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Road To Dawn

Kapitel VI Road To Dawn
 

Der junge Japaner hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, was man ihm auch ansah. Noch dazu hatte er sich eine Erkältung eingefangen.

Eigentlich kein Wunder, schließlich hatte er die ganze Nacht in völlig durchnässter Kleidung auf dem nackten Boden unter der Brücke geschlafen. Er selbst hatte schon früher damit gerechnet, nach seiner ersten Flucht von Seth’s Anwesen, sich eine Erkältung einzufangen, doch damals war er noch davongekommen. Jetzt sah das anders aus.

Yuu nieste und fröstelte vor sich hin. Seine Kleidung war zwar nun trocken, aber noch immer klamm, was bei dem kühlen Wind extrem unangenehm war.

Zähneklappernd ließ sich Yuu von dem Strom der Menschen auf der Einkaufsmeile mit tragen, ohne ein wirkliches Ziel zu haben. Nun bereute er wirklich, dass er Seth’s Angebot vom Abend zuvor ausgeschlagen hatte, denn allein der Gedanke an das weiche, große Bett und allem voran der offene Kamin ließen Yuu alle Ängste und peinliche Momente vergessen.

Ein Bett, ein Kamin, heißer Tee und frische Kleidung....Das waren Dinge, die sich der Junge im Moment am meisten wünschte.

Einen Moment später spürte er, wie er am Kragen gepackt und in die Seitengasse, aus der der Angreifer kam, gezogen wurde.

Gerade wollte er schreien und um sich schlagen, als sich eine Hand auf seinen Mund legte. „Ey Mann, beruhig dich, ich bin’s!“ Erleichterung, es war kein Angreifer, kein Schläger, Polizist oder sonst wer, nein, es war sein Dealer. Alle Anspannung wich mit einem Mal aus Yuu und er amtete erleichtert aus, schloss dabei kurz seine Augen. „Was zum Henker ist mit dir los, ich such dich seit zwei Tagen! Du bist einfach so verschwunden, ich hab schon gedacht, du bist abgekratzt.“ rief der Dealer, der nun seine Hand von Yuus Mund nahm, sodass dieser antworten konnte. „Khay, ist ja gut, mir geht’s gut, ich hatte nur ein paar Probleme.“ Murmelte Yuu und bekam dafür ein kurzes Nicken von Khay, der nun etwas beruhigter schien. Das hieß nicht, dass Yuu und Khay beste Freunde waren, ganz im Gegenteil, sie waren nur Verkäufer und Kunde, eine rein geschäftliche Beziehung.

„Ich hab dein Zeug.“ Fuhr der Dealer nun fort, dämpfte er hierbei seine Stimme und blickte kurz in Richtung der vollen Bummelstraße, bevor er Yuu wieder in die Augen sah. Dieser nickte leicht und fuhr mit der Hand in die Hosentasche, zog ein paar Geldscheine heraus und gab diese Khay.

Der junge Dealer zählte die Scheine kurz durch, seufzte dann jedoch leise, was Yuu jedoch gleich als Mittel zum Zweck enttarnte. Er konnte sich denken, was jetzt kam, auch wenn er es nicht wahr haben wollte.

„Ey, Mann, die Preise sind gestiegen...das Zeug kostet jetzt mehr. 20 %“

Yuu starrte sein Gegenüber ungläubig an „20%?!“ fragte er und wurde bleich. „Tut mir Leid, aber sonst krieg ich nichts mehr ab. Du hast doch genug, oder?“ Khays Blick wurde wachsam und musterte Yuu. So schätzte er immer ab, ob er über’s Ohr gehauen werden würde, oder nicht.

Langsam zog Yuu zwei weitere Scheine aus der Tasche und drückte sie dem Dealer in die Hand woraufhin er sein begehrtes Tütchen, in dem sich das wertvolle weiße Pulver befand.

