Nächtliche Besuche
Weiß ich denn, dass zwei Städte weiter Rheinland-Pfalz anfängt? Also ehrlich, warum ist Deutschland so kompliziert? Warum wird hier alles in Gebiete aufgeteilt? Die Politik, die Bahn, der Strom, das Wasser, die Stadt, die Telefonanschlüsse - für alles muss man sich neue Zugehörigkeiten merken T.T Ist doch alles nicht wahr.
Stellt euch vor, ein Jurymitglied des BW-JTW (neue Abkürzung für den Wettbewerb) hat sich bei mir gemeldet, um Bescheid zu sagen, dass die Unterlagen angekommen sind o.o Ich war ganz baff. So freundlich war bisher selten jemand in der Literaturbranche.
Egal, Halloween in DS - komplett anderes Thema. Ich persönlich habe das Gefühl die FF ist schon fast kitschig, so gut läuft es - da erzählen mir meine Leser, die komplette FF ist depressiv und düster. Ist jetzt mein Alltag einfach so beschissen oder ist das eine Autorenmacke?
Auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen eines eher typischen DS-Kapitels in meinen Augen ^.^
Warnung: Andeutung auf die nicht so sonnigen Seiten des Lebens.
___________________________________________________________________________________
„Katsuya?“, aus Shizukas Stimme klang pure Verwunderung, „Was machst du denn-“, sie stoppte, als die geschminkte Kanae eintrat und dahinter Seto mit Hiroshi zu erkennen war, „Stimmt, es ist Halloween!“
Auf Frau Kibayashas Lippen breitete sich währenddessen ein Lächeln aus, als sie die zwei Kinder sah. Kanae steuerte direkt auf sie zu und forderte sofort: „Trick or treat!“
„Mei, mei, du bist aber hübsch geschminkt.“, die Dame lehnte sich vor – erst jetzt fiel Katsuya auf, dass sie gar keinen Babybauch hatte – und betrachtete die Kleine näher, „Lass mich doch mal schauen, ob ich etwas Süßes da habe.“
„Magst du Shizuka fragen, Hiroshi?“, wandte sich Seto an den Jungen und stellte sich vor ihr Bett.
Auf Shizukas fröhliches Lächeln wagte er es sogar zu sprechen: „Trik ohr triet?“
„Sehr gut.“, lobte Seto leise und strich beruhigend mit einer Hand über das Bein, das links neben seinen Hals vorbei zog, bevor er sich etwas vorlehnte, mit beiden Händen unter Hiroshis Achseln packte und ihn von seinen Schultern auf das Bett hob.
„Was Süßes, was Süßes... ich habe doch sicher noch Schokolade...“, murmelte Shizuka währenddessen, drückte ihren Körper mit beiden Armen in eine sitzende Position und griff nach ihrem Nachtschrank, „Hier.“, sie nahm eine Tafel heraus und schlug die Folie beiseite, „Nimm dir ein Stück.“
„Ich auch, ich auch!“, bevor Hiroshi sich auch nur näher gewagt hatte, hatte sich Kanae schon etwas geschnappt und setzte dem Kleinen einen Schokogipfel vor, den sie bei Frau Kibayasha erschnorrt hatte.
„Möchten sie auch etwas?“, wandte sich jene höflich an Katsuya, der das Treiben nur fasziniert betrachte.
„Wie?“, er sah herüber und auf massenweise Schokolade, die sie auf ihrem Laken ausgebreitet hatte – verpackt natürlich, „Darf ich? Vielen Dank.“, er nahm sich ein kleines Täfelchen, öffnete es und brach es auseinander, „Seto? Schoko?“
„Hm?“, der Brünette lächelte zu ihm hinüber, bemerkte das Angebot und leckte sich kaum merklich über die Lippen, sodass Katsuya herüber ging und es ihm einfach zwischen die Zähne schob, „Tzanke...“
„Kriegst du ein Baby?“, wandte sich Kanae währenddessen an Shizuka und zeigte auf ihren Bauch.
„Hm-hm.“, die Sechzehnjährige nickte zur Bekräftigung und lächelte das Mädchen an.
