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Wichtig is aufm Platz!

von

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V. Wenn Fußball voller Überraschungen steckt

Das erste Spiel der Saison. Und sie treten nicht gegen irgendwen an. Nein. Gegen die Bayern. Gegen Bayern München, die absolute Nummer Eins, die es im deutschen Fußball gibt.

Raphael ist schon vor dem Spiel angespannt, ein totales Nervenbündel. Verdammt, er wird gegen seine großen Vorbilder spielen! Gegen Schweinsteiger und Podolski. Er wird versuchen, dafür zu sorgen, dass Oliver Kahn in seiner letzten Saison ein Tor reinkriegt, das er wenigstens vorbereitet hat! Ja, das sind die Ziele, die er hat.

Er will ein gutes Spiel machen. So gut, wie es eben geht.

Sie marschieren ins Stadion. Die Allianz Arena ist brechend voll. Es ist der Saisonauftakt und die Bayern haben massig Fans. Ansonsten würde das Spiel gegen den Aufsteiger aus der zweiten Liga kaum jemanden interessieren. Die Kulisse ist einfach der Wahnsinn.

Durch die Flutlichter kann er kaum etwas erkennen. Silhouetten überall. Selbst Julian vor ihm ist für den Augenblick eine und sieht aus wie der Scherenschnitt eines Fabelwesens. Die weichen, blonden Haare umflattern seinen Kopf für einen Augenblick in Schwarz, wie die Federn eines Vogels, und lassen sein Herz kurz hochschlagen.

Dann sieht er wieder klar. Das Gejubel und die Pfiffe dröhnen in seinen Ohren.

„Wow!“ Julian steht neben ihm einen Augenblick lang still und sieht sich um. „Scheiße, ist das groß. Größer als gegen 1860.“

„Steh nicht da, wie der Dorfdepp.“ Christian schiebt sich grinsend an ihnen vorbei, doch auch ihm merkt man eine gewisse Ehrfurcht an. Keiner von ihnen kann sich davon freimachen. In diesem Stadion hier haben sie zwar ihr Saisonfinale gespielt – aber das war gegen 1860. Gegen die Bayern ist das noch einmal etwas anderes. Wie Julian gesagt hat: Das Stadion wirkt einfach größer, gewaltiger, gigantisch.

Schon komisch, was die spielende Mannschaft für einen Unterschied in der Atmosphäre ausmachen kann.

Mit angehaltenem Atem bleibt Raphael stehen, als er endlich auf seiner Position rechts außen angelangt ist. Vor sich kann er den Linksaußen der Bayern sehen – Schweinsteiger. Und sein Puls macht gleich noch mal einen Salto. Wahnsinn.
 

Nachdem Schweinsteiger ihn das erste Mal auf dem Rasen hat landen lassen, ist das hier alles gar nicht mehr so cool und wahnsinnig. Da ist es auf einmal nur noch Fußball. Und es ist Raphael schlichtweg scheißegal, gegen wen sie hier spielen. Da grätscht er eben auch mal einen Franck Ribéry um oder nimmt einem Lukas Podolski den Ball ab.

Verdammt! Sie sind nicht hier, um sich zu verstecken, wie es die Mannschaft tut. Sie kuschen. Sie ducken sich vor den übermächtigen Bayern weg und die haben es natürlich leicht.

Das erste Tor fällt nach zehn Minuten, das zweite nach dreißig.

Und als sie endlich in die Kabine können, weil Halbzeit ist, da hat Podolski das 3:0 noch zweimal auf dem Fuß gehabt und nur der beherzte Einsatz von dem Killer und eine Glanzparade von Mike haben sie vor dem absoluten Nackenschlag bewahrt.

Raphael hat das Gefühl innerlich zu brennen und zu glühen, als er in die Kabine tritt.

„Sagt mal, was denkt ihr euch eigentlich?“, poltert er auch schon los, kaum dass die Tür hinter dem letzten zugefallen ist. Knie hat gar keine Chance, seine Trainerstandpauke zu halten. Der junge Mittelfeldspieler ist viel schneller. „Das sind nur Fußballer! Und die spielen noch nicht einmal gut! Sind viel zu überheblich! Also legt eure Scheißehrfurcht ab und tretet denen gehörig in die Eier! Und kuscht nicht immer!“ Er marschiert die Reihe ab, vergisst völlig, dass er gar nicht in der Position ist, sie alle anzuschnauzen. Wer ist er denn schon? Einer der Jüngsten im Team. Aufstrebendes Talent. Aber niemand, der was zu sagen hat.

„Ale! Ich hab dich noch nie so starr gesehen. Ribéry beißt nicht! Julian, verdammt, wo sind die Ideen ausm Training? Du gehs ja voll unter! Du auch, Chris. Und du, Dennis, Mensch, du bis ne Katastrophe! Ob da ein Sagnol oder ein Lahm steht, das kann dir doch scheißegal sein! Du sollst Tore machen! Und du auch, August! Verdammt, habt ihr denn keinen Arsch mehr in der Hose? Macht euch dieser Scheißname so große Angst? Dann können wir auch gleich packen und denen drei Punkte schenken! Scheiße, wir sind hier, um zu gewinnen! Und nich, um wie Schießbudenfiguren rumzustehen und denen die Tore zu schenken!“ Er stampft mit den Füßen auf und lässt sich mit einem Knall auf die Holzbank fallen. Erst jetzt geht ihm auf, was er getan hat. Was er gesagt hat.

