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Asche und Rosen

Luzifer x Rosiel
von

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Gula

Sie hatten geglaubt, ihn ein zweites Mal ohne Gegenwehr holen zu können. Oh, wie falsch sie gelegen hatten, sie alle hatten ihr Leben dafür eingebüßt, für den bloßen Versuch, ihn zu zwingen.

Diesmal nicht. Diesmal würde er ganz sicher nicht in Ketten und schmutzig vor den Höllenfürsten treten. Stolz und aus freien Stücken.
 

Rosiel hatte sich nicht einmal sonderlich Mühe gegeben, leise einzutreten, eigentlich war er in Rage beinahe hergeeilt, doch das, was er dann gesehen hatte, hatte ihn vor Ekel erstarren lassen.

So trieben sie es also, die Geschöpfe der Hölle? Er ahnte zwar die Sünde, der er sich selbst hingegeben hatte, aber DAS? Das war pervers und einfach nur widerlich.

Der Ekel stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er sich langsam von der Säule abstieß, an welcher er gelehnt hatte - ein Engel konnte nicht gesehen werden, wenn er es nicht unbedingt wollte.

Die lederne Hose mit den Querschlitzen an der Seite bis obenhin zur Hüfte knirschte leise, als er einige Schritte näher kam, dabei an einem seiner Nuttenstängel ziehend, und die Plateaustiefel mit den harten Absätzen klackerten leise dabei; die Hüften wiegten sich beinahe wie die einer Frau beim Laufen.

Abgerundet wurde das Ganze durch ein einfaches, weißes Hemd, welches nur mit zwei Knöpfen geschlossen war, die Haare waren zu einem einfachen, hohen Zopf geformt.
 

"So...", kam es leise von den blassroten Lippen. "Luzifer, wirklich, ich bin bestürzt", dabei konnte er ein leises Kichern nicht verbergen, als er kurz dem Blick Belials begegnete, welcher unverborgen verstimmt bezüglich dieser Störung war.

"Ich hätte niemals gedacht, dass jemand wie du dich mit so einem hässlichen, kleinen Flittchen begnügt..."

Abermals ein Zug und Qualm ausstoßen. Kein einziges Mal wandte er den Blick dabei von den beiden noch immer verbundenen Wesen. Diese Gnade tat er ihnen nicht.

"Wie beleidigend, mit so ... etwas ersetzt zu werden", gab er noch theatralisch zum Besten und konnte dann ein amüsiertes Lachen nicht verbergen.

Er war gespannt, wie Luzifer, der ihm ja ach solche Verfallenheit geschworen hatte, mit dieser Situation umzugehen gedachte.
 

Den Blick erhebend erkannte er den anorganischen Engel, blickte ihm noch im Schweiße des Angesichts in die Augen, schnaufte schwer.

Sein Blick wurde kalt, doch noch hatte er die warme, die schöne Belial umklammert.

Der einzige Grund womöglich, sich nicht auf ihn zu stürzen, ihm den Hals umzudrehen.

Alleine dieser Anblick, dieser Geruch von duftend süßen Blumen, drehte ihm buchstäblich den Hals um, ließ die Galle in ihm aufsteigen, ließ ihn beinahe würgen und brechen. Widerlich war es, ekelerregend, es passte mit keiner einzigen Note hier herein, in diese Situation, in sein Reich, in seine Seele.

Wut stieg in ihm auf, seine Augen flammten wie beim ersten Mal ihrer Begegnung vor Feuer. Er zerdrückte die zarte Frau in seinen Armen beinahe, löste sich jedoch mit einem Ruck von ihr, schlagartig, und stieß sie zu Boden, richtete sich dabei auf und immer noch keuchend starrte er den Engel an.

Seine lange, wallende, glitzernde Mähne.

Wie Kristall, durchtrieben von unglaublicher Schönheit.

Sein eigener Körper brannte beinahe, so schwer und heiß war die Aura um ihn herum geworden.

Was wagte dieses dreckige Stück sich so vor ihm aufzuspielen, sich aufzubäumen? Luzifer schritt auf ihn zu, sprach kein Wort und blieb vor Rosiel stehen.

Er war einen ganzen Kopf größer und die Aura, die von dem anorganischen Engel ausging, war nichts im Vergleich zu seiner eigenen, er lähmte den gegnerischen Körper alleine mit seinem unendlichen Zorn.

Mit einem Mal riss er an seinen Haaren und zerrte ihn zu sich hoch, blickte ihm direkt, von Angesicht zu Angesicht, in die Augen.

"DU bist das Flittchen, Rosiel. Du hast deinen Arsch noch in einer viel beschämenderen Weise hingehalten. Du hast mir sogar die Eier geleckt. Schweig also, wenn ich deine widerliche Stimme nicht zu hören wünsche. VERSTANDEN!?"

Mit diesen Worten und einer unglaublichen Wucht schleuderte er ihn gegen die Wand, so hart, dass die Steine um Rosiel herum aus der Wand herausbrachen, niederfielen auf den schmalen, dürren Körper, um ihn herum, dass Rosiel sich ein Stöhnen vor Schmerz nicht verkneifen konnte, dass seine Rippen brachen und ihm die Nase von dem Aufschlag des Hinterkopfes bluten musste. Lachend fuhr sich Luzifer durch das schwarze, schweißnasse Haar und legte den Kopf ein wenig schief, grinsend, doch schließlich erneut in ein schallendes Gelächter ausbrechend.

"Ihr Engel seid so widerwärtige Kreaturen. Ihr bildet euch tatsächlich ein, ihr wäret so herrlich, so rein und so unbefleckt. Gerade du, Rosiel...", Er leckte sich die Lippen, "solltest wissen, wie geil und verdorben eure Rasse doch ist."

Er fischte seine Hose vom Boden, er zog sie wortlos an, er zauste sich durchs Haar.

Und ohne einen Blick an sie zu richten:

"Belial. Kümmer dich um unseren Gast. Leg ihn in Ketten, bis ich Lust auf ihn bekomme. Du darfst ihn ruhig schlagen, peitschen, ihm Gülle ins Maul schütten. Was du willst. Schließlich hat er dich beleidigt."

