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Bomb Run

Eine US-Bomberbesatzung im 2. Weltkrieg
von

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Donthorpe

Sein Name war Jamie Hayes, er war Flugzeug-Mechaniker und als er so abwartend in den Himmel starrte, fragte er sich, wie es wäre, wenn er die vom Einsatz zurückkommenden Flugzeuge dazu bringen konnte schneller heimzukommen. Er schirmte seine Augen gegen die grelle Sonne ab, dann drehte er sich ein wenig nach rechts, wo, ungefähr eine Meile in Richtung Süden mindestens zwölf B-17 auf ihren Parkplätzen standen, aufgereiht wie an einem unsichtbaren Faden, und so gleich abgestellt, als wäre jemand mit dem Maßband zugange gewesen. Sie hatten Einsatzpause an diesem Tag. Nur die Gruppe, die 112., bei der Hayes einer der Mechaniker war, war mit elf der schweren Bomber nach Deutschland gestartet, um dort Tod und Verderben auf das Reich regnen zu lassen.

Er blickte wieder nach unten, auf die Abdeckung des kräftigen Pratt&Whitney-Motors der B-17, auf dem er rittlings saß. Eine Ölleitung war beim letzten Einsatz zerschossen worden, und hatte die halbe Tragfläche mit der schwarzen schmierigen klebrigen Substanz überzogen.

Die Flak und die Jäger hatten das ganze Flugzeug sehr in Mitleidenschaft gezogen, das Heck zeigte ein großes Loch von einer deutschen Flakgranate und der Rumpf war von Löchern überzogen, die von einem Mechaniker, der gerade in der Halle nach neuen Metallstücken suchte, die er auf den Löchern anbringen konnte, geflickt wurden. Die Löcher waren ein Grund wieso das Flugzeug und seine Mannschaft jetzt nicht beim Einsatz auf Kiel dabei waren.

Viel später würde Hayes denken: ‚Gut, dass sie nicht dabei gewesen sind.’

Fünf der Männer, die die Besatzung der B-17 bildeten, die den Namen How ‘Boot That!? trug, fläzten sich im Gras neben der Maschine, sie rauchten, erzählten sich schmutzige Witze oder warfen hin und wieder eine der Frauen, die fürs Rote Kreuz oder die Hilfsluftwaffe arbeiteten und unter anderem für die Versorgung auf dem Stützpunkt zuständig waren, flotte Sprüche hinterher.

Es dauerte eine weitere Viertelstunde, in der Hayes sich die Hände an einer heißen Leitung im Motor verbrannte, und zum allgemeinen Vergnügen der Besatzung der How ‘Boot That!? dabei noch beinahe vor Schreck vom der Tragfläche herunterkrachte, hörten sie endlich das vertraute Brummen, einer noch einige Meilen entfernten Maschine. Die erste.

Über der Platzabgrenzung, eine Reihe dicht belaubter Eichen, kam bald die erste B-17 im Tiefflug heran. Sie schwankte hin und her wie ein Betrunkener, dann klappte langsam das Fahrwerk heraus, und zum entsetzen aller blieb das rechte Fahrwerksbein auf halbem Wege hängen.

Vom Platzrand her flog der Fortress eine rote Leuchtkugel entgegen, als Signal das sie nicht landen konnten. Doch die Maschine kam trotzdem herein, schoss ihrerseits eine rote Leuchtkugel aus dem Seitenfenster, als Zeichen für Verwundete an Bord, und schwebte langsam zum Landekreuz heran. Hayes hielt den Atem an, und wischte sich nervös die Hände an einem schmutzigen Lumpen ab.

Die Maschine setzte mit dem linken intakten Fahrwerksbein auf, noch war ihr Rumpf horizontal in der Luft, doch dann senkte sich der Rumpf nach rechts, und die Tragfläche senkte sich gefährlich nahe zum Boden. Der Pilot kämpfte mit der Steuerung, traktierte die Pedale der Ruder, und die Maschine hob sich, durch scheinbar übernatürliche Kräfte, noch einmal hoch.

Die Männer der Besatzung der How ‘Boot That!? sprangen entsetzt auf die Beine und beobachteten das Ganze. Hayes sog entsetzt den Rauch seiner Zigarette ein, die er sich eben angesteckt hatte, als er von dem Motor heruntergeklettert war.

