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Augenblicke

- Kurzgeschichtensammlung -
von

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Nur ein Kind

Ein gellender Schrei, der die entsetzte Stille mit einem Mal zerbricht und der aus einer geschundenen Seele kommt. Der junge Körper sackt in sich zusammen, seine Hand die noch immer die des Toten fest umklammert. Er wird nicht loslassen.
 

„Er wollte nach Hause… ich sollte ihn nach Hause bringen…“
 

Immer wieder stammelt er diese Sätze unter Tränen der Verzweiflung. Ein Ruck fährt durch die Umstehenden, der Vater stürzt kreischend auf seinen Sohn zu, Lehrer versuchen verzweifelt sich selbst und die Schüler vor diesem Anblick zu schützen.
 

Es ist bereits zu spät.
 

Jeder hat es gesehen, jeder weiß es.
 

Cedric Diggory ist tot.
 

Die Augen ruhen auf dem bebenden Jungen, der noch immer nicht gewillt ist die Hand loszulassen, die eine letzte Verbindung zu dem Verstorbenen darstellt. Sanft, aber doch bestimmt, trennt man sie dennoch. Dann ist er ganz alleine.
 

Gedanken, die nicht gesagt werden, aber vielen durch den Kopf gehen, hängen in der Luft und kleben an dem Überlebenden wie eine zähe Gallertmasse. Von den Menschen abgedrängt sitzt er Abseits im Gras. Weint, fleht und schreit. Die Hände seiner Freunde immer wieder abschüttelnd.
 

Ein schwerer Verlust. Ein Doppelter.
 

Freiwillige heben den Leichnam hoch, tragen ihn vor sich her, hoch zur Schule. Betroffene Vertrauensschüler führen ihre Schützlinge auf einem anderen Weg nach oben. Keiner wagt mehr als ein leises Flüstern. Aber jeder meidet den Jungen, der Überlebte. Zweimal. Mehrmals.
 

„Harry… oh mein Gott…“, weint das junge Mädchen, sitzt neben ihrem Freund und kann nicht an sich halten, keinen Trost spenden. Auch der Weasley-Sprössling weiß nichts weiter zu tun, als seine Hände zu Fäusten zu ballen und diese in den Weiten seines Umhangs zu verstecken.
 

„Miss Granger, Mister Weasley“, spreche ich sie leise an, sehe ihr zusammenzucken, ihren Argwohn. „Bitte gehen Sie in Ihren Gemeinschaftsraum.“
 

„Aber…“, setzt das Mädchen an, doch ich gebiete ihr mit meiner Hand zu schweigen. Worte sind jetzt nicht das, was wirklich von Nöten ist. Sie nickt, zieht ihren rothaarigen Freund mit sich, auch wenn sie beide immer wieder verstohlene Blicke zurück werfen.
 

Ich beuge mich herab, greife nach einem Arm des verlassenen Jungen, ziehe ihn zu mir herauf und stütze ihn dann den Weg bis zu meinem Büro. Es dauert lange, denn seine Füße bewegen sich nur mechanisch, nichts zieht seine Aufmerksamkeit wieder in die Realität. Der Schmerz ist zu nah.
 

Wie ein nasser Sack fällt er in sich zusammen, als ich ihn behutsam in einen Sessel setze. Danach trete ich an das stets prasselnde Feuer heran, erhitze Wasser, tauche ein Handtuch hinein und beginne damit sein Gesicht zu reinigen.
 

Blut und Dreck verunstalten seine sanften Züge, die nun verhärtet sind und mit einem Schlag alles von ihrer Jugendlichkeit verloren haben. Ich berühre die Narbe an seiner Stirn und bemerke wie er aufschreckt. Langsam fokussieren sich seine Augen auf mich, doch das Grün wirkt hart und kalt.
 

„Professor…“, haucht er leise.
 

Ich werfe das Handtuch von mir, ziehe meinen Zauberstab, mache einen Wink und lasse so eine dampfende Tasse zu uns herüberschweben. Nur zögernd greift er danach, schnuppert daran und ich sehe die Erkenntnis in seinem Blick. Lupin hat gut daran getan ihm die große Wirkung von einfacher Schokolade zu erklären.
 

