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50 Mio Yen

Hakuei x Rose (Blut und Horror)
von

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„Aber ich... ich werde von meinen Opfern verfolgt.“

Beta’d: von meiner langsam wieder auf Touren kommenden Beta-Leserin, der wundervollen Tattoo ^_____^

A/N: bevor ihr fragt: JA, ich habe zu viele Filme gesehen/Spiele gespielt |D (hey, die sind echt gruselig >_>)

##### = Flashback / Flashback Ende
 

~*~*~*~
 

Ich war naiv gewesen. Oder vielleicht auch einfach nur optimistisch.

Zu glauben, dass Rose mich an sich heran lassen würde, war wirklich einfältig gewesen.

Seitdem wir das eine Mal miteinander geredet hatten, war er wieder in sein einsilbiges Vokabular verfallen, er beschäftigte sich fast ausschließlich mit Büchern oder Fernsehen, verließ das Zimmer so gut wie nie (außer zum Essen) und tat, als wäre ich nur ein lästiges Insekt, das man geflissentlich ignorieren musste, bis man es nicht mehr nicht beachten konnte.

Und das ganze zwei Wochen lang.

Es war frustrierend.

Nicht, dass ich so unbedingt wollte, dass er mich beachtete, aber irgendwo verletzte es meinen Stolz, so übergangen zu werden. Es hatte noch nicht einmal etwas gebracht, dass ich nur in Shorts vor ihm herumgerannt war. Er hatte mich nicht einmal ANGESEHEN. Trotz meiner Tattoos, die er wohl schlecht hatte nicht bemerken können.

Und außerdem sollte ich mich ja mit ihm anfreunden, und das ging schlecht, wenn er nicht mit mir sprach.

Allerdings gab es einen Punkt, der erfreulich war – er vertraute mir inzwischen so weit, dass er in meiner Begleitung zum Frühstück und Abendessen ging und dass er sich traute, in meiner Gegenwart zu schlafen. Berühren durfte ich ihn trotzdem nicht, und auf Fragen, die nach einer längeren Antwort als ‚ja’ oder ‚nein’ verlangten, was er auch durch Gestik darstellen konnte, antwortete er grundsätzlich nicht. (Es gab jedoch sehr seltene Ausnahmen)

Entschieden, welchen der beiden Aufträge ich annahm, hatte ich mich immer noch nicht.
 

Ich stand am Fenster und rauchte. Ich hatte die Möglichkeit genutzt, Rose war von einem Pfleger abgeholt worden, da offenbar ein Anruf für ihn eingegangen war. Wir hatten auf den Zimmern keine Telefone. In Roses Gegenwart hatte ich noch nicht geraucht, da ich wusste, dass er ein strikter Nichtraucher und Nichttrinker war und beides auch bei anderen nicht duldete, zumindest nicht in seinem Beisein. Ich dachte darüber nach, was Rose an diesem Morgen gesagt hatte. Als wir beim Frühstück saßen, hatte er auf den verrückten Wissenschaftler gedeutet und etwas sagen wollen, sich aber nicht dazu durchringen können. Erst auf mein Nachfragen, was mit diesem Albert Newin sei, hatte der Blonde gemeint, dass auch er einen Schatten hinter sich habe, nur bei ihm würde dieser die Hände bereits nach ihm ausstrecken und sie ihm langsam um die Kehle legen...

Das einzige, was ich über Roses Geisteszustand erfahren hatte, war, dass er nicht immer ein einfaches Kind gewesen war. Mit der Zeit sei es besser geworden, aber stabil war er wohl noch immer nicht. Genaueres hatte ich allerdings nicht erfahren. Mir kam es so vor, als sei er wirklich gestört, wenn er meinte, irgendwelche Auren und Schatten zu sehen. Ich hatte den Verdacht, dass er mit diesen Auren meinte, dass er sehen konnte, ob die jeweiligen Menschen ‚gut’ oder ‚böse’ waren. Bei ihm ‚zuhause’, also in seinem Clan, waren alle dunkel. Das würde hinkommen, schließlich waren sie alle keine Unschuldslämmer. Und dass ich ebenfalls ‚dunkel’ war, stimmte auch. Ob hier so viele ‚gute’ Menschen herumliefen, das konnte ich nicht beurteilen. Vielleicht hatte Rose einfach nur eine sehr gute Beobachtungsgabe und wandelte diese Beobachtungen in ‚Auren’ der jeweiligen Personen um.

