Teller und das Salatschälchen klirrend zu Boden fallen lassen. Charlie kam zu mir geeilt.

„Bells? Alles okay mit dir?“

„Ja- ja, ja sicher“, sagte ich mit erhöhtem Puls und schnellem Atem, als ich begann die Scherben aufzusammeln.

Charlie hielt mich am Handgelenk und sah mich so eindringlich an, wie ich es noch nie von ihm gesehen hab. „Ich mache das. Ruh’ dich aus, du siehst nicht gut aus“, fand er. Ich nickte in seine Richtung und verschwand in mein Zimmer. Ich schlief angezogen auf meinem Bett ein.
 

Als ich am Morgen aufwachte war es hell, also für Forks vergleichsweise hell. Ich lag zugedeckt, aber immer noch angezogen, im Bett. Ich öffnete die Augen und richtete mich auf. Mein Kopf brummte und drehte sich, als ich mich aufsetzte. Ich sah verschwommen, wie mein Vater die Tür öffnete und mit einem Tablett rein kam. Darauf lagen vier Sandwichs und etwas Obst.

„Wie geht es dir?“, wollte er wissen und setzte sich neben mir. „Das Fieber ist schon etwas zurück gegangen.“

Erst jetzt bemerkte ich das nasse Tuch in meinem Schoß.

„Gut, alles ok“, sagte ich matt, obwohl sich in mir alles zu drehen schien.

„Hier“, sagte er und hielt mir das Tablett hin.

Ich schüttelte den Kopf. Charlies Blick verfinsterte sich und er verschwand aus dem Zimmer. Ich stand auf und wollte ins Bad, ich hatte völlig vergessen, dass Samstag war und somit natürlich keine Schule, doch ich blieb am Türrahmen stehen. Was war los mit mir? Als ob du das nicht weißt, sagte etwas in mir, dass sich sehr nach Edward anhörte. Ich kniff die Augen angestrengt zusammen, verdrängte die Gedanken an ihn und alle heraufkommenden Gefühle, gut und schlechte, als plötzlich Charlie vor mir stand. Die eine Hand hielt mein Handgelenk umschlossen, die andere hatte er umschlang meinen Bauch. Ich sträubte mich und sah ihn mit zugekniffenen Augen an.

„Ich bringe dich jetzt ins Krankenhaus“, sagte er ruhig und wollte mich dir Treppe hinter sich herunterziehen. Doch ich hielt die Füße instinktiv vor meinem Körper und bohrte die Fersen in den Teppich. „Mir geht es gut“, sagte ich mit nicht mal einem Funken von Überzeugung. Charlie hob mich hoch, trug mich die Treppen herunter und setzte mich – zu meiner Erleichterung – nicht in den Streifenwagen, sondern in den Transporter.

In der Ambulanz setzte er mich, ich hatte mich durchgesetzt und so trug er mich nicht, sondern stützte mich nur noch, auf einem Wartestuhl im Flur ab, als er Dr. Cullen (Wen auch sonst?, dachte ich bitter) hinterher lief.

„Dr. Cullen! Guten Tag Dr. Cullen“, setzte er freundlich hinzu, als Carlisle sich umdrehte. Für einen kurzen Moment fixierten seine Augen, wenn ich das auf die Entfernung richtig wahrnahm, mich.

„Guten Tag, Chief Swan“, sagte er ebenso freundlich, doch er lächelte im Gegensatz zu Charlie.

„Bella- sie“, er begann zu flüstern, doch ich verstand jedes Wort, „sie isst kaum noch, also zumindest- zumindest seit ihr Sohn krank ist, geht es nicht sehr gut und sie isst seit einer Woche kaum noch und- könnten Sie sie untersuchen?“ Ich erschrak, als ich hörte, dass er es tatsächlich auf Edward bezog.

„Sicher“, sagte Carlisle lächelnd und kam auf mich zu, Charlie im Schlepptau.

„Bella“, Carlisle reichte mir seine Hand, die ich nahm, „warten Sie bitte hier?“, sagte er an Charlie gerichtet, „außer du willst-“, ich schüttelte schnell den Kopf, „gut, es wird nicht lange dauern“, sagte er wieder zu Charlie, der sich auf meinen Platz setzte und zusah wie ich mit Carlisle in ein Behandlungszimmer ging.

