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Code Geass: Messing with Time

Und weil es so schön war, gleich noch mal...
von

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Der undankbare Idealist

Wie zu erwarten gewesen war, verloren die Verantwortlichen keine Zeit und der Prozesstermin in Sachen Kururugi Suzaku wurde bereits für den Abend des nächsten Tages angesetzt.

Lelouch kam diese plötzliche Eile nur Recht: Es war immer noch genug Zeit, damit er problemlos seine Verbündeten mobilisieren konnte, aber zu wenig, als dass er sich noch einmal um Suzakus Wohlergehen hätte sorgen müssen.

Natürlich würde man kaum zimperlich mit dem vermeintlichen Mörder des Dritten Prinzen umspringen, aber unter den gegebenen Umständen war es mehr als unwahrscheinlich, dass Suzaku dauerhaften Schaden davontragen würde, solange seine Retter nur rechtzeitig auftauchten. Und das würden sie, daran gab es gar keinen Zweifel.

Zunächst war Lelouch sich nicht sicher gewesen, wie genau er bei dieser Angelegenheit verfahren sollte, aber nach langem Überlegen hatte er schließlich beschlossen, an seinem alten Plan festzuhalten. Suzaku würde nicht begeistert von dem Bluff bezüglich des Giftgases sein, aber dann müsste Lelouch sich dieses Mal eben besser erklären. Auf keinen Fall aber würde er es riskieren, einen völlig unnötigen Fehler zu machen und damit das Leben seines besten Freundes zu verspielen, nur damit dieser möglicherweise eine unwesentlich weniger schlechte Meinung von ihm haben würde, wenn alles vorbei war.

Außerdem gab es noch einen weiteren Faktor, den es zu berücksichtigen galt: Für Lelouch mochte diese Rettungsaktion nichts Besonderes sein, aber für den Rest der Welt würde dies die erste Gelegenheit darstellen, bei der sie Zero zu Gesicht bekamen.

Lelouch musste dafür sorgen, dass sein Debüt einen mindestens ebenso großen Eindruck bei den Menschen hinterlassen würde wie beim letzten Mal.

Die nötigen Vorbereitungen dafür hatte er längst getroffen und nun galt es, einmal mehr alle Bedenken beiseite zu schieben, um sich ganz auf die Dramatik seines Auftritts zu konzentrieren.

Lelouch atmete noch einmal tief durch - dann griff der nach der Maske, von der er bis noch vor wenigen Tagen geglaubt hatte, dass er sie für immer losgeworden wäre.

Es war nur fair, dachte er mit einem kleinen selbstironischen Lächeln, als seine Fingerspitzen die Krönung seines Kostüms berührten. Damals hatten sie das Streben des jeweils anderen übernommen – in dem Glauben, so für ihre Gräueltaten büßen zu können. Aber anstatt den Frieden zu erhalten, den sie sich erhofft hatten, war ihnen ihr Wunsch nach einer besseren Zukunft für die Menschheit abermals verwehrt worden, und nun fanden sie sich wieder in ihren alten Rollen wieder: Lelouch, der es sich anmaßte, die ganze Last der Welt auf seine Schulter nehmen zu wollen, und Suzaku, der das Leben anderer um jeden Preis bewahren wollte, aber selbst den Tod suchte.

Lelouch fand, dass es ausgesprochen passend war.

Er würde tun, was er tun musste, und dann einen Weg finden, dafür zu bezahlen. Er wünschte nur, es gäbe eine Möglichkeit für ihn, auch Suzakus Sünden auf sich zu nehmen.

Denn für Lelouch vi Britannia, den Schwarzen Prinzen und Dämonenkönig, machte es keinen Unterschied mehr, wieviel Blut an seinen Händen klebte. Kururugi Suzaku jedoch, der idealistische Soldat und Weiße Ritter, verdiente etwas Besseres.
 

~
 

Wie sich herausstellte, hatte Lelouch es bei seiner kleinen Selbstinszenierung eine gute halbe Stunde später nicht sonderlich schwer. Denn gerade weil die Leute noch nie von Zero gehört hatten, war es geradezu lächerlich einfach, sie zu beeindrucken.