Das mit den Schatten schrieb ich einer Paranoia zu. Er sagte von sich selbst, dass er von einem verfolgt würde, so wie ich. Wahrscheinlich hatte er Angst vor dem Tod. Was das allerdings mit dem Wissenschaftler zu tun hatte, blieb mir schleierhaft.

Ohne ein Klopfen wurde die Zimmertür aufgerissen und sofort darauf wieder zugeknallt. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Rose war. Er hatte die Angewohnheit, sich auf den Gängen zu beeilen, als habe er Angst, irgendetwas oder –jemand würde ihn dort angreifen. Das Zimmer hingegen war offenbar ein Ort des Schutzes für ihn, schließlich brachte er sich hier vor den Gängen in Sicherheit.

Bevor ich irgendetwas sagen oder tun konnte, hatte Rose mir meine Zigarette abgenommen und sie im Aschenbecher, den ich hierher geschmuggelt hatte, ausgedrückt. Finster sah er mich an.

„Hey, die kosten Geld“, meinte ich sanft.

„Sie können dich umbringen“, erwiderte er ernst.

„Ach, es gibt so vieles, das mich umbringen kann“, seufzte ich. „Da begehe ich lieber Langzeit-Selbstmord. Lass mich raten – du trinkst auch nicht?“

Er schüttelte den Kopf und schürzte unzufrieden die Lippen.

„Was begehst du denn dann für Sünden?“, fragte ich scherzhaft.

Roses Gesicht wurde ausdruckslos. „Meine Existenz ist verknüpft mit einer einzigen Sünde“, antwortete er leise. Dann drehte er sich um und legte sich hin, streckte sich auf seinem Bett aus.

Ich betrachtete ihn. Wenn er nur nicht solche Andeutungen machen, sondern auch mal konkreter werden würde... Es interessierte mich.
 

Am diesem Abend fing alles erst richtig an. Nach dem Abendessen liefen Rose und ich Shizuko über den Weg, die ein wenig abwesend wirkte und beinahe an uns vorbei gegangen wäre.

„Guten Abend“, begrüßte ich sie, als sie schon halb an mir vorüber war. Sie blieb stehen und schaute mich wortlos an. „Ist irgendetwas passiert?“, wollte ich wissen.

Sie seufzte leise. „Ich weiß, dass es mich nicht so treffen sollte, wenn einem Patient etwas zustößt, aber über so etwas komme ich immer sehr schlecht hinweg“, gab sie ehrlich zu. „Kennen Sie den Mann, der sich für diese drei Wissenschaftler gleichzeitig gehalten hat? Er hatte heute Nachmittag einen Schlaganfall und ist gestorben. Entschuldigen Sie mich, aber ich muss deshalb noch einiges regeln. Gute Nacht, schlafen Sie beide gut.“

Ich starrte ihr einen Moment hinterher, sprachlos geworden. Das war.... Dann wandte ich mich Rose zu. Der blinzelte mich mit großen angsterfüllten Augen an. „Geh“, befahl ich ihm knapp. Er zögerte. „Geh, oder ich ziehe dich den ganzen Weg“, fügte ich leise hinzu. Das schien ihn überzeugen, denn er ging los zum Zimmer, schneller als vorher. Dort angekommen, schloss ich die Tür hinter uns. „Rose“, begann ich kurz angebunden.

„Ich war es nicht!“, rief er sofort und wich vor mir zurück. „Ich habe nichts gemacht! Ich war die ganze Zeit hier, du warst doch mit mir hier, du weißt es doch, ich habe nichts gemacht!!“ Ihm stiegen Tränen in die Augen. „Bitte, denk nichts Falsches von mir, es ist nicht meine Schuld, es tut mir leid, ich...“ Er brach ab und ging noch ein paar Schritte rückwärts, weshalb er über einen Stuhl stolperte und zu Boden fiel.