Nachdem der Austausch vollzogen war verschwand Khay auch wieder in den Massen der Hauptstraße.
 

Seufzend lehnte sich Yuu gegen die Wand und rutschte an dieser zu Boden, zog die Beine an den Körper, schlang die Arme um die Beine und versteckte sein Gesicht hinter den Beinen und begann leise zu schluchzen.

Der Dunkle hatte Recht, Recht mit allem. Er war alleine, 18 Jahre und einfach noch nicht bereit, alleine für sich zu sorgen. Als er zu Hause rausgeflogen war, hatte er die Schule geschmissen, versucht eine Ausbildung oder einen Job zu bekommen, doch nichts. Aus diesem Grund war er auch auf der Straße gelandet. Denn für den Rest seiner Familie war er das schwarze Schaf, das nicht eingeplant war und das sich nicht ‚richtig‘ entwickelte, denn so wie seine Eltern es wollten. Für seine Familie war er ein Eintrag im Stammbuch, den man am Besten löschen sollte und das hatten ihm seine Eltern deutlich gemacht.

Doch das war nicht der einzige Grund für seine Lage. Damals, vor einigen Jahren, er war mit seiner kleinen Schwester unterwegs gewesen, als es geschehen war. Der Grund, warum er das alles auf sich nahm, warum er Drogen konsumierte: Das immense Schuldgefühl, das auf seinen Schultern lastete und drohte, ihn zu Boden zu stoßen und gnadenlos zu erdrücken. Er hatte damals jeden sozialen Kontakt zu Freunden abgebrochen. Ohne Vorwarnung, war einfach so verschwunden und nie wieder aufgetaucht.

Heiße Tränen rannen über seine Wangen. Er konnte sie nicht stoppen, doch das wollte er im Moment auch nicht. Er hatte niemanden, bei dem er sich fallen lassen konnte. Niemand, dem er sich anvertraute. Bei seiner Schwester zwang er sich immer ein Lächeln auf die Züge, damit sie sich nicht um ihn sorgte, doch wenn er alleine war, wollte er die meiste Zeit nur weinen, seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Doch nur in den seltensten Fällen gestattete er sich solche emotionale Ausbrüche. Und jetzt war eben einer dieser Momente.

Langsam begann es wieder zu regnen, spürte er die kleinen Tropfen auf seiner Haut.

Er hob seinen Kopf gen Himmel und genoss das Wasser auf seinem Gesicht, bevor seine eine Hand ein Feuerzeug hervorzog, die andere einen dreckigen Löffel, eine Spritze. Das alles legte er auf den Boden vor sich, holte dann das Päckchen mit Pulver hervor und tat etwas davon auf den Löffel, verschloss daraufhin das Tütchen wieder sorgfältig und verstaute es in der Innentasche seiner Jacke. Yuu löste seinen Gürtel und band ihn sich um den linken Arm, surrte ihn zwar schon etwas fest, doch nicht zu sehr, sodass er seinen Arm noch ohne Probleme bewegen konnte. Nun machte er sich daran, das Pulver mit Hilfe des Feuerzeugs zu erwärmen und letztendlich zum schmelzen zu bringen und die Flüssigkeit mit der Spritze aufzunehmen.

Die Spritze nahm er in den Mund, räumte derweil die restlichen Sachen weg, bevor er den Gürtel um seinen linken Arm fest surrte, sodass er bald jegliches Gefühl aus den Fingern und der Hand verschwand und sich ein unangenehmes Prickeln ausbreitete. Genau in dem Moment spannte er seine Armmuskeln und spritze sich die Flüssigkeit direkt in die Ader, die durch die Anspannung deutlich hervortrat.

Yuu löste den Gürtel um seinen Arm wieder und schloss seine Augen, spürte förmlich, wie das Mittel durch seine Adern gepumpt wurde und seine Wahrnehmung, vor allem seine Gefühle betäubte. Und genau das brauchte er im Moment. Er wollte sich nicht länger seinen Gefühlen hingeben, sondern einfach nur die Zeit vertreiben, den Tag dahin ziehen lassen, in der Hoffnung, dass es morgen besser werden würde.