Es krachte, als die rechte Tragfläche den Boden berührte, sie brach ab und Teile wirbelten durch die Luft. Die riesigen Luftschrauben wühlten sich wie Pflugschaufeln in den weichen Erboden und dicke Brocken Erde flogen herum.

Die verwundeteFortress machte einen Ground Loop, eine Drehung auf dem Boden, und lag dann endlich still auf ihrem Bauch, wie ein gestrandeter Wal. Kleine weiße Rauchschwaden stiegen von den Motoren auf und es zischte.

„Verdammt, raus da!“, brüllte Hayes und machte ein paar Schritte auf die Maschine zu. Es herrschte Totenstille auf dem Stützpunkt, für ungefähr ein paar Sekunden, dann explodierte die gestrandete Maschine mit einem lauten Knall.

Feuer schwappte wie eine Welle aus den Motoren, griff auf die Tanks über und verschluckte den Rumpf der B-17 in einer gelb-roten Feuerwand. Eine riesige Rauchsäule stieg auf und verdunkelten kurz die Sonne. Dann rasten auch schon Feuerwehrfahrzeuge vom Platzrand her, auf die brennende Maschine zu und versuchte ihr bestes. Doch sie waren zu spät, hätten auch ein paar Sekunden früher keine Chance gehabt und sich nur selbst in Gefahr gebracht.

Die Besatzung der How ‘Boot That!? und Hayes wandten sich mit unergründlichem Gesichtsausdruck ab.

Dann durchfuhr Hayes ein Gedanke, der ihn beinahe mehr erschreckte, als die brennenden Teile auf der Landepiste, die einmal ein Flugzeug gewesen waren : Wo blieben die restlichen zehn Maschinen der 112. BS, die zum Einsatz gestartet waren? Wo waren die Maschinen mit ihren jeweils 10 Männern Besatzung? Wo waren die hundert Männer?

Sie warteten. Eine Stunde, dann zwei. Doch keine weiteren Flying Fortresses kamen. Kein Motorengebrumm erfüllte wie sonst die Luft. Nur Stille, gespenstische Stille. Und als es später Abend wurde, da tauchte auch dann keine Maschine mehr auf. Von den zwölf Maschinen der hundertzwölften, war eine übrig, die How ‘Boot That!?. Und eine andere, die mitsamt ihrer Besatzung als verkohlter Schrotthaufen auf dem Flugfeld lag.

Hayes konnte es nicht fassen. Zehn Maschinen, nein eigentlich elf, einfach so verschwunden. Als ob die Erde ihren Schlund aufgetan hätte, oder der brennende Himmel über Deutschland hatte alles und jeden verschluckt…
 

Gunny saß mit einem flauen Gefühl im Bauch auf seinem Platz im Cockpit. Sie waren endlich in Einsatz versetzt worden und damit auf einen neuen Stützpunkt weiter im Süden Englands. Nach Donthorpe in Lincolnshire, weit im Osten. Ungefähr zweihundert Meilen von ihrer letzten Basis Foxhill, die weiter im Norden lag.

Und genau dahin, nach Donthorpe, würden sie jetzt starten. Davis saß nervös neben ihm, auch er konnte noch nicht so recht realisieren, dass sie wirklich bald Einsätze nach Deutschland fliegen sollten.

Gunny starrte auf die Checkliste, die auf seinem dem Schoß lag und die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen, stattdessen sah er die Silhouetten von deutschen Jagdflugzeugen, die wie eine wilde Horde Bienen auf einen Verband Flying Fortress zuschwirrten und dabei Gebrauch von ihren Bordkanonen machten. Die Geschosse strichen wie feurige Zungen in Richtung der gewölbten Rümpfe der B-17. Einige begannen zu brennen. Eine wurde von einer Flakgranate getroffen und explodierte. Eine andere brach in der Mitte durch, wie ein Strohhalm. Eine andere verlor die rechte Tragfläche und trudelte wie ein welkes Blatt zur Erde, wo sie in einem grellen Feuerball zerschellte.

Ihnen war vor ein paar Tagen ein Film gezeigt worden, um sie darauf vorzubereiten wie es in einem Einsatz zugehen würde. Oder nur um ihnen noch mehr Muffensausen zu bereiten, dachte Gunny und sah aus dem Kabinenfenster, wo eben die Montana Miss vorbeirollte und der Pilot ihm zuwinkte. Da spürte er plötzlich eine Hand fest auf seiner Schulter und Davis grinste ihm zu, als er sich zu ihm drehte.

