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Hot N' Cold

(ehem. Melting)
von

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Der Tag danach

Halli hallo hallöchen...
 

ENDLICH GESCHAFFT! Es tut mir wirklich Leid, dass ich zwei Monate nichts mehr hochgeladen habe. Irgendwie habe ich es nie geschafft, zum Schreiben zu kommen. Zum einen fehlte die Zeit, zum anderen die Lust.

Aber ich denke, dafür ist das Kapitel etwas länger geworden, als geplant, also hat es doch sein Gutes.

Ich bedanke mich also noch mal für all die Kommis bisher und hoffe, dass ihr auch diesmal Spaß beim Lesen habt :)
 

Kapitel 7: Der Tag danach
 

Als Bobby einige Minuten später wieder zu seinem und Johns Zimmer zurückkehrte, fühlte er sich ein wenig erleichtert.

Er hätte nicht gedacht, dass Rogue so einsichtig und vor allem auch vergleichsweise verständnisvoll sein würde.

Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn anschreien und ihm Vorwürfe machen würde.

Doch offensichtlich hatte sie die letzte Zeit ebenso über ihre Beziehung gedacht, wie er, und eingesehen, dass sie einfach nicht mehr genug empfanden, um ihre Liebe aufrecht zu erhalten.

Dennoch fühlte es sich merkwürdig an, nun nach so langer Zeit von ihr getrennt zu sein; zu wissen, dass es zwischen ihnen nie wieder so werden würde, wie vorher.

Mit einem Mal kam ihm Rogues Verhalten merkwürdig vor und er war sich nicht mehr sicher, ob sie das, was sie gesagt hatte – dass sie ihm verzeihen würde – wirklich ernst gemeint hatte. Er kannte sie zu gut, um zu wissen, dass sie den Schmerz, den sie vielleicht als Schwäche und Demütigung empfand, nicht zeigen konnte. Vielleicht waren die Worte, die vor wenigen Minuten aus ihrem Mund gesprudelt waren, nur zum Schutz ihrer selbst gewesen.

Mit einem Mal verschwand das Gefühl der Erleichterung und erneut erdrückte ihn das Gefühl, einen Betonklotz auf seiner linken Brust liegen zu haben.

Immer mehr verankerte sich der Verdacht, Rogues Worte seien nur Fassade gewesen, in seinem Kopf. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie wirklich weniger wütend auf ihn war, als er es an ihrer Stelle wäre.

Er hatte zwar bemerkt, dass sie sich tapferer gab, als sie es gewesen war und auch, dass sie ihm noch nicht gänzlich verziehen hatte und doch war sie seiner Meinung nach zu versöhnlich gewesen. Er zweifelte nicht daran, dass sie meinte, was sie sagte und war sich sicher, dass sie selber auch daran glaubte, doch seine innere Stimme sagte ihm, dass sie sich nur selbst betrog. Vielleicht war ihr dies noch gar nicht so bewusst. Vielleicht aber auch hatte sie einfach nicht so viel für ihn empfunden, wie er gedacht und gehofft hatte.

Überraschender Weise merkte er, wie dieser Gedanke ihm trotz ihrer Trennung einen kleinen Stich versetzte.

Bobby, du solltest aufhören nachzudenken, ermahnte er sich selbst. Du kannst nichts tun, um zu ändern, was passiert ist.

Dennoch tat es ihm Leid, wie schrecklich er sie gekränkt haben musste. Sie selbst, ihre Weiblichkeit, ihre Gefühle.

In einem erneuten Versuch, seine Gedanken loszuwerden, schüttelte er den Kopf, als hoffte er, sie würden so hinausfliegen und ins Nichts verpuffen.

Schließlich trat er in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie John auf der etwas breiteren Fensterbank saß und hinaus schaute, wobei er sich bei der Dunkelheit draußen und dem hellen Licht drinnen wohl hauptsächlich nur selbst widergespiegelt sehen konnte.

Ohne etwas zu dem Feuermutanten zu sagen, drehte Bobby ihm den Rücken zu.

