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Bomb Run

Eine US-Bomberbesatzung im 2. Weltkrieg
von

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Leuchtspuren

Das Wasser war so verdammt kalt. Wie tausend Spitzen bohrte es sich in seinen Körper. Gunny ächzte, als er Davis schweren Körper aus dem Rumpf der B-17 zog, die wie ein riesiger Vogel mit ausgebreiteten Flügeln, bewegungslos auf dem Wasser lag. Die Wellen schwappten mit einem leisen Glucksen gegen den dunkelgrünen Rumpf.

Das große Schlauchboot lag aufgeblasen auf dem Wasser und dümpelte vor sich hin. Die Männer saßen mit angewinkelten Beinen darin, Verge hielt sich und damit das ganze Schlauchboot noch am Rumpf fest, damit Gunny Davis mit viel mühe aus der Luke ziehen konnte. Er war noch immer bewusstlos, sein Kopf hing ihm auf der Brust. Verge griff nach Gunnys Uniformjacke, als er Davis über die Tragfläche ins Schlauchboot hieven wollte und ins Wasser zu fallen drohte. Gemeinsam zerrten sie ihren Skipper ins Boot. Chase und Curtis, die sich zuvor jeweils ein Stück losgeschossenes Aluminium von der Außenhaut weggerissen hatten, begannen langsam von ihrem treuen Flugzeug wegzurudern. Die Tragflächen begannen zu sinken, und der Rumpf lief voll Wasser. Es gluckerte rund um das Flugzeug, als die Luftblasen von innen herausgedrückt wurden.

„Sie hält sich lange“, sagte Danny plötzlich. „Als würde sie nicht aufgeben wollen.“

„90 Sekunden, sagt man, hält sich ein Flugzeug auf dem Wasser“, murmelte Gorsky.

Sie ruderten langsam weiter, immer Richtung Norden. Nur nicht nach Süden, um womöglich in eine Strömung zu geraten und in Richtung der norddeutschen Inseln zu geraten.

Davis rührte sich plötzlich, er wischte sich mit seiner Hand übers Gesicht. Doch Das Blut hatte Gunny schon weggewischt und den Riss mit einer Binde verbunden.

Er richtete sich halb auf, blickte über den Rand des Schlauchbootes hinweg zu Liberty Lilly. Er fühlte, wie seine Augen nass wurden und er um sein verlorenes Flugzeug trauerte. Er wusste auch, dass es gut so war, wie es abgelaufen war. Dass alle seine Männer gesund waren, und nur das Flugzeug verloren war. Doch sie war immer bei ihnen gewesen, hatte sie durch achtzehn Einsätze getragen, und beim neunzehnten hatte sie ihr Glück verlassen.

Er warf einen Blick auf die Männer seiner Besatzung, und erkannte, dass sie wahrscheinlich das gleiche dachten. Leise stimmte er einen alten Schlager an, krächzte die Töne beinahe, doch seine Mannschaft hielt auch dieses Mal zu ihm.

„Pack up all my cares and woes, here I go, singing low, bye-bye blackbird. Where somebody waits for me, sugar’s sweet, so is she…” Sein Blick wanderte über seine Männer.

“Bye-bye, blackbird…,” stimmten sie ein.
 

Jamie Hayes wartete auf sein Flugzeug, so wie alle anderen Mechaniker, die am Platzrand standen, oder im Gras lagen. Mit verschränkten Armen stand er bei George Pattinson, dem Chefmechaniker von Mount ’N Ride. Beide Männer hielten halb herunter gerauchte Zigaretten zwischen den Fingern und sogen daran, während sie die Ohren spitzten, um das kleinste Geräusch aufzunehmen. Das Dröhnen der Bombermotoren, das schon weithin hörbar war, auch wenn die Maschinen noch nicht in Sicht waren.

Zu Jamies Füßen lag der schwarze Labradorwelpe, den Verge von einem seiner Besuche auf dem Bauernhof der Winterbothams mitgebracht hatte. Er hörte mittlerweile auf den Namen Henry und war genau auf die ankommenden Bomber ausgerichtet. Ganz besonders auf Liberty Lilly, die Maschine seines Herrchens. Instinktiv wusste das kluge Tier, wann sie kam. Dann sprang er auf und stellte sich neben Jamie und kläffte begeistert.

Im Moment lag Henry seitlich im weichen Gras und schnarchte vor sich hin. Irgendwann begannen seine Ohren zu zucken und seine schönen dunklen Augen öffneten sich. Mit einem Satz war er auf den Beinen und stand mit wachsam aufgestellten Ohren neben Jamie, der amüsiert auf ihn hinunterblickte.