Irritiert beobachtete ich ihn. Hatte ich ihm irgendeinen Grund gegeben, so zu reagieren, solche Angst vor mir zu haben? „Rose...“, fing ich an, hielt dann aber inne und schüttelte den Kopf. „Beruhig dich erst mal.“

Er zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. „Ich kann nichts dafür“, wiederholte er leise. „Ich habe nichts getan, ich war es nicht...“

„Das behauptet doch auch keiner“, meinte ich ruhig. Er sah unsicher zu mir auf. „Ich wollte lediglich eine Erklärung von dir. Wie kommt es, dass du wusstest, dass dieser Mensch kurz vor dem Tod stand?“

„Der Schatten hinter ihm war so nah“, murmelte er. „So nah an ihm...“

„Du meinst, von der Entfernung des Schattens zu der jeweiligen Person hin kannst du darauf schließen, wie lange diese Person noch lebt?“, fasste ich zusammen.

Rose nickte leicht. „Deshalb möchte ich hier weg... als ich hier angekommen bin, ist mein eigener Schatten viel zu nah an mich herangetreten...“

Ich atmete einmal tief durch. Ich hielt das, was er da erzählte, für kompletten Schwachsinn, aber irgendwoher musste er gewusst haben, dass dieser Typ sterben würde. Vielleicht hatte der Blonde es ihm auch lediglich angesehen, dass er sehr schwach gewesen war, und darauf geschlossen, dass er in den nächsten Tagen sterben würde. Irgendeine Erklärung dafür gab es bestimmt.

„Aber du hasst mich doch jetzt nicht, oder?“, flüsterte er. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich es sehe...“

Kurzerhand hockte ich mich vor ihn und war schon froh, dass er nicht weiter nach hinten krabbelte, sondern mich nur bittend ansah. „Nein, ich hasse dich nicht“, beruhigte ich ihn. „Wie du schon sagtest, es war nicht deine Schuld. Nichts von allem.“

„Danke“, erwiderte er aufrichtig und erlaubte mir wieder einen flüchtigen Blick auf ein Lächeln. „Du bist so nett zu mir... freiwillig, und das, obwohl du mich nicht kennst...“

„Was hältst du dann davon, wenn du mir von dir erzählst?“, fragte ich sanft. „Damit ich eine Chance bekomme, dich kennen zu lernen.“

Er musterte mich überlegend und nickte dann zögernd. „Okay... macht man das normalerweise so, wenn man sich kennen lernt? Man erzählt sich gegenseitig von sich selbst?“

„Nicht immer“, erwiderte ich. „Aber ein guter Anfang ist es auf jeden Fall. Warum fragst du?“

„Ich... hatte nie wirklich die Chance, andere Menschen richtig kennen zu lernen“, meinte er mit einem traurigen Gesichtsausdruck.

„Dann wird es mal Zeit.“ Ich stand auf und hielt ihm eine Hand hin. Er ergriff sie vorsichtig und gab ein erschrockenes Geräusch von sich, als ich ihn auf die Beine zog. Sofort löste er seine Hand wieder von meiner und sah mich halb erstaunt und halb verschreckt an. Wie ein verängstigtes Tier, dachte ich. „Setzen wir uns woanders hin als auf den Boden, ja? Das ist wahrscheinlich bequemer.“ Ich nahm auf meinem Bett Platz und Rose, wie erwartet, auf seinem. Er hielt zu mir noch immer seine körperliche Distanz. Das würde sich bestimmt legen, wenn unsere psychische sich verringerte.

„Was... möchtest du denn wissen?“, fragte er unsicher.

„Mh...“ Ich dachte nach. „Warum du hier bist. Das ist das Naheliegendste, finde ich.“

„Das ist.... nicht so schnell erklärt“, meinte er stirnrunzelnd.

„Macht nichts. Wir haben Zeit“, versicherte ich ihm.

„Uhm...“ Rose überlegte eine Weile. „Ich bin... ziemlich streng erzogen worden, wenn ich nicht das tat, was von mir verlangt wurde, dann wurde ich bestraft. Wenn ich allerdings die Erwartungen erfüllte, wurde ich jedes Mal mit Lob, Liebe und Anerkennung überschüttet, also war es nicht ganz so schlimm. Trotzdem konnte ich mich nicht so entfalten, wie ich es vielleicht hätte tun sollen.... Viel Individualismus wurde in meiner Familie auch nicht geduldet.“

Ja, das hörte sich nach dem Suzuki-Clan an. Herzlich, aber erdrückend. Und vor allem bei den Erben.

