Zum Inhalt der Seite

Hexensabbat

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hexensabbat
 

Die Chefetage der Saeder-Krupp-Enklave in Berlin brummt wie ein Bienenstock. In wenigen Minuten wird das Flugzeug mit dem hohen Besuch in Tempelhof landen. Ich finde das eher amüsant, wie viel Aufwand sie hier treiben, wenn der Alte zu Besuch kommt. Aber die Kinder versuchen wohl immer, dem Vater zu gefallen.

Er hat mich über die üblichen Kontakte hierher bestellt. Ein einfacher Auftrag, hat er gesagt. Zum Glück waren die Sicherheitsleute genügend informiert, denn sonst wäre ich als einfache Straßenhexe wohl kaum ins Innere der Enklave gelangt. Berninger scheint es kaum zu genießen, mich zum Terminal zu führen. Obwohl er es sich natürlich nie anmerken lassen würde, hält er es für unter seiner Würde, sich mit dem gemeinen Pöbel von der Straße abzugeben. Mit einem Anflug von Boshaftigkeit überlege ich, ob ich ihm schnell noch eine Warze verpassen sollte. Mitten ins Gesicht. Aber da landet auch schon der Flieger, der den hohen Besucher an das private Terminal bringt. Als die kleine Delegation von Leibwächtern mit ihrem Schützling aussteigt, kann ich viele enttäuschte Gesichter sehen. Was haben die erwartet? Das Lofwyr feuerspeiend in seiner Dracoform angeflogen kommt? Schließlich wird doch gerade hier größter Wert auf ein zivilisiertes Auftreten gelegt.
 

Ohne viele Umschweife und ohne den katzbuckelnden Demutsbezeugungen des Geschäftsführers viel Aufmerksamkeit zu schenken, lässt der Alte sich in ein eigens für uns hergerichtetes Büro führen. Ehrlich gesagt bin ich dankbar, dass er Geschäfte mit mir meist in menschlicher Gestalt abwickelt. Ansonsten nimmt er einfach soviel Platz ein, dass man draußen oder in einer Halle stehen muss. Und als echte Berlinerin brauche ich ein gewisses Maß an Enge und Überfüllung, um mich sicher zu fühlen. Eine Sekretärin schenkt uns Erfrischungen ein, und ich warte, dass er sich dazu herablässt, mir meinen Auftrag zu erläutern. Es ist schon überraschend genug, dass er sich persönlich her begibt und nicht einen seiner Lakaien schickt. Scheinbar also eine Sache von größter Geheimhaltung. Wahrscheinlich irgendein peinlicher kleiner Fehler, der nicht publik werden soll.
 

"Sie werden eine kleine Reise machen, Irma."
 

Interessant. Reisen tu ich immer gern. Reisen wird immer gut bezahlt.
 

"Ihre Reise wird sie zur Freien Erde Harz führen. Um genau zu sein zu sein findet übermorgen in der Nacht zum ersten Mai ein großer Sabbat auf dem Brocken statt. Dort werden sich viele Hexenzirkel einfinden, und einer von ihnen hat etwas, das ich gerne zurückhätte."
 

Geduldig nippe ich an meinem Getränk. Er wird mir schon alle Informationen geben, die ich brauche. Das hat er bisher immer. Nur einmal hat er mir gewisse Dinge verschwiegen, ein dummer Zufall, der fast zu meinem vorzeitigen Ableben geführt hätte. Aber nur fast, und ein schöner Batzen Bargeld heilt bekanntlich alle Wunden. Er reicht mir einen Datenchip, der alle weiteren Fakten enthält. Da ich keine Datenbuchse habe, werde ich sie mir zuhause auf meinem Deck ansehen müssen. Ein Rucksack hätte einfach nicht zu meinem Outfit gepasst.
 

"Sie fliegen morgen früh los. Untergebracht werden Sie in Bad Harzburg, wo ein Mitglied des BloxBergBundes Sie so vorbereiten wird, dass Sie beim Sabbat nicht zu sehr auffallen. Es sind zu dieser Zeit viele Touristen im Harz, also dürfte das kein Problem werden."
 

Ich nicke nur ergeben. Dem Alten widerspricht man nicht, auch wenn man mit gewissen Dingen bereits vertraut ist.
 

"Die zu beschaffende Ware ist ein... entfernter Verwandter von mir."
 

Ich horche auf. Die Sache könnte interessanter und einträglicher werden, als ich dachte.
 

"Einer meiner Vetter war so unvorsichtig, sich von Mitgliedern eines Zirkels überwältigen zu lassen. Sie halten ihn unter einem Netzzauber in menschlicher Gestalt. Er sollte Verhandlungen dort führen, was scheinbar nicht auf die Gegenliebe dieser Hexen stieß."
 

