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Scatters

Tief im Innern
von

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Tränen des Himmels

Tränen des Himmels
 

Sie sah nach oben. Der Blick der Schwarzhaarigen war starr zum Himmel gerichtet von dem schon die ersten Tropfen fielen. „Midori-chan! Hayaku! Wir werden noch ganz nass!“ Die Stimme ihrer Freundin holte die Träumerin zurück in die Realität. Yuki stand immer mit beiden Füssen auf dem Boden. Heute trug sie das blonde Haar zu zwei neckischen Schwänzen gebunden, die aber wegen der hohen Luftfeuchtigkeit schon etwas in sich zusammengefallen waren. „Oder willst du Noda-kun warten lassen?“ Nun waren ihre Worte endgültig angekommen. Erschrocken riss Midori den Kopf herum. „Du hast Recht! Das kann ich echt nicht bringen!“ Und währenddem die beiden Mädchen auf den Zug spurteten, dachte Midori über das Chaos der letzten paar Tage nach.
 

Sie und Noda-kun waren auf wundersame Weise zusammengekommen. In Wahrheit waren die beiden schon lange ineinander verliebt gewesen, dich niemand hat sich getraut den ersten Schritt zu machen. Wie im Film eben… Doch dann ging alles ganz schnell. Und seit sie das Glück wie ein Schlaghammer getroffen hatte, rauschten die Tage nur noch so an Midori vorbei. Wunderschöne Tage, wie sie doch immer sein sollten.
 

„Gomen nasai, ich bin zu spät…!“ Hastig streifte die Schwarzhaarige ihre Schuhe im Eingangsbereich des Hauses ab und schüttelte die nassen Haare wie eine Katze ihr Fell. Eine ihrer vielen seltsamen Angewohnheiten. Aus dem Haus strömten dem Mädchen warme Luft und der angenehme Geruch von Zimtkeksen entgegen. Noda lächelte sie freundlich an. „Macht doch nichts. Solange du überhaupt kommst.“ Dann grinste er das verführerische Grinsen, das Midori schon lange den Kopf verdreht hatte.
 

Die Schwarzhaarige hasste ihre Mutter! Warum musste sie bloß immer so früh zuhause sein?! Das ließ ihr neben der Schule fast keine Zeit mit Noda. Und das war das Schlimmste… Hastig spurtete Midori nach Hause. Es regnete immer noch in Strömen und einen Schirm hatte sie nicht. Außerdem breitete sich bereits die Dunkelheit über Asakusa aus. Davor hatte sie ihre Mutter immer gewarnt. Wenn es dunkel würde kröchen alle Mörder, Vergewaltiger und Verrückten aus ihren Löchern hervor. Lächerlich! Hier war kein Mensch. Doch gerade in dem Moment als Midori das dachte, packte sie eine Hand unsanft am Arm. „Hey!“ Doch schon in wenigen Sekunden wurde sie hinter die nächste Mauer gezogen. „Was soll denn das?!“ Vor sich sah die Schülerin das Gesicht einer älteren Frau. Ihr weißes Haar stand wirr vom Kopf ab und ihre Augen hatten einen irren Glanz. „Lassen Sie mich gehen!“ „Es regnet.“ Die Ältere lockerte ihren Griff etwas, aber nicht so sehr, dass Midori hätte flüchten können. Das Mädchen hielt die Seniorin zwar nicht für gefährlich, aber trotzdem war ihr unwohl in der Magengegend. „Wenn es regnet, weint der Himmel.“ „Was?!“ „Der Himmel weint. Es wird etwas Schreckliches geschehen…!“ „Unsinn! Lassen Sie mich jetzt gehen!“ „Hüte dich, Mädchen!“ Dann ließ die Alte los und Midori rannte so schnell sie ihre Füße trugen nach Hause.
 

