Nachts
Kapitel 10 Nachts
Wie erwartet, hatte sich Joey auf das Jobangebot gestürzt und war überglücklich als er die Stelle bekommen hatte. Und auch Dukes Voraussage traf zu. Meist sahen sie sich erst zum Abendessen. Auch wenn es bedeutete, weniger Unfug mit dem Blondschopf anstellen zu können, so nahm er es doch gerne in Kauf. Der Blonde erholte sich immer mehr, wurde wieder fröhlicher. Er ging wieder mit seinen Freunden zum See im Park, in das Eiskaffee oder auf den Rummel. Sogar seine Noten verbesserten sich, sehr zur Freude der Lehrerschaft. Auch die fast täglichen Streitereinen mit Seto machten ihm jetzt wieder richtig Spaß. Seine Vergangenheit hatte Joey so gut es ging hinter sich gebracht, einzig die Narben erzählten noch von der damaligen Zeit und dem Geschehen.
-------------------------------- Flashback Ende----------------------------------
Eine leichte Bewegung in seinen Armen ließ Seto wieder in die Gegenwart zurück kommen. Schmunzelnd sah er auf das Hündchen, welches sich, wie schon damals im Krankenhaus, auf seinem Schoß zusammen gerollt hatte. Sanft strich er ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Die kalte Luft ließ ihn leicht frösteln. In der Feuerstelle war nur noch heiße Glut zu sehen, keine Flammen tanzen mehr. Vorsichtig versuchte Seto an das Feuerholz zu gelangen. Jedoch wurde dies von dem Gewicht auf seinen Beinen wirksam vereitelt. Nun musste er sich entscheiden, das Feuer gänzlich ausgehen lassen und anschließend zu frieren, oder zu versuchen unter Joey rauszukommen, ohne diesen zu wecken. Da draußen immer noch ein dichtes Schneetreiben herrschte und die Luft doch empfindlich kalt war, fiel erstere Alternative gleich weg. Frieren würde weder ihm noch dem Blondschopf weiter helfen.
Vorsichtig hob er Joey von sich herunter um ihn in die weichen Felle gleiten zu lassen. Ein kurzes Murren ließ ihn erschrocken inne halten. Doch der Blonde rollte sich schnell ein und kuschelte sich tiefer in die Decke. Erleichtert atmete Seto aus.
Etwas steif stand er auf um die Glut mit neuem Holz zu füttern. Es dauerte etwas bis sich wieder kleine Flammen zeigten. Vorsichtig kamen sie unter dem Holz hervor um sich dann kurze Zeit später hungrig durch das Holz zu fressen und die Umgebung an ihrer Wärme teilhaben zu lassen.
Der Braunhaarige streckte sich kurz um seine steifen Muskeln zu lockern. Sein Blick schweifte durch die Höhle und blieb an den beiden Rucksäcken hängen. Schnell sah er auf seine Armbanduhr und grinste. Leise ging er an die Wand und räumte die Laternen von dem kleinen Tisch. Geräuschlos hob er ihn an und stellte ihn näher zu Joey. Die zwei kleineren Laternen stellte er wieder darauf, die Größere blieb an der Wand stehen und gemalte den Fels weiterhin mit verwobenen Mustern aus Licht und Schatten.
Seto beugte sich zu seinem Rucksack und zog vorsichtig eine kleine Schachtel aus ihm hervor. Mit dieser begab er sich zum Tisch und packte ihren Inhalt aus. Zufrieden stellte er fest das er den Transport heil überstanden hatte und stellte ihn auf dem Tisch ab. Noch einige Handgriffe und schon er war mit seinem Gesamtkunstwerk zufrieden.
Sachte ließ er sich wieder neben dem Blondschopf nieder und zog die Decke, so weit wie möglich über sich. Schaute in die Flammen und wartete. Nach einigen Minuten beugte er sich zu Joey hinrunter und blies ihm sanft ins Ohr. Wieder ein leises Murren. Seto grinste und wiederholte die Prozedur. Allmählich schien Joey zu erwachen. Seine Nase kräuselte sich leicht und ein leises Schmatzen war zu hören. Leicht streckte er sich um sich gleich darauf wieder zusammen zurollen. Kaum lag er wieder als Deckenknäull ruhig auf dem Fell beugte sich Seto erneut zu dessen Ohr.
“Happy Birthday” hauchte er ihm sanft ins Ohr und entfernte sich schnell wieder. …3...2...1
Joey riss die Augen auf und saß schneller aufrecht als man schauen konnte. “Was?”
Der Braunhaarige konnte sich ein leises Kichern nicht mehr verkneifen und wurde dafür verwirrt vom Blondschopf angeschaut.
“Ich sagte Happy Birthday, Joey!” wiederholte er und machte eine kleine Geste Richtung Tisch.
Das Hündchen folgte seiner Aufforderung und schaute in die angegebene Richtung.
Seine Augen weiteten sich und ein ungläubiges Kopfschütteln folgte. “Woher?” Mehr bekam er bei dem Anblick einfach nicht raus. Das saß er mitten im Winter mit dem Drachen, bei Lagerfeuer in einer Höhle, und dann das.
Vor ihm stand der kleine Tisch und auf ihm die zwei kleinen Laternen. Doch mit dem was da in der Mitte auf ihm stand hätte er nie und nimmer gerechnet. Ganz unschuldig stand da eine kleine Schokoladentorte, und wie es sich gehört war sie mit einer kleinen Kerze geschmückt.
Das kleine Flämmchen zuckte etwas in der Luft hin und her, schien nur darauf zu warten ausgepustet zu werden um ihm einen Wusch zu erfüllen.
Das war alles zuviel. Erneut lief eine kleine Träne seiner Wange hinunter. Seto konnte sich gerade noch aufrecht halten, als ihm der Blondschopf um den Hals fiel. Sanft drückte er das Hündchen an sich und hielt ihn fest. Joey klammerte sich regelrecht an ihn. Solange er sich erinnern konnte hatte noch nie jemand etwas so Schönes für ihn getan. Immer wieder nuschelte er ein `Danke´ an Setos Hals, was diesem einen wohligen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Langsam wurde sich Joey der momentanen Position bewusst und er löste sich eben so langsam wieder von dem Drachen. Leicht rot um die Nase, sah er verlegen zu Boden und bedankte sich dann noch einmal etwas förmlicher bei Seto.
Dieser hätte am liebsten gegrummelt als das Hündchen sich von ihm gelöst hatte, konnte sich aber gerade noch zurück halten. “Gern geschehen. Was wäre ein Geburtstag ohne Torte? Also wünsch dir was und blas der Kerze das Licht aus.” Lächelte er den Blondschopf an.
Joey grinste zurück. “Dann werde ich mal dafür sorgen dass ihr die Lichter ausgehen.” Gab er zurück und rutsche näher zu dem Tisch um die Kerze ins Visier zu nehmen. Nachdenklich legte er seinen Kopf leicht schief, sucht nach den richtigen Wunsch. Ein Lächeln zierte seine Lippen, als er langsam die Augen schloss und die kleine Flamme ausblies. Langsam öffnete er sie wieder und folgte mit ihnen der kleinen Rauchsäule. Er kostete den Moment voll aus. Mit einem Seligen Lächeln und glänzenden Augen drehte er sich dann zum Drachen um.
“Darf ich dem Herrscher der Höhle ein Stück des Kuchens als Opfer darbieten?” Gespielt unterwürfig schaute er ihn an, musste aber frech grinsen.
“Ich bitte darum.” War Setos ebenso gespielt hochnäsige Antwort.
“Wenn ich den Herrn dann zu Tisch bitten dürfte.“ Jener erhob sich und stolzierte übertrieben an ihm vorbei und ließ sich, mehr als nur elegant am Tisch nieder.
Mit einer tiefen Verbeugung reichte ihm Joey eine der kleinen Kuchengabeln.
Kurz sahen sie sich an, nur um darauf gleichzeitig in heftiges Gelächter auszubrechen.
Faszinier und unter heftigem Glucksen beobachtet Joey Seto, welcher rücklings auf den Fellen lag und mit den Lachtränen kämpfte. So ausgelassen bekam ihn bestimmt nur Mokuba zu sehen. Immer mehr neue Seiten konnte er in all der Zeit an dem Drachen entdecken. Es war schön mit Seto Kaiba, dem Mensch und nicht dem knallharten Geschäftsmann, Zeit zu verbringen.
Mühsam kämpfte jener sich wieder in eine aufrechte Position, wischte sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln und schaute zu Joey. Jener lächelte ihn an und erhob seine Gabel. “Auf sie mit Gebrüll! Und es werden keine Gefangenen gemacht!” rief er euphorisch und stürzte sich auf die kleine, schutzlose Torte. Seto schüttelte nur leicht den Kopf, um dann ebenfalls mit einem Grinsen über sie herzufallen.
Die kleine, schokoladenbeschmierte Kerze war die einzige überlebende Zeugin der ungeheuren Gräueltat, welcher das kleine Gebäck zum Opfer fiel. Der Tatort war voller Schokoladenspritzer und die Tatwerkzeuge lagen, nun völlig unschuldig auf dem kleinen Pappteller. Während die zwei reuelosen Täter selig lächelt auf den Fellen lagen und sich ihre Bäuche rieben. Sie schienen nicht die geringsten Gewissensbisse ob ihrer grauenvollen Tat zu verspüren.
“Hmm, lecker.” Joey leckte sich immer noch die Finger ab.
“Vielfraß”, kam es von dem Braunhaarigen.
“Hey! Jetzt beschwer dich nicht. Hasst immerhin die Hälfe abbekommen, von MEINER Geburtstagtorte! Hätte sie ja auch ganz alleine verputzen können.” Grinste der Blondschopf Seto mit schokoladebeschmierten Lippen an.
“Hm. Eigentlich hatte ich das heute Abend vor gehabt. Die Torte und ich. Es war alles so schön geplant. Ein prasselndes Feuer im Kamin, gedämpftes Licht, romantische Musik. Und dann wollte ich sie genüsslich im Schein der Kerzen vernaschen.” Theatralisch seufzte Seto tief. “Und dann kommst du daher und nimmst sie mir einfach weg! So eine wie sie werde ich bestimmt nie wieder finden. Für dich war es doch nur ein kurzes Vergnügen, aber ich hatte noch so viel vor mit ihr.“
Joey prustete los. Auch das Kichern des Drachen hallte von den Wänden wieder.
Es dauerte einige Zeit bis sie sich wieder beruhig hatten. Satt und erschöpft lagen sie auf den Fellen. Der Blondschopf musste nach einiger Zeit herzhaft gähnen und streckte sich genüsslich. Auch Seto streckte sich, allerdings hauptsächlich um an die wärmenden Decken zu kommen. Nachdem er sie ergattern konnte, reichte er eine an Joey weiter und legte noch einige Scheite ins Feuer. Gemütlich kuschelte sich jeder in seiner Decke an und wünschten sich eine gute Nacht.
Der Braunhaarige war schon leicht am Einschlummern, als ihm ein Rascheln und die leise Stimme des Blondschopfes ans Ohr drang.
“Seto? …Schläfst du schon?” Er gab nur ein müdes `noch nicht, aber bald´ als Antwort.
“Ähm … du? Könnte ich vielleicht… ich meine natürlich nur wenns dich nicht stört ….ähm …ich… ach vergisses. Gute Nacht.”
Nun wurde Seto doch wieder etwas wacher und öffnete seine Augen einen kleinen Spalt. Joey saß da, die Decke um die Schultern geschlungen, schaute verlegen auf den Boden und kaute auf seiner Unterlippe rum. Der Braunhaarige musste leichte schmunzeln. Das Hündchen saß da als ob man es ausgesetzt hätte.
“Komm schon her”, seufzte er leise und hob abermals ein Deckenende an um Joey darunter schlüpfen zu lassen. Was dieser, wenn auch mit einem leichten Rotschimmer um die Nase, gerne annahm. Vorsichtig kuschelte er sich an die Schulter des Drachens und wurde sogleich von einem schützenden Arm gewärmt. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er, dem Herzschlag des Drachens lauschend, ein.
Jener fuhr im immer wieder mit der Hand durch die blonde Mähne. Doch diese Gesten wurden mit der Zeit immer langsamer. Das tief schlafende Hündchen in seinem Arm ließ nun auch den Drachen völlig zur Ruhe kommen und in einen tiefen Schlaf gleiten.