„Willst du ein Baby haben?“, plapperte die Kleine gleich weiter und lehnte sich etwas auf das Bett, um ihre Hüfte zu entlasten.
„Natürlich möchte ich mein Baby haben.“, Shizuka legte den Kopf etwas schief.
„Aber warum?“, Kanae tat es ihr nach, „Hier gibt es doch viele Babys und Kinder. Zum Mitnehmen. Man muss nicht einmal bezahlen, ich habe nachgefragt.“
„Äh-“, die Ältere zog die Augenbrauen zusammen, „Wie bitte?“
„Na, bei uns! Eine Station weiter! Das ist die für Kinder und da gibt es ganz viele, die haben keine Eltern. Und für die kommen Leute und nehmen sie mit. Und man muss kein Geld dafür abgeben. Obwohl...“, sie machte eine überlegende Miene, „Manchmal kommen auch Leute, die wohl Besitzer sind, die preisen uns nämlich an wie die Feilscher.“, sie wandte sich Katsuya zu, „Kriegen die Geld für die Kinder?“
Äh... wie bitte?
In Gedanken wiederholte Katsuya die Worte seiner Schwester. Wovon zur Hölle sprach die Kleine da? Kinder, für die man nichts zahlen musste? Und Feilscher? Woher kannte sie so ein Wort überhaupt? Er warf einen hilfesuchenden Blick zu Seto.
„Ich glaube, du bringst da etwas durcheinander, Kleines.“, meinte dieser lächelnd nach einigen Momenten, „Kinder, die keine Eltern haben, haben meist einen staatlichen Vertreter. Das ist eine Person, die beim Jugendamt arbeitet. Diese sucht für ein Kind nach Eltern, die es aufnehmen wollen. Wahrscheinlich sind das die, die du Feilscher nennst. Woher kennst du das Wort?“, er legte den Kopf etwas zur Seite, um etwas unbedrohlicher zu wirken – Katsuya konnte das jedoch nicht über den stechenden Blick hinweg täuschen.
„Das... das haben sie früher immer benutzt. Für die, die Kinder verkauft haben.“, sie sprach unsicher und zog ein wenig den Kopf ein.
Seto seufzte, setzte Hiroshi komplett auf dem Bettende ab und ging zu Kanae herüber, um sich vor sie zu knien.
„Hat man dich schon einmal verkauft?“, fragte er ruhig, sanft und vorsichtig, aber mit ungewöhnlich entspannten Gesichtszügen.
Sie studierte ihn einen Moment, nickte dann, wartete eine Sekunde und begann zu sprechen: „Ganz oft früher sogar. Aber weil einer mich kaputt gemacht hat, haben sie mich an den Mann mit dem weißen Kittel verkauft. Und der hat mich drüben auf die Station gebracht.“
„Bist du sicher, dass sie dich an den Mann verkauft haben? Hast du gesehen, wie sie ihm Geld gegeben haben?“, führte Seto seine Befragung fort, während Frau Kibayashi und Shizuka beide eine Hand vor ihren Mund gelegt hatten und Hiroshi vorsichtig nach einem Finger von Katsuyas Hand griff, sich aber sofort zurückzog, als dieser auch nur einen Moment in seine Richtung blickte. Lächelnd streckte der Blonde seine Finger für den Kleinen aus, war mit dem meisten Gedanken jedoch bei dem Gespräch, was neben ihm stattfand.
„Ja, habe ich! Ganz viel sogar, mehr als sie sonst immer gekriegt haben.“, Kanaes Stimme gewann an Festigkeit.
„Macht der Mann irgendetwas mit dir, was du nicht möchtest?“
Sie schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, der ist ganz lieb. Der stellt mir nur immer Fragen. Hier im Krankenhaus ist niemand böse zu mir. Aber... mich will auch keiner mehr haben...“
Sie biss auf ihre Unterlippe und zog den Kopf wieder ein wenig ein.
„Hier darf dich auch keiner haben.“, erklärte Seto, was sie aufblicken ließ, „Das hier ist ein Ort, wo man sich ausruhen darf, damit die Wunden verheilen. Deine Knochen sind gebrochen und die werden noch ganz lange zum Heilen brauchen.“
„Dann bleibe ich auch ganz lange hier?“, fragte sie vorsichtig nach und betrachtete Setos Gesicht mit weit geöffneten Lidern.