„Yuu!“ hörte er auf einmal eine weibliche Stimme und er drehte träge den Kopf in die Richtung, aus der er die Stimme vermutete. „Azumi?“ er konnte es nicht glauben, da stand seine kleine Schwester, mit einem schwarz-pinken Regenschirm. Sie blickte geschockt zu ihm, bevor sie wieder auf ihn zu ging und sich vor ihm auf die Knie fallen ließ. „Yuu! Was machst du nur?!“ rief sie vorwurfsvoll. Yuu blickte sie nur etwas unverständlich an, betäubte das Heroin genauso sein Denkvermögen. „Du kannst doch nicht hier draußen sitzen bleiben, es regnet!“ Sie maß ihn nun mit einem längeren, besorgten Blick, bemerkte, dass die Wangen ihres Bruders doch röter waren, als normal. So legte sie kurzer Hand ihre Rechte auf seine Stirn. „Yuu, du hast Fieber!“ „Na und?“ murmelte der Junge leise und blickte sie mit seinen trüben Augen an. „Mach dir keine Sorgen um mich.....was machst du überhaupt hier. Hast du keine Schule?“ Ein Kopfschütteln von Azumi war die Antwort. „Yuu, damit ist nicht zu spaßen, du weißt, dass dein Immunsystem schwach ist!“ Sie dachte kurz nach, bevor sie aufstand. „Warte hier, ich hole dir Medizin, die Apotheke ist nicht weit. Rühr dich nicht von der Stelle, ja?“ mit einem fast schon mütterlichen Ton sprach sie diesen Satz, dachte er sich und blickte sie einfach nur an, was sie als eine Stumme Bestätigung annahm, weswegen sie herumfuhr. „Ich beeil mich auch!“ rief sie, bevor sie die Gasse entlang Richtung Hauptstraße lief.

Yuu sah ihr nach, ließ seinen Kopf noch eine kleine Weile in der Richtung, bevor er sich langsam erhob. Er wusste nicht wieso, doch er wollte hier weg. Seine Schwester sollte ihn so nicht sehen, schwach und am Ende seiner Kräfte und Nerven. Nein, das war kein Bild, dass sie von ihrem großen Bruder haben sollte.
 

Als Azumi zurück zu der Seitengasse kam, in der sie ihren Bruder zurückgelassen hatte, musste sie mit Schrecken feststellen, dass er nicht auf sie gehört hatte und auf und davon war. "Oh nein, Yuu....!“ „Na, kleines Mädchen, hast du dich verlaufen?“ ertönte auf einmal eine Stimme von vorne. Das Mädchen zuckte zusammen und hob ihren Kopf, den sie gerade enttäuscht gesenkt hatte. Vor ihr stand ein großer, breitschultriger Mann in Lederjacke. Hinter ihm einige Jungs, die wie Schläger aussahen. Instinktiv ließ sie diese Erkenntnis zurückweichen, wurde ihr jedoch von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt. „Wohin denn so eilig?“ fragte die Lederjacke grinsend. „Hey, Boss, das ist die Schwester von dem Penner, mit dem wir Probleme hatten.“ tönte es nun von einem aus der Gruppe. „Ach, ist dem so?“ Die Lederjacke grinste düster, was Azumi kalte Schauer über den Rücken jagte. „Was.....was ist mit Oni-chan?“ fragte sie besorgt. Hatten diese Kerle ihm etwas angetan? War er deswegen nicht hier? Ihr Herz begann schneller zu schlagen, bis sie die Befürchtung hatte, dass es gleich zerspringen würde. „Na wenn wir nicht ihn bekommen, nehmen wir eben seine Schwester....“ Die Gruppe lachte und in Azumi stieg nun wirklich Panik auf. Was hatte ihr Bruder mit solchen Leuten zu schaffen? Wo war er? Hatte er Schwierigkeiten? Was war hier nur los?