Wenn es jemanden gab, auf dessen Gesellschaft er gerade überhaupt nicht erpicht war, dann war es John.

Zu sehr erinnerte ihn sein Freund an das, was zwischen ihm und Rogue passiert war und ebenso sehr an die Gefühle, die er sich zwar eingestanden hatte, aber deshalb noch lange nicht haben wollte.

Doch er konnte nicht verhindern, dass John ihn ansprach. Mit welcher Begründung sollte er das auch tun.

„Hey“, erwiderte er leise und betont emotionslos den Gruß des Feuermutanten und versuchte sich eine Beschäftigung zu suchen, die es rechtfertigte, dass er mit dem Rücken zu ihm stand. Ohne irgendetwas von dem sich darin befindenden Inhalt zu wollen, zog er die oberste Schublade seines Nachttischchens auf.

„Na, alle Beziehungsstreitigkeiten erledigt?“

Johns Frage war wie ein Stich direkt ins Herz und Bobby hatte um ein Haar erschrocken aufgekeucht, konnte den Laut jedoch gerade noch zurückhalten und tat so, als hätte er sie nicht gehört.

Er hörte wie John von der Fensterbank rutschte und einige Schritte Richtung Raummitte ging.

„Hat die kleine Ex-Miss-rühr-mich-nicht-an-sonst-bist-du-tot dich so zur Schnecke gemacht, dass du jetzt taub bist? Ich hab ja immer schon gesagt, die Kleine ist viel zu hysterisch… das Gesicht, das sie gezogen hat, als sie hier rein gekommen ist. Hat die ihre Tage oder-?“

Weiter kam John nicht, als Bobby – der das Gefühl hatte, mit jedem Wort würde ihm schlechter werden – die Hände zu Fäusten ballte und sich umdrehte.

„Verdammt John, halt deine Schnauze“, fuhr er ihn an und sah ehrliches Erstaunen in den braunen Augen, die sich leicht vergrößerten, aufblitzen.

Noch nie hatte er John derart angeblafft – oder zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Normalerweise lag es eher an John, schnell aufbrausend zu werden und Bobby war stets der ruhigere Part von ihnen gewesen.

„Wir sind nicht mehr zusammen“, setzte er schließlich leise hinzu und wählte bewusst diese Formulierung, um nicht festzulegen, wer von ihnen beiden die Beziehung beendet hatte oder gar um John einen Grund zu geben, nach dem Warum zu fragen, auch wenn er zweifellos wusste, dass dies vermutlich ohnehin kommen würde.

Dennoch konnte er sehen, wie John ihn nun noch überraschter und sogar etwas ungläubig anblickte.

„Wirklich?“

Was für eine dumme Frage, dachte Bobby sich und wandte sich wieder von John ab.

„Denkst du, ich würde das einfach nur so sagen, oder was?“, gab er zurück und klang weiterhin wütend und mürrisch. Er hatte keine Lust, über dieses Thema zu reden, wo es ihn doch ohnehin schon nicht mehr losließ. Und gerade John war der schlechteste Gesprächspartner, den er sich im Moment vorstellen konnte.

„Nein, es wundert mich nur“, hörte er John hinter sich antworten. „Hätte ich eben einfach nicht gedacht. Dachte, bei euch ist alles im Lot oder so.“

Bobby atmete tief ein und versuchte sich beruhigen.

Er fragte sich, ob John wirklich jede normale, empathische Fähigkeit, wie sie die meisten Menschen haben, verwehrt geblieben war und er tatsächlich nicht merkte, dass Bobby über dieses Thema nicht sprechen wollte.

„Falsch gedacht“, meinte er nur kühl und tat so, als wäre der Inhalt seines Nachtschränkchens, der sich auf ein paar Taschentücher, ein altes Armband, einen Wecker ohne Batterien und zwei Fotos beschränkte, unheimlich wichtig und interessant.