Schon als Clovis’ privates Fahrzeug am Horizont auftauchte, hielten die Umstehenden entweder den Atem an oder begannen, aufgeregt zu tuscheln. Und als der mysteriöse Störenfried, der kurz darauf unter großem Trara auf dem Dach des Wagens auftauchte, ihnen endlich einen Namen nannte, waren die Massen bereits außer sich.

Zero.

Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein, dass er diesen Namen das letzte Mal gebraucht hatte, und doch kam es ihm so vor, als wäre es erst gestern gewesen. Der menschliche Verstand war schon ein seltsames Ding.

Aber Lelouch hatte nicht viel Zeit, um über seine widersprüchlichen Gefühle nachzudenken, denn die Enthüllung der vermeintlichen Giftkapsel hatte den gewünschten Effekt und es dauerte nicht lange, bis Jeremiah Gottwald den Ernst der Lage erkannte und wutentbrannt seine Waffe zückte.

Lelouch, der damit gerechnet hatte, zeigte sich unbeeindruckt. „Habt Ihr vor, auf mich zu schießen?“, fragte er und achtete darauf, dass seine Körperhaltung dieselbe unübersehbare Gelassenheit vermittelte wie sein Tonfall. „Dann solltet Ihr wissen, dass meine Leute ebenfalls einen Auslöser besitzen. Es würde Euch nichts nützen, mich zu töten – genauso wenig wie den hier versammelten Zivilisten.“

Jeremiah war klug genug, die unterschwellige Drohung sofort als das zu erkennen, was sie war. Für den Bruchteil einer Sekunde schien er noch mit sich zu ringen, aber dann siegte seine Vernunft über den leidenschaftlichen Eifer, der ihm genau wie allen anderen Puristen bis zu einem gewissen Grad zueigen war. „Verstanden“, sagte er, indem er die Pistole wieder herunternahm. Seine Stimme allerdings verriet weder Zorn noch Beunruhigung – nur, dass er es eher gewohnt war, Befehle zu geben als Niederlagen zu erdulden. „Eure Bedingungen?“

Es war eine vorhersehbare Frage, und eine, die Lelouch nur allzu gerne beantworte. „Ein Austausch“, erwiderte er sofort. „Dieses Ding“, an dieser Stelle sparte es sich, extra noch einmal auf die riesige Kapsel in seinem Rücken zu deuten, „für Kururugi Suzaku.“

Jeremiahs Reaktion erfolgte unmittelbar. „Lächerlich!“, rief er aus. Er warf einen kurzen Blick auf Suzaku, der sich, wie Lelouch vermutete, mehr Gedanken um die Schaulustigen machte als alle anderen Anwesenden zusammen. „Dieser Mann ist wegen Hochverrats und des Mordes an Prinz Clovis angeklagt. Dass wir ihn einfach so aushändigen, ist völlig ausgeschlossen!“

Man sollte meinen, das eigene Leben und das etlicher Unschuldiger an einem seidenen Faden hängen zu sehen, wäre genug, um selbst einen Königsmord nebensächlich erscheinen zu lassen - aber wenn es etwas gab, das man einem überzeugten Mitglied der Reinigungsfraktion nicht nachsagen konnte, dann war es Nachlässigkeit.

Lelouch lächelte unter seiner Maske. Trotz allem würde er bekommen, was er wollte.

„Aber Ihr seid im Irrtum, Jeremiah“, belehrte er sein Gegenüber. „Der Mann, den ihr dort habt, ist nicht der Täter.“ Hier baute er eine kurze Spannungspause ein, bevor er fortfuhr. „Derjenige, der die Bombe gelegt hat…“, sagte er dann und blickte direkt in die Kamera, mit der Diethard – der zwar nach wie vor ein fehlgeleiteter Journalist, aber in Augenblicken wie diesem ausgesprochen nützlich war - soeben am Ort des Geschehens auftauchte, „…war ich!“

Diese Enthüllung hatte den absehbaren Effekt. Die anwesenden Zivilisten waren allesamt fassungslos, die Soldaten außer sich vor Zorn und Jeremiah sah aus, als wollte er dem Mörder seines Prinzen eigenhändig den Hals herumdrehen.

Alles Weitere war ein Kinderspiel.