Welche Art von Verhandlungen muss mich ja auch nicht interessieren. Erstmals melde ich mich zu Wort.
 

"Ich soll also lediglich einen Drachen in menschlicher Gestalt zu Zeit eines Hexensabbats aus der Gefangenschaft eines Hexenzirkels befreien?"
 

Das könnte kompliziert werden. Aber da der Alte nur nickt, wird es schon machbar sein. Er überreicht mit die nötigen Dokumente und eine kleine Vorauszahlung für eventuell anfallende Spesen. Ich bin entlassen und gehe, um meine Reise vorzubereiten.
 

~*~
 

Freya band ihre roten Haare zurück und begann mit ihren Festvorbereitungen. Sie verstand das ganze Gewese nicht, das immer um den Sabbat gemacht wurde. Tanz in den Mai, wichtiges Fest, blabla. Im Endeffekt wurden nur ein paar Zeremonien durchgeführt und getanzt. Energien sammeln konnte man doch auch an anderen Tagen und Orten.
 

Sie beneidete wieder einmal die Hexen, die außerhalb des Harzes wohnten und sich nicht so sehr um die festgelegten Feiertage zu kümmern hatten. Seufzend suchte sie ihre Wanderstiefel aus dem Schrank. Großmutter bestand immer darauf, den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen. Dabei könnte man auch die Bahn nehmen. Sie beeilte sich, ihre Vorbereitungen abzuschließen, weil sie für ihren eigenen Konvent noch einige wichtige Dinge zu erledigen hatte. Zum Beispiel nach dem Gefangenen zu sehen, den Karina gemacht hatte. Freya grinste. Hatte dieser dumme Drache doch gedacht, man könne die etwas abgelegene Region ausbeuten, indem man den Zwerginnen der Minen großzügige Angebote gemacht. Nun, wenn der Drache den Sabbat unbeschadet überstehen wollte, sollte er lieber hoffen, dass die Bedingungen der Dämmerhexen erfüllt wurden. Keine wirtschaftliche Ausbeutung der Harzminen durch den Konzern. Der Unterhändler sollte sich morgen mit ihnen auf dem Brocken treffen. In der Hektik des Festes würden eventuelle Schwierigkeiten nur auf Touristen geschoben werden. Sie packte einiges an Essen ein, schließlich musste man ja nicht die Gastfreundschaft außer Acht lassen, nur weil es sich um einen Gefangenen handelte. Die Bänne des Zirkels sollten ihn in der alten Kirchenruine festhalten. Aber Karina hatte nichts davon gesagt, dass man den "Gast" verhungern lassen sollte.
 

~*~
 

Eigentlich eine ganz nette Stadt, dieses Bad Harzburg. Ziemlich ländlich, technisch ziemlich zurück, aber hübsch. In meinen schwarzen Lederklamotten falle ich hier zwar ein wenig auf, aber das festigt nur das Bild der Hexe aus der Großstadt, die endlich mal am großen Sabbat teilnehmen möchte. Nur fühle ich mich etwas unwohl bei dem Wissen, wie leicht jemand meine billige Tarnung durchschauen könnte. Natürlich reisen viele Hexen zum ersten Mai in den Harz, allerdings nur selten allein. Dass ich meinen Konvent erst auf den Brocken treffen würde, scheint mir keiner abzunehmen. Vielleicht ist es eine Art Ritual, gemeinsam auf diesen Berg zu wandern? Scheinbar sind Hexen ohne Konvent nicht sehr angesehen. Aber vielleicht muss ich ja gar nicht ins Gebirge, angeblich wird mein Zielobjekt hier in der Stadt versteckt. Auf meinem kleinen Deck habe ich mir die Daten angesehen und kam aus dem Lachen kaum noch heraus. Da ist also dieser ländliche Hexenkonvent, die Dämmerhexen. Sie denken, um ihre "Macht" besonders gut kanalisieren zu können, müssten sie ihre Jungfräulichkeit erhalten. Hier hat also nicht der Drache die Jungfrau entführt, sondern umgekehrt. Eine Agentin hat für uns das Versteck des Drachens ausfindig gemacht. Starke Bänne, aber nicht durchdacht. Sie sind nur auf menschliche Maßstäbe angelegt.
 