„Irgendwann als kleines Kind begann ich, Auren wahrzunehmen. Erst nur als unscheinbares Licht auf der Brust, aber mit der Zeit wurde es immer deutlicher, weshalb manche Menschen regelrecht leuchteten und andere die gesamte Gegend verdunkelten. Und dann kamen noch die Schatten hinzu... als ich meiner Familie davon erzählte, versuchten sie erst, es mir mit aller Kraft aus dem Kopf zu schlagen, diese Seite an mir zu unterdrücken, mich wieder ‚normal’ zu kriegen... Es hat nichts gebracht. Aber das alles war nicht so schlimm wie das, zu dem ich gemacht wurde. Das war der eigentliche Auslöser dafür, dass ich hier hin gekommen bin, von meiner Familie quasi ‚abgeschoben’ wurde... das, was ich bin. Die Kreatur, die ich bin... Sie wollten mich loswerden, deshalb bin ich hier. Und jetzt bin ich an diesem unheimlichen Ort, an dem viel zu helle Auren und viel zu viele Schatten sind... und alles ist fremd und neu und ungewohnt und ich bin einsam.“ Während er erzählte, schaute der Blonde mich nicht an, sondern sprach mehr mit dem Boden. Sein Gesichtsausdruck war abwesend und niedergeschlagen.

Das, was er war? Und was sollte das sein? Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Er sollte eine Kreatur sein? Also auf mich wirkte er wie ein ganz normaler Mensch. Ich mochte mich täuschen und in Wirklichkeit war er ein Alien oder so etwas. Außerdem passte das, was er da erzählte, nicht so ganz zu der Information, dass Rose der Liebling seines Vaters war. Mir war gesagt worden, dass er immer von ihm bevorzugt und speziell behandelt wurde...

„Aber es gibt eine Sache, die mir alles ein bisschen einfacher macht“, fügte Rose noch hinzu und sah mich wieder mit diesem halb lächelnden Ausdruck an. „Ich merke sofort, wenn jemand lügt.“

Das ließ mich stutzen. Er bemerkte es auf der Stelle, wenn jemand ihn anlog?

„Falls dich das erstaunt hat, dass ich dir nach diesem einen Mal vor zwei Wochen mehr vertraut habe als vorher... ich hatte dich ja gefragt, ob du mir etwas Böses willst, und du hast nein geantwortet. Und das war die Wahrheit.“ Er schwieg einen Augenblick.

Ich hatte nicht gelogen? Irgendwie glaubte ich ihm nicht so ganz. Er konnte ja wohl schlecht Leuten, die er überhaupt nicht kannte, ansehen, ob sie die Wahrheit sagten oder nicht. Der Kleine schien sich ziemlich viel einzubilden, von Auren über Schatten zu solchen Sachen. Aber vielleicht hing es ja mit seiner Daseinsform zusammen, was auch immer er sich da zusammenfantasierte. So langsam konnte ich nachvollziehen, warum seine Eltern für ihn ausgerechnet so einen Ort ausgewählt hatten, um ihn zu verstecken.

„Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum du dich so um mich kümmerst“, sprach er nachdenklich weiter. „Und vor allem ganz am Anfang, als du mich überhaupt noch nicht kanntest...“ Ihm schien ein Gedanke zu kommen. Er hob den Blick und musterte mich skeptisch, betrachtete die Tattoos auf meinen Armen.

Ich konnte mir denken, was er dachte. Vielleicht hätte ich ein wenig subtiler vorgehen sollen und nicht gleich so für ihn sorgen sollen... Er schien den Verdacht bekommen zu haben, dass ich irgendetwas mit seiner Familie zu tun hatte – so viele Tattoos hingen meist mit Yakuza zusammen. Andererseits konnte er sich nicht selbst als Yakuza outen und mich direkt darauf ansprechen. Ich musste vorsichtig sein.

„Erzähl doch mal von dir“, forderte er mich neugierig auf. „Warum bist du hier?“

Hm. Eine Gegenfrage hatte ich nicht erwartet. Wenn ich jetzt das antwortete, was ich normalerweise erwidert hätte, könnte es sein, dass er es als Lüge erkannte. Ich glaubte ihm zwar nicht, dass er wusste, wann ich log, aber andererseits wollte ich auch kein Risiko eingehen und sein Vertrauen in mich zunichte machen. „Ich... rede nicht so gerne darüber“, gab ich zögernd zurück und wusste selbst, dass es eine schlechte Ausrede war.