„Wir schaffen das schon“, sagte Davis. „Immerhin müssen wir Lilly erstmal nur nach Donthorpe bringen.“

Erstmal nur nach Donthorpe bringen, war nett gesagt. Denn Liberty Lilly konnte je nach Laune ein ziemliches Biest sein. Mal war sie schwanzlastig, hing also hinten nach unten, oder sie zog ihre Nase ständig nach rechts.

Davis wurde oft gefragt, ob das was mit der Dame, nach der die B-17 benannt worden war, zu tun hatte. Davis beharrte darauf, dass die wirkliche Lilly anders war, auch wenn Matt ihm das nicht glauben wollte und ständig darauf herumritt.

„Mensch, Skip. Sag deiner Lady mal, sie soll sich nicht so anstellen, “ schallte dann Matts säuerliche Stimme über die Bordsprechanlage, wenn Lilly wieder einen ihrer Tage hatte, und wie ein schiefes Scheunentor in der Luft hing.

Liberty Lilly war eine olivgrüne B-17 der F-Version, wie alle anderen der dreihundertzweiunddreißigsten. Ihren Schriftzug trug sie unter dem Cockpit in gelben Buchstaben aufgemalt.

Gunny nickte Davis zu und der begann langsam die Checkliste vorzulesen. „Treibstoffkreuzschalterventile und Regler?“

„Aus.“

„Batteriehauptschalter ein?“

„Hauptschalter ein.“

„Treibstoffdruck?“

„Okay.“

„Intercooler?“

„Kalt.“

„Kurskreisel?“

„Gestellt.“

Zehn Minuten später waren sie bereit, um die Motoren anzuwerfen und Lilly hinter den anderen Maschinen einzureihen.
 

Derweil im Rumpf machten es sich Matt und Curtis neben ihren Brownings bequem. Dieses Mal war es ein Spazierflug nach Lincolnshire. Da mussten sie nicht ihre MGs testen, überprüfen ob die Läufe in Ordnung waren, und schauen ob genug Munition da war. Sie konnten vielleicht sogar Gorsky in der Nase besuchen und die Aussicht genießen.

Matt lehnte sich zurück und steckte sich eine Zigarette an, obwohl rauchen im Flugzeug strengstens verboten war. Aber immerhin waren sie ja noch nicht gestartet. Er hoffte bloß, man würde ihn nie dabei erwischen, denn dann nützte ihm diese Ausrede auch nichts mehr.

Don saß mit verschränkten Armen an seinem Tisch neben dem Funkgerät und wartete auf den Start, ebenso wie Verge, der mal nicht vor seinem Kugelturmgeschütz saß, um hineinzusteigen wenn sie in der Luft waren, sondern neben ihm auf dem Boden, wo er an einem Holzmodell einer Mustang schnitzte.

Chase und Gorsky hockten nebeneinander in ihrer Plexiglaskuppel und starrten auf den Asphalt unter ihnen, der jetzt anfing sich langsam unter ihnen hindurchzubewegen.

„Ich glaub’, wir starten“, sagte Chase leise und klang nicht sonderlich erfreut darüber. Er knetete nervös seine Hände.

Gorsky warf ihm einen Blick zu. „Ich warne dich…“ Er ließ den Satz unvollendet, weil Chase scher wusste, worauf er hinauswollte.

„Ich kann da doch auch nichts dafür.“

„Ist mir egal, aber wenn du kotzen musst, geh nach hinten, oder geh’ gleich zur Pinkelröhre. Oder ich schmeiß’ dich eigenhändig aus diesem gottverdammten Flugzeug.“
 

Sie landeten eine halbe Stunde später in Donthorpe. Die Staffel war komplett angekommen, keiner hatte mit Rauchspuckenden Motoren zu kämpfen gehabt, oder Fahrwerksschäden oder sonst irgendwelche suspekten Probleme.

Davis brachte Lilly sanft herunter, auch wenn Matt, Curtis und der Rest im Rumpf ziemlich durchgeschüttelt wurden, was aber nicht an Davis Flugstil lag, sondern daran, dass keiner sich die Mühe gemacht hatte und sich eine Wand zum anlehnen gesucht hatte.

„Was ist denn das für ein Landungsstil?“ beklagte sich Curtis lautstark.