„Sie kommen zurück“, sagte er zu George gewandt.
 

Die Maschinen begannen den Landeanflug, eine nach der anderen. Jamie zählte gespannt die herankommenden B-17, doch schon als Henry, nicht wie sonst aufgeregt um seine Beine herumsprang, sondern still neben ihm stehen blieb und die landenden Flugzeuge beäugte, begann sich ein flaues Gefühl in ihm auszubreiten.

Mount ’N Ride landete als eine der ersten Maschinen, nach drei anderen, die Verwundete an Bord hatten und denen deswegen Vorrang gewährt wurde, und taxierte ihren Parkplatz an. George war sofort bei seiner Maschine und wies den Piloten ein, dann drosselte der Pilot die Motoren, die schließlich verstummten. Unter dem Cockpit ging die Klappe auf und der erste Mann erschien. Es war der Pilot. Er sprach ein paar Worte mit George und schritt dann auf Jamie zu. Schon nach einem Blick in dessen Gesicht, erkannte Jamie, was geschehen war. Henry blieb stocksteif neben ihm stehen, denn die letzte Maschine war soeben gelandet, mit schweren Beschussschäden. Jamie hätte laut aufschreien können, als er in die braunen Augen des Hundes blickte, die ihn scheinbar vorwurfsvoll anblickten.

„Wie ist es passiert?“ fragte Jamie. „Habt ihr ihn runtergehen sehen?“

Der Pilot von Mount ’N Ride blickte ihn an, um seine Augen zeichneten sich viele kleine Fältchen ab, er wischte sich über die Stirn. „Über dem Ziel wurde die Maschine schwer getroffen. Lieutenant Davis gab seine Führungsposition an meine Maschine ab, doch er flog den Bombenzielanflug mit und sein Bombenschütze warf die Dinger mittenrein. Danach flog die Formation die Wende. Davis hatte zwei zerschossene Motoren, und wir wurden weiter von Jägern beharkt.“ Er zog sich seine Mütze vom Kopf und fuhr sich durch die Haare. „Ich habe keine Ahnung, ob oder wie weit, sie es geschafft haben.“

Jamie nickte, dann schritt er zurück zum Hangar, um sich dort Arbeit zu suchen und den anderen Männern zu helfen. Henry gab einen lauten Kläffer von sich und lief Jamie nach.
 

Das Schlauchboot glitt auf den Wellen dahin. Kleine Wellen klatschten gegen die Wand, und spritzten hie und da leicht ins Innere. Matt schimpfte über seine nassen Füße, und redete auf Curtis ein, dass der ihm doch seine trockenen Socken geben mochte.

„Selbst schuld“, murmelte Curtis gereizt und zündete sich eine Zigarette an.

Davis lag auf dem Rücken, und sein Kopf schmerzte, trotz der Morphiuminjektion, die Gunny ihm in den Arm geschossen hatte. Das ständige Auf und Ab tat seinem Magen im Moment gar nicht gut und er war mehrmals drauf und dran gewesen, sich über die Außenhaut des Bootes zu beugen. Verge hatte sein Schnitzmesser in der Hand und hielt einen kleinen Holzblock in der Hand, an dem er herumschnitzte.

„Ich frage mich, wie du noch Platz findest, Holz in deine Taschen zu stecken“, stichelte Matt.

Verge zuckte die Schultern.

„Gib’ mal her, “ sagte Matt. „Schwimmt sicher gut. Kleben wir noch eine Nachricht dran, damit uns vielleicht doch noch jemand findet.“

Verge hielt das Stück Holz schnell außer Reichweite, doch Davis kam ihm zuvor und blaffte Matt von unten her wütend an. Matt gab schließlich klein bei und ließ Verge weiterschnitzen. Die Stimmung war eisig, und das nicht nur wegen des kühlen Windes, der über den Kanal pfiff. Die Männer zogen ihre Jacken enger.

„Englisches Mistwetter“, murmelte Matt.

Don und Gorsky sahen sich an und verdrehten die Augen. Der Rest ließ sich zu keiner Antwort oder Entgegnung herab.

„Was erzählen wir Jamie Hayes, was mit seinem Flugzeug passiert ist, wenn wir wieder zurückkommen?“ fragte Thomps, versuchte zu grinsen, doch es wurde nur eine Grimasse.