„Du solltest es trinken“, gebe ich dem Jungen einen Anstoß, als er noch immer keinen Schluck genommen hat. „Es wird dich stärken und wärmen.“
 

Abwesend nickt er mir zu, würgt dann zwei Schlucke hinunter, erzittert und wendet sich schließlich von mir ab. Seine Augen schimmern nass. Er ist wieder weit weg. An dem Ort des Grauens, der ihn nun in jeden seiner Träume verfolgen wird.
 

Ich erhebe mich, suche in einem meiner Schränke nach einer heilenden Tinktur, die ich anschließend auf den Schnitt an seinem Arm verteile. Die Blutung ist gestoppt, aber das Fleisch muss heilen.
 

„Er ist wieder da“, flüstert er, sucht mit seinen grünen Augen meinen Blick. Ich nicke jedoch lediglich, verbinde seine Hand. „Voldemort, meine ich.“
 

„Ich weiß.“
 

„Ich wusste es nicht… Der… der Pokal war ein Portschlüssel, er… er hat uns direkt auf den Friedhof geschickt…“, schluchzt er, presst seine freie Hand gegen die Stirn, schließt verzweifelt die Augen und sucht die Bilder zu verdrängen, die noch immer so frisch und surreal erscheinen.
 

„Sie haben gewartet, er hat gewartet… er brauchte mein Blut und Cedric… er hat ihn einfach…“, wieder bricht er ab. Langsam fasse ich auch seine zweite Hand, gebe vor sie zu untersuchen, während ich eigentlich immer wieder mit meinen Daumen über seine kalte Haut streiche. „Ich konnte nichts tun!“
 

„Es war eine Falle, Harry. Der Dunkle Lord ist wieder auferstanden und Cedric Diggorys Tod ist nur ein erstes Opfer seiner wieder gewonnen Stärke“, spreche ich leise auf den Jungen ein und weiß, dass ich ihn damit quäle. Aber er muss es erfahren, er muss begreifen. Und er muss es jetzt tun, wenn er nicht wieder verblendet wurde von den Ansichten der anderen.
 

„Es wird wieder zu Überfällen kommen und viele Menschen werden sterben. Du kannst sie nicht retten, ebenso wie du Diggory nicht retten konntest. Ein Krieg fordert Opfer.“
 

„Er konnte doch nichts dafür!“, schreit Harry nun, windet sich aus meinem Griff. „Er war unschuldig!“
 

Ja, Cedric Diggory war unschuldig. Lily war es gewesen. Sogar James. Und dennoch hatten sie sterben müssen. Weil ein anderer entschieden hatten. Einer, der die Macht hatte, solche Dinge zu entscheiden.
 

„Kriege, Harry, werden auf Kosten unschuldiger Zivilisten ausgetragen.“
 

„Warum?“, seine Stimme überschlägt sich, Tränen ersticken ihn beinahe. „Es ging nur um mich! Voldemort wollte mich, nicht ihn! Er wollte doch nur gewinnen! Wenn ich nur als Erster…“
 

Ich springe auf, reiße den bebenden Jungen in meine Arme, breite schützend meinen Umhang um ihn. Sein zittern geht auf mich über.
 

„Nein!“, sage ich bestimmt. „Du hast es nicht gewusst. Du konntest nicht. Es war nicht deine Schuld. Du hast es nicht gewusst“, flüstere ich eindringlich und weiß darum, wie wichtig diese Worte sind. Die Ablehnung gegen ihn wird nun größer sein als jemals zuvor. Solange die Narben dieser tiefen Wunde frisch sind, ist es für Harry unerlässlich zu verstehen, dass ihn keine Schuld trifft.
 

Seine Tränen benetzen meinen Mantel, durchtränken den Stoff, färben ihn dunkel. Unerbittlich krallen sich seine Finger an mir fest und seine bebende Brust liegt direkt an meiner. Ich kann es beinahe nicht ertragen.
 