Ich setzte mich auf eine Liege und er untersuchte mich, darauf bedacht mich nicht zu berühren, schweigend. Als er mich mit dem Stethoskop abhörte, zuckte ich heftig zusammen, als es eiskalt mein Rücken berührte. Ich spürte wie Carlisle kurz inne hielt und dann weiter machte. Als er fertig war, notiert er etwas und kam dann zu mir. Er beugte sich zu mir herunter, stütze die Hände links und rechts von mir (ich saß wieder auf der Liege) und sah mir in die Augen. Ich sah zur Seite.

„Wir wissen beide, dass deine Appetitlosigkeit nichts mit deinem Körper zu tun“, er hielt inne und richtete sich auf, „Bella, wenn du nichts isst, tust du keinem einen Gefallen, nicht dir selbst und am wenigstens Edward.“

„Ich kann nicht Carlisle!“, sagte ich mit fester Stimme, die ich dachte in diesem Moment, nicht zu besitzen vermochte. „Es ist wie-“ Ich hielt inne, es war mir peinlich, ihm zu sagen, dass es wäre, als wenn mein Magen sich verweigert, weil auch Edward nicht aß. Obwohl ich das eigentlich gar nicht wissen konnte, dachte ich. Vielleicht wollte ich einfach nur leiden. Als Wiedergutmachung. Essen war immerhin eins der Themen, welches in unserer Beziehung sehr präsent war. In vielerlei Hinsicht.

„Bella, Edward hat Angst um dich. Angst, dass du dir was antun könntest“, sagte er leise, als ich nichts mehr sagte. Ich sah ihn erschrocken an. Das wäre nur gerecht, dachte ich bitter und war froh, dass Carlisle nicht meine Gedanken lesen konnte, denn sonst hätte er mich sicherlich einweisen lassen.

„Wie geht es ihm?“, versuchte ich von mir abzulenken.

„Besser. Glaubst du mir, wenn ich sage, dass du ihn bald sehen wirst?“ Ich nickte, doch ich freute mich weniger als er bzw. ich selbst auch es von mir erwartet hatte. Die Angst überwog, welche es gerade auch immer war.

„Ich werde dir kein appetitanregendes Mittel verschreiben“, sagte er schließlich, „das würde nichts nützen. Ich verschreibe dir ein paar Placebos und erzähle deinem Vater, dass dir irgendein Stoff fehlt, der dein Hungergefühl hemmt oder so etwas. Ich lasse mir was einfallen. Glaub mir, ich kenne genug Fremdwörter um das deinem Vater weiszumachen“, er lächelte.

Ich nickte nur.

„Aber du musst dann auch wieder essen, Bella“, sagte er eindringlich, „wenigstens so viel, dass du nicht zusammenbrichst. Und ich muss deinem Vater sagen, dass du am Mittwoch noch einmal zu mir kommen sollst, sonst wäre das ganze sehr auffällig.“

„Das ist es sowieso schon“, platze es aus mir heraus, als Carlisle mir den Rücken zugedreht hatte und etwas aufschrieb. Von der Seite sah ich, dass lächelte.

Er ging raus und ich hörte wie er mit Charlie redete. Er machte seine Sache gut, dachte ich keineswegs überrascht und ging raus in den Flur, nachdem ich meine Jacke wieder angezogen hatte.

„Danke Dr. Cullen, vielen Dank“, sagte er abermals und verließ mit mir das Krankenhaus.
 

