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Look into the future

Wenn du siehst, was gleich passiert
von

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„Verdammt!“, dachte Cristiano und lehnte sich an die Mauer des weißen Gebäudes. Er war völlig verwirrt. Die ganze Zeit fragte er sich, warum die Frau wohl von ihm davon gelaufen war. Gut, es war nicht schön, von einem Mann verfolgt zu werden, aber wenn dieser Mann ein Superstar war, könnte sie ihn zumindest um ein Autogramm bitten. Er verstand sie nicht. Er hat etwas wie Angst und Entsetzen in ihren Augen gesehen, konnte sich aber nicht erklären, warum. Dann hatten die Angst und das Entsetzen mit Überraschung getauscht. Diese Überraschung konnte er sich erklären, die hatte die Erkenntnis über seine Identität ausgelöst. Und dann hatte sie sich einfach umgedreht, hatte hektisch aufgesperrt und ehe er sich’s versah, war sie im Haus verschwunden gewesen. Er sah sich das Wohnhaus an. Reich war sie wohl nicht, so wie sie lebte. Er konnte sich die kleinen Wohnungen nur schlecht vorstellen, denn er war anderes gewohnt. Wie alt sie wohl sein mag? Er schätzte sie auf zweiundzwanzig, höchstens fünfundzwanzig. Plötzlich griff er sich an den Kopf. Was dachte er da eigentlich so viel über sie, deren Namen er noch nicht einmal wusste, nach? Wichtig war doch nur, mit ihr zu reden, über… naja… über das, ob sie auch Dinge sehen konnte. Er kam sich selber total verrückt vor. Dinge sehen, ja klar, und zu Weihnachten kooperiert das Christkind mit dem Weihnachtsmann. Er kniff sich in den Arm. Okay, Beweis genug, er war wach. Langsam musste er sich wieder einkriegen, sich sammeln. Er machte sich schon Sorgen, denn plötzlich wurde ihm bewusst, das ihn die Leute schon alle dumm anschauten. Manchmal sah er auch etwas wie sehr großen Respekt. Er fragte sich, ob er wirklich so furchteinflößend auf manche wirkte. Er war groß, kräftig und berühmt. Na und? Kein Grund, irgendwie Angst vor ihm zu haben oder so, dachte er. Er war immer nett und höflich zu allen noch so aufdringlichen Fans, selbst wenn es ihm zu viel wurde, verschwand er ganz unauffällig. Das einzige, das ihn manchmal auf die Palme brachte, waren diese verdammten Interviewer, die immer dieselben Fragen stellten, und die Paparazzis. Ansonsten war er doch echt umgänglich oder nicht? Vielleicht etwas arrogant, aber er fand, das konnte nicht schaden, und er konnte sich das leisten. Nach ewigem Überlegen über noch so unnötige Sachen schaute er auf die Uhr. Okay, es war eine gute Stunde vergangen und der Supermarkt hatte nun wahrscheinlich auch schon geschlossen. Naja, dann würde eben nichts aus seinem „Bacalhau a bras“ werden. Er würde es überleben. Langsam und so unauffällig wie möglich es ging, wenn man Cristiano Ronaldo war, schlenderte er zurück zu seinem Wagen.
 

Sie schlug mit der Hand nach ihrem Wecker. Da sie ihn verfehlt hatte, klingelte er unverschämt weiter. „Zwei Minuten noch schlafen“, dachte sie, „oder drei!“ Sie drehte sich auf die andere Seite und döste noch ein wenig. Plötzlich sah sie in ihren Gedanken zwei braune Augen, die sie durchdringend anschauten. Nun konnte sie sowieso nicht mehr schlafen. Gestern Abend hatte sie der Gedanke an diese Augen stundenlang nicht schlafen lassen, und heute weckten sie sie auf. Seit dem Nachmittag des vorigen Tages konnte sie sich kaum konzentrieren. Es war nicht so, dass sie sich sonderlich für Fußball interessierte, aber ihn, Cristiano Ronaldo, kannte wirklich jeder. Bestimmt jedes männliche Wesen zwischen drei und unendlich Jahren und jedes weibliche zwischen zehn und dreißig. Darum traute sie sich wetten. Dass er in Manchester war und dort beim Verein spielte, das hatte sie allerdings nicht gewusst. Bis gestern. Gestern hatte sie fluchtartig ihre kleine Wohnung betreten und sich an den Laptop gesetzt. In der Online-Suchmaschine „Google“ hatte sie dort einfach Cristiano Ronaldo eingeben und dann hatte sie eine Reihe von Infos bekommen. Infos wie Verein, Alter, Geburtsdatum und sonstiges. Wörter wie Weltstar und bester Fußballer waren oft in diesen Artikeln vorgekommen. Seine Position war Flügelspieler und Stürmer. Stürmer war klar, das war der, der die Tore schoss. Aber Flügelspieler? Das wäre wieder ein Fall für die Suchmaschine. Doch sie hatte besseres zu tun als dauernd nur vor dem Computer zu hocken und zu suchen. Trotzdem hatte diese Begegnung sie völlig geschockt, und warum er ihr nachgelaufen war, konnte sie sich überhaupt nicht erklären.
 

Schließlich stand sie auf und streckte sich erst mal von oben bis unten. Sie traute sich kaum in den Spiegel kucken, da sie wusste, wie sie so in etwa ausschauen würde: Augenringe vom wenigen Schlaf, strähnige Haare. Sie könnte wirklich etwas mehr auf ihr Äußeres achten, aber Sauberkeit war auch nur das halbe Leben, sagte sie sich immer wieder. Es war ja nicht so, dass sie dauernd ungewaschen herumlaufen würde, sie verzichtete nur einfach auf Schminke und alle möglichen Pflegespülungen für ihr Haar, was auch ihrer Brieftasche zugute kam. Trotzdem sah sie sich in den Spiegel, wusch sich und bürstete sich ihre Haare. Nun sah sie wieder ganz okay aus. Zum Anziehen wählte sie eine stinknormale Jeans und ein Langarmshirt, dessen Rot schon etwas ausgewaschen war. Darüber zog sie denselben Mantel wie am vorigen Tag an. Ohne etwas zu essen verließ sie dann das Haus. Sie ging so schnell sie konnte, und während des Gehens sah sie sich immer wieder um, als hätte sie vor irgendetwas Angst. Sie beobachtete die Menschen die, manche hektisch, manche langsam, an ihr vorbei gingen. Manchmal sah sie sich eine Person genau an und überlegte, wie viele Kinder er oder sie wohl hatte, wie alt die Person war, welchen Beruf sie haben könnte, und so weiter. Da entstanden manchmal echt eigenartige Geschichten in ihrem Kopf. Sie hatte sich einmal die Zukunft eines armen Straßenmusikers vorgestellt. Ihrer Meinung nach landete er in höchstens zwei Wochen am Broadway.
 