„Bitte, sag doch mal“, drängte Rose mich auch sofort. „Ich hab dir auch von mir erzählt.“

„Na ja... das hört sich jetzt ein wenig seltsam an, aber ich sehe tote Menschen.“
 

#####
 

„So... und Sie haben sich freiwillig einweisen lassen?“, stellte der Psychiater fest und fixierte mich scharf über den Rand seiner halben Brille hinweg.

Ich nickte, erwiderte aber nichts.

„Obwohl Sie der Ansicht sind, soweit bei Verstand zu sein?“, fügte er hinzu, um mich zum Reden zu bewegen.

Wieder nickte ich. „Ich weiß, dass ich normal denken kann. Wenn man mich kennt, wenn man mich sieht, mich reden hört, dann würde man niemals auf den Gedanken kommen, dass ich nicht bin wie alle anderen. Ich tue nichts, wofür ich seltsam angesehen werde, ich kann logisch denken, solche Sachen. Alles kein Problem.“

„Und was IST das Problem?“, wollte er in seiner ruhigen Art und Weise wissen, die mich bereits jetzt schon reizte. Er gab mir das Gefühl, unendlich schlauer und höhergestellter zu sein als ich, und solche arroganten Ärzte hatte ich schon mein Leben lang nicht ausstehen können. Es war allerdings unabdinglich, dass ich meine Rolle durchzog, egal, ob mir die Seelenklempner sympathisch waren oder nicht.

„...Das ist ein vertrauliches Gespräch, oder?“, stellte ich eine Gegenfrage.

„Natürlich. Alles, was Sie hier sagen, wird strengstens vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben“, beteuerte er so glaubwürdig, dass er mir beinahe hätte eine Versicherung andrehen können. Dadurch wurde ich nur noch skeptischer, aber ich ließ mich dadurch nicht beirren.

„Ich denke, bevor Sie mich hier aufgenommen haben, sind Sie bereits mein Vorstrafenregister durchgegangen, nicht wahr?“, fragte ich weiter. Es schien ihn zu beunruhigen, dass nicht er es war, der die Fragen stellte, dennoch nickte er. „Die ganzen Diebstähle, Geldbußen wegen Körperverletzung und so weiter dürften Sie allerdings nicht so sehr interessiert haben wie die Tatsache, dass mehrere Male gegen mich wegen Mordes ermittelt wurde“, fuhr ich fort. Glücklicherweise hatten die Zeugen immer kurz vor dem Urteil noch ihre Aussage zurückgezogen oder waren auf seltsame Weise tödlich verunglückt. „Ich sage Ihnen auch ganz offen, dass ich bereits gemordet habe. Nicht nur das, ich habe auch genügend Leichen gesehen, dass es für einen großen Friedhof gereicht hätte.“

„Und das unterscheidet Sie von den ‚normalen’ Leuten?“

Schwach lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein. Das ist für die Leute, mit denen ich verkehre, der Normalzustand. Aber ich... ich werde von meinen Opfern verfolgt. Nicht nur von meinen Opfern, von allen Leichen, die ich je gesehen habe.“

Der Psychiater lehnte sich etwas vor. Anscheinend wurde es interessant. „Inwiefern verfolgt?“, wollte er wissen.

„Ich unterhalte mich mit einem Bekannten, biege um die Ecke und mit einem lauten Schreien fällt eine in einen Kimono gekleidete Frau vom Himmel, direkt vor meine Füße. Sie hat sich das Genick gebrochen, liegt auf dem Rücken und starrt mich mit schreckgeweiteten Augen an. Das wäre ein Beispiel“, erzählte ich ruhig, als würde ich einen Film wiedergeben, den ich mal gesehen hatte.