In dem Aufruhr, den sein Geständnis unweigerlich zufolge hatte, konnte Lelouch unschwer für noch mehr Verwirrung sorgen und so nahe genug an Jeremiah heran kommen, um sein Geass an ihm einsetzen. Er musste zugeben, dass er ein schlechtes Gewissen dabei hatte, aber einmal ganz abgesehen davon, dass Lelouch keine Zeit gehabt hatte, den Mann schon im Vorfeld in seine Dienste zu nehmen, wusste er auch nicht, wie und wann genau Jeremiah damals die Fähigkeit erhalten hatte, das Geass zu neutralisieren. Jemanden unter seinen Leuten zu haben, der zu so etwas in der Lage war und überdies noch Jeremiahs unerschütterliche Loyalität besaß, war ein unschätzbarer Vorteil, den zu verlieren Lelouch sich nicht leisten konnte - so gerne er einem seiner einstmals engsten Vertrauten auch die Demütigungen erspart hätte, die dem unweigerlich vorangehen würde.

Nicht einmal die Erwähnung des Wortes „Orange“ verkniff Lelouch sich. Oder das Schmunzeln, das dabei unwillkürlich seine Mundwinkel kräuselte.

Suzakus Versuch wenige Minuten später, ihn nach seiner Identität zu fragen, wurde genau wie damals von einem Elektroschock vereitelt, und anschließend wies eine über den inzwischen offenkundigen Erfolg ihrer Aktion mehr als nur erleichterte Kallen ihn darauf hin, dass es allmählich an der Zeit sei, zu verschwinden.

Lelouch zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er den Schalter in seiner Hand dazu benutzte, den Inhalt der Gaskapsel freizusetzen und damit eine Panik auszulösen, die genau wie erwartet verhinderte, dass das anwesende Militär zu einem koordinierten Angriff in der Lage war.

Und da sich um alles Übrige Jeremiah kümmerte, hätte der restliche Teil der Aktion eigentlich vollkommen reibungslos verlaufen sollen.
 

Womit Lelouch allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass Suzaku sich mitten in der Luft aus seiner Starre befreien und versuchen würde, sich seinem Griff zu entwinden. Ganz offensichtlich wollte sein Freund den Menschen zu Hilfe kommen, die ihn bis gerade eben noch johlend vor ein Erschießungskommando gestellt und Beifall geklatscht hätten, sobald die ersten Kugeln Löcher in sein Fleisch gruben.

Und da Suzaku nun einmal Suzaku und Lelouch alles andere als ein Meistersportler war, hätte diese Selbstlosigkeit mit Sicherheit verhängnisvolle Folgen gehabt, hätte der junge Berufssoldat nicht unüberlegterweise gleichzeitig den Mund aufgemacht, um seinem Retter die Meinung zu sagen. Der daraus resultierende Elektroschock und seine Nachwirkung hielten nur für wenige Herzschläge an, aber anschließend waren sie bereits so gut wie im Untergrund verschwunden und selbst Suzaku musste einsehen, dass es aussichtslos war, sich jetzt noch befreien zu wollen.

Allerdings machte sein Freund ob dieser Erkenntnis einen so miserablen Eindruck, dass Lelouch sich seiner erbarmte. „Es ist nur farbiges Gas“, sagte er, kurz bevor ihr Fall von einem Tuch abgebremst wurde, das daraufhin planmäßig riss und sie ihre Flucht unterirdisch fortsetzen ließ. Vermutlich hätte seine Stimme beruhigender geklungen, wenn sie nicht von seiner Maske verzerrt worden wäre, doch da Suzaku ihm anschließend folgte – zögerlich, aber immerhin -, störte er sich daran nicht weiter.

Was ihn allerdings wunderte, waren die Abweichungen in Suzakus Verhalten im Vergleich zum ersten Mal, als er das hier gemacht hatte. Lelouch erinnerte sich nicht mehr an alle Details, aber er war sich ziemlich sicher, dass der Pilot des Lancelot damals anfangs erstaunlich kooperativ gewesen war, bevor er seine vorübergehende innere Gelähmtheit plötzlich überwunden und seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht hatte.