Nach fast einer halben Stunde erreichte sie endlich das kleine Gebäude, das Ziel ihres Marsches war. Davor standen einige Autos und ein schon in die Jahre gekommener, weißhaariger Mann. „Hallo Celina! Und schon aufgeregt?“, fragte er und begrüßte sie mit zwei Küsschen auf die Wangen. „Hi Jack! Nein, ich kann Auto fahren ja jetzt.“ „Na dann, zeig mal was du kannst.“ Celina träumte schon lange von diesem Tag. Sie würde nun endlich mobil werden, oder besser gesagt Auto-mobil. Auf gut deutsch: heute hatte sie ihre Führerscheinprüfung. Jack schritt zu einem der Wagen, einen silbernen Audi, und hielt ihr galant die Tür auf der Fahrerseite auf. Also stieg sie ein, startete das Auto wie gewohnt und legte den Rückwärtsgang ein, um aus der Parklücke zu kommen. „Heute bestimme ich mal, wo es hingeht!“, sagte Jack mit einem Grinsen. Celina blieb reserviert und korrekt, zu scherzen war heute nicht angebracht. „Direkt in die Innenstadt!“, ordnete der alte Mann an und deutete mit dem Finger in Richtung Manchester. Die Braunhaarige befolgte seine Anweisung und achtete vor allem darauf, überall die Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten. Der Verkehr in der Stadt war enorm. Jack suchte sich wirklich nur die befahrensten Straßen aus, aber Celina gab wirklich ihr bestes. Kurz vor Ende der dreißig Kilometer, die die Prüfung lang sein musste, erblickte Celina eine Ampel, die auf Rot stand. Sofort bremste sie gesetztesgemäß und wartete. Plötzlich spürte sie ein Beben, das durch ihren Körper ging. Es war ihr ziemlich bekannt, aber trotzdem versetzte es sie ihn Angst und Schrecken. Sie hasste es, die Kontrolle über sich zu verlieren, was jetzt der Fall war. Es wurde schwarz um sie herum, dann wieder heller und schließlich erkannte sie sich, oder besser gesagt ihr Auto, das vor der Ampel stand. In ihrer Vision fuhr sie weiter, als plötzlich ein Raser kam und in ihren Wagen crashte. Der Raser fuhr einen neongrünen Wagen, schrecklich auffällig. Das alles wiederum geschah geräuschlos und in der Zeit in der sie die Vision hatte konnte sie absolut nichts fühlen. Keine Angst, kein Entsetzen, nichts. Diese Gefühle setzten alle erst kurz nach der Vision ein, sobald sie wieder klar sehen konnte. Kurz bekam sie kaum Luft, erst dann sog sie geräuschvoll Luft ein. Celina lugte kurz zu ihrem Beifahrer hinüber, der seelenruhig aus dem Fenster sah. Gut, er hatte anscheinend nichts bemerkt. Die Ampel war jetzt auf gelb, gleich wurde sie auf grün sein. Angst stieg hoch und die Atemnot setzte wieder ein. Grün. „So Celina, warte kurz, vielleicht rast er vorbei!“, sagte sie sich. Jack klopfte mit den Fingern im Takt an die Fensterscheibe. „Ähm… fährst du dann wieder weiter?“, fragte er leicht verwirrt. Celina wollte ihn anschreien, ihm alles erzählen, aber nein. Sie sagte nur: „Ja, klar, sorry.“ Langsam stieg sie auf das Gas, sie fuhr. Genau jetzt wird sie sterben. Sie wollte dem Tod ins Auge blicken und sah nach links aus ihrem Fenster. Wo blieb der Raser nur? Nicht, das sie unbedingt wollte, das er kam. Neongrüner Wagen, genau wie in der Vision. „So, das ist dein Ende!“ Celina fragte sich, ob sie nicht jetzt ihr Leben in einem Film an sich vorbeiziehen sehen sollte. Okay, dann würde sie eben ohne Film sterben. Der Raser kam auf sie zu, und es kam ihr vor, als würde sich ihr Auto überhaupt nicht mehr vom Fleck bewegen. Plötzlich bog der grüne Wagen ab, in eine Nebenstraße. Verdammt, wie konnte es passieren, dass eine ihrer Visionen nicht wahr wurde? Sie bekam Panik. Das war ihr noch nie passiert. Andrerseits sollte sie doch überglücklich sein. Sie war noch am Leben. „Schweißkerl, da haben wir noch mal Glück gehabt!“, hörte sie Jack neben sich fluchen. Sie zitterte. Okay, ruhig bleiben, sagte sie zu sich selbst. Ruhig bleiben und den Führerschein schaffen. Unglaublich schnell beruhigte sie sich wieder und fuhr weiter. Ganz normal, als ob nichts geschehen wäre.
 

„Gratuliere, also den Schein holst du dir dann am besten an deinem Geburtstag ab!“, sagte Jack. Celina hüpfte ein paar Mal zum Schein vor Freude, um sich dann auf den Heimweg zu machen. Viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Gedanken, die sie vorher verdrängt hatte. Wieso war das Auto nicht in ihres gecrasht? Hatte es sich der Fahrer anders überlegt? Stimmte etwas nicht mit ihr? Sie setzte sich damit auseinander, das sie fast gestorben wäre, aber eigentlich war es für sie nur wichtig, warum sich ihre Vision nicht erfüllt hatte. Gab es vielleicht so etwas wie Schutzengel? Sie hatte keine Ahnung. Ihr war schrecklich kalt, sie vergrub die Hände in ihrer Jackentasche. Sie war so verwirrt und einsam. Sie lief die Straße entlang, alles war etwas dunkel, kein Wunder für diese Jahreszeit, schließlich wurde es schon Oktober. Endlich konnte Celina ihre Wohnung sehen. Sie dachte daran, wie sie vor erst knapp einem halben Jahr, dort eingezogen war. Alles kam ihr so klein und eng vor, aber sie hatte gelernt, dort zu leben. Und sie hatte alles, was sie brauchte. Die Wohnung hatte nur zwei Zimmer: Schlafzimmer und Küche, bzw. Ess-und Wohnzimmer, und dann noch ein kleines Bad mit Dusche, Waschbecken und Toilette. In diesem halben Jahr hatte sie gelernt, für sich selbst zu sorgen. Sie konnte Kochen, Wäsche waschen, putzen. Aus ihr war eine kleine Hausfrau geworden. Und doch hasste sie die Hausarbeit. Da war es schon sehr von Vorteil, dass die Wohnung nur so klein war. Im Großen und Ganzen konnte sie aber zufrieden sein, denn sie hatte jetzt das, was sie wollte: ein eigenes Leben.
 

Plötzlich legte sich eine kalte Hand auf ihre Schulter und eine Stimme hauchte: „Das Warten hat sich doch gelohnt!“



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