Der Regen hielt an. Auch am nächsten Morgen war kein einziger Sonnenstrahl in Sicht. Doch dieses Mal war Midori nicht so dumm wie gestern und wappnete sich mit einem Schirm für den gemeinsamen Schulweg mit Noda. Ja, wenn sie mit Noda zusammen war, war es ihr egal ob es regnete oder ob die Sonne schien. Das junge Pärchen lachte, scherzte und alberte herum wie es sich gehörte. Doch als Midori an der Ecke von gestern vorbeikam, hielt sie kurz inne. Nach einer Weile schüttelte die Schwarzhaarige ihre düsteren Gedanken ab und setzte ihren Schulweg fort. Währenddem die Verliebten der Strasse entlangschlenderten begann das Mädchen zu erzählen. „Weißt du, gestern hat mir eine alte Frau gesagt, dass der Himmel weinte, wenn es regne…“ Ihr Freund sah sie schief an. „Der Himmel kann weinen?“ Er musste sich ein Grinsen schwer verkneifen. Midori zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, das meinte sie zumindest. Außerdem hat sie behauptet, dass etwas Schreckliches passieren würde…“ Jetzt lachte Noda doch laut los. „So ein Unsinn! Dass es überhaupt noch solche Irre gibt!“ „Wahrscheinlich hast du Recht…“ Das Thema war abgeschlossen, die beiden waren auch schon fast bei der Schule angekommen. Sie hatten etwas getrödelt, deshalb spurtete der Junge, der mit der besseren Kondition, schon voraus über die Strasse. In der Eile bemerkte er das Auto nicht, das viel zu schnell von links kam. Es gab ein Geräusch des Aufpralls, schlimmer als jeder Donner, den Midori je gehört hatte. Dem Mädchen fiel der Schirm aus der Hand. Da lag er. Ihr Freund. Ihr Geliebter. Er lag da und rührte sich nicht. Und niemand konnte ihm helfen.
 

Die Schwarzhaarige saß am Krankenbett und hielt die Hand des Verletzten. Sie wusste nichts Genaueres über den Gesundheitszustand ihres Freundes, die Ärzte wollten nicht mit den Informationen herausrücken. Wieder einmal betrat einer der Halbgötter in Weiß das Zimmer. „Wie ist sein Zustand?“ Midori sah dem Eingetretenen offen ins Gesicht. Doch dieser senkte den Kopf. „Der Aufprall war ziemlich hart… Außerdem waren wir reichlich spät. Dein Freund hat starke Hirnblutungen, er wird nur noch durch die Geräte am Leben gehalten. Und auch diese können wir ausschalten, sobald wir die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten haben. Hontouni gomen nasai. Wir können nichts mehr für ihn tun.“
 

Bilder schossen durch Midoris Kopf als sie rannte. Und Worte. Die Worte rauschten wie ein Schwarm wütender Bienen. Drei verschiedene Stimmen konnte die Schwarzhaarige ausmachen. Zum einen die Stimme ihres toten Freundes. Wie er lacht, scherzt und einfach redet. Seine fröhliche, samtige Stimme… Dann die kratzige, raue Stimme der alten Frau. Sie wiederholte ihre Worte immer und immer wieder. „Der Himmel weint. Es wird etwas Schreckliches geschehen.“ Und dann war da noch der Arzt. Der Arzt, der Nodas Tod diagnostizierte. Fachmännisch und distanziert. Midori war einfach aus dem Zimmer gerannt ohne ihm weiter zuzuhören. Und nun rannte sie durch den anhaltenden Regen. Ohne Schirm, klitschnass. Sie rannte zu der Stelle, die sie in ihrer Kindheit so gemocht hatte. Es war eine kleine Lichtung im Wald, auf die das Sonnenlicht im perfekten Winkel fiel. Doch als kleines Kind durfte das Mädchen nicht mehr dort spielen, da immer sehr viel zerbrochenes Glas herumlag, was ihre Mutter für gefährlich hielt. Doch nun war Midori kein kleines Kind mehr. Sie packte sich einen der Scherben und starrte ihn an. Starrte ihn einfach an. Doch ihre Entscheidung war gefallen. Langsam, fast schon genüsslich, zog sich die Schwarzhaarige das scharfe Stück Glas über die Pulsadern. Das warme Blut, das wie auf Befehl hervorquoll und sanft ihren Arm hinunterlief gab einen angenehmen Kontrast zu dem niederprasselnden Regen. Nun saß sie dort, auf der Lichtung, die sie immer so geliebt hatte. Den Kopf zum Himmel gerichtet, die Augen leer. „Na, weinst du mit mir?“ Ein Sonnenstrahl drang durch die Wolken, kitzelte ihre Nase und Midori lächelte.



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