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Karma

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Karma

Karma

by Jim
 

[In einem Augenblick kann sich das ganze Leben ändern. Eine Sekunde, der Augenblick eines Herzschlages, und alle Regeln nach denen man bisher gelebt hat gelten nicht mehr. Das lernt irgendwann jeder. Aber ich musste es auf die harte Tür lernen.]
 

„Neee~in!“, schrie eine tränenerstickte Stimme über den prasselnden Regen hinweg.
 

Er hielt sie in seinen Armen, Tränen liefen seine Wangen hinab und der Regeln fiel auf ihn nieder wie unzählige, feuchte Bindfäden. Ihr Körper war regungslos, ihre Augen geschlossen und Blut rann über ihr Gesicht von einer Wunde, die er nicht ausmachen konnte. Sie lag einfach nur da und atmete mit flachen, kurzen Bewegungen. Hinter ihm stand ein Auto – oder besser gesagt das was noch davon übrig war. Es war frontal gegen eine Straßenlaterne gefahren. Der Motor war stumm, der Fahrer lag bewegungslos auf dem Lenkrad und die Scheinwerfer gaben indirekt nur ein fahles Licht auf die Szenerie.
 

[Es ist seltsam an was für Dinge man sich in solchen Situationen erinnert. Es ist geradezu ironisch.]
 

Ein paar Monate zuvor:

Schnaufend fuhr er sich mit seinem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Es war ein stressiger Tag in dem Cafe gewesen und nun kehrte langsam etwas Ruhe ein, worüber er auch durchaus froh war. Leise seufzte er als er das Klingeln der kleinen Glocke hörte, welche über der Eingangstür angebracht war. Doch als er dann aufsah stockte ihm der Atem.
 

Wie ein Engel erschien sie ihm. Ihr Gang sanft, ihr Antlitz das Schönste was er je in seinem Leben gesehen hatte. Für einen kurzen Augenblick sah sie sich um, dann lächelte sie ihn an und ging auf ihn zu. Sein Herz blieb bei dem Lächeln stehen, zumindest fühlte es sich so an, allerdings gut.
 

„Hallo.“, begrüßte sie ihn und die Welt erstrahlte um ihn herum, wie in einem wunderschönen Traum.
 

Seine Finger krallten sich in ihre dunkelblaue Jacke. Wieso hatte er das Auto nicht kommen sehen? Wieso? Seine Augen waren doch immer so gut gewesen, sie waren sogar überdurchschnittlich gut. Und dennoch konnte er einen ganzen Van mit eingeschalteten Scheinwerfern übersehen... und sie auch.
 

Vor ein paar Wochen:

Lachend und Hand in Hand kamen sie aus dem Kino. Es war nun schon eine geraume Zeit seit ihrer ersten Verabredung vergangen und inzwischen sahen sie sich schon auf einer wöchentlichen Basis. Wenn seine Arbeit ihn nicht so einspannen würde, würden sie sich vermutlich noch öfter sehen. Aber auch sie hatte einen Job und so kam es ihnen eigentlich schon beinahe gelegen das sie dafür das gesamte Wochenende für einander Zeit hatten.
 

„Hey...“ Sie blieben stehen und mit einem Hauch von Verlegenheit lächelte sie ihn an, „Willst... du vielleicht heute mit zu mir kommen.“
 

Er hätte sofort geantwortet, aber der Unglaube über sein Glück lies ihn wortlos werden. Noch nie hatte er einen so wunderbaren Menschen getroffen wie sie es war. Es war so als ob sie sein gesamtes Leben umgekrempelt hätte, ohne wirklich etwas außergewöhnliches zu tun. Sie war einfach nur da. Sie war da für ihn, wenn er es brauchte – und auch wenn er es nicht brauchte. Mit jeder Minute die er sie ansah wurde er sich sicherer das sie tatsächlich ein Engel sein musste.
 

Die Zeitspanne die sie nun schon ausgingen war zu lang für die „erste Verliebtheit“, für die bekannte rosarote Brille. Nein, sie war wirklich so wunderbar wie sie ihm in der ersten Sekunde erschienen war.
 

„Ja...“ Er lächelte zurück, konnte sein Glück nach wie vor nicht fassen. „Gerne.“
 

In der Ferne hörte man eine Sirene nahen, doch er nahm sie nicht wirklich wahr. Es war so als ob ein Teil in ihm gerade starb. Wie ein Stück schwarze Kälte die sich langsam und Stück für Stück in ihm ausbreitete. Und er fragte sich womit er das verdient hatte, was ihm nun wiederfuhr. Er hatte immer Leuten geholfen die der Hilfe bedurften, er war immer freundlich zu denen gewesen die es verdient hatten und bei denen die es nicht verdient hatten, hatte er sich zumindest beherrscht. Was hatte er nur getan um das zu verdienen?
 