Es beunruhigte Lelouch ein wenig, dass er bereits so viele Kleinigkeiten verändert hatte, ohne die Ursache dafür nachvollziehen zu können, aber gleichzeitig hegte er auch die schwache Hoffnung, dass Suzaku sich nun, da er sich nicht länger unnötige Sorgen um Zivilisten zu machen brauchte, nicht ganz so feindselig ihm gegenüber zeigen würde.

Lelouch hatte den Verdacht, dass das nichts weiter war als Wunschdenken, aber immerhin war ihm jetzt deutlicher als jemals zuvor bewusst geworden, wie töricht er sich damals verhalten hatte, indem er so lange zu diesem Thema geschwiegen hatte, anstatt von Anfang an deutlich zu machen, dass niemand verletzt worden war.

Schließlich kannte Lelouch seinen besten Freund gut genug, um zu wissen, dass er es verabscheute, wenn jemand mit Menschenleben spielte – zu diesem Zeitpunkt sogar selbst dann noch, wenn alles nur ein harmloses Täuschungsmanöver war, zu dem es keine vernünftige Alternative gab.
 

~
 

Lelouch wartete, bis sie an den Terroristen vorbei und unter sich in den Ruinen des alten Theaters waren, bevor er zu sprechen anfing.

„Nun weißt du also, wie sie vorgehen“, eröffnete er die Unterhaltung dann. Insgeheim schmunzelte er darüber, wie ironisch es war, dass er sich gerade eben zum meistgesuchten Mann des Landes gemacht hatte, aber erst jetzt nervös wurde, wo er nichts weiter zu verlieren hatte als einen potentiellen Verbündeten. Und es wäre vollkommen lächerlich gewesen, wäre dieser potentielle Verbündete irgendjemand anderes gewesen als Suzaku. „Britannien ist verdorben.“

Suzaku ging gar nicht erst auf diese Feststellung ein. „Ihr… habt Ihr wirklich Clovis getötet?“, wollte er stattdessen wissen.

Lelouch hatte mit dieser Frage gerechnet. „Es herrscht Krieg“, gab er sachlich zurück und vermied es so, eine konkrete Antwort geben zu müssen. „Clovis hat kaltblütig den Tod zahlloser Unschuldiger befohlen. Zivilisten, die nichts weiter getan hatten, als zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Sag mir, Kururugi Suzaku, hätte ich ihn weitermachen lassen sollen? Hätte ich dabei zusehen sollen, wie er Frauen und Kinder ermorden lässt, nur um vor dem Kaiser besser dazustehen?“ Er hielt kurz inne, ließ seine Worte wirken. Dann setzte er hinzu: „Würdest du tatenlos zusehen, wie jemand ein sinnloses Blutbad anrichtet? Oder würdest du ihn aufhalten, auch wenn das bedeutet, dir selbst die Hände schmutzig zu machen?“ Es fühlte sich nicht richtig an, so bewusst auf Suzakus wunden Punkt abzuzielen, aber immerhin hielt Lelouch sich trotz allem weitgehend zurück. Hätte er sich die Schuldgefühle seines Freundes jetzt uneingeschränkt zunutzen gemacht, wäre es ihm womöglich gelungen, Suzaku noch an Ort und Stelle zu rekrutieren – allerdings zu einem Preis, den zu zahlen er nicht bereit war.

Es wäre nichts weiter gewesen als eine Gehirnwäsche; kaum anders, als würde er einfach sein Geass einsetzen, nur nicht annährend so verlässlich.

Nein, sein Wissen um das, was seinen Freund nun schon seit sieben Jahren quälte und vermutlich niemals ganz loslassen würde, in einer solchen Situation gegen ihn zu verwenden, war keine akzeptable Alternative. Suzaku würde sich ihm aus freiem Willen und eigenem Antrieb anschließen - weil sie im Grunde das gleiche Ziel hatten und es nichts gab, was sie nicht schaffen konnte, wenn sie sich zusammentaten.

Lelouch hoffte nur, dass Suzaku das rechtzeitig erkennen würde.

