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Shinta

10 Kurzgeschichten
von

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Helena

Schwarz gekleidete Menschen strömten in die Halle. Niemand lachte, nicht einmal die kleinen Kinder an den Händen ihrer Eltern. Einige Frauen weinten. Der Himmel war wolkenverhangen, so als würde selbst er Trauer tragen.

In der Halle waren Stühle aufgestellt. Auch jetzt schon war kaum noch ein Platz leer. Trotz der vielen Menschen war es totenstill. Vor der ersten Reihe war Platz gelassen worden. Ein Rednerpult war dort aufgebaut. Und daneben das, auf das der Blick jedes einzelnen mit einem Klos im Hals gerichtet war.

Der Sarg war geöffnet. Weiße Lilien umrahmten das bleiche Gesicht des jungen Mannes darin. Er sah so friedlich aus, als ob er nur schlafen würde. Auch, weil der hohe Kragen seines Hemdes die Male verdeckte, die das Seil hinterlassen hatte. Er trug auch, wie fast alle Anwesenden, einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte.

Es war das erste Mal, dass Shinta auf einer Beerdigung war. Er wusste nicht, wieso er überhaupt gekommen war. Vielleicht aus Schuldgefühl. Vielleicht, weil er seine Eltern und Bekannte noch ein allerletztes Mal zu sehen. Auch wenn die Anwesenheit so vieler Menschen ihn nervös machte.

Er stand ganz weit hinten, in einer schlecht ausgeleuchteten Ecke. Zum Glück schien ihn keiner zu erkennen. Trotzdem zog er seinen Hut tiefer ins Gesicht.

Die Trauerfeier begann. Jetzt waren ausnahmslos alle Stühle besetzt. Wenige Redner versuchten, gegen die geisterhafte Stille anzureden. Erzählten über den Toten. Was für ein guter Mensch er gewesen war. Wie sehr ihn alle vermissen würden. Ein Kommunalpolitiker sprach davon, welch ein großer Verlust der Tote sei.

Shinta musste sich zusammen reißen, um nicht hysterisch aufzulachen. Woher sollte der Politiker wissen, dass der Tote ein Verlust war? Alter Zorn kochte in Shinta hoch. Er wollte nicht mehr hier bleiben. Das alles hier war genauso heuchlerisch, wie er es erwartet hatte. Und doch blieb er. Er musste bleiben. Wenigstens das. Seine Reue.

Shinta ließ seinen Blick über die Menge wandern. Einige Mädchen saßen in Grüppchen zusammen und schluchzten. Unter ihnen waren auch einige, von denen Shinta wusste, dass sie den Toten nicht gemocht hatten. Schnell schaute er weg, bevor er sich über diese hohle Trauer ärgern konnte. In der ersten Reihe saß eine Frau, die ihre kleine Tochter im Arm hielt. Die Kleine starrte auf den Sarg, als ob sie darauf warten würde, dass der Tote wieder aufstand und lachend zu ihr kam. Ihre Mutter hielt sie fest im Arm und hatte ihren Kopf an ihren gelegt, als ob sie weinen würde.

Jetzt stiegen auch Shinta Tränen in die Augen. Nicht, weil er sich schuldig fühlte oder aus Trauer über diesen Tod. Nein, nur, weil er es war, wegen dem das Mädchen so entsetzt schaute.

Der Sarg wurde an jedem vorbei aus der Halle zu einem Leichenwagen getragen. Eine schwarze Prozession folgte ihm zum Friedhof. Shinta folgte ihr in einigem Abstand.

Langsam, so, als wolle man den unvermeidlichen Moment des Abschiedsnehmens hinauszögern. Shinta wollte nur, dass diese ungenehme Situation endlich vorüber war. So schnell wie möglich. Die Beerdigung des Toten störte ihn nicht. Nur die Anwesenheit so vieler unehrlicher, weinender Menschen. Da waren ihm jene lieber, die mit gelangweilten Mienen mitliefen. Die taten wenigstens nicht so, als ob ihnen an dem Toten wirklich etwas gelegen hätte. Natürlich waren da auch welche, die wirklich trauerten, die den Toten wirklich vermissten. Aber das hatte Shinta ja auch vorher gewusst und billigend in Kauf genommen.

Das arme kleine Mädchen...

Auf dem Friedhof war ein frisches Grab ausgehoben worden. Der Geruch von frischer Erde stieg Shinta in die Nase. Langsam wurde der Sarg in das Grab hinab gelassen. Der Regen spielte eine merkwürdige Melodie als er auf den Sargdeckel prasselte.

Die Trauergäste starrten mit einer seltsamen Faszination auf den Sarg und die Totengräber. Es war eine Sensation, die sich in den Augen einiger Anwesenden spiegelte und sie leuchten ließ, während sie sich in ihre Taschentücher schnäuzten.

Shintas Abscheu gegen die Menschen wuchs. Er hoffte nur, dass seine Leiche nie gefunden werden würde.

Das kleine Mädchen schaute fassungslos zu, wie nach und nach immer mehr Erde den Sarg bedeckte. Ihr Anblick beruhigte Shinta, auch wenn er sich schuldig fühlte.

Er war so darin versunken, sie zu betrachten, dass er nicht bemerkte, wie sich die Trauergesellschaft zerstreute. Plötzlich standen nur noch er und das Mädchen mit ihren Eltern am Grab. Sie kam auf Shinta zu.

"Du, Onkel, warum haben sie meinen Bruder verbuddelt?", fragte sie Shinta mit großen Augen.

Shinta tätschelte ihr den Kopf. "Dein Bruder hat etwas Böses getan und ist jetzt an einem anderen Ort", erklärte er ihr.

"Im Gefängnis?"

"Nein", sagte Shinta. Er lächelte. "Er ist im Himmel." Nicht, dass Shinta das glaubte. Aber das konnte er ihr einfach nicht sagen. Er drehte sich um. Er musste endlich hier weg.

Das Mädchen starrte ihm nach, auch, als er schon verschwunden war, so lange, bis seine Mutter ihm die Hand gab.

"Mama, ich habe einen Engel getroffen. Er hat gesagt, mein Bruder sei jetzt im Himmel!", erzählte die Kleine stolz.
 

付芳芳



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  AdversusX
2009-06-21T20:50:46+00:00 21.06.2009 22:50
I-wie bin ich durch dieses eine Kommi von Loo-chan total neugierig auf dieses Kappi geworden!:3

Und ich kann echt nur zustimmen!X3 Dieses Kappi ist echt krass!O_____O~
Vor allem, wie du das mit der schauspielerischen Trauer der meisten Gäste deutlich gemacht hast...boahr, da bin ich i-wie auch total genervt von gewesen...solche Ärsche echt!>3<
Und das kleine Mädchen fand ich ebenfalls waii~x3

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|°~+* liebes grüßle, Dein SapphireHoro-chan!x33 *+~°|
Von: abgemeldet
2009-04-20T19:07:34+00:00 20.04.2009 21:07
Hyaa >///<
Ich liebe die Geschichte von Shinta x3
Das Kapitel ist aber so traurig =(
Vor allem mit dem kleinen Mädchen "Mama, ich habe einen Engel getroffen" so kawaaaii >.<
Ich hoffe es lesen noch ganz viele Shinta und lassen auch viele Kommis da =) (Können nur gute sein :3, wenn nicht gibts haue òó!)
Freu mich schon wenn du die anderen Kapitel online stellst :)
Lg Loo-chan



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