Vor wenigen Tagen:

Er schmiegte sich sanft an sie, schlang einen Arm um ihre Taille und schloss die Augen. Sie duftete so wie ein Engel duften sollte. Es war so wunderbar beruhigend ihre Atem zu lauschen und einfach nur zu spüren das sie da war. Am liebsten würde er sie gar nicht mehr loslassen, wie schon die vielen Nächste zuvor. Es war ein so herrliches Gefühl. So warm und geborgen, als könne ihnen nichts auf der Welt Schaden zufügen. Nichts auf der Welt könnte ihr Glück zerstören.
 

„Ich liebe dich.“, flüsterte er ihr ins Ohr, wohl wissend das sie schlief, „Ich liebe dich mehr als mein eigenes Leben und ich werde dich beschützen. Ich werde deine Rüstung sein.“
 

Noch nie im Leben hatte er eine solche tiefe, ehrliche Liebe empfunden. Und glücklich schlief er ein.
 

„Lassen sie sie los!“, bellte ein Mann ihn an und zerrte ihn brutal von ihr weg.
 

„Nein! Lasst mich! Lasst mich!“, schrie er, doch der Notarztfahrer war zu stark und konnte ihn ohne Mühe zurück halten.
 

„Schwere craniale Schäden.“, stellte der andere Mann in der orangenen Weste fest, kaum da war er neben ihr auf die Knie gegangen, „Blutungen, Vitalzeichen sinkend, sie muss sofort ins Krankenhaus.“
 

Und obwohl ein weiterer Arzt bereits die Bahre heranrollte konnte er spüren, wie das Leben aus ihr entwich. Es war so als würde ihr Geist in Form eines hellen Lichtes aus dem Körper weichen und langsam gen Himmel aufsteigen, immer weiter verblassend. Seine Gegenwehr erstarb, er fiel hinten über und sah auf.
 

Die schwarze Kälte die er zuvor nur in einem kleinen Teil seines Körpers gespürt hatte, hatte ihn nun ganz ausgefüllt und es kam ihm so vor als würde sein Haar grau werden und sein Körper erstarren.
 

[Vielleicht war es einfach nur Pech. Vielleicht hat mir auch einfach nur eine überirdische Macht mein Glück nicht gegönnt. Vielleicht war es bloß ein dummer Zufall. Vielleicht waren wir zur falschen Zeit am falschen Ort. Vielleicht war es aber auch einfach nur schlechtes Karma...]
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-05-16T18:25:12+00:00 16.05.2010 20:25
warum ist es eigentlich leichter eine schlechte geschichte zu kommentieren als eine gute?
ich liebe düstere geschichten und mir gefällt die art und weise, wie du diese hier erzählst. irgendwie der krasse gegensatz zwischen leben und lieben und tod und verlust und das ganze in eine derart kurze erzählung gepackt, auf derart engen raum aneinander gebunden... macht irgendwie deutlich, dass es nichts gibt, das man nicht verlieren kann und dass aus dem leben noch keiner lebend davon gekommen ist.
eigentlich mag ich dieses ER liebt SIE über alles, sie sind unzertrennlich, unfall, tot. aber du zeigst hier, dass man auch aus dem größten klischee eine gute geschichte machen kann, wenn man weiß wie.
und mir gefallen diese rückblicke auf ihre gemeinsamen augenblicke, auch wenn gegen ende noch ein 'vor wenigen minuten' gepasst hätte, wenn man mich fragt.
ansonsten fällt mir im moment nichts ein, das ich an der story auszusetzen hätte. du erwähnst viele details, sodass man sich die szenen bildhaft vorstellen kann, wobei ich finde, dass du die vergangenen szenen besser beschreibst als die gegenwärtigen... und meiner meinung nach auch mit mehr gefühl, auch wenn ich nicht erklären könnte warum mir das so vorkommt.
wie auch immer, jedenfalls sehr lesenswert
liebe grüße
cyre
Von:  GreenLeader
2009-08-19T13:17:57+00:00 19.08.2009 15:17
Ich mag die Düsternis in deinen Storys... und an dieser mag ich den Wechsel zwischen warmer Sanftheit und kalter Verzweiflung. Außerdem ist dein Schreibstil sehr detailliert...
Respekt! ^^


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