„Verstehe. Hat wohl nicht so geklappt, wie du’s dir gedacht hast, hm?“, führte John das Gespräch gnadenlos weiter und spielte, dem Klicken nach zu urteilen, wieder mit seinem Feuerzeug. „Merk schon, willst wohl nicht drüber reden.“

Na, das hast du aber früh gemerkt. Am liebsten hätte Bobby diese Worte nicht nur gedacht, sondern auch gesagt, doch er schluckte sie herunter, noch ehe sich seine Lippen öffnen konnten.

„Hab mir ja irgendwie gedacht, dass es früher oder später so kommen musste“, fing John dann entgegen Bobbys Hoffnungen erneut an.

„Tatsächlich?“ Eine Frage voller Ironie.

Eins der Fotos in der Schublade bildete ihn und Rogue ab; damals waren sie zusammen in einem Freizeitpark gewesen. Offensichtlich glücklich. Es war schmerzlich, dies nun zu sehen. Schnell drehte er das Bild wieder um, ebenso wie das, was ihn mit seiner Familie zeigte.

John gab ein bestätigendes „Hm-hm“ von sich. „Ihr passtet einfach nicht zusammen. Das hat man auf den ersten Blick gemerkt. Die Kleine ist einfach viel zu anstrengend und ach… bestimmt schwärmt sie immer noch für Wolverine oder so. Jedenfalls… das hätte nie gut gehen können. Kannst ja froh sein, dass es jetzt zu Ende ist und-“

Es kostete Bobby eine Menge Energie, nicht auf John zuzugehen und ihm eiskalt eine Faust auf diesen einfach nicht schweigenden Mund zu schlagen. Doch er tat es nicht, wusste auch nicht, ob er es wirklich je getan hätte.

Dennoch drehte er sich zu ihm um und unterbrach ihn. „John, halt endlich die Klappe! Kannst du nicht einmal aufhören, über Dinge zu reden, von denen du nichts weißt und absolut keine Ahnung hast?! Du hast kein Recht, dir hier über irgendetwas eine Äußerung zu erlauben, geschweige denn, Rogue anzuklagen.“ – mit jedem Wort kochte die Wut in ihm höher – „Und nur falls es dich interessiert: es war meine Schuld, dass wir nun getrennt sind und nein, ich werde dir nicht verraten, was passiert ist, weil es dich einen Scheißdreck angeht – und jetzt tu mir einen Gefallen, und verpiss dich aus dem Zimmer.“

Sein Atem ging schneller, als er aufhörte zu sprechen. Er fühlte sich, als hätte er einen Marathon gelaufen.

Vor ihm stand John und blickte ihn mit einer Mischung aus Schock und Wut an.

„Das ist auch mein Zimmer, verdammt“, sagte er und seine Stimme klang verwirrt. Auf all die anderen Dinge, die Bobby gesagt hatte, wollte er offensichtlich nicht eingehen. Vielleicht fiel ihm auch – vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben – nichts ein, was er hätte sagen können. Oder vielleicht wollte er auch einfach nur keinen ernsthaften Streit mit Bobby riskieren. „Du kannst mich nicht einfach rausschmeißen.“

Bobby merkte, wie sein Atem sich langsam wieder beruhigte und mit ihm sich auch sein Zorn zu drosseln schien.

„Dann sei wenigstens still.“

John blinzelte einige Male heftig. „Schon gut, ich sag nichts mehr.“

Er senkte den Blick und verweilte kurz in dieser Position, wandte sich dann aber von Bobby ab und ging schließlich doch aus dem Zimmer.

Bobbys Blick folgte ihm, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte.

Dann ließ er sich frustriert auf sein Bett fallen.
 

Sanft und kühl zugleich schimmerte das Mondlicht durch die zugezogenen Gardinen und hüllte das Zimmer in einen bläulich-silbernen Schimmer.