„Und.. diese Frau haben Sie mal gesehen?“

„Dieser Frau habe ich beim Sterben zugesehen, ja“, bestätigte ich. „Alle Leute, die ich gesehen habe, während sie gestorben sind oder als sie schon tot waren, tauchen immer wieder unvermittelt auf. Ein erwürgter älterer Mann, zum Beispiel, erscheint manchmal, wenn ich aus der Dusche steige. Er greift mit seinen Händen nach mir, aber sie berühren mich nicht, sie gehen durch meinen Körper hindurch... und irgendwann bricht er zusammen und verschwindet. Das tun sie alle, wenn ich lange genug warte, irgendwann verschwinden sie wieder.“

Der Doktor räusperte sich leise und setzte seine Brille ab, musterte mich eindringlich. „Und... gibt es irgendetwas Besonderes an diesen... toten Menschen? Wirken sie wie Geister, oder...“

„Ihre Gesichter sind unscharf“, antwortete ich nachdenklich. „Sie sehen wie ganz normale Menschen aus, jedes Detail ist vorhanden, nur ihre Gesichter sind schwer erkennbar. Ansonsten sind sie weder durchsichtig noch haben sie keine Füße. Wie Menschen eben. Das ist eben das Schlimme, wenn man immer wieder irgendwelche sterbende oder tote Menschen sieht...“ Ich schüttelte wieder den Kopf. „Mit der Zeit wurden es immer mehr. Und es beginnt sich zu wiederholen, eine Frau, die erst vergewaltigt und dann zu Tode gestochen wurde, erscheint ganz besonders oft, etwa einmal im Monat. Ihr läuft das Blut noch die Oberschenkel hinunter, dann kommen nach und nach immer mehr Wunden hinzu, bis das Blut schließlich noch auf den Boden tropft und sie langsam in sich zusammen sinkt, die Hände in ihren Haaren vergraben, den Mund zu einem lautlosen Schreien geöffnet...“

Es war sehr schwer, mir ein Grinsen zu verkneifen, als der Arzt fast unmerklich schauderte. „Gut, also ich denke, für den Anfang reicht es erst einmal“, meinte er und nickte. „Warum haben Sie sich denn dazu entschlossen, gleich in unsere Klinik zu gehen, anstatt es erst einmal so mit einem Psychiater zu versuchen?“

„Ganz einfach.“ Ich lächelte leicht. „Hier komme ich nicht so sehr in Versuchung, wieder zu morden. Und mit Leichen werde ich hier auch nicht so viel zu tun haben.“

Das schien ihn zu überzeugen.
 

Angeordnet wurden mir vier Sitzungen pro Woche. Mit einem anderen Psychiater als der, mit dem ich das erste Gespräch hatte, mit einem, der etwas härter im Nehmen schien. Ich machte es mir als Ziel, ihn auch noch klein zu kriegen.

Bis Rose in die Nervenklinik kommen würde, dauerte es bestimmt noch etwas, also verbrachte ich viel meiner Zeit damit, mir immer neue Seiten meiner erfundenen Persönlichkeit auszumalen. Ich hatte vom Suzuki-Clan eine neue Identität bekommen, musste diese allerdings noch anschaulicher gestalten, ihr Farbe geben. Als sie in die Anstalt kam, war sie noch ein weißes Blatt, das beschrieben werden musste. Ich verlieh ihr immer makaberere Züge, ließ sie in manchen Räumen eine Ansammlung Gehängter von der Decke baumeln sehen und Angst vor großen Menschenmengen bekommen. Während sie vom Auftreten her immer gelassener, immer ruhiger und stoischer wurde, verfächerte sich ihr Inneres zu einer Vielfalt aus Empfindungen, Ängsten und schrägen Eigenschaften.

Es machte mir Spaß, mir neue Geschichten für den Seelendoktor auszudenken, um ihn langsam aber sicher selbst fertig zu machen. Da ich in meinem gesamten Leben bereits viele verschiedene Persönlichkeiten dargestellt hatte und teilweise auch für Jahre geworden war, bereitete es mir keinerlei Schwierigkeiten, die Dinge, die ich im Kopf hatte, glaubwürdig auszudrücken. Ich erfand eine liebevolle Mutter, die allerdings früh gestorben war, eine todessehnsüchtige Schwester, die sich letztendlich auch umbrachte sowie einen Vater, der sich nicht um seinen Sohn scherte. Ich ersann ein Leben auf der Straße, geprägt durch Brutalität, Verzweiflung und Hass sowie unzähligen Leichen. Ich erdichtete mir Opfer, als Material dienten mir Menschen, die ich eigenhändig umgebracht hatte, bei deren Tod ich hatte dabei sein dürfen oder müssen oder die ich lediglich im toten Zustand kennen gelernt hatte, manchmal ließ ich mich durch Filme, Spiele oder Bücher inspirieren und arbeitete das alles in mein feines Netz aus tödlichen Verstrickungen hinein.