„Ich…“, begann dieser unschlüssig, nur um dann abrupt abzubrechen und zu Boden zu starren. Als er jedoch mehrere Atemzüge später wieder aufsah, spiegelte sich neue Entschlossenheit in seine Augen. „Und das Gas?“, verlangte er zu wissen. „Was ist so anders daran, Zivilisten als Geisel zu nehmen?“

Lelouch spürte, wie ein einzelner Schweißtropfen seine Stirn hinunterrann. Von nun an bewegte er sich auf dünnem Eis. Es musste ihm gelingen, Suzaku seinen Standpunkt zumindest begreiflich zu machen. „Die Zivilsten haben sich niemals ernsthaft in Gefahr befunden“, begann er seine Erläuterung mit einer Stimme, die nichts über seine wahren Gefühle verriet. Dabei fiel ihm auf, wie lange es her war, dass er sich das letzte Mal vor jemandem gerechtfertigt hatte, und gleichzeitig erinnerte er sich auch der Tatsache, dass es damals genau dieselbe Person gewesen war wie jetzt. „Nicht nur das, sie wussten nicht einmal, dass sie Geiseln waren, bis sie das Gas mit eigenen Augen gesehen haben.“ Er hielt kurz inne, versuchte, dahinter zu kommen, woran genau Suzaku so viel Anstoß nahm. Er gab sich Mühe – wirklich -, aber die Bedenken seines Freundes in dieser Sache kamen ihm auch weiterhin völlig irrational vor, sodass er letzten Endes nichts weiter tun konnte, als zu raten. „Ich gebe zu, dass sie für einen kurzen Moment um ihr Leben gefürchtet haben“, räumte er vorsichtig ein, „aber es wurde niemand verletzt. Von Anfang an war es nur ein Bluff - nichts weiter.“ Lelouch wollte noch hinzufügen, dass all diese Menschen Suzaku mit dem größten Vergnügen beim Sterben zugesehen hätte und einen kleinen Schock wohl ohne weiteres verkraften konnten, doch er hielt sich zurück, da er wusste, dass eine derartige Bemerkung vollkommen sinnlos wäre und sich nur negativ auf den Verlauf dieser Unterhaltung auswirken würde.

Trotz seines Entgegenkommens ballte Suzaku die Hände zu Fäusten. „Also glaubst du, dass der Zweck die Mittel heiligt?“

„Glaubst du, dass die Mittel wichtiger sind als das Ergebnis, welches sie erzielen?“, konterte Lelouch. „Vielleicht ist dir dein eigenes Leben nicht wichtig genug, um die Notwendigkeit meiner Vorgehensweise zu erkennen. Aber was hättest du getan, wenn ein anderer Unschuldiger in deiner Position gewesen wäre? Ein Zivilist? Ein Bekannter? Ein Freund?“ Bei dem letzten Wort weiteten Suzakus Augen sich kaum merklich und obwohl er ihn schon gleich darauf wieder mit schneidender Schärfe im Blick ansah, wusste Lelouch, dass er den richtigen Vergleich gefunden hatte.

„Ich…“, setzte Suzaku abermals an, bevor der Ausdruck in seinen Augen plötzlich wieder weicher wurde. „Ich weiß nicht“, gab er zu und entlockte Lelouch damit ein leises Lächeln. „Aber…“, fuhr er nach einer Weile mit wesentlich mehr Bestimmtheit fort, „es muss einen anderen Weg gegeben haben.“

Die plötzliche Entschlossenheit in der Stimme seines Freundes überraschte Lelouch nicht, frustrierte ihn aber nichtsdestotrotz. Er atmete ein paar Mal tief durch, um seinen Ärger unter Kontrolle zu bringen.

„Wenn das so ist“, sagte er schließlich, „kannst du mir das nächste Mal gerne behilflich sein. Ich bin offen für Vorschläge.“ Teilweise meinte er diese Aussage ernst, aber in allererster Linie ging unbestreitbar sein Sarkasmus mit ihm durch.

„Du willst, dass ich mich dir anschließe?“, fragte Suzaku, und sein Tonfall verriet Lelouch, wie seine Antwort lauten würde, sollte er ihm jetzt irgendetwas in dieser Richtung vorschlagen.