„Du hast dein Bestes gegeben und dich dem Lord gestellt, ihn aufgehalten. Mehr konntest du nicht tun. Der Kampf war auch so hart genug.“
 

„Ich hätte ihn bezwingen müssen.“
 

„Nein, Harry“, flüstere ich sanft, ziehe den Jungen dichter zu mir. „Und niemand darf so etwas von dir verlangen. Nicht einmal du selbst. Du bist ein Kind. Nur ein Kind.“
 

Noch einmal zwinge ich ihn dazu heiße Schokolade zu trinken. Nach und nach wird er auch langsam etwas ruhiger. Erschöpft, am Ende seiner Kräfte und müde von seinen vielen Tränen, sinkt er in einen kurzen Schlummer.
 

„Ich habe ihm nie Böses gewollt“, flüstere ich, streiche Harry eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn und betrachte die blitzförmige Narbe. Alles an ihm erinnert an seinen Vater. Nur seine Augen sind die seiner Mutter. „Ich war eifersüchtig, aber ich habe ihm nie Böses gewollt.“
 

James und Lily, der Gedanke an diese beiden Menschen schmerzt auch nach so vielen Jahren noch. Doch der Verrat schmerzt mehr. Das niederträchtige Wesen eines Freundes, hat nicht nur die Eltern verraten, sondern auch den Sohn an den Dunklen Lord verkauft. Als ob diese Familie nicht genug gelitten hätte.
 

„Verzeih mir, Lily“, stoße ich atemlos hervor, während ich noch immer den schlafenden Jungen betrachte. „Ich konnte ihn nicht schützen. Schon wieder.“
 

„Professor?“
 

Überrascht blicke ich in schläfrige, matte grüne Iriden. Eine Hand streckt sich nach mir aus und ich ergreife sie nach kurzem Zögern. Die Worte die mir auf der Seele brennen, sie werden auch dieses Mal unausgesprochen bleiben.
 

„Sie sollten gehen, Potter.“
 

Einen Moment scheint er erstaunt, als ich aber den Blick abwende scheint er zu begreifen, denn er erhebt sich, richtet seine Kleidung, strafft seine Schultern und stellt die Tasse auf meinem Schreibtisch ab. Noch immer wirkt er abgezehrt.
 

Ich höre seine leisen Schritte, dann das Scharren der Tür. Für einen kurzen Augenblick ist nichts zu hören außer unseren schweren Atemzügen. Dann verlässt er mein Büro und die Tür schlägt zu, baut die Mauer zwischen uns wieder auf.
 

Einmal habe ich mir erlaubt ihn nahe an mich heran kommen zu lassen, aber es wird besser sein, wenn es nie wieder geschieht. Er ist nur ein Kind und er würde es nicht verstehen. Das ich seine Mutter liebte und sein zweiter, heimlicher, Pate bin. Er ist nur ein Kind.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  vulkan_chan
2009-10-04T12:47:26+00:00 04.10.2009 14:47
hm, das ist jetzt ein wenig schwer zu beurteilen, weil ich ehrlich gesagt, mehr das gefühl hatte, dass dumbledore harry tröstet und nicht snape. das kam für mcih erst am schluss raus, als diese geschichte mit james und lilly dazu kam. es ist - aber das ist wirklich nur meine ganz persöhnliche meinung - nicht sehr typsch für snape so "nett", oder besser so "sanft" zu sen. ich weiß schon, er ist au harrys seite, aber ich tue mir ehrlich gesagt ein wenig schwer bei dem gedanken, dass er harry nicht hassen soll, sondern eigentlich sein "heimlicher pate" ist. das ist mir ein stück weit zu verzerrt.

ansonsten ist die stimmung der FF sehr gut gelungen. harrys qualen kommen deutlich rüber und auch die art, wie es geschrieben ist, hat mich wieder überzeugt.
insgesamt wirklich wieder sehr gut, nur eben etwas zu ooc für meinnen geschmack.


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