Sie versuchte sich von dem Griff zu befreien, doch die Person hinter ihr hielt das zierliche Mädchen in einem eisernen Griff. Die Lederjacke kam ihr nahe, zu nahe für ihren Geschmack. Er war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. „Aber hübsch ist sie:“ gab er dreckig lächelnd zu. „Mit ihr werden wir viel Spaß haben....“ Azumis Augen weiteten sich und sie begann am ganzen Körper zu zittern. „N-nein! Lasst mich gehen, ich habe euch nichts getan!“ sagte sie, wobei selbst ihre Stimme vor Angst zitterte. „Bitte! Ich habe euch nichts getan!“ wiederholte sie, doch die Lederjacke schien das nicht zu interessieren. Im Gegenteil, er packte sie grob am Kinn und zog ihr Gesicht nach oben und wollte ihr gerade einen Kuss auf die Lippen zwingen, als er von etwas unterbrochen wurde. Besser gesagt von jemandem: Yuu.

Er war zurückgekommen um sich bei seiner Schwester zu entschuldigen, als er die Szene beobachtet hatte und eingegriffen hatte. Und zwar mit einem Stein. Er hatte zielsicher einen Stein an den Hinterkopf der Lederjacke geworfen.

Es war ein wahres Wunder gewesen, dass er ihn auf die Entfernung und noch dazu unter Einfluss von Drogen getroffen hatte, doch hatte er förmlich die Angst seiner Schwester gespürt. Sie brauchte ihn. Jetzt und hier. Und er würde sie nicht enttäuschen. „Lass deine dreckigen Pfoten von meiner Schwester!“ rief er verärgert und warf dem Punk in der schwarzen Lederjacke einen vernichtenden Blick zu. Wenn er etwas nicht dulden konnte dann, dass seine Schwester bedroht wurde. Von solchen......Idioten!

Sofort fuhr der Punk herum und funkelte Yuu an. „Du hast Nerven, hier aufzutauchen, du Penner!“ zischte er und ließ von Azumi ab. „Gestern bist du noch davon gekommen, aber heute wirst du nicht mehr so viel Glück haben!“

Kurz blickte Yuu na der Lederjacke vorbei zu seiner Schwester, sie schien okay zu sein. Dann war er wohl gerade rechtzeitig gekommen, aber....nun stand er sich einer Gruppe von 8 Männern gegenüber, die sicherlich auch bewaffnet waren. Und mager waren sie auch nicht gerade.

Der Puls und die Herzfrequenz des Jungen explodierten förmlich zu einem schnellen Rhythmus, sodass er das Blut in seinen Ohren rauschen hörte. Nein, weglaufen würde er nicht. Aber genauso gut konnte er nicht gegen sie alle gewinnen. Wahrscheinlich könnte er nicht einmal einen fertig machen. In was hatte er sich da nur reingeritten? Vor allem, seine Schwester, ihr durfte nichts passieren. Er wollte nicht schon wieder für etwas schlimmes verantwortlich sein. Wenn er an damals dachte, an....nein, diese Gedanken gehörten nicht hierher. Er musste sich konzentrieren! Yuu atmete tief ein und ballte seine rechte Hand zur Faust.

„Du willst wirklich gegen uns alle antreten?“ ein amüsiertes Lachen von der gesamten Gruppe. „Junge, ich glaube du bist nicht mehr ganz sauber in der Birne! Aber mir soll es Recht sein, ich hasse es kleinen Mädchen weh zu tun.“ Mit diesen Worten schnippte er mit den Fingern und die Gruppe stürzte sich auf den jungen Japaner.