„Ja, du bleibst lange hier. Und wenn du nicht mehr hier bleiben musst, sucht jemand vom Jugendamt auch für dich Eltern, die dich aufnehmen wollen.“
„Aber ich will keine Eltern!“, rief sie und drehte sich ganz zu Seto, was sie aber aus dem Gleichgewicht brachte. Der Ältere fing sie problemlos, strich ihr kurz über das Haar und setzte sie auf Shizukas Bett.
„Warum möchtest du keine Eltern, Kanae?“, er kniete sich vor das Bett, sodass er sogar weit kleiner als sie war.
Aber sie zog nur, so weit es ging, den Kopf ein und sah zu Shizuka hinüber, der Tränen über die Wange liefen und fragte nach ein paar Momenten: „Warum weinst du?“
„Weil...“, sie schluchzte, doch versuchte es hinter ihrer Hand zu verstecken, bevor sie schluckte und noch einmal ansetzte, „Weil mir das so nahe geht... was haben deine Eltern nur getan, dass du sie niemals wieder sehen willst?“
Kanae warf ihr einen verständnislosen Blick zu, zog die Augenbrauen zusammen und sah kurz jeden im Raum an, bevor ihr Blick auf Katsuya zu liegen kam. Dieser wechselte kurz die Hand, die Hiroshis hielt und setzte sich neben sie, bevor er sprach: „Es gibt viele Arten von Eltern, Kanae. Es gibt Eltern, die mögen ihre Kinder nicht und sind böse auf sie. Und die, die ihnen wehtun. Und welche, die ihre Kinder sogar weggeben. Aber es gibt auch Eltern, die mögen ihre Kinder. Die sorgen für sie und kümmern sich um sie. Es gibt sogar welche, die lieben ihre und sind richtig stolz auf sie, obwohl sie gar nichts groß machen. Und von denen gibt es viel, viel mehr als von den bösen Eltern.“
„Ehrlich?“, nuschelte sie leise, während ihre Augen glänzten, „Denen werden sie nicht langweilig? Die verkaufen ihre Kinder nicht?“
„Nein, das tun sie nicht.“, lächelnd strich der Blonde über ihr Haar.
Sie blinzelte kurz und streckte ihm die Arme entgegen, worauf er näher rückte und einen seiner um sie legte. Die Kleine vergrub ihr Gesicht kurz in seiner Seite, bevor sie es gegen seine Brust legte und fragte: „Kennst du Eltern, die ihre Kinder mögen?“
„Ah-“, Katsuya stockte – ob er Eltern kannte, die ihre Kinder liebten? Nicht wirklich... „Ähm... Shizuka hier.“, er nickte zu seiner kleinen Schwester, „Sie bekommt einen kleinen Sohn, den hat sie sehr lieb.“, er schluckte – ob das ein gutes Beispiel war? Er hatte keinen Beweis, dass sie das Kind auch behalten würde, „Um... Frau Kibayasha, haben sie Kinder?“
Kanae richtete sich ein kleines Stück auf, um zu der Dame herüber zu sehen.
„Ja...“, antwortete diese nach einem kurzen Moment, den Blick voll Stolz, aber auch voll Trauer, „Ich habe eine Tochter, die ist zwölf. Und einen Sohn, der ist jetzt sieben.“, sie schluckte, „Und... hätte ich keinen Unfall gehabt... hätte ich jetzt noch eine Tochter...“, sie wandte den Blick ab.
„Das tut mir sehr Leid.“, Idiot, Idiot, Idiot, „Frau Kibayashi hat ihre Tochter durch einen Unfall verloren, Kanae.“, erklärte er leise für sie, „Und sie ist sehr traurig. Sie wollte ihre Tochter nicht verlieren.“
Er schluckte, als er die Tränen ihre Wangen herab kullern sah.
„Ha- hast du deine Kinder lieb? Nicht... nicht langweilig?“, fragte sie stotternd, was die Dame betroffen aufsehen sah.
