Fliegen
Wenn ich ne Fliege wäre, dann wär das Leben geil.
Ich meine, du lebst nur einen einzigen Tag lang und dann verreckst du. Und diesen einen Tag lang, wirst du einfach nur glücklich sein. Denn alles, egal was, ist komplett neu für dich, du hast es noch nie gesehen und du entdeckst immer wieder Neues und es wird dir nie langweilig – weil du es eben nur einen einzigen Tag lang siehst.
Du fliegst umher, durch den kleinen Raum, an dem alten Ventilator vorbei, durch den Staub, durch die Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien dringen, alte verdorrte Topfpflanzen, leere Wasserflaschen, ein kaputtes Radio, ein Berg schmutziger Klamotten, leere Schüsseln und über das Bett.
Und du siehst uns, die gelangweilten Giganten.
Und dann sagst du dir: Scheisse Mann, bin ich froh dass ich ne Fliege bin.
Denn dann wäre ich kein gelangweilter Gigant.
Müde blicke ich dem summenden schwarzen Fleck nach. Ich bin zu wach, um zu schlafen. Ich bin zu müde, um aufzustehen. Zu gelangweilt, um mich zu bewegen.
Heute ist es einfach zu heiß.
Die Fliege summt und fühlt sich so scheisse glücklich.
Und der Ventilator klappert laut.
Und er atmet.
Aus irgendeinem Grund regt mich dieses Geräusch am meisten auf.
Es regt mich auf, dass er da ist.
Und wenn er weg ist, regt es mich diese Stille auf, weil er eben nicht da ist.
„Und was ist mit dir?“, murmele ich, nur um einfach alles zu unterbrechen.
Er atmet weiter.
Der Ventilator klappert laut. Bald gibt er den Geist auf. Immerhin ist er schon 8 Jahre alt. Genauso alt wie diese Beziehung.
„Sasuke!“
Und er atmet einfach nur weiter.
Ich will weinen und schreien und schlagen und weiterliegenbleiben.
„Arschloch.“
„Oh Mann, was willst du?“
„Du bist so Scheisse! Ich hab dir mein Herz ausgeschüttet und du hörst mir nicht einmal zu!“
„Als ob da was interessantes dabei war...“
„Ich hasse dich!“
„Was willst du denn hören?! Oh nein Liebling, bitte bleib hier, ich brauche dich! Verlass mich nicht! Es ist mir scheissegal, mach was du willst.“
Der alte Ventilator klappert, und klappert und dann hört er auf zu klappern. Er hat keinen Grund mehr weiterzuklappern, er ist am Ende. Genauso wie diese Beziehung.
Die Fliege fliegt wieder aus dem Fenster und verschwindet im Sommer.
Ich starre ihn an. Und irgendwas in mir drin ist stehen geblieben.
So eine Art Schutzmechanismus. Denn mein ganzes Gehirn weigert sich einfach nur den Sinn und Zweck seiner Worte zu verstehen.
Also bleibt es stehen. Alles bleibt stehen.
Wenn man Schluss macht, dann geht immer einer weg. Das ist doch selbstverständlich.
Weil es seine Wohnung ist, muss ich gehen. Das ist doch selbstverständlich.
Und ich stehe auf und beginne mich anzuziehen. Mit demselben leeren Gesicht.
Hose. T- Shirt. Socken. Schuhe. Foto. Wir lachen glücklich.
Dann zerbricht mein Herz.
Ich wäre beinahe auf den Boden gekippt. Heiße Tränen fließen über meine Wangen, ich könnte schreien vor Schmerz, doch ich kriege nicht einmal Luft.
Nicht hier. Nicht hier!!
Nicht vor ihm. Auf keinen Fall, vor ihm. Das macht alles nur noch schlimmer.
Er atmet weiter.
Ich stolpere auf die Tür zu. Es sind noch so viele Schritte. Mein Gesicht brennt. Der Kloß in meinem Hals wird unerträglich. Die Hitze wird zur Hölle. Ich breche gleich zusammen.
Alles. Aber nicht hier!
Seine Finger berühren sacht meine. Ich kann nichts anders als stehen bleiben.
Die Tränen hören nicht auf.
„Naruto.“
Wie oft hast du meinen Namen schon so ausgesprochen, mir leidenschaftlich ins Ohr geflüstert? Ich wünschte ich hätte jedes Mal gezählt. Ich wünschte, ich könnte mich an jedes Mal erinnern.
„Sieh mich bitte an.“
Ich will mich losreißen und einfach weggehen, ihn nicht eines einzigen Blickes würdigen! Nur damit er weiß, wie ich mich fühle.
Doch ich war schon immer schwächer als er. Ich habe nicht die Willenskraft mich loszureißen und einfach wegzugehen, ihn nicht eines Blickes zu würdigen. Ich kann es einfach nicht.
Ich bin so ein scheiss Masochist.
Schwach lächelnd drehe ich mich um und die Tränen fließen über mein nasses Gesicht.
Er blickt zu mir hoch. Müde, ausgelaugt, nackt.
Und seine zwei Finger, die schwach an meinen ziehen, ist alles was mich hält.
„Nein, tu das nicht. Bleib hier.“
Ich hätte nichts lieber getan.
„Warum...?“
Meine Stimme bebt.
„Weil du mich liebst? Mach dich nicht lächerlich, Sasuke! Du kannst gar nicht lieben!“
Er blickt zu mir hoch und seine Finger ziehen zaghaft.
„Du weißt doch ganz genau wie das Ganze wieder enden wird! Am Ende streiten wir uns doch immer.“, schluchze ich und wische mir mit der anderen Hand über die Augen.
„Ich brauche dich.“
„LÜG MICH NICHT AN!“
„Ich brauche dich!“
„WARUM?!“
Wieso frage ich überhaupt noch? Ich hab doch eh schon längst nachgegeben.
Ich bin doch so ein scheiss Masochist.
Ich falle neben dem Bett auf die Knie, er legt seine Arme um meinen Hals, lehnt seine Stirn gegen meine Brust.
„Weil du der einzige bist, der für mich da ist.
Weil du der einzige bist, der mich versteht.
Weil du der einzige bist, der mich so akzeptiert wie ich bin.
Weil du der einzige bist, dem ich je meine Liebe schenken konnte.
Weil du der einzige bist, den ich brauche um zu leben.
Weil ich ohne dich einfach nicht leben kann.“
Verdammter Idiot.
Ich drücke ihn an mich, streiche ihm durchs Haar, wie einem kleinen Kind.
„Wieso hast du das bloß nie gesagt?“
„Hättest du es mir denn zugetraut.“
Ich lächele nachsichtig.
Nein.
Wir sind gelangweilte Giganten.
Wir sind kleine weinende Kinder.
Wir sind glückliche Fliegen.
Summ, summ, summ.
tat '08