„Ja“, beantwortete er die Frage dennoch ehrlich und sah, wie Suzakus Blick sich augenblicklich verhärtete. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, fuhr Lelouch fort: „Aber ich werde mir dieses Angebot für ein andermal aufheben, da deine Abneigung gegenüber meinen Methoden offensichtlich ist.“

Suzaku reagierte zunächst mit unverkennbarer Überraschung, verengte im nächsten Moment aber schon wieder die Augen. „Und du glaubst, dass ich meine Meinung ändern werde?“

Lelouch schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er ernst. „Aber ich hoffe, dass du die Notwendigkeit in dem erkennen wirst, was ich zu tun versuche.“

Für die Dauer weniger Herzschläge sah Suzaku ihn mit einem undefinierbaren Ausdruck in den Augen an. Dann gab er ein leises, aber vielsagendes Schnauben von sich und wandte er sich wortlos ab.

Lelouch spürte, wie sein Magen sich schmerzhaft verkrampfte. Er konnte nicht zulassen, dass es so endete. Nicht schon wieder. „Warte“, befahl er hastig und war ebenso überrascht wie erleichtert, als Suzaku tatsächlich innehielt und ihn über die Schulter hinweg ansah. Sein Blick war kühl, fest entschlossen, aber allein die Tatsache, dass er überhaupt stehengeblieben war, bedeutete, dass seine Antipathie gegenüber Zero sich noch in Grenzen hielt. Oder dass er sich nicht vollkommen wie ein undankbarer Idiot aufführen wollte, aber diese Möglichkeit würde Lelouch vorerst außer Acht lassen. „Deine Bedenken sind verständlich und falls du das vorhast, was ich denke, ist deine Entscheidung nobel. Töricht“, in dieses eine Wort legte er unwillkürlich wesentlich mehr Hohn und Verbitterung, als er gewollt hatte, „wenn man bedenkt, dass der gesamte Prozess eine Farce sein wird, aber nobel.“ Bevor er weitersprach, stellte er sicher, dass er seine Emotionen wieder unter Kontrolle hatte und dass seine Stimme auch wirklich so neutral klingen würde wie beabsichtigt, wenn er jetzt fortfuhr. Dann erst sagte er: „Ich möchte dir einen Vorschlag machen.“

„Einen Vorschlag?“, wiederholte Suzaku verdutzt.

Lelouch neigte leicht den Kopf. „Da die Öffentlichkeit jetzt den wahren Mörder präsentiert bekommen hat, ist es durchaus möglich, dass du freigesprochen wirst.“ Er trat einen Schritt vor. „Wenn das geschieht, triff dich noch einmal mit mir.“

Suzaku sah ihn argwöhnisch an. „Wozu?“

Auch dafür hatte Lelouch bereits die passende Antwort parat. „Um mir Gelegenheit zu geben, dich von der Richtigkeit meines Standpunktes zu überzeugen“, erwiderte er mit einer Gelassenheit, die er nicht empfand. „Und weil ich dir etwas zu sagen habe, das dich sicherlich interessieren wird.“

Anschließend kämpfte Lelouch darum, seine Nervosität unter Kontrolle zu halten, während sein Freund sich die Sache durch den Kopf gehen ließ.

Schließlich nickte Suzaku. „In Ordnung“, sagte er langsam. „Aber ich bezweifle, dass sich dadurch irgendetwas ändern wird.“ Er wandte den durchdringenden Blick seiner grünen Augen von Lelouch ab und setzte sich wieder in Bewegung. „Dennoch… danke. Für meine Rettung.“

„Ich werde dich kontaktieren“, rief Lelouch ihm nach. „Einen Tag nach deinem Freispruch."

Suzaku antwortete ihm nicht, aber das war auch nicht nötig.

Lelouch wusste, dass er sein Wort halten würde.
 

~
 

Als die Reporter verkündeten, dass Suzaku Kururugi wieder aufgetaucht sei und aufgrund der aktuellen Entwicklungen nun eventuell für unschuldig befunden werden würde, hätte Nanali ihre Erleichterung unmöglich in Worte fassen können. Sie lockerte den angespannten Griff um das Radio in ihren Händen und lächelte in die Dunkelheit.

Beinahe zwei Stunden später kam Lelouch nach Hause und fand sie noch immer alleine in ihrem unbeleuchteten Zimmer sitzend vor. Ohne zu zögern umarmte er sie und Nanali, die wusste, dass es egoistisch war, erlaubte ihm, all ihre Sorgen mit dieser simplen Geste zu vertreiben.

Nur für diesen kurzen, selbstsüchtigen Moment vergaß sie das Gefühl, das nun schon seit mehreren Tagen an ihr nagte und ihr sagte, dass etwas an ihrem Bruder anders war als sonst, und begnügte sich damit, einfach nur seine Nähe zu genießen.
 

Die zahllosen anderen Menschen indessen, die das Geschen auf ihren Bildschirmen verfolgt hatten, waren ebenfalls erschüttert. Im Gegensatz zu Nanali jedoch hatten die meisten von ihnen kein persönliches Interesse an den bizarren Ereignissen des Abends, sondern würden den Vorfall einzig und allein deshalb in Erinnerung behalten, weil sie den Mörder ihres Prinzen noch für lange Zeit entweder als Helden feien oder als Staatsfeind verachten würden.

Wie überall jedoch gab es auch hier Ausnahmen.

Und eine dieser Ausnahmen hatte Zeros Debüt mit stetig wachsendem Unglauben verfolgt, nicht sicher, ob es blanker Größenwahn war, was sich da vor seinen Augen abspielte, oder etwas, das Teil eines meisterhaften Plans war, der aber immer noch ohne weiteres erklärte, weshalb es hieß, Genie und Wahnsinn lägen nah beieinander.

Clovis la Britannia starrte auf den inzwischen wieder schwarz gewordenen Bildschirm und schüttelte bestürzt den Kopf.

Was zur Hölle hast du vor, Lelouch?
 


 


 


 

______________

Ha, endlich mal ein bisschen Suzaku!

Wobei ich sagen muss, dass die Rettungsaktion gar nicht so leicht zu schreiben war. *nickt vor sich hin*

Nach etlichen Überarbeitungen sollte das Kapitel aber dennoch einigermaßen gelungen sein - was natürlich keineswegs heißen soll, dass ich mir konstruktive Kritik nicht zu Herzen nehmen werde.

Hm. Tja, das war also Zeros lange erwarteter Auftritt.

[Von Orange-kun mal ganz zu schweigen. Ich musste es mir wirklich Verkneifen, das Kapitel "Der Staatsfeind und die Zitrusfrucht" zu nennen.]

Ich hoffe, das Warten darauf hat sich gelohnt und freue mich wie eine fliegende Keksdose über Rückmeldungen jedweder Art.

Hihi... *stellt ein Tablett voller Törtchen als Lockmittel vor sich auf den Boden und pfeift unschuldig*



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Atsusa
2012-07-22T12:23:51+00:00 22.07.2012 14:23
Auch wieder sehr überzeugend! Selbstverständlich hätte sich Suzaku nie anders entscheiden können, immerhin weiß er ja nicht, wer Zero ist. Vielleicht im nächsten Kapitel? Ich lese weiter^^
Von: Maryhase
2011-04-28T19:50:50+00:00 28.04.2011 21:50
hat clovis lelouch etwa erkannt?! OoO
das ist ja noch mal ne ganz andere sichtweise!!!

Von: abgemeldet
2010-05-09T19:08:13+00:00 09.05.2010 21:08
Auch keine schlechte Idee lavados, aber wer weiß was die Autorin noch alles geplant hat.

Lg
Aki ;)
Von: abgemeldet
2009-04-08T10:40:48+00:00 08.04.2009 12:40
Herlichst
Und Lulu konnte seinen Bruder nicht täuschen^^

Herlich

JLP
Von:  lavados
2008-11-16T09:01:16+00:00 16.11.2008 10:01
wenn lelouch den lebenden Clovis präsentiert könnte er suzaku auf seite holen, näturlich müsste er vorher Clovis Erinnerungen an alles was seit der Entführung passiert ist löschen
Von:  Sealy
2008-11-06T22:01:55+00:00 06.11.2008 23:01
Ich finde, du hast die Charaktere recht gut getroffen. Und es ist wirklich interessant, wie Lelouch ständig damit hadert, was er ändern soll. Ich bin sehr gespannt, wie sich alles weiter entwickeln wird *g*


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