Rogue drehte sich auf die andere Seite. Sie wusste nicht, wie lange sie schon umherwälzte und wie oft sie sich nun schon umgedreht hatte. Seit Syren das Licht ausgemacht und ihr Gespräch mit einem leisen, bedauernden „Gute Nacht“ beendet hatte, hatte Rogue die Unruhe in sich hinauf kriechen fühlen können. Die Gefühle, die sie seit ihrem Gespräch mit Bobby zu verdrängen versuchte, schienen sie um den Schlaf zu bringen.

Immer wieder fühlte sie den Schmerz tief in sich und zog ihre Bettdecke höher und enger an sich, doch die Wärme wollte nicht zu ihr durchdringen. Alles fühlte sich so taub und kalt und doch so schmerzvoll an.

Immer wieder drängten sich Bilder von ihr selbst und Bobby in den Kopf; Bilder, auf denen sie miteinander gelacht, gescherzt, sich geküsst, umarmt und geliebt hatten. Und jedes Mal wurden diese Bilder von seinem erröteten Gesicht, dessen Lippen leise und doch klar vernehmbar Johns Namen stöhnten, unterbrochen. Sie wusste nicht mal, ob er wirklich so geklungen hatte, wie es sich nun immer wieder vor ihren inneren Augen und Ohren wiederholte, doch erneut überwog sie eine Welle von Demütigung und Schmerz.

Sie hatte so sehr versucht, diese Gefühle zu verdrängen. Stark zu sein. Zu vergessen, wie sehr er sie verletzt hatte.

Egal, ob ihre Gefühle langsam abgeflaut waren. Sie hatte noch genug für ihn empfunden, dass er sie mehr hatte verletzt, als sie sich hatte vorstellen können.

Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so hilflos und zurückgewiesen gefühlt zu haben; selbst damals nicht, als sie von Zuhause abgehauen war, nachdem sie ihren Bekannten ins Koma geküsst hatte.

Bobby war der Erste gewesen, dem sie sich – abgesehen von Logan – wieder geöffnet hatte. Der Erste, bei dem sie die Angst, jemanden mit ihren Kräften zu verletzen, zumindest ein wenig abgelegt hatte.

Sie merkte, wie ihre Augen begannen, unangenehm zu brennen und ihr Körper trotz der wärmenden Decke anfing, zu zittern. Ein leises, unterdrücktes Schluchzen entkam ihrem Mund und sie schloss die Augen.

Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie ihm wirklich hätte verzeihen können, selbst wenn ihre Gefühle noch stark genug gewesen wären, um eine Beziehung aufrecht zu erhalten. Sicher hätte sie es versucht, aber im Moment hatte sie das Gefühl, dieser Schmerz würde nie aufhören können.

Es tat weh, so gedemütigt worden zu sein.

Doch sie war sich bewusst, dass eine Trennung eh nur noch eine Frage der Zeit gewesen wäre. Wie sie heute festgestellt hatten, zweifelten sie beide schon länger an ihren Gefühlen.

Ihr war bewusst, dass eine Trennung selbst ohne „diese Sache mit John“ nicht einfach gewesen wäre und sie sich sicher genauso elend fühlen würde. Doch dann wären ihr wenigstens diese lästigen Bilder erspart geblieben. Diese Bilder, die jedes Mal aufs Neue schwer auf ihre Brust drückten und ihr fast die Luft zum atmen nahmen.

„Rogue…?“

Sie zuckte zusammen, als sie Syrens Stimme hinter sich vernahm.

„Rogue? Bist du das?“ Sie hörte wie Syren sich in ihrem Bett aufsetzte und bemerkte erst jetzt, dass ihr Gesicht schon ganz feucht war. Offensichtlich hatte sie angefangen zu weinen und es selbst nicht bemerkt.

„Weinst du…?“

Rogue versuchte tief einzuatmen und sich schlafend zu stellen, doch ihr Atem war ein einziges Rasseln.

Sie hörte, wie Syren aufstand und langsam auf ihr Bett zuging.

Als sie bemerkte, wie die Matratze am Rand ihres Bettes leicht einsackte und schließlich eine Hand sich sanft auf ihre Schulter legte, konnte sie ein lautes Aufschluchzen nicht mehr verkneifen.