Das, was ich an Charlie so schätze, gab er in den nächsten Tagen auf: Meine Freiheit. Er kontrollierte wann, was und wie viel ich aß und trank. Er ließ mich nicht mehr aus den Augen und rief sogar am Sonntagmorgen an, um sich Montag und Dienstag frei zunehmen. Ich aß, obwohl mein ganzer Körper oder besser gesagt mein Kopf sich dagegen wehrte. Nachdem ich Samstag und Sonntag gemästet wurde, bekam ich von meinem Körper die Quittung. Ich hatte fürchterlichen Durchfall und übergab mich zweimal. Ich sagte nichts, doch insgesamt, war ich froh darüber, da Charlie aufhörte mir Berge von Essen vorzusetzen, sondern sich, nach Dr. Cullens Anweisung (er hatte ihn angerufen), auf Zwieback, Tee, Salzstangen und Wasser beschränkte. Ich konnte mich aber nicht über Langeweile beklagen. Da ich Montag und Dienstag nicht in der Schule (ich wollte am Dienstag zwar gehen, ich hatte nur noch ein bisschen Durchfall, aber Charlie hatte darauf bestanden, dass ich erst wieder zur Schule ging, wenn Carlisle Mittwoch sein okay gab), rief mich Jessica jeden Tag um mir den neuesten Klatsch & Tratsch der Forks High School zu berichten und Angela um mir die Hausaufgaben durchzugeben.

Am Mittwoch schleppte mich Charlie dann noch mal zu Dr. Cullen, obwohl ich es für überflüssig hielt (ich übergab mich nicht mehr, hatte keinen Durchfall mehr und konnte einigermaßen normal essen, letzteres gab ich zumindest vor). Doch ich wusste ja, dass es nur Show war, damit Charlie das alles nicht zu sehr auf Edward bezog.

„Du bist zwar noch sehr blass und erschöpft siehst du auch aus, aber ich denke, dass ich Entwarnung geben kann oder?“, fragte er mit einem warmen Gesichtsausdruck.

Ich nickte. „Es geht mir gut. Wann sehe ich Edward wieder?“, setzte ich mit einem Ton hinzu, der schärfer und vorwurfsvoller klang, als er sein sollte.

Carlisle sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann lächelte er wieder. „Bald, mach dir keine Sorgen und pass auf dich auf“, sagte er und öffnete die Tür, um mich zu entlassen.

Ich nickte grimmig. Ich war kein kleines Kind! Mach dir keine Sorgen, hab keine Angst, es wird alles gut, pass auf… immer dasselbe. Doch durch meine aufkommende Wut fühlte ich mich irgendwie wieder normal und gesund. Es tat gut wenigstens ein paar Gefühle zulassen zu dürfen.
 

„Bella?“, sagte Charlie, als wir zu Hause ankamen und ich schnell auf mein Zimmer gehen wollte. Ich drehte mich, bevor ich die Treppe erreicht hatte, zu ihm um.

„Ich konnte mir heute nicht so kurzfristig den ganzen Tag frei nehmen. Ist es okay, wenn ich arbeiten gehe?“

Ich versuchte nicht allzu erfreut zu klingen und sagte: „Ja, natürlich.“

„Kommst du alleine klar? In der Küche stehen zwei Teller Kühlschrank, die du bitte isst“, sagte er nachdrücklich, verabschiedete sich von mir und ging. Ich hörte den Wagen aus der Einfahrt fahren. Ich ging zum Kühlschrank und sah nach. Einen Teller mit Spagetti und einen Teller mit der Suppe von Gestern. Beides mit Frischhaltefolie abgedeckt. Ich verdrehte die Augen und überlegte während ich über die Treppe nach oben ging, welche Chance ich hatte, das Essen, oder wenigstens ein Teil davon, verschwinden zu lassen. Doch als ich die Tür meines Zimmers offen drückte, verschwanden diese Gedanken: Edward stand lässig an der Wand neben dem Fenster gelehnt.
 

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Würde mich über Kommis riesig freuen, lg Vanessa/ *Fane*



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-05-11T23:23:28+00:00 12.05.2009 01:23
da schließ ich mich mel an^^
vor allem was das schnelle weiterschreiben angeht! XD

Wo er doch endlich wieder da ist! *freu*
warum gehen ihr nur alle Cullens aus dem Weg - selbst Alice... *schnüff*
aber jetzt wird ja hoffentlich wieder alles gut! (oder!? *angst*)

Hast du schön geschrieben!^^

Liebste Grüße,
Azumi

Von:  mel-ben
2009-05-10T21:37:16+00:00 10.05.2009 23:37
oh man, ein wenig eifersucht würde edward vielleicht ganz gut tun.
denn dieser connor hat ja anscheinend schon ein wenig interesse. :)

bin ja gespannt was edward sagt.
hoffe du schreibst schnell weiter.
freu mich.

lg
mel-ben


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