„Nein!“ schrie Azumi, völlig schockiert, doch nun wurde sie von der Person hinter sich so festgehalten, dass sie nicht zu ihrem Bruder konnte, ihm nicht helfen konnte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie sah, wie ihr Bruder immer wieder getroffen wurde, von Schlägen und Tritten. Sie versuchte sich loszureissen, stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Mann hinter sich, doch das brachte nichts. Yuu konnte zwar auch austeilen und traf des öfteren auch einige Angreifer, die ihm zu nahe kamen und zu langsam waren, doch gegen acht konnte er sich alleine nicht durchsetzen. Immer und immer wieder wurde er getroffen, im Gesicht, an den Armen, Beinen, Brust und Bauch. So kam es auch, dass er nach einiger Zeit auf dem Boden landete, wo die anderen jedoch nicht begannen auf ihn einzutreten, sondern abwarteten.

Keuchend versuchte er sich aufzurichten, konnte sich auf Händen und Knie abstützen, als er ein metallenes Geräusch hörte, das er nicht wirklich einordnen konnte. Als er wieder auf den Beinen stand taumelte er etwas und drehte sich um, blickte der Lederjacke ins Gesicht. „Na, hast wohl immer noch nicht genug!“ Die Lederjacke grinste ihn an und schwang eine Eisenstange. „Ich hab dir doch gesagt, dass wir dich fertig machen.“ Sagte er grinsend, bevor er auf Yuu zustürzte und mit dem Eisenrohr ausholte. Azumi, die bereits kläglich weinte, konnte das nicht glauben, sah sie dem zu, fing dann jedoch laut an zu schreien, weswegen ihr der Mund zu gehoben wurde. Immer mehr Tränen liefen ihr über die Wangen und sie versuchte sich loszureissen, als sie sah, wie ihr Bruder einen Schlag mit der Eisenstange abbekam.

Er wurde am Rücken getroffen, ging jedoch sofort zu Boden und krümmte sich unter den Schmerzen. Wieso half niemand? Wieso konnte ihnen niemand helfen? Azumi wurde fast verrückt, als sie sah, was ihr Bruder alles einstecken musste.
 

Das alles hatte erst ein Ende, als Yuu einen erneuten Treffer mit der Eisenstange kassierte, dieses Mal jedoch gegen den Hinterkopf. Der Schlag war so gewaltig, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor und zu Boden ging, dort reglos liegen blieb.

„Hauen wir ab, bevor die Bullen kommen!“ meinte die Lederjacke und die Gruppe verschwand.

So wurde auch Azumi losgelassen, doch das Mädchen war derart angetan von dieser Szene, dass sie kraftlos auf die Knie sank und den reglosen Körper ihres Bruders anstarrte.

Den Regen nahm sie schon lange nicht mehr wahr, nur ihren Bruder, der dort lag, wie....sie traute sich den Gedanken kaum weiterzudenken, ja, wie eben tot. Sie kauerte sich zusammen, zitterte heftig am ganzen Körper, war unfähig, sich zu bewegen. Alles nur wegen ihr. Wenn sie nicht hier gewesen wäre, dann wäre Yuu nicht wiedergekommen, dann wäre er nicht auf diese schrecklichen Menschen getroffen...

Langsam kroch sie nun auf allen vieren zu ihrem Bruder, betrachtete eine Regenpfütze in unmittelbarer Nähe des reglosen Körpers, in der sie gerade ihre Hand versenkt hatte. Sie hob ihre Hand hoch und sah das verdünnte Blut in dem Wasser.

Noch einmal schlug ihr das Herz bis zum Hals, Angst durchströmte ihren Körper, lähmte sie. Nein, sie durfte nicht schwach werden, ihr Bruder brauchte sie jetzt! „Yuu!“ rief sie mit Tränen erstickter Stimme und berührte den Jungen mit ihrer zitternden Hand an der Schulter.

Keine Reaktion.

„Yuu!“ rief sie erneut, rüttelte dieses Mal etwas an dem Körper ihres Bruders.

Wieder keine Reaktion.