„Wir sagen, dass wir schon immer lieber zur Navy gegangen wären“, grummelte Danny und blickte auf die grauen Wellen, unter denen ihre treue Maschine schon vor mehr als zwei Stunden verschwunden war.
 

Jamie konnte nicht glauben, dass Liberty Lilly mit seiner Besatzung einfach so verschwunden sein sollte. Auch von den Seenotstellen war bisher keine Nachricht eingetroffen, falls die Maschine notgewassert war. Weder von dort, noch von irgendeiner anderen Basis kam Nachricht. Er konnte nichts tun, außer zu warten.

Der Welpe Henry lag neben ihm auf dem Hallenboden, den Kopf auf den Vorderpfoten, und schaute aus dem Hallentor zu den geparkten B-17.

Es war bereits später Nachmittag, die Maschinen waren gewartet, aufmunitioniert und geflickt worden und warteten auf ihren nächsten Einsatz. Nicht so wie Lilly.

Jamie warf den Schraubenzieher wütend auf den Boden und fluchte. Er wusste, er sollte es sich selbst verbieten einer Maschine und seiner Besatzung so hinterher zu trauern, denn es passierte tagtäglich das gleiche, auf jedem Flugplatz in England. Davis und seine Männer hätten doch nur noch sechs Einsätze zu fliegen gehabt. Hätten, würden, könnten… Jamie warf einen Blick nach draußen und legte sein restliches Werkzeug zur Seite. Er pfiff Henry hinter sich her und schlenderte langsam zur Kantine.
 

Dannys gleichmäßiges Schnarchen drang an seine Ohren. Davis öffnete seine Augen, rieb sich kurz übers Gesicht und beugte sich dann über die Außenhaut des Schlauchbootes. Die Sonne stand bereits tief, bis sie ganz unterging würde es höchstens noch eine Stunde dauern.

Thomps hatte die ganze Zeit in der sie im Boot saßen noch kein Wort gesagt, doch plötzlich straffte sich sein Körper, der bisher noch zusammengesunken dagesessen hatte.

„Eugene, äh“, sagte er und verstummte wieder.

Davis nickte ihm zu.

„Land“, sagte Thomps und deutete nach Norden.

Im Schlauchboot brach plötzlich rege Geschäftigkeit aus, und es begann bedrohlich zu schwanken.

„Herrgott!“ schimpfte Matt, als Curtis gegen ihn prallte, dann schrie er auf, als das Boot plötzlich kippte. Mit einem lauten Platschen landete er im Wasser.

Danny wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen und schaute verständnislos auf seine Besatzungsmitglieder, die sich gegenseitig herumschubsten.

„Ist hier eine Meuterei ausgebrochen?“ fragte er.

„An dir ist wirklich ein Matrose verloren gegangen“, grummelte Verge.

„Was ist mit der Leuchtpistole? Die mit den Erkennungsfarben für die Sammelpunkte?“ fragte Davis. Chase griff in die aufgesetzte Tasche seitlich an seiner Wade, dann erhellte sich sein Gesicht. Er hielt Davis die Leuchtpistole entgegen.

„Wie weit entfernt, schätzt du?“ fragte dieser.

Chase kniff die Augen zusammen. „Höchstens sechs Meilen.“

„Was ist mit den Rudern? Können wir nicht näher ran?“

„Aluminium ist auch nicht das, was es mal war. Die Dinger sind vorhin abgebrochen, “ sagte Curtis. Davis seufzte, dann lud er die Pistole mit einer roten Signalkugel. „Ohren zu!“ sagte er und feuerte. Die rote Kugel stieg hoch in die Luft und zog eine dünne Rauchspur hinter sich her. Am höchsten Punkt blitzte sie grellrot auf und blieb etwa fünf Sekunden so, bevor sie wieder hinab sank.

„Wie viele Kugeln haben wir?“

Chase beförderte den Inhalt seiner Tasche ans Tageslicht und zählte durch. „Vier gelbe, drei rote, eine grüne.“

„Wir schießen alle zehn Minuten eine rote, dann machen wir mit den anderen Farben weiter“, sagte Davis. „Und ab jetzt hoffen und beten wir, dass uns jemand sieht…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-12-31T17:00:59+00:00 31.12.2008 18:00
Lil is also abgesoffen, Mechaniker und Hund trauern... doch sie sind noch nicht tot!
So wie ich dich kenne, werden sie gerettet, von einem Fischerboot. Oder von einem Schlachtschiff der Royal Navy. Was auch immer passt.
Ein hervorragendes Kapitel, auch wenn das Ende etwas abrupt kam.

Guten Rutsch,
Wedge


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