„Oh ja! Ich habe meine beiden Kinder sehr lieb.“, sie legte eine Hand auf ihr Herz und wandte sich der Gruppe zu, wodurch diese auch ihre Tränen erkennen konnten, „Und sie sind niemals langweilig. Ich liebe es zuzusehen, wie sie groß werden und sich jeden Tag verändern. Ich... ich koche gerne für sie und erzähle ihnen Geschichten und... ich spiele mit ihnen und freue mich, wenn sie lachen.“, sie fuhr sich mit einer Hand über ihre Wangen, „Ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll. Ich liebe meine Kinder einfach.“
„Warum haben meine Eltern mich nicht lieb gehabt, Katsuya?“
Bei allen Göttern. Er schluckte. Die gefürchtete Frage. Woher sollte er das denn wissen? Hatte er die nicht schon Seto über seine eigene Mutter gestellt? Er atmete zitternd aus und strich noch einmal über ihr Haar, den Blick verzweifelt auf seinen Freund gerichtet.
„Das kann dir leider keiner beantworten, Spatz.“, erklärte dieser ruhig und bekam dafür ihre voller Aufmerksamkeit, „Vielleicht waren sie nicht der Typ Eltern, die ihre Kinder lieb haben. Oder sie waren krank. Oder vielleicht sehr unsicher und wussten nicht, wie sie mit dir umgehen sollen. Viele Eltern sind oft unsicher und machen deshalb ganz blöde Fehler. Und schlechte Eltern sind die, die sich keine Hilfe suchen, wenn sie unsicher sind.“, er lächelte zu ihr hoch, „Auf jeden Fall hat es nicht an dir gelegen.“
„Nicht?“, sie klang äußerst verwundert und vielleicht auch einen Hauch hoffnungsvoll.
„Nein, du bist keinesfalls daran Schuld. Jeder ist nur für das schuldig, was er selber tut. Und du hast dich nicht selber verkauft, oder?“
„Nein...“, sie sank wieder gegen Katsuya, „Das waren die Feilscher. Und meine Eltern. Böse Eltern.“, sie fuhr plötzlich auf, „Jetzt habe ich die Schminke verschmiert, oder?“
Katsuya prustete kurz, bevor er sich wieder unter Kontrolle bekam und antwortete: „Nur etwas Weiß, keine Sorge, man sieht es kaum.“, er zog aus einer Hose ein Taschentuch, „Hiermit solltest du lieber aufpassen, dass du nichts verschmierst.“
„Okay...“, sie putzte sich etwas umständlich die Nase, „Noch gut?“
„Sehr gut.“, lobte der Blonde und warf einen Blick zu Hiroshi, „Alles okay, Kleiner?“
Dieser hielt sich noch immer an seinem kleinen Finger fest und sah vorsichtig zu ihm herüber. Antworten tat er nicht – was Katsuya allerdings auch nicht vermutet hatte. Er nickte nur kaum merklich.
„Wollen wir noch mehr Leute gruseln?“, schlug Seto vor und erhob sich.
„Ja!“, rief Kanae voll wildem Enthusiasmus – war es gesund so begeisterungsfähig zu sein?
„Dann auf.“, der Älteste streckte die Hände nach Hiroshi aus, der sich wieder auf dessen Schultern setzen ließ und Katsuya sah zu, wie die Kleine wieder völlig ohne Hilfe vom Bett kam und ihre Krücken wieder nahm, „Sagt tschüss zu Frau Kibayasha und Shizuka.“
„Tschüss...“, murmelte Hiroshi nur leise, während Kanae eine Krücke wieder zurück stellte und beiden zuwinkte, während sie sich verabschiedete.
„Und bleibt liebe Eltern, ja?“, sie sah grinsend zwischen beiden Frauen hin und her.
„Machen wir.“, versprach Shizuka, während der anderen Dame im Raum nur eine Träne über die Wange rann.
„Lass mich anrufen, wenn sich etwas tut, ja?“, bat Katsuya seine Schwester leise und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor sie ihm zunickte, „Alles Gute, Frau Kibayasha.“
„Danke...“
Seto nickte beiden nur zu und hielt erst Kanae, schließlich auch Katsuya die Tür auf, bevor die Kleine ein völlig zufälliges anderes Zimmer auf dem Gang auswählte, deren Bewohner gegruselt gehörten.