Es war unterhaltsam, spannend und interessant. Nicht nur, diese völlig neue Person zu schöpfen, sondern auch miterleben zu können, wie sie bei anderen ankam. Die Reaktionen des Arztes waren manchmal regelrecht erheiternd, wenn er so vertieft in meine neue Erzählung schien, als wäre ich ein Geschichtenerzähler und er das erwartungsvolle Kind zu meinen Füßen. Die Schwestern, die natürlich Bescheid darüber wussten, was ich dem Psychiater berichtete, beäugten mich entweder misstrauisch oder neugierig, manche wandten sich von mir ab, andere hingegen wirkten beinahe angezogen, fasziniert von mir. Und wieder anderen schien es egal, was ich hatte, Hauptsache, ich brachte ein wenig Abwechslung in ihren Alltag. So jemand war Shizuko. Sie hatte mich gleich an meinem ersten Tag in der Klinik angesprochen und seitdem herrschte eine gewisse Sympathie zwischen uns beiden. Im Gegensatz dazu stand die Beziehung eines anderen Pflegers zu mir. Sein Name war Nao, und er war der einzige, der mir, wenn überhaupt, mit offener Feindseligkeit begegnete. Ich wusste auch nicht, warum, ich hatte ihm nichts getan.

Wie auch immer. Zumindest half mir diese Beschäftigung, die Langeweile in der Anstalt teilweise zu verdrängen.
 

#####
 

~*~*~*~
 

tbc~

Hoffnung ist die Freundin der Träume und die Schwester der Illusionen.

*random Spruch anbring*

also ICH hoffe ja, dass ihr noch weiterlest, weil die guten Stellen sowieso erst später kommen ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-03-28T00:01:17+00:00 28.03.2011 02:01
Hauptsache ey~ xDDDD
Hakuei der Märchenerzähler...o3o
Ich finds echt klasse wie du so eine Persönlichkeit quasi erfindest...könnt ich nie *nick nick*

Und Rose *Q* ♥
Liebe <3
Von:  almightywarumono
2010-08-04T21:24:29+00:00 04.08.2010 23:24
hakuei und rose sind einfach ein traumpaar.
mach noch ein paar nette FFs mit den beiden xD~

das kapitel war echt geil
und ich hoffe dass rose ihn nich
beim lügen ertappt : o
die sollen sich nämlich näher kommen hrrhrr XD~

ich les ma noch ein kapi ww
Von:  Shireikan
2008-05-22T20:22:13+00:00 22.05.2008 22:22
Wie sagt man so schön?
‚You made my day’
Diese Story hat mir meinen gesamten Tag versüßt. :D
Ich finde diese ganze Thematik unglaublich ansprechend und bin gespannt wie diese Geschichte enden wird.
Hakuei’s Charakter ist in meinen Augen sehr interessant.
Ich glaube ich werde die Entwicklung von ihm mit Genuss verfolgen.
Und auch seine derzeitige Art und das Verhalten gegenüber dem Psychiater finde ich herrlich! :D
Er ist ein Arsch und ich liebe ihn genauso. XD
Wie wird er sich im Endeffekt entscheiden?
So wie ich das beurteilen kann, und im Vergleich mit deiner anderen Fanfiction, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass du nicht so einfach Einblick in ein Ende geben wirst, sondern dass es noch irgendwo eine Wendung geben wird.
(Oder einfach mal ohne um den heißen Brei zu reden: Ich liebe es, wie du Spannung in eine Geschichte einbringen kannst.)
Sowie mich Hakuei’s Charakter interessiert, interessiert mich natürlich auch Rose’ Charakter.
Ist er wirklich so unschuldig wie er sich eben gibt?
Unschuldiges Opfer oder im inneren ganz Anders?
Ich kann es nicht einschätzen, und genau das gefällt mir.
Ich werde auf jeden Fall weiter lesen.

PS: Ich hab den Mann mit den 3 Persönlichkeiten genossen. XD


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