Er ging an ihr vorbei.

"Und das darf nur ich, wenn ich dazu in der Laune bin..." Sie war seine Maid. Nur er sollte sie treten. Mit diesen Worten, sich eine Zigarette anzündend, verließ er den Raum.
 

Rosiel spürte die Wut, die ihn umgab, den Höllenfürsten, der sich mit einem Mal so schrecklich außer sich zeigte, ganz so, als habe er, Rosiel, ihn bei etwas ertappt, mit dem er sich nicht offenbaren hatte wollen, zumindest nicht vor ihm.

Doch selbst, als diese plättende Aura Luzifers, dessen Wut, ihn erreichte, blieb seine Miene stoisch, ließ sich nichts von Furcht oder dergleichen anmerken.

Es war nicht so, als hätte er keinen Respekt vor dieser zerstörerischen Kraft, die von dem Anderen ausging...

Er hatte auch keine Zeit mehr, darüber zu sinnieren, als Luzifer ihn plötzlich packte und ihn harte Bekanntschaft mit der dahinterliegenden Wand schließen ließ, sodass es ihm für einen Moment die Luft aus den Lungen presste und ihn Sterne sehen ließ.

Benommen sackte er an der Wand hinunter, die Worte Luzifers aber, die ihn eigentlich hätten beleidigen oder empören sollen, entlockten ihm nur ein Lächeln und ein bittersüßes Lachen folgte dem Höllenfürsten, als dieser den Raum verließ.

"Na, wie ist es, die Kontrolle zu verlieren...?"
 

Belial unterdessen hatte sich grob wieder angekleidet, starrte nun höhnisch zu Rosiel hinüber, als selbiger jedoch aufblickte und sie mit seinen stechenden goldenen Augen anstarrte und fauchte: "Wag es, mich auch nur im Entferntesten anzufassen, du dreckiges Stück, und ich werde dich in deine Einzelteile zerfetzen!!!"

Und Belial, die sonst nichts fürchtete, außer dem Wort ihres Meisters, hielt doch tatsächlich inne.

Sie hasste den anorganischen Engel wie kein anderes Wesen, doch war sie so klug, zu wissen, dass sie im Falle eines Falles gegen diesen nicht ankäme.

So biss sie sich nur auf die Lippen.

"Dann solltest du dich freiwillig in Ketten legen lassen, denn wenn Sein Wille nicht geschieht, kann er sehr ungehalten werden und dann geht es dir schlecht..."

So anmutig wie es derzeit ging, versuchte Rosiel sich zu erheben, zitterte leicht, der Schlag auf den Hinterkopf schmerzte ihn.

Aber noch mehr schmerzte ihn sein Ego.

Wo war die Leidenschaft, die Luzifer ihm offenbart hatte, die Sehnsucht? War das alles diesem widerwärtigen, rothaarigen, kleinen Geschöpf gewichen?

Mit erhobenem Haupt schritt er an Belial vorbei, die ihn wohl am liebsten angespien hätte, wissend, dass er damit einen wirklichen Feind gewonnen hatte. Dennoch, der anorganische Engel fürchtete sie nicht.

Nichtsdestotrotz ließ die Dämonin seine Tür versperren, verriegeln, sodass er sie ohne fremde Hilfe nicht mehr aufbekommen hätte und ließ ihm nichts als das schwache Licht vereinzelter Kerzen.

In Gefangenschaft zu sein, in Dunkelheit zu sein, so dachte sie, würde einem Engel wie ihm schon genug zusetzen...
 

Luzifer wusch sich ab, wusch den Dreck, Schleim und Schweiß von sich, schloss dabei die Augen, ließ das kalte Wasser an sich abperlen.

Ihm war ein wenig schwummrig, schwindlig von all den Dingen, die geschehen waren. Rosiels Blut klebte nicht an seinen Händen, er hatte ihn kaum berührt und ihn dennoch verletzt.

Er pflegte nicht, seine Opfer zu berühren, sie anzufassen. Es reichte ein Stoß, seine Aura war unnatürlich stark, durch einen Blick auf ein menschliches Wesen wäre jenes vermutlich in tausend Stücke zerrissen, gestorben.

Er verharrte eine Weile in der Dunkelheit, nass und verkühlt, bevor er sich wieder ankleidete, in pures ledernes Schwarz.

Er würde Rosiel dort eine Weile harren lassen, ohne Licht und ohne Nahrung.

Ohnehin war ihm schleierhaft, was er mit ihm vorhatte. Ein Exempel wollte er an ihm statuieren. Seinen abgemagerten und geschändeten Leib Gott persönlich präsentieren - oder zumindest all denen, die ihn liebten und vergötterten.

So vergingen also ein paar Tage. Zwei um genau zu sein. Zwei Tage, in denen er selbst jeglichen Kontakt mied, sich nicht einmal vor seinen Dienern zeigte, nicht vor Belial. Niemand konnte ahnen, wo er war. Er war in der Dunkelheit verschmolzen, war verschwunden und verschollen, sein Aufenthaltsort unbekannt.

Nach zwei Tagen kam er blutverschmiert und blutbesudelt (Redundant.) zurück, hatte wohl irgendwo gewütet und geschlachtet, hatte seinen Durst gestillt und seinen Frust bewältigt, doch gut gelaunt schien er nicht. Kälter als der eisigste Winter, so glänzten seine Augen und er sprach zu niemandem, wischte sich nur das Blut ab, zog sich um und schritt dann ohne weiteres zu seinem Gast.
 

In Rosiels Raum waren die Kerzen bereits abgebrannt, es war stockfinster, es roch modrig, es roch nach Tod. Luzifer betrat den Raum, sein Blick war leer. Seine Wut war einerseits verraucht, andererseits war sie Kälte und Leere gewichen.

Er schritt über die schallenden Fliesen, sog den schwachen, doch immer noch vorhandenen Geruch von Blumen in sich ein, der für ihn scharf und stechend schien.

"... Willst du um dein Leben flehen? Oder willst du sterben, Engel?"

Rosiel musste Hungern, er musste, er musste Dunkelheit und Kälte ertragen. Doch Ketten hörte Luzifer nicht. Sie hatten seinen Befehl missachtet. Irgendwer würde dafür sterben müssen.
 

Rosiel hatte selbst in dieser Situation seine Würde bewahrt.

Als die Kerze herab gebrannt war, hatte er etwas von seiner eigenen Energie darauf verwendet, damit er nicht völlig im Dunkeln saß und so glänzte Luzifer nun ein kalter, weißer Schein von Rosiel entgegen, der, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen, beinahe, als befände er sich in Trance, unbewegt auf dem gemachten Bett saß. Beinahe geisterhaft wirkte er.

Er konnte eine Zeitlang wie jeder höhere Engel oder Dämon ohne Nahrung und Wasser auskommen, dennoch schwächte ihn diese Umgebung hier schneller, als es wohl im Himmel der Fall gewesen wäre.

Als Luzifer ihn anredete, hob er den Blick und dieser konnte sehen, dass das wilde Gold einem kühlen Eisblau gewichen war, dass sich feine eiskristallene Ranken auf seiner Haut ausbreiteten und die Haare nun schneeweiß um seine Schultern fielen.

Er war Rosiel, der Anorganische, und so leicht war er nicht seiner Energie zu berauben und schon gar nicht seiner Körperfunktionen.

"Nichts dergleichen", erwiderte er schlicht mit der androgynen, kühlen Stimme und wandte den Blick wieder ab, ganz so, als habe das, was Luzifer ihm angetan hatte keinerlei Bedeutung, als wäre seine Situation nicht halb so gefährlich, wie sie war, als würde ihm dies alles nichts anhaben.

Nichts an seiner Aura ließ er nach außen dringen, wie schlecht es ihm eigentlich ging an diesem Ort und wie sehr er seinen getreuen Katan vermisste, der ihm in jeder Stunde Trost hatte spenden können.
 

Stolz, unzerbrechlich. Hatte Luzifer tatsächlich etwas anderes erwartet? Eine gewisse Ehrfurcht breitete sich in ihm aus.

Dieses eine Gefühl, das Besitz von ihm ergriff, ihn erfüllt hatte, stieg wieder wie Galle in ihm hoch.

Rosiel war unter ihm, war Dreck, zerbrechlich, schwach, makabererweise doch trotz all seinen Niederlagen, die er gegen Luzifer erleben würde, war er ihm ebenbürtig.

In seinem Stolz stand er Luzifer in nichts nach. Vielleicht, wahrscheinlich, vermutlich, hätte ein anderer längst aufgegeben in so einer ausweglosen Situation.

Denn selbst, wenn er hier noch einige Tage oder Wochen verharrend überleben würde, was gab ihm die Sicherheit, dass er tatsächlich hier jemals lebend entfliehen konnte? Dass er tatsächlich am Leben blieb, dass er nicht brutal geschlachtet wurde in den nächsten Momenten, Tagen, Wochen, Monaten? Woher nahm Rosiel die Sicherheit, die Zuversicht? Oder war ihm sein Leben gänzlich gleich? Luzifer verharrte auf dieser Stelle, an der er stand, dann musste er doch lachen.

"Willst du hier in der Dunkelheit einsam langsam vergehen? Wenn du bettelst, lasse ich dich vielleicht frei.."

Wie lächerlich ihm der Satz doch selbst vorkam. Er lehnte sich an eine der eiskalten Wände hinter seinem Rücken, blickte durch das Nichts der Schatten. Er war nicht von ihnen zu unterscheiden.

"Ich habe gehört, WIE sie dich geschnappt haben. Du scheinst für mich auch einen nicht minderen Ersatz gefunden zu haben, mein Engel."

Er sprach, als wäre er nicht bei Sinnen. Sich eine Zigarette anzündend entfachte er das einzige reale Licht in diesem Raum, zog an ihr, blies den Rauch in den Raum.

"Du und dein kleiner Schoßhund ... was ist anders daran, wie du es mit ihm treibst, als wenn ich es mit meiner kleinen Hündin treibe? Glaubst du, du bist reiner als ich, Rosiel?"
 

Rosiel war gerade in einer inneren Ruhe gefangen, die ihn selbst überraschte.

Beinahe schon mitleiderregend, wie Luzifer versuchte, ihn zu provozieren, ihn mit allen Mitteln versuchte, das tun zu lassen, was er von ihm wollte? Betteln, am Boden, gebrochen?

Niemals, eher würde er seinen Tod in Kauf nehmen.

Vielleicht würde er ihn ja auch begrüßen, dann wären es der Sorgen gleich viel weniger.

Seine Mundwinkel zuckten ein wenig, das war aber auch schon die einzige Reaktion, die Luzifer ihm zu entlocken vermochte.

"Niemals", antwortete er schlicht und ließ, wie aus purer Langeweile, von seinen Händen einen kleinen Lichtball, ähnlich flackernd wie einem Irrlicht, ohne Wärme und mit kaltem Glanz, aufsteigen auf seine Augenhöhe, betrachtete ihn und er ließ ein wenig die Schatten tanzen.

Es war keine Energie, nur harmloses Licht, aber es war das seinige. Etwas, das Luzifer ihm hier nicht nehmen konnte.
 

"Ersatz, Luzifer? Wie sollte man für etwas einen Ersatz finden, das einem nicht im Geringsten in keiner Sekunde auch nur annähernd etwas bedeutet hat?"

Im Moment fürchtete er sich nicht. Nicht vor Luzifers Groll, nicht vor dem, was dieser ihm vielleicht antun könnte.

Er ließ das Licht gehen und es machte sich selbstständig, schwebte ein wenig im Raum umher und Rosiel folgte ihm mit den Augen.

Luzifer schloss die Augen. Was in diesem Raum geschehen würde, egal, was es sein würde, egal, was er sagen würde, es würde hier in diesen vier Wänden, in dieser Dunkelheit bleiben. Niemand würde jemals davon erfahren.

Jetzt und hier entschied sich womöglich, ob Rosiel sterben oder leben würde. Doch egal, wie sich das entschied, es würde eben zwischen ihnen beiden bleiben.

Nur Luzifer würde sich erinnern. Oder es verdrängen und vergessen, wie vieles andere. Darum schloss er eben die Augen und vergaß für einen Moment, wer er war und was er repräsentierte.

"Du hast mir was bedeutet." Er zog an seiner Zigarette, sehnte sich einen Moment lang nach kalter, frischer Nachtluft.

Nach klarer Dunkelheit, nach Sternen.

Für einen kleinen Moment, vielleicht einem einzelnen in seinem ganzen, langen Leben, vergaß er einfach das Wort "Stolz" und lächelte selig und deprimiert in das Schwarz hinein. Die Trauer und Leere, die ihn umgaben, erfüllten den ganzen Raum, Rosiel hatte diese Art der Aura schon ein Mal vernommen, nur dass sie jetzt viel stärker waren, wie eine unendliche Last, die Luzifer von seinen Schultern auf alles um sich herum auszubreiten schien.

"Ich hatte mich bei dir ganz gut gefühlt. Vielleicht ... aus einem kindlichen Drang heraus.. habe ich deshalb wieder nach dir gegriffen, wie nach einem Spielzeug?"

Er sank die Wand herunter, sein Körper bebte. Seine langen, schlanken, muskulösen Beine streckend krümmte er sich nach unten und vergrub den Kopf in einer zitternden Hand, zog erneut an der Zigarette. Was immer hier geschah, es würde niemals jemand sehen. Die Dunkelheit verschluckte alles.

"Du bist so schön wie Alexiel. Nur ihre Wildheit ist deiner nicht ähnlich", flüsterte er unterdrückt.
 

Rosiel bemerkte die Aura, den plötzlichen Umschwung, in Luzifer, auch wenn er sich vorerst nichts anmerken ließ.

So, er hatte ihm tatsächlich etwas bedeutet?

Der Engel rümpfte die Nase, so wirklich wollte er diese Worte nicht glauben.

Ein weiterer kleiner Lichtball drang aus seinen Handflächen und erhellte den Raum zusätzlich.

Aber die Aura Luzifers log nicht, sie wurde von einem wütenden Rot zu einem traurigen dunklen Blau.

"Wenn ich dir etwas bedeutet habe, dann..." Er brach ab. Wusste sich nicht zu formulieren.

"Ist doch gelogen", fügte er leise hinzu, denn einen kleinen, lächerlichen Moment hatte es sein Herz erwärmt, als der Höllenfürst dies gesagt hatte.

"Alexiel...", ahmte er mit monotoner Stimme den Namen seiner Zwillingsschwester nach.

Warum nur war dieser Name allgegenwärtig?

Er erfüllte ihn mit Abscheu. Sie war immer so stark, so gefestigt und er selbst? Ein wandelnder Widerspruch in sich.

Die beiden Lichter näherten sich Luzifer, umkreisten ihn in respektvollem Abstand, kamen dann näher, beinahe so, als wollten sie Wärme spenden ... Wärme, die sie nicht besaßen, so wie er, Rosiel. Er war kalt, er war der leblose, anorganische, er war nicht wie Alexiel.

"Ja, ich bin schön...", sagte er und wirkte matt, als sei er selbst es leid, diese Worte dauernd zu hören.

Eine Weile herrschte Stille im Raum, dann sprach er und er wusste nicht, warum er das überhaupt erzählte.

"Einmal habe ich mir mit einer Spiegelscherbe das Gesicht zerschneiden wollen, weil ich es nicht mehr ertrug ... Jemand hat mich daran gehindert, wahrscheinlich weil er wusste, dass das alles war, was mich ausmachte..."

Er musste es nicht aussprechen, wer das gewesen war, der ihn da aufgehalten hatte.

Er hatte sein Leben beenden wollen und als er wieder zur Besinnung gekommen war, hatte er diese Tatsache totgeschwiegen, als verletzte es seinen Stolz, seine Unantastbarkeit.
 

Den Blick leicht hebend schielte er zu einem der Lichter. Wie Glühwürmchen umschwirrten sie ihn in wirrem Zickzack, kamen mal näher, zogen sich dann wieder zurück auf Sicherheitsabstand, bis eines schließlich seine Wange berührte, doch warm war es nicht. Nur hell, von einem inneren Leuchten erfüllt, glitzerte es ihn unschuldig an. Er griff danach wie ein Kind nach Seifenblasen, doch berühren konnte er es nicht.

Mit seiner eigenen Aura färbte er eines der Lichtkügelchen blau und schickte es zurück zu Rosiel.

Schweigend zog er an seiner Zigarette. Alexiel sollte so herrlich sein? In seiner Erinnerung vermischte sich ihre Stärke mit einer gewissen Arroganz, die auch sie gehabt hatte. Überheblichkeit womöglich.

Er hatte sich neben ihr oft nicht stark genug gefühlt, er kompensierte das durch Gewalt. Lange hatten sie ihren Weg geteilt, ehe sie sich voneinander abgewandt hatten. Niemand hatte unterliegen wollen, dem anderen folgen wollen.

Rosiel war im Gegensatz zu ihr wirklich misslungen. Aber auch eben er hatte diesen Glanz, diesen Stolz, was ihn und sie vollkommen machte.

Mit einem schmerzhaften Zucken in der Brust, einem Stechen, wurde ihm schlagartig klar, wie sehr Alexiel ihm doch manchmal fehlte.

Er stieß sich ab von der Wand, näherte sich Rosiel, kniete sich vor ihn hin und griff nach seinen schimmernden Haaren, um den abartigen Blumenduft zu inhalieren. Luzifer schloss die Augen.

"Ihr steht einander in nichts nach. Ihr seid beide widerwärtig stolz. So sehr, dass es lebensmüdem Schwachsinn gleicht. Stolz, unzerbrechlich. Zugegeben, ihr Körper war weiblich und wahnsinnig weich. Aber im Inneren hatte sie wohl die selbe Kälte wie du."

Er griff nach mehr Haarsträhnen, zog Rosiel näher.

"Dieselbe Kälte? Sonderbar, wo sie doch um alle Lebewesen immer so bemüht ist..."

Beinahe abfällig klang seine Stimme dabei, als Rosiel das aussprach, während er zwangsläufig , denn sonst hätte er ihm wohl eine Haarsträhne ausgerissen, näher zu Luzifer rutschte.

Seine Schwester hatte immer gesagt, alles Leben sei schätzenswert. Er hatte das immer als völligen Schwachsinn abgetan. Er konnte als Anorganismus, der er war, einfach nicht verstehen, was einen so zum Leben hinzog.
 

Wo war die Wut hinverschwunden, die Luzifer Tage zuvor noch verspürt hatte? Als hätte sie sich gänzlich aufgelöst.

Der Blumenduft drückte ihm auf die Sinne, Rosiels Aura ... Sie nahm ihn einmal mehr ein.

Er fluchte leise und schließlich, plötzlich, trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss.

Keine Gier lag darin, nur schlichte Anziehung und ... Zuneigung?

Luzifer erschauerte. Hatte er beim ersten Mal registriert, wie betörend diese Lippen waren, in seiner Gier nach dem reinen, unberührten Leib?

Er unterbrach den Kuss.

"Ich werde dich aus diesem Gefängnis freilassen", entschied er, "und veranlassen, dass man dir Gemächer richtet. Aber zurückkehren lasse ich dich nicht."

Rosiel antwortete daraufhin nichts. Er sah es nicht ein, sich dankbar zu zeigen, er wollte nicht, dass der Höllenfürst etwa den Eindruck bekam, er mache sich seinem Urteil untertan.

Dennoch verspürte er eine gewisse Erleichterung, aus diesem Loch herauszukommen.

Es war seiner nicht würdig.
 

Es vergingen einige Tage, in denen Luzifer sich bei ihm nicht blicken ließ, und irgendwann wurde er des Ausharrens müde und beschloss, seine Umgebung zu erkunden.

Luzifer sah es zwar sicherlich nicht gerne, wenn er eigenständig auf dem Gelände herumstromerte, allerdings hatte dieser auch kein ausdrückliches Verbot ausgesprochen und so hatte Rosiel beschlossen, dass es nicht nötig war, sich einzuschränken.

Zuerst hatte er sich den Palast angesehen.

Er war dem in Aziluth gar nicht so unähnlich und er merkte, dass dort oben ein völlig falsches Bild von der Hölle herrschte.

Dunkel war es, ja, oft drückend und dennoch herrschte hier eine Art fahler, edler Glanz. Kein Dreck, wie man annehmen mochte, es war vornehm und stilvoll eingerichtet, der einzige Unterschied bestand in den Farben. Wo im Himmel Silber, Weiß und Gold dominierten, herrschten hier größtenteils Schwarz und dunkle Rottöne, was das Ganze mehr verrucht wirken ließ. Es war nicht unangenehm, nur ungewohnt.

Aber ob er sich daran gewöhnen wollte, das war eine andere Sache.

Er merkte bald, wo man ihm begegnete, mied man seinen Blick, vermied es, ihn anzusehen.

Er verstand es nicht. Im Himmel gierte man nach ihm und hier? Verschmähung?

Irgendwann wurde es ihm zu bunt und da gerade die Langeweile von ihm ergriffen hatte, hielt er kurzerhand einen buckligen, vorübereilenden, mit ledriger Haut bedeckten Dämon grob am Oberarm fest und zischte: "Was ist los hier unten mit euch, huh? Seid ihr einfach nur feige oder zu unverschämt, mir in die Augen zu sehen?"

Der Diener wimmerte zu Rosiels Überraschung verzweifelt auf und presste energisch die Augen zusammen.

"Nun, sag schon!", fauchte der Engel gereizt, doch von dem Dämon kam nur hilfloses Wimmern und Gestottere.

Plötzlich ertönte ein leicht amüsiertes, jedoch nicht boshaftes Lachen. "Von dem Mann werdet Ihr keine Antwort bekommen, man hat ihm die Zunge herausgerissen, weil er es wagte, Euren Namen auszusprechen."

Rosiel ließ den Dämon los und wirbelte herum. Ein Mann stand vor ihm, sehr elegant gekleidet, groß, mit robusterem Körperbau und markantem Gesicht, welches von glatt zurückgekämmtem schwarzen Haar gesäumt wurde. In den Augen glitzerte der Schalk und gleichzeitig eine gewisse Art von Charme.

Die Haltung wirkte sehr gerade und das einzige, was dieses Bild störte, waren die Hörner, denen eines Stieres gleich, die ihm aus den Schläfen sprossen, stolz, wie eine Krone trug er sie, und der Schlangenschwanz, der sich sachte um den Körper schlängelte.

Rosiel starrte ihn einen Moment an, dann sagte er ruppig, um zu überspielen, dass er leicht erschrocken war vorhin: "Wer seid Ihr und was schleicht Ihr so herum?"

Der Andere lachte und Rosiel wurde der wohlklingenden Stimme gewahr.

"Ich bitte vielmals um Verzeihung, wie unhöflich von mir-", Er legte die Hand an die Brust und verneigte sich vorbildlich. "Man nennt mich Asmodeus, Richter, Marquis und Dämon der Gula*."

Er kam ihm ein wenig näher, ergriff seine Hand und hauchte einen galanten Kuss darauf.

"Es freut mich, endlich die Bekanntschaft des Wesens zu machen, das unser aller Herrn so um den Verstand bringt."

Rosiel wirkte einen Moment recht verdutzt, wusste nicht so ganz, was er von diesem Mann zu halten hatte. Charmant war er, daran bestand kein Zweifel und auch seine Aura hatte etwas ganz Eigenes an sich.

Tatsächlich hatte sich der Hauch einer Röte auf sein blasses Gesicht geschlichen und noch während er die Hand sanft wegzog, meinte er: "Was meintet Ihr mit dem, was Ihr vorhin sagtet? Wieso hat man ihm die Zunge herausgerissen?"

"Darf ich Euch auf einen Spaziergang einladen, Rosiel-sama?"

Und Rosiel, der sich, seit er hier unten war, das erste Mal mit Respekt behandelt fühlte, sagte zu und ergriff den ihm dargebotenen Arm.
 

Wenig später, als sie durch einen der weiten Gärten liefen und Rosiel merkte, dass es hier nicht ausschließlich kalt und trist war, ergriff der Dämon wieder das Wort,

"Mein Herr hat den Dienern verboten, Euch anzusehen, darauf stehen grausige Strafen. Der Diener, den Ihr erwischt habt, hat in einem unbedachten Moment Euren Namen ausgesprochen und die Konsequenz folgte auf dem Fuße. Wer es wagt, Euch anzusehen, wird geblendet. Wer es wagt, Euch zu berühren, darauf steht die Todesstrafe.”

Auf Rosiels Gesicht erschien ein süffisantes Lächeln. "Dann seid Ihr wohl schon tot, Asmodeus."

"Mitnichten, mein Engel, ich bin einer der Hohen, einer der wenigen, der sich des Vertrauens Luzifers rühmen darf."

Nun war es an Rosiel zu lachen. "Vertrauen? Hier unten?"

Asmodeus schnalzte mit der Zunge. "Ah, unser Ruf eilt uns voraus. In dieser Sache ähnelt Eure Himmelshierarchie der hier unten um Einiges. Oder wollt Ihr mir sagen, Ihr seid dort oben gänzlich vor Misstrauen und Hinterhalt gefeit?"

Darauf wusste Rosiel keine Antwort. Im Grunde wusste er, dass der Dämon Recht hatte.

Und noch etwas anderes schlich sich in seinen Geist.

Luzifer war offenbar nicht nur sehr besitzergreifend, sondern auch schrecklich eifersüchtig.

Wenn das keine Sache war, die er ausnutzen konnte, dann wusste er auch nicht weiter.

Auge um Auge, Zahn um Zahn. Luzifer sollte nicht meinen, dass er hier ein leichtes Spiel mit ihm hatte, dass er ihn unter Kontrolle hatte. Diese Eigenschaft hatte er wohl als eine der wenigen mit seiner Zwillingsschwester gemein, den unbezwingbaren Stolz, die ewige Rebellion gegen alles, was einem gefährlich werden konnte. Sich niemals unterwerfen.

Rosiel empfand diese Unterhaltung als ungemein abwechslungsreich. Er gab es ungern zu, aber Asmodeus hatte eine ganz eigene Art von Charme.

So erfuhr er im Laufe der Unterredung, dass Luzifer gedachte, am selben Abend noch eines seiner ausschweifenden Feste zu geben und irgendwie kribbelte es ihm in den Fingern, dem beizuwohnen.
 

Als man ihm am Abend die Einladung zu dieser Festivität herantrug, hätte der Engel beinahe aufgelacht.

Der stotternde Diener lag beinahe auf dem Boden, das Gesicht gegen ebenjenen gepresst, während er ihm versuchte, so unterwürfig wie möglich mitzuteilen, dass der große Luzifer seine Anwesenheit wünschte.

Es gäbe ein ausschweifendes Mahl und er brauchte es wohl nicht auszusprechen, dass danach noch ganz andere Dinge ausschweifen würden.

Auf Rosiels Gesicht trat ein hinterhältiges Lächeln. Luzifer wünschte seine Anwesenheit? Gut, die sollte er bekommen, allerdings sollte er sie bekommen, wenn es Rosiel gerade danach war.

Kurzerhand entschied er, dass der Diener, der da so erbärmlich bibbernd vor ihm kniete, sich um seine Garderobe zu kümmern hatte und er hatte ihn dabei auch gefälligst anzusehen, wenn er nicht wollte, dass Rosiel ihm die Augen ausstach (Ein wenig genoss er dabei die Verzweiflung, in die er den armen Dämon brachte).

So ließ er sich in aller Ruhe, während das Fest in der Zwischenzeit wohl schon beginnen mochte, mit einem Glas Rotwein in der Hand, die verschiedensten Kleider vorführen, ehe er sich für etwas entschied.

Heute würde es Schwarz sein. Schwarz war verrucht. Ein enges, doch langärmliges Oberteil, das die Schultern gänzlich freiließ und dank der wirren Hochsteckfrisur, die er sich kurzerhand selbst anbrachte, da er das nervöse Gefummel des Dieners bald nicht mehr ertrug, einen Blick auf den Nacken ließ, auf den anmutigen Schwanenhals.

Unter der engen Lackhose trug er bewusst keine Wäsche, er wollte herausfinden, ob es Luzifer zur Weißglut brachte, wenn ihn jeder anstarrte. Die Stiefel waren eine Sache für sich alleine. Plateau und endlose Absätze und dennoch konnte er sich so elegant darin bewegen, dass es mehr sinnlich wirkte als alles andere. Sie hatten vorne einen silbernen, kunstvoll gearbeiteten Beschlag.

Das Gesicht brauchte er kaum zu schminken. Er hatte als der Engel, der er war ohnehin eine makellose Haut. Dennoch zog er ein wenig die Augen nach, sodass sie wie Katzenaugen wirkten und das Schwarz hob das Bernstein auf nahezu obszöne Art und Weise hervor, den Rest beließ er, wie er war, er wollte unterkühlt und unnahbar, gleichermaßen verführerisch auftreten, zuviel Make-Up wäre sehr hinderlich dabei.

Eine Weile betrachtete er sein eigenes Antlitz im Spiegel.

Irgendwie fühlte es sich gut an.

Er reckte das Kinn ein wenig. "Wie schön ich doch bin", sagte er und es war nicht zu deuten, ob er es ironisch oder ernsthaft meinte.
 

Er war äußerst verstimmt. Ansonsten liebte er seine Feste, so zügellos wie sie immer waren, soviel Alkohol, der immer floss, die anwesenden Personen, die ihn gleichermaßen anwiderten wie dass sie ihn erheiterten, aber eine ganz entschiedene Sache störte ihn gerade massiv.

ER war nicht da. Dabei hatte er ganz ausdrücklich nach ihm verlangt. Er knirschte mit den Zähnen und stürzte dann den Alkohol hinunter, der bis zum unmittelbaren Zeitpunkt in seinem Glas unschuldig vor sich hin geglitzert hatte, nur um daraufhin das Glas wieder auf den Tisch zu knallen.

Er wollte ihn hier an seiner Seite wissen. Wollte sich damit brüsten, ein solches Geschöpf zu besitzen.

Belial stand in seinem Schatten, nicht sichtbar und doch in seiner Nähe, und liebend gerne hätte er ihre Unscheinbarkeit gegen den Glanz des anorganischen Engels eingetauscht.

Luzifer knurrte leise.

"Herr, was ist Euch denn über die Leber gelaufen?", lachte ihn eine Stimme von der Seite an. Eine der dämonischen Mätressen. Ein Succubus. Wie die anderen ihrer Art, die heute zugegen waren, war sie nackt und sie war auf allen Vieren zu seinem Stuhl herangekrochen, hatte sich so an der Armlehne hochgezogen, dass ihre Arme ihre vollen, großen Brüste zusammenquetschten, die sie ihm in geradezu wollüstiger Art präsentierte.

Luzifer verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln.

"Wenn du wüsstest, Kleines", erwiderte er und stürzte sich abermals den Alkohol hinunter, der ihm unaufgefordert nachgeschenkt worden war.

Kurz ruhten seine Augen auf zwei Dämonen, die gerade heftig miteinander vögelten, dann warf er ihr wieder einen Seitenblick zu.

Nein, heute war ihm definitiv nicht nach einem vollen Weib. Er griff ihr plötzlich grob ins Haar, sodass sie überrascht aufschrie, und zog sie nach oben, sodass sie in Augenhöhe war.

"Wenn ich die Nähe zu einem dreckigen, seelenlosen Succubi wie dir wünschte, hätte ich dich längst herbeizitiert!"

Er ließ sie ebenso abrupt los, wie er sie ergriffen hatte und sie schlug mit einem enttäuschten, unwilligen Laut auf der Seite auf. Sie funkelte ihren Herrn mit einer Mischung aus Wollust und Empörung an, dann beschloss sie, dass es wohl gesünder wäre, sich für diesen Abend einen anderen Gönner zu suchen und zog sich zurück.

"Sie hat Recht, Ihr seid heute wirklich sehr launisch, Luzifer."

"Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt, Asmodeus", gab er demonstrativ gelangweilt zurück und schwenkte das Glas mit dem Cognac leicht umher, sodass die Flüssigkeit im Inneren bedenklich schwappte.

"Ich habe neulich die Bekanntschaft Eures Feinsliebchens schließen dürfen."

Luzifer zog aus einer Mischung Arroganz und Belustigung die Augenbrauen in die Höhe.

"Mein Feinsliebchen? Ist er nicht ein scheußliches, grauenhaftes Miststück?"

Asmodeus lachte. "Es geht Euch, mit Verlaub, ziemlich gegen den Strich, dass Ihr Euch ihm nicht entziehen könnt, Herr, nicht wahr?"

"Hüte deine Zunge, Asmodeus, noch bin ich nicht betrunken genug, um mich über deine Spitzfindigkeiten nicht mehr zu ärgern."

Asmodeus lachte abermals. "Verzeiht, Herr, meine Gabe, immer ins Schwarze zu treffen..."
 

Plötzlich wurde es stiller im Raum. Nach und nach wandten sich alle Blicke in Richtung der großen Flügeltüren des Saales, die meisten Gespräche verstummten.

Der Blütenduft war so intensiv, dass der ein oder andere tatsächlich den Atem anhielt. Rosiel hatte nicht einmal Parfum benutzt, es war schlicht sein eigener sinnlicher Duft, der dem, was man in der Hölle gewohnt war, entgegenwirkte und nun umso intensiver wahrgenommen wurde.

Auch über Luzifer brach er in Sekundenschnelle herein, dennoch hatte er genug Selbstbeherrschung, um seinen Blick nicht wütend in Richtung des dreisten Spätankömmlings zu wenden, auch wenn er die Blicke der anderen auf ihm spürte und sie ihn bereits jetzt aggressiv machten.

Lediglich aus dem Augenwinkel gestattete er sich einen winzigen Blick - und wünschte er hätte es nicht getan.

Rosiel wirkte wie die verdammt nochmal geilste Schlampe, deren Bekanntschaft er jemals hatte schließen dürfen.

Und die anderen bemerkten das ebenso. Zu dem himmlischen Glanz, der ganz sacht von den schwachen Umrissen der drei Flügel ausging und von der strahlend weißen Haut, hatte sich etwas anderes gemischt, etwas Verruchtes und vollkommen Verführerisches.

Plötzlich zuckte es ihm leicht in den Lenden und er wandte den Blick ab, um weiter grimmig in sein Glas zu starren.

Rosiel schien die Blicke zu genießen, die auf ihm lagen. Aber wen verwunderte es bei dieser verpesteten Arroganz, die dieser ausstrahlte? Man könnte meinen, dass er, Luzifer, ihn niemals so erniedrigt, sich ihn niemals genommen hatte, aber vielleicht war es auch genau das, das jetzt seine Anziehung ausmachte. Die Ausstrahlung war noch um ein Vielfaches überwältigender geworden, seit er ihn das erste Mal gefickt hatte.

Es war seine, Luzifers, Schuld, dass Rosiel nun noch mehr beachtet, bewundert wurde.

Er wandte sich zur Seite, doch Asmodeus war von seinem Platz verschwunden.

Nun richtete er den Blick doch zu Rosiel hin und musste zu seinem Ärger feststellen, dass Asmodeus sich gerade vor dem schönen Engel verneigte, um ihm einen Handkuss auf den weißen Handrücken zu hauchen.

Er verengte die Augen. Dieser Schuft nahm sich für seinen Geschmack ein klein wenig zuviel heraus.

Was er seinen Dienern streng ahndete, ließ er dem ein oder anderen seiner Satane noch durchgehen, aber Asmodeus trieb es mal wieder bis an die Grenze.

Er zwang sich zur Ruhe. Rosiel schien ihn nicht einmal zu beachten, was an sich schon eine absolute Unverschämtheit und Respektlosigkeit war, aber dass er sich auch noch den Schmeicheleien dieses verdammten Satans zugetan zeigte, brachte ihn fast zur Weißglut.

Er hatte gefälligst keinem anderen zugetan zu sein außer ihm.

Das Glas in seinen Händen knirschte bedrohlich.
 

"Vollkommen und absolut hinreißend, Rosiel-sama", flüsterte der Satan, als er ihm den Kuss auf den Handrücken hauchte und Rosiel nahm es mit einem arroganten Wohlwollen entgegen.

"Habt Ihr etwas anderes erwartet?", antwortete er, sich dessen bewusst, dass noch immer alle Blicke auf ihn gerichtet waren.

Wie er sich ihnen allen doch überlegen fühlte. Und zu seinem inneren Amüsement musste er feststellen, dass Luzifer offenbar krampfhaft versucht war, nicht durchdringen zu lassen, wie sehr Rosiel ihn gerade mit seiner Unverschämtheit reizen musste.

"Natürlich nicht, wie könnte ich. Bitte - gesellt Euch an unseren Tisch - Luzifer würde sich sicherlich sehr darüber freuen."

Rosiel musste lachen (und Luzifers Augenlid zuckte bei diesem glockenhellen Ton gereizt, da er nicht verstanden hatte, über was er gelacht hatte), als Asmodeus ihm dabei leicht zuzwinkerte und den Anflug eines schelmischen Grinsens zeigte und er nickte.

"Davon bin ich überzeugt."
 

Luzifer wäre doch beinahe zusammengezuckt als er die sinnlichen Lippen auf seiner linken Wange spürte.

"Guten Abend, Morgenstern, ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen", säuselte ihm eine Stimme in süffisantem Tonfall ins Ohr und Luzifer war einen Moment versucht, ihm für all diese Dreistigkeiten ins Gesicht zu schlagen und ihm ein Büschel Haar nach dem anderen dabei auszureißen, aber er zwang sich zur Ruhe. Rosiel würde es sicher nicht schaffen, ihn dazu zu bringen, vor seinem Gefolge diese Schwäche zu zeigen.

"Ich sollte dir ein Halsband um deinen berückenden Hals legen und es für jede Frechheit ein Stück fester zuziehen", raunte er schließlich mit seiner tiefen, rauchigen Stimme zurück, sodass Rosiel ein wohliger Schauer dabei über den Körper lief.

Asmodeus hatte ihm ungefragt seinen Platz zur Linken Luzifers überlassen, auf dem er sich nun niederließ, die Beine überschlagen.

Unterdessen wich die Stille langsam wieder, die solange angehalten hatte, bis Rosiel seinen Platz zur Seite Luzifers eingenommen hatte.

"Das würde dir sicherlich gefallen, aber das wird sicher nicht geschehen."

"Du weißt, dass ich das kann, ich brauche es nur zu wollen."

Immerhin musste Luzifer sich eingestehen, dass auch ihn das Erscheinungsbild des Engels nicht kalt gelassen hatte, im Gegenteil. Sein Blick klebte auf den sinnlichen blassroséfarbenen Lippen, während der Engel so dreist mit ihm sprach. Der Duft umnebelte seine Sinne und am Liebsten hätte er ihn vor allen Anwesenden flachgelegt, um ihnen zu bedeuten, dass er einzig und allein ihm gehörte, aber dieses Vorhaben musste er noch einmal gründlich überdenken, denn andererseits gefiel ihm die Vorstellung nicht, dass jemand auf die Idee kam, Rosiel selbst diese schauerlich-süßen Lustschreie entlocken zu wollen.
 


 


 

*Gula = Wollust. Laut Bibel ist Asmodeus der Zorn zugedacht, ich habe mich allerdings an Angel Sanctuary orientiert.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Wolkenfee
2013-06-16T09:56:33+00:00 16.06.2013 11:56
Hallo!

Ich finde, dieses Kapitel ist bis jetzt eines der besten dieser Geschichte. Du hast wirklich gut beschrieben, wie sie einander wollen und sich eigentlich auch vermissen, aber beide zu stolz sind, das zuzugeben, und sich deshalb lieber gegenseitig reizen und bekämpfen.
Die Szene, als Luzifer zugibt, dass Rosiel ihm etwas bedeutet hat, fand ich wirklich gut. Du hast sehr schön geschildert, wir Luzifer sich denkt, dass er das nun sagen kann, da nichts davon diesen Raum verlassen wird. Die Beschreibung des Kusses war auch sehr schön.

Asmodeus ist auch ein sehr interessantetr Charakter. Ich muss sagen, ich mag ihn. Er ist charmant und er nimmt sich einiges heraus, aber ich glaube, das kann er sich erlauben. Nur wenn er weiter mit Rosiel flirtet, wird es wahrscheinlich schwierig für ihn.
Wobei es für mich natürlich schön ist, Luzifer eifersüchtig zu sehen, und Rosiel hat ganz sicher auch genau das beabsichtigt.
Wie gesagt, ich finde es sehr interessant, wie sie sich gegenseitig reizen, und bin gespannt, was jetzt noch so kommt.

Fehler habe ich auch keine entdeckt, ich bin also vollkommen zufrieden mit diesen Kapitel.

Liebe Grüße,
Fee
Ersatz-✖✐✖-Rekommentar
Von:  Alexia_Vampire
2011-07-15T18:54:41+00:00 15.07.2011 20:54
Genial!!! Ich dachte es konnte nicht besser werden nach den anderen Kapiteln. VON WEGEN!!! Genial weiter so!!
Freue mich schon auf das nächste Kapitel!


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