~*~
 

Auf dem Weg zur Kirche wurde Freya von einer Hexenschwester angesprochen, die scheinbar aus der Großstadt stammte. Jedenfalls schien sie nicht sehr gut über den Harz und die Region informiert, denn sie fragte Freya über alle mögliche aus. Am liebsten hätte Freya zu der in schwarzes Leder gekleideten Schwarzhaarigen gesagt, wenn sie die Gelegenheit hätte, den Sabbat zu versäumen oder auch nur im kleinen zu feiern, würde sie sicher nicht in den Harz kommen. Aber die Touristen waren ja immer so begeistert. Die wohnten ja auch nicht seit 16 Jahren mit ihrer Großmutter zusammen oder waren in einem Konvent gelandet, der die Jungfernschaft seiner Hexen für besonders wichtig hielt. Sie schickte die Großstadthexe zur Touristeninformation im Stadtzentrum, fütterte Karinas Gefangenen und unterhielt sich noch etwas mit ihm. So schrecklich schienen Drachen gar nicht zu sein. Aber das hatte ihre Großmutter ihr schon immer erklärt. Schließlich hatte sie damals im Jahre ´11 den ersten Aufstieg der großen Drachen miterlebt und sich als eine der wenigen Unerschrockenen nicht der Massenpanik angeschlossen. Freya gähnte. Sie würde heute früher ins Bett gehen, um für morgen ausgeruht zu sein. Mitten im Sabbat einzuschlafen würde wirklich ein schlechtes Licht auf eine junge Hexe werfen.
 

~*~
 

Ich kann nicht glauben, wie einfach das ist. Diese naive Kleine hat mir fast alles erklärt, was ich zur Durchführung meines Planes brauche. Der noch intakte Teil der Kirche hat eine Hintertür, die laut meinen Informationen nur schlecht bewacht wird. Noch einfacher wäre es, sich die Kleine zu schnappen und einfach eine Übergabe zu erzwingen. Ich glaube, so werde ich es machen. Dann muss ich nicht auf diesen vermaledeiten Berg kraxeln und so tun als würde ich verhandeln wollen. Wenn alle beim Sabbat sind, werden die Dämmerschwestern oder wie auch immer sie heißen ihren Gefangenen sicher mitschleppen. Ich suche mir einen Platz in einem netten kleinen Restaurant direkt gegenüber der Ruine und warte bei einem guten Essen. Als ich die Kleine kommen sehe, sprinte ich schnell zu ihr rüber. Zuerst lächelt sie mir freundlich entgegen, aber das ändert sich, als ich ihr den Lauf meiner kleinen 48er in die Rippen drücke. Ich muss fast lachen, als ich ihr beleidigtes Gesicht sehe.
 

"Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir helfe, ihn zu befreien, oder?"

Immerhin ist sie nicht auf den Kopf gefallen. Sie weiß sofort, was ich von ihr will.

"Erschieß mich ruhig, die Schwester haben ein paar ziemlich eklige Zauber drauf, wenn man sich gegen sie wendet. Es sei denn..." Ein plötzliches Lachen ließ ihre blauen Augen blitzen.
 

"Ich bin also deine Geisel. Aber wenn ich dir helfe, musst du mich auch weiterhin mitnehmen."
 

Ich muss zugeben, dass ich DAS nicht erwartet hätte. Aber ich verhandele gern. Also einigen wir uns bei einem Glas Samos in dem kleinen griechischen Restaurant, dass sie mir hilft, den Drachen zu befreien und ich dafür ein gutes Wort beim Alten für sie einlege. Gewieft ist sie trotz ihrer Jugend. Ich hätte sie in Berlin sofort ausgesetzt, aber sie besteht auf eine Starthilfe, entweder monetär oder über meine Connections. Der Alte wird schon was für sie finden, ich glaube, sie wird ihm gefallen. Der Rest ist eigentlich ganz einfach. Meine arme "Geisel" spielt ihre Rolle wirklich herzerweichend, die Dämmerhexen lassen uns in die Kirche, um mich dort zu überwältigen. Plötzlich aber hebt die Kleine den Netzzauber auf, der den Drachen in menschlicher Gestalt hält, und er bricht die anderen Bänne ziemlich lässig. Ich versteinere kurzzeitig die überraschten Schwestern, während die sich nur auf den fliehenden Drachen konzentrieren. So weit so gut, wir sitzen schneller im Zug, als die geifernden Schwestern "Sabbat" sagen können. Von Hannover fliegen wir nach Berlin, und ich frage die Kleine, ob sie nicht traurig ist, den großen Tanz auf dem Brocken zu versäumen. Sie lacht nur und meint, ihr eigener kleiner Sabbat war ihr wesentlich lieber. Der Drache scheint etwas luftkrank, ob nun wegen des kleinen Flugzeugs oder der Aussicht, dem Alten unverrichteter Dinge gegenübertreten zu müssen.
 

Und ich denke lachend, dass man die Jungfrau nicht immer töten muss, um den Drachen zu retten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  nightwing79
2008-09-16T06:51:00+00:00 16.09.2008 08:51
Hallo,

ich fand das FF sehr gut,
vor allen Dingen die doch recht ungewöhnliche Sichtweise im Bezug
auf *Gut* und *Böse*.
Vor allem der letzte Satz ist echt super.

Grüsse
nightwing


Zurück