Scheiße.

Das war wohl zuviel.

„Ich denke, Raphael hat alles recht gut auf den Punkt gebracht. Ich hätte das zwar netter ausgedrückt, aber er hat Recht. Ihr steht da wie Salzsäulen. Wie kleine Welpen und wedelt noch freundlich mit dem Schwanz, wenn die euch den Ball abnehmen“, sagt der Trainer ruhig und Raphael atmet tief durch. Er greift nach seiner Wasserflasche, nimmt einen tiefen Schluck und lauscht dann den weiteren Ausführungen und weiß, dass sich etwas ändern wird, wenn sie wieder auf den Platz zurückkehren.
 

Der Pass fliegt genauso, wie er soll. Leicht, im hohen Bogen rüber zu Dennis. Raphael grinst zufrieden. Sie hebeln die Bayern-Abwehr aus.

Knie hat ihn in die Mitte gesetzt und Alejandro nach rechts außen. Rollentausch, hat er gesagt. Und der Kapitän hat noch nicht einmal böse geschaut, sondern nur genickt. Raphael ist sich nicht so sicher, was das bedeutet, aber jetzt ist es auch egal. Er blüht auf. Er macht sein Spiel.

Endlich.

Und es ist eine verdammte Genugtuung, seine großen Helden auch mal stehenzulassen. Wie Ribéry und Schweinsteiger vorhin.

Dennis gibt den Ball weiter, weil er droht, sich an Lahm festzurennen. Rüber zu Julian, der ihn leicht annimmt, sich um seine eigene Achse dreht und dann weiterpasst. Hinüber zu Augustin, der ähnlich bedrängt wird. Von wegen Aushebeln. Sie rennen sich gerade so fest, wie Dennis das eigentlich verhindern wollte.

Scheiße.

Der Ball landet wieder bei Raphael, er sieht sich um, nimmt Maß, will gerade schießen, da haut es ihn um. Dumpf landet er ihm Gras, spürt dessen Feuchtigkeit und Kühle auf seiner warmen Haut und ist einen Augenblick lang orientierungslos.

Den Pfiff nimmt er gar nicht so wirklich war. Erst die Hand, die sich ihm entgegengestreckt, versteht er. Er nimmt sie, lässt sich auf die Beine ziehen und gibt dem Bayern-Verteidiger Lell damit zu verstehen, dass alles okay ist.

Freistoß. Aus gut zwanzig Meter Entfernung. Die Art von Schüssen, wie er sie im Training immer geübt hat.

Er bleibt neben Alejandro stehen, der sich den Ball zurecht legt. Natürlich ist das hier Kapitänssache. Er kann kaum erwarten, dass er schießen darf. Jetzt, wo er doch schon die Regisseurrolle erobert hat.

„Raffe.“ Leise sein Spitzname gesprochen. Kaum hörbar, doch Raphael merkt auf. Sein Blick trifft sich kurz mit Alejandros, der ihm zunickt, ganz minimal lächelt.

Es ist seine Chance, die Aufholjagd einzuleiten. Seine. Auch wenn er ahnt, dass sie teuer ist und ein Alejandro Hernandez die Geschehnisse dieses Spiels sicher nicht so einfach auf sich beruhen lassen kann.

Raphael nimmt Anlauf und legt alle Kraft in diesen Schuss. Er rutscht danach weg, landet wieder im Gras und sieht mit offenem Mund dem Ball hinterher. Der ist perfekt angeschnitten, dreht sich genau richtig, kaum vorhersehbar, aber genau gewollt.

Und er schlägt im Netz ein. Kahn ist chancenlos.

Der Jubelschrei von Julian erschallt neben seinem Ohr, dann wird er auf das Gras gepresst. Julian ist über ihm, drückt ihn begeistert an sich, überschwemmt ihn mit seiner Wärme, seinem Geruch, seiner Nähe, benebelt ihn total. Blonde Haare kitzeln seine Wange, seinen Hals, lassen für einen Augenblick sein Herz und seine Welt stillstehen.

Dann ist Dennis da, schmeißt sich auf sie beide drauf, dicht gefolgt von Alejandro, der seine Anerkennung weder verweigern kann noch will.

Und mitten in diesem vollkommen durchgedrehten Menschenknäuel liegt Raphael und will vor Glück einfach zergehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuiki
2014-06-30T08:46:29+00:00 30.06.2014 10:46
Danke für die zeitliche Einordnung wann das Ganze spielt :D
Wenn man weiß welche Spieler bei Bayern zu der Zeit noch aktiv/in der Mannschaft waren hilft das^^

Als böser Anti-Bayern-Fan freut mich jedes Gegentor das sie kassieren sowieso, aber es ist vor allem schön zu Lesen wie toll du die Atmosphäre beschreibst, ein paar Spielzüge, man kann das alles regelrecht vor sich sehen :)


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