„Wegen Bobby?“ Syrens Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

Rogue war nur zu einem stummen Nicken fähig.

Sie hörte Syren hinter sich seufzen und bemerkte, wie der Griff um ihre Schulter sich Halt gebend verstärkte.

„Es tut mir Leid“, sagte Syren leise. „Wirklich so Leid.“

„Ich war so ein Idiot“, hauchte Rogue leise, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte. Doch sie erschrak, als sie hörte, wie gebrochen und tränenerstickt sie klang. Sie machte eine kurze Pause, als hoffte sie, ihre Stimme würde sich dadurch stärken. „Ich habe versucht…, mir nicht anmerken zu lassen… wie… wie weh es tut. Habe sogar …noch… gelacht und … einen Witz gemacht… aber es tut so weh.“

Die Worte strömten fast einzeln zwischen hohen Schluchzern über ihre Lippen und erneut packte sie ein Zittern.

„Vielleicht wolltest du ihm einfach nicht zeigen, wie sehr dich die Trennung doch verletzt“, meinte Syren leise und ließ ihre Hand langsam über Rogues Schulter streichen. „Das ist doch verständlich. Viele reagieren so.“

Rogues Lippen verzogen sich zu einem schrägen Lächeln. Syren konnte ja nicht ahnen, was passiert war. Sie hatte ihr lediglich erzählt, dass Bobby und sie sich getrennt hätten, weil es einfach zwischen ihnen nicht mehr klappen würde. Ein Trennungsgrund also, der nicht allzu selten vorkam. Dass Bobby sie zusätzlich noch gekränkt hatte, indem er, während er mit ihr schlief, an jemand anderen dachte, hatte sie keinem erzählt.

Zum einen wollte sie es John ersparen, dass sein Name da mit rein gezogen werden würde, denn man hätte sicherlich gefragt, wessen Name Bobby anstatt ihrem gerufen hatte.

Zum anderen fand sie es nicht sonderlich fair, Bobby so bloßzustellen, auch wenn er es vielleicht irgendwie verdient hätte. Sie wollte ihm die komischen Blicke und die stichelnden Sprüche ersparen.

Aber vor allem wollte sie sich selbst davor schützen, noch mehr gedemütigt zu werden. Allein der Gedanke, jemand außer ihr und Bobby wüsste, was zwischen ihnen vorgefallen war, wirkte beschämend. Sie stellte sich die Blicke vor, mit denen die anderen sie angucken würden. Halb mitleidig, halb amüsiert.

Scharf sog sie Luft ein und presste die Lippen wieder aufeinander, um ihr Schluchzen auf ein leises Wimmern zu reduzieren.

„Ach, Rogue“, hörte sie erneut Syrens Stimme nah bei sich. „Wenn ich nur irgendwas für dich tun könnte…“

Sie hörte Syren an, dass diese wirklich besorgt um sie war. Sie klang voller Mitgefühl und dem Verlangen, ihr irgendwie helfen zu können. Doch sie klang auch gleichzeitig müde und Rogue war sich bewusst, dass sie ihre Zimmergenossin aufgeweckt hatte.

„Nein, schon okay“, sagte sie daher und versuchte so bestimmt wie nur möglich zu klingen. „Geh wieder schlafen.“

„Wirklich?“

Rogue lächelte leicht, doch ihre Mundwinkel zitterten.

Sie hob einen Arm etwas und pellte diesen aus der Decke, die sie umgab, um ihre Hand kurz auf die von Syren zu legen.

„Ja“, bestätigte sie, schaffte es jedoch nicht, sich zu dem rothaarigen Mädchen umzudrehen. „Aber danke…“

Sie merkte, wie Syren noch einen Moment zögerte, ob sie sie wirklich allein lassen sollte, dann aber doch aufstand und zu ihrem Bett zurückkehrte.

Rogue zog die Decke wieder höher und war mit ihren Gedanken wieder allein.