Langsam wurde sie hysterisch. Was, wenn er tot war? Was, wenn er nie wieder für sie da wäre? Schnell blickte sie sich um, sah ihre kleine Handtasche auf dem Boden liegen, griff diese und zog ihr Handy aus der Tasche, wählte die einzige Nummer, die ihr in dem Moment der völligen Hysterie und Panik einfiel.

„Daddy?“ rief sie. „Daddy!“ es erleichterte sie etwas, als sie die Stimme ihres Vaters hörte, doch dann begann sie lauthals zu wimmern und erneut zu weinen. „Daddy, hilf mir, bitte!“
 

Wie in Trance sah sie allem zu, wie ihr Vater kam und die beiden sah, Yuu bewusstlos und in einem schrecklichen Zustand, sie daneben, durch den Regen völlig durchnässt. Sie nahm seine Stimme nicht wahr, nich, wie er ihr das Handy aus der Hand riss und den Notruf wählte.

Erst als der Krankenwagen ankam und Yuu auf die Trage gehoben und in den Transporter verladen wurde, regte sie sich. „Ich will mit!“ rief sie aufgebracht und schlüpfte durch die noch offene Türe, bekam sie einen Platz zugewiesen.

In dem Krankenwagen herrschte blanke Hektik, doch Azumi nahm alles wie in Zeitlupe wahr. Ihr Bruder wurde notdürftig versorgt, an diverse technische Geräte angeschlossen, die sie alle nicht kannte. Erst, als ihm vorsichtig eine Atemmaske angelegt wurde, erwachte sie aus ihrer Trance. „Wie geht es ihm?“ fragte sie noch immer leicht panisch den einen Arzt. „Wir wissen es nicht so genau, wir können bis jetzt nur Mutmaßungen anstellen. Im Krankenhaus wird er geröntgt und auf innere Verletzungen und Blutungen untersucht, dann werden wir mehr wissen. Im schlimmsten Fall hat er ein Schädel-Hirn-Trauma.“ Mit all den Begriffen konnte sie im Moment wenig anfangen, doch das brauchte sie auch nicht, denn fünf Minuten später kamen sie an dem Krankenhaus an.

Yuu wurde sofort zum Röntgen gebracht und Azumi musste im Wartezimmer auf den Arzt waren.
 

In Filmen hatte sie sich gerne darüber lustig gemacht, dass das Zeitempfinden immer so hoch gespielt wurde, doch nun, da sie selbst darauf wartete, auf die Erlösende Aussage des Arztes, kamen ihr die Sekunden wie Stunden vor und die Minuten wie Ewigkeiten.

Zwar hatte sie die ganze Zeit auf die Uhr gestarrt, doch im Endeffekt wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war. Immer wieder, wenn ein Arzt in Sichtweite war, war sie aufgesprungen, doch bis jetzt hatte niemand ihr etwas sagen können. Dabei sorgte sie sich doch so sehr. Ihr geliebter Bruder. Stets war er für sie da gewesen und sie? Sie hatte mit ansehen müssen, wie er fast zu Tode geprügelt wurde.

Wieder stiegen in ihr die Tränen auf, doch schämte sie sich nicht dafür. Irgendwann hatte sie von einer Schwester einen Kaffee bekommen und eine Decke, da ihre Kleidung völlig durchnässt war. Die Schwester hatte auch versucht, mit ihr zu reden, doch Azumi war einfach zu verwirrt und zerstreut, als dass sie sinnvolle Antworten geben konnte.
 