„Land’ doch selber besser, du Idiot.“

„Spiel hier nicht den Profi, Verge.“

Verge verzog sich grinsend hinter Don, der immer noch mit dem Kopf auf seinen verschränkten Armen auf dem Funkertisch lag und von dem ganzen ziemlich unbeeindruckt schien.

„Und was macht überhaupt Danny hier vorn“, stichelte Curtis weiter. „Solltest du nicht weiter den Tail-end Charlie spielen?“

Danny drehte ihm eine lange Nase.

„Möchte mal wissen, was die beiden in der Plastik-Nase so machen…“ sagte Curtis. „Soll ich mal die Bordsprechanlage einschalten?“

„Untersteh dich bloß!“ entgegnete Danny schnell.

„Lass das bloß sein, keiner will dein blödes Geschwätz hören.“ Verge’s Kommentar dazu.

Curtis lehnte sich pikiert wieder zurück und schlug sich dabei den Kopf an dem weit herunterhängenden MG-Ladeschieber an.

„Das kommt davon.“ Matt grinste in sich hinein.
 

Lilly rollte langsam aus und schwenkte dann nach rechts, von wo sie dem Asphaltweg zu den Hangars folgte.

Davis stellte die Motoren ab und machte dann die Bugluke auf. Er und die anderen drei Männer aus dem vorderen Teil der Maschine schwangen sich hinaus und stellten sich neben ihrer Maschine auf. Die Männer aus dem Rumpf kamen durch ihre eigene Luke. Curtis musste wieder eine Show abziehen und ließ sich auf die Knie fallen, um den Boden zu küssen.

Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann in einem khakifarbenen Overall kam auf sie zu und schüttelte ihnen allen die Hand.

„Jamie Hayes, ich bin ab jetzt ihr Mechaniker.“ Er sah zu Lilly hinüber. „Schöne Maschine.“ Er streckte die Hand aus und strich ihr über den olivgrünen Rumpf.

„Ich hoffe wir kommen gut aus“, sagte jetzt ein kleiner Blonder und grinste ihn breit an.

Ja, dachte Hayes, wenn ihr’s lange genug macht, kommen wir sicher gut aus.
 

Sie saßen zusammen in der Messe und tranken wässriges Bier. Innerhalb des Raumes war linkerhand eine Bar angebracht und davor ein Haufen Tische aufgestellt, die von den vielen Männern, die mit der neuen Staffeln gekommen waren, bevölkert waren.

Davis hatte sich verzogen, wohin wusste nur Gott. Gunny war ebenfalls verschwunden und Matt vermutete, dass er sich ins Dorf verzogen hatte um sich eine Kirche zu suchen und für ihr aller Seelenheil zu beten.

„Was ist denn das für ein mieses Gesöff?“ nörgelte Gorsky und stellte sein Glas lautstark auf dem Tisch ab.

„Das schmeckt wie Pisse“, stimmte ihm Chase zu. „Mir scheint diese Limeys verdünnen es extra für uns.“

„Woher weißt du denn, wie Pisse schmeckt?“ feixte Verge und grinste breit.

Chase zog ein Gesicht in Richtung Verge und knurrte etwas Unverständliches.

Gorsky drehte in seiner Hand einen heruntergebrannten Zigarettenstummel hin und her und fragte sich, was seine Kameraden wohl sagen würden, wenn sie wüssten, was mit ihrer Vorgängerstaffel passiert war. Er hatte Hayes, den Mechaniker gefragt, als die anderen lärmend zur Messe zogen, und der nette Mann hatte es ihm erzählt. Gorsky hatte sich gewundert, wieso nur eine einzige Maschine hier war.

Er warf einen Blick in die Runde, auf die Gesichter seiner Kameraden, auf denen sich gerade keine Sorgen spiegelten und beschloss ihnen nichts zu sagen. Vorerst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-04-17T18:29:30+00:00 17.04.2008 20:29
Ein gutes Konzept, ein guter Schreibstil, sympatische Charaktere, kannst nur noch wenig falsch machen.
Aber eins möchte ich dich bitten: Lass sie nie BGD bombardieren. Ich weiß, B-17 kommen kaum bis München (München wurde, wenn überhaupt, von Italien aus bombardiert), aber lass es sie trotzdem nicht machen.
Und lass Winston Churchill auftauchen.

mfg,
Wedge Antilles
General


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