Sie fragte sich, ob Bobby in dieser Nacht schlafen konnte. Sie war sich sicher, sie würde es nicht können.
 

Ein leichter, aber dennoch aufdringlicher Geruch nach Alkohol ging von Wolverine aus, als er das Direktorenbüro betrat und mit einem leichten Straucheln die Tür wieder hinter sich schloss.

„Logan“, hörte er Storm seinen Namen sagen, die offenbar von ihrem Schreibtisch zu ihm hochblickte, um zu sehen, wer ihr Büro betreten hatte. „Was verschafft mir die Ehre?“

Logan zog seine Nase hoch, auch wenn er sinnloser Weise nicht das Gefühl hatte, sie wurde laufen und strich mit seinen Fingern kurz darüber.

„Ich wollte mich nur zurückmelden“, meinte er und hatte das Gefühl, in Storms gut durchlüftetem, angenehm klarem Büro würde er nur noch mehr nach Bier, Schnaps und Zigarren riechen. Wirklich kein angenehmer Geruch, der ihn da umgab.

Er sah wie Storm ihm gegenüber überrascht die Augenbrauen hochzog. Lässig ließ sie den Kugelschreiber in ihren Fingern schwingen und blickte ihn unverwandt an, als er näher auf sie zuging. Er bemerkte, dass sie kurz die Nase rümpfte, als sie offensichtlich seinen Geruch wahrnahm, doch sie sagte nichts.

„Das ist nett von dir, Logan“, sagte sie schließlich und klang dabei, als würde sie mit einem ihrer Schüler anstatt mit ihm reden. „Und trifft sich gut. Ich wollte mich noch mit Hank treffen und du hättest doch sicher nichts dagegen, auf die Kinder aufzupassen?“

Logan legte den Kopf schief und hatte das Gefühl, sein Hirn würde heute ganz besonders langsam arbeiten. Langsamer, als es das sonst tat, wenn er getrunken hatte. „Öhm, ja, kann ich. – Aber Ororo, meinst du nicht,… das könnten auch mal die älteren Schüler übernehmen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Sicherlich. Dennoch ist es nicht schlecht, wenn jemand im Haus ist, der...“

„Der…was?“ Wolverine blickte sie irritiert an.

Ororo Munroe zögerte ein wenig und räusperte sich schließlich. „Ich wollte eigentlich sagen, der vernünftig ist und keine wilde Party mit ihnen feiert, aber wenn ich mir dich so angucke, bin ich mir nicht mehr sicher, ob das auch wirklich auf dich zutrifft.“

Entrüstet blickte Wolverine sie an. Von einen auf den anderen Moment schien er wieder wacher zu werden (was dazu beitrug, dass er seinen unangenehmen Geruch mit seinen überstarken Sinnen noch heftiger wahrnahm).

„Also wirklich…ich habe nie wilde Partys mit ihnen gefeiert“, entgegnete er. „Und ich habe es auch nicht vor.“

Ororo lächelte süffisant und Logan hatte das Gefühl, dass sie ihn nur auf den Arm hatte nehmen wollen.

Sie sagte jedoch nichts mehr, sondern blickte eine Weile gedankenverloren vor sich hin. Ihr Blick war zwar noch auf ihn gerichtet, schien aber durch ihn hindurch zu gehen.

Schließlich, gerade als Logan das Schweigen von sich aus beenden und das Zimmer verlassen wollte, seufzte sie leise und schien ihren Blick wieder bewusst auf ihn zu richten.

„Hast du Rogue heute schon gesehen?“, fragte sie ihn und suchte mit ihren Augen eindeutig die Seinigen.

Logan zuckte mit den Schultern. „Nein, ich bin gerade erst wieder hier und direkt in dein Büro. Wieso? Ist irgendetwas passiert?“

Storm lehnte sich in ihrem Sessel ein wenig zurück.

„Nun ja, wie man es nimmt“, begann sie, als wäre sie sich nicht sicher, ob es etwas Schