Die Entschädigung
Der Braunhaarige konnte sich ein Kichern nicht mehr verkneifen und kassierte einen schmollenden Blick des Hündchens dafür. “Das ist nicht witzig!” “Oh doch!” Seto grinste ihn weiterhin breit an. “Was war denn noch in dem Päckchen?” Joey wurde schlagartig wieder rot um die Nasenspitze. “Da … das geht dich nichts an!” Wurde dem Braunhaarigen entgegen genuschelt. “So so. Vielleicht sollte ich selbst mal reinschauen.” Schneller als der Blondschopf reagieren konnte hatte der Drache sich den Rucksack gekrallt und war mit diesem einige Meter Richtung Fenster geflüchtet. Joey riss die Augen auf. “NEIN!” Schnell sprang er auf und hechtete in Setos Richtung. Jener hatte das besagte, geheimnisvolle Päckchen schon aus dem Rucksack gefischt und ließ diesen jetzt einfach fallen. Mit seiner Beute eilte er um das Sofa herum, immer einige Meter außerhalb von Joeys Reichweite. Das Hündchen versuchte unterdessen verzweifelt wieder in den Besitz der Schachtel zu kommen. Es begann eine wilde Verfolgungsjagd durch das gesamte Haus, wobei der Braunhaarige letzten Endes seinen Heimvorteil ausspielen konnte und für den Blonden plötzlich unauffindbar war. “Seto! Gibs wieder her!” Hallte sein verzweifelter Ruf durchs Haus. Es war ein letzter Versuch das scheinbar Unausweichliche doch zu verhindern. Verzweifelt horchte er auf eine Antwort, doch das Haus blieb still. Keine Möglichkeit heraus zu bekommen wo sich der Päckchendieb aufhielt. Schwer Seufzend ließ der Blondschopf den Kopf hängen, taperte zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. Leise grummelte er vor sich hin, schaute er auf den dunkelblauen Teppich und dachte sich grauenvolle Foltermethoden für Duke aus. Wenn er den Schwarzhaarigen in die Finger bekommen würde konnte jener was erleben.
“Interessant!” Der blonde Schopf flog nach oben und erblickte einen grinsenden Drachen im Sessel am Kamin. Jener stöberte in aller Seelenruhe in der Schachtel herum und grinste immer breiter. Joey Gesicht verfärbte sich tief rot. Ging’s noch peinlicher? Verzweifelt ließ er sich zur Seite fallen, machte sich so klein wie es nur ging und vergrub sich unter den Kissen der Couch.
“Hündchen, Hündchen, da tun sich ja Abgründe auf.”
Joey schielte bei diesen Worten unter einem der Kissen hervor und erblickte den breit grinsenden Drachen. Jener hatte die Handschellen aus der Schachtel genommen und musterte sie nun sehr interessiert.
Schnell drückte sich der Blondschopf das Kissen wieder ins Gesicht. “Ich will einen Spaten.” Nuschelte das Kissen.
Seto ließ die Handschellen zurück in die Schachtel sinken und schaute fragend zu dem Hündchen rüber. Viel erkennen konnte man von dem Blondschopf nicht mehr. Nur einen Arm der sich um ein Kissen klammerte und zwei Füße schaute unter dem Kissenberg hervor. “Wozu willst du denn jetzt einen Spaten haben?”
Wieder schielte Joey unter dem Kissen hervor und schaute zu dem Braunhaarigen herüber. “Ich hab gerade das dringende Bedürfnis mir ein ganz tiefes Loch zu buddeln um mich darin zu verkriechen.”
Seto lachte bei diesen Worten leicht auf, stellte die Schachtel zur Seite und ging zu dem Kissenberg auf der Couch. Lächelnd ließ er sich er sich neben diesem nieder und begann damit das Hündchen frei zuschaufeln. Nach kurzer Zeit waren alle Kissen verschwunden, nur noch das Kissen vor Joeys Gesicht wurde von diesem in fester Umklammerung gehalten. “Hey. So schlimm ist Dukes Geschenk nun auch wieder nicht.” Lächelnd struppelte er den Blonden durch Haar.
“Das sagst du. Dir hat der Idiot ja auch nicht ne ganze Kiste voller Sexspielzeug geschenkt!”
Gerade als Seto antworten wollte hallte zum zweiten Mal an diesem Abend die Melodie der Türklingen durchs Haus. Noch einmal wurde dem Blondschopf das Haar durchwuschelt. “Scheinbar kommt die Rettung aus deiner peinlichen Situation genau zur rechten Zeit. Warte hier, ich hol dich wenn alles fertig ist.” Mit diesen Worten erhob sich der Braunhaarige und verließ den Raum.
Kaum war der Drache draußen sprang Joey auf und schnappte sich schnell die Schachtel. Nach einem kopfschüttelten Blick über den Inhalt, wurde sie wieder mit dem Deckel verschlossen und zurück in den Rucksack gestopft. Noch leicht grummelig ließ er sich im Sessel neben dem Kamin nieder, schnappte sich das Buch über irische Sagen vom Tisch und stöberte etwas darin herum. Schnell hatte er eine Geschichte ausgewählt und war in kurzer Zeit tief darin versunken.
Seto schloss die Haustür, drehte sich Richtung Wohnzimmer, blieb kurz in der Tür stehen und genoss den Anblick. Das Hündchen hatte sich in den Sessel beim Kamin gekuschelt. Mit eingezogenen Beinen saß es schräg in ihm und schien vollends der Welt entrückt zu sein. Ein leichtes Lächeln konnte man auf seinen Lippen erkennen, währen die braunen Augen gierig jedes Wort auszusaugen schienen. Die Blonden Haare schimmerten golden im Licht des Kaminfeuers. Schnell schüttelte Seto seinen Kopf und ging zu Joey herüber. Leicht berührte er ihn an der Schulter, doch erst beim zweiten Versuch hatte er Erfolg. Die braunen Augen lösten sich von den Worten des Buches und sahen ihn glücklich an. “Kommst du?” Lächelnd hielt ihm Seto seine Hand hin. Seufzend legte der Blondschopf das Buch auf der Lehne ab, ergriff die gereichte Hand und ließ sich hoch ziehen. Er wurde aus dem Raum geführt, durch den Flur und betrat das Esszimmer. Kurz nach dem Eintreten stoppte er und starrte ungläubig auf den festlich gedeckten Tisch. Auf einer roten Tischdecke standen zwei Kerzenleuchter, edles Geschirr mit goldener Verzierung, zwei filigrane Gläser und einige mit silbernen Kuppeln verdeckte Platten. Ein mehr als verlockender Duft drang von diesen zu ihm herüber.
Schnell folgte er der Aufforderung Setos und setzte sich auf den ihm zugewiesenem Stuhl. Jener ergriff eine Flasche, füllte erst das Glas an Joeys Platz mit tief rotem Wein, dann sein eigenes. Der Braunhaarig ließ sich nun auch auf seinem Platz nieder und er hob sein Glas. Der Blonde tat es ihm gleich und stieß mit ihm an. Nach dem sie den ersten Schluck getrunken hatten ließ Seto das Glas wieder sinken und machte sich daran das Geheimnis der Kuppeln zu lüften. Dem Blondschopf lief beim Anblick der Speisen das Wasser im Mund zusammen. Nur zu gerne reichte er dem Blauäugigen seinen Teller und ließ ihn sich füllen. Dankend nahm er ihn, schwer beladen, wieder an und stellte ihn vor sich ab. Schnell hatte auch Seto seinen eigenen Teller gefüllt und wünschte ihm einen Guten Appetit.
Fast eine Stunden saßen sie am Tisch, schlemmten genüsslich und rückten der Rotweinflasche zu Leibe.
Satt und mit sich und der Welt zufrieden lehnten sie sich zurück.
“Nun? War das Hündchen mit der Entschädigung zufrieden?” Ein tief zufriedenes, bejahendes Brummen kam aus der Richtung des Blondschopfs. “Dann bin ich ja beruhigt.” Lächelnd erhob sich Seto. “Wollen wir wieder ins Wohnzimmer?”
Joey nickte, erhob sich etwas schwerfällig und folgte Seto.
“Und worauf hättest du jetzt Lust?” Verstohlen schielte Joey zur Sessellehne. Seto lächelte und zerstruppelte erneut das blonde Haar. “Na dann, husch husch, schnell zu deinem Buch und weiter lesen.” Der Blondschopf wollte gerade widersprechen, schließlich war es nicht gerade höfflich sich hier einfach hinzusetzten und zu lesen. Immer hin war er bei Seto zu Besuch und nicht zu Hause. Doch dieser duldete keinen Widerspruch, schob Joey zu Sessel, drückte ihn mit sanfter Gewalt in diesen nieder und legte ihm das Buch auf den Schoß. Drehte sich zum Kamin und fütterte das Feuer mit neuen Scheiten. Fröhlich knisternd wurden diese von den Flammen empfangen. Noch immer leicht verunsichert wollte der Blonde erneut widersprechen. ”Aber…”
Schnell hatte der Braunhaarige seinen Zeigefinger auf die Lippen Joeys gelegt und ich damit verstummen lassen. “Nichts aber. Les ruhig, immer hin habe ich ja selbst eine doch sehr interessante Lektüre.” Grinsend nahm er seinen Zeigefinger von den Lippen und deutete mit diesem Richtung des Rucksackes unterm Wohnzimmertisch.
Der Blondschopf folgte ihm mit den Augen und wurde leicht rot um die Nase. “Idiot” Nuschelte er, schlug schnell sein Buch auf und hielt es sich vors Gesicht. Seto lachte leise auf, schritt zur Couch, schnappte sich einige Kissen und legte sie sich zurecht. Genüsslich ließ er sich auf in diese fallen, zog die flauschige Decke von der Rückenlehne und kuschelte sich etwas darin ein. Nach dem er sich richtig zurecht gelegt hatte schnappte er sich das Buch aus dem Rucksack und begann sich intensiv mit der hinduistischen Liebeskunst zu beschäftigen.
Das Feuer im Kamin war schon weit herunter gebrannt, nur noch vereinzelt züngelten kleine Flammen um das verkohlte Holz.
Kleine Funkelteufel flogen auf als frisches Holz auf die dunkel glühende Glut traf. Leicht rückte der Blondschopf die Scheite mit dem Feuerharken zurecht und beobachtete die neu erscheinenden Flammen. In einem wilden Tanz stürzten diese sich gierig auf das Holz.
Er blieb noch einige Minuten vor dem Kamin sitzen und schaute verträumt in die Flammen. In seinen Gedanken hing er noch bei etwas der eben gelesenen Geschichte nach.
Müde erhob er sich, streckte sich leicht und hob anschließend sein Buch vom Sessel auf. Mit leisen Schritten ging er auf den Tisch zu und legte es dort ab und nach kurzen Zögern ließ er sich auf der Couch nieder, hob Setos Decke etwas an, schlüpfte unter diese und kuschelte sich an die Brust des Drachen. Als er etwas unsicher in dessen Gesicht schaute wurde er von einem warmen Lächeln begrüßt. Glücklich senkte er wieder seinen Blick, schloss seine Augen nun ganz, lauschte dem Herzschlag des Drachen und genoss die kraulende Hand in seinem Nacken. Kurz musste diese in ihrem Handeln innehalten um eine Seite um zublättern, fuhr aber gleich darauf wieder mit dem Verwöhnen fort. Nach kurzer Zeit meldete sich aber schon die Neugier des Hündchen. Es öffnete verstohlen ein Auge und beäugte, mit einem leichten Rotschimmer die Buchseiten vor seiner Nase. Mit leichten Erstaunen musste er feststellen, dass diese Inder ein sehr athletisches Völkchen seinen mussten. Wieder blätterte der Braunhaarige um und gab ihm somit den Blick auf weitere Abbildungen frei. Nun schien das Interesse des Blonden vollends geweckt zu sein. Das zweite Auge wurde nun auch geöffnet und er schenkte dem Text auf den Seiten mehr Beachtung.
Ein leises Murren drang an das Ohr Setos, als er erneut umblättern wollte. “Bin noch nicht fertig.” Nuschelte der Blondschopf. Grinsend wartete der Drache bis das Hündchen sein Okay zum Umblättern gab. Leicht musste Seto ob der absurden Situation lachen.
“Was iss?” fragend schauten die braunen Augen zu ihm hoch.
“Hättest du dir letzte Woche vorstellen können, das wir einmal abends bei Kaminfeuer auf der Couch liegen und uns gemeinsam Bilder von sich verrenkenden Liebenden anschauen würden?” Nun musste auch der Blondschopf kichern. “Irgendwie nicht. … Aber es ist schön.” Letzteres wurde wieder leicht genuschelt.
“So? Scheinbar gefällt dir das Buch dann doch ganz gut, oder?” Grinste der Braunhaarige ihn an. Von unten war nur ein gegrummeltes `Idiot´ zu vernehmen. Wieder leicht lachend wuschelte er durch die blonde Mähne. “Möchtest du noch was trinken?”
“Hmm, ne heiße Schokolade wäre jetzt perfekt.”
“Na dann las mich mal aufstehen und ich werde sehen was sich da machen lässt.”
Murrend ließ sich Joey von ihm runter schieben und wurde allein auf der Couch zurück gelassen. Schnell kuschelte er sich in den Kissen zurrecht und stöberte weiter in dem Buch rum, immerhin hatte Seto ja einige Seiten Vorsprung gehabt. Neugierig schlug er die vorderen Seiten auf und beäugte die Bilder. Manche Stellungen waren selbst ihm bekannt, andere schienen völlig unmöglich zu sein, zumindest wenn man eine intakte Wirbelsäule besaß. Hin und wieder drehte er das Buch auf die Seite um sich die Abbildungen aus einem anderen Winkel an zuschauen. Manchmal konnte er nur den Kopf schütteln und blätterte weiter.
Als der Braunhaarige in das Wohnzimmer zurück kehrte legte der Blondschopf das Buch zur Seite und nahm eine dampfende Tasse in Empfang. Genießerisch schnupperte er an ihr bedankte sich bei dem Blauäugigen. Dieser nickte leicht, ließ sich wieder neben ihm nieder und nippte an seiner eigenen Tasse. Genüsslich schlürfend saßen sie da und schauten den Flammen im Kamin zu.
Joey hielt seine Tasse so, das auch der aller letzte Tropfen den Weg in seinen Mund finden konnte. Noch einmal leckte er sich genüsslich über seine Lippen und stellte die nun leere Tasse auf dem Tisch ab. Mit einem wohligen Brummen kuschelte er sich wieder in die flauschige Decke ein und ließ sich ganz frech so zur Seite fallen, das er auf Setos Schoß landete. Dieser schaute etwas perplex auf den wirren, blonden Schopf auf seinen Beinen. “Na, da macht sich ja einer ganzschön gemütlich, was?” Ein zustimmendes Brummen und einen bettelten Blick war die einzige Antwort die er bekam. Seufzent stellte er nun seine leere Tasse neben Joeys auf den Tisch, schnappte sich erneut das Buch und kraulten dem Hündchen wieder den Nacken. Jenes schnurrte wohlig auf und schaute auch wieder ins das Buch vor seiner Nase.