Und endlich wurde sie erlöst. Ein Arzt kam geradewegs auf sie zu. „Sind sie die Angehörige?“ fragte der Arzt und das junge Mädchen nickte sofort. „Nun, er hat einige Prellungen davon getragen, zwei Rippen sind angebrochen und er hat ein Schädel-Hirn-Trauma.“ Und das alles hatte so lange gedauert? Nur um das zu diagnostizieren? Als sie ihre Fragen aussprach schüttelte der Arzt den Kopf. „Nein, es kam noch eine innere Blutung im Magenbereich hinzu, die wir sofort operieren mussten.“ Azumis Augen wurden wieder groß, doch der Arzt schüttelte den Kopf. „Es besteht kein Grund zur Sorge, die Operation ist wie geplant verlaufen und es kam zu keinen Komplikationen. Er ist noch immer bewusstlos, aber sie können jetzt schon zu ihm, wenn sie wollen.“ Was für eine Frage. Natürlich wollte sie. Nichts lieber als das!

Sofort stimmte sie dem Angebot zu und der Arzt brachte sie in ein Zimmer der Intensivstation, in dem ihr Bruder untergebracht worden war.

Und das, was sie sah, erschreckte sie zutiefst. Er war an noch mehr Geräte angeschlossen, die ständig piepsten, noch dazu die Verbände, Katheter und alles andere.

Noch dazu war er so schrecklich bleich. Viel bleicher als sonst. Sie nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett ihres Bruders, griff vorsichtig dessen Hand und drückte sie. „W-wird er wieder vollständig gesund?“ fragte sie nun leise und blickte zu dem Arzt. „Das kommt ganz darauf an.“ Meinte er ernst und sah sie ebenso an. „Mit einem Schädel-Hirn-Trauma diesen Grades ist nicht zu scherzen. Noch dazu der hohe Blutverlusst während der OP....“ Leise seufzte er. „Wir haben auch noch Herpin in seinem Blut gefunden....sie wissen sicher, dass sich Drogen und Medikamente nicht sehr gut vertragen. Also würde ich sagen, dass es da ganz auf ihn selbst ankommt.“

Mit diesen Worten verließ der Arzt das Zimmer und ließ Azumi alleine zurück. Diese hielt zitternd die Hand ihres Bruders. „Werde bitte wieder gesund, Oni-chan. Dann mach ich dir ganz leckeres Essen. Das verspreche ich dir. U-und du hast mir doch versprochen, immer bei mir zu sein und mir zu helfen...“ wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, die sich auch ihren Weg nach draußen bahnten. „D-du kannst mich doch nicht einfach so alleine lassen, oder?“

Eine gespenstische Stille war die Antwort auf ihre Frage.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2008-04-11T04:57:13+00:00 11.04.2008 06:57
yuu Q.Q
nicht sterben >.<
das kappi war extrem spannend
hoffentlich kommt seth im nächsten kappi vor xD
lg
Von:  saspi
2008-04-10T16:07:52+00:00 10.04.2008 18:07
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
hoffe das er vollkommen gesund wird. die arme schwester jetzt gibt sie sich die schuld dafür. yuu tut mir auch sehr leid hab gehofft das seht wieder auftaucht, ist er leider aber nett.
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye
Von:  midoriyuki
2008-04-10T15:56:29+00:00 10.04.2008 17:56
aaaaaaaaae wie gemein>.<
aber trotzdem wieder toll geschrieben*_*
hab aber auch die ganze zeit gewartet, dass seth wiederkommtxDD
und yuu und azumi sind echt tolle geschwister^-^
kommt seth nächstes kapi wieder?*lieb guck*
lg midori~

Von:  ReinaDoreen
2008-04-10T05:25:16+00:00 10.04.2008 07:25
Diesmal war Yuu ohne die Hilfe von Seth.
Hoffentlich wird Yuu wieder richtig gesund.
Reni
Von:  feuerregen
2008-04-10T00:36:15+00:00 10.04.2008 02:36
wow, ein klasse kapitel!
man merkt wirklich deutlich, wie tief die verbindung zwischen yuu und seiner schwester ist.
und er sit so tapfer!! >.<
nur eins fand ich schade: seth ist nicht aufgetaucht! T^T
ich hab ihn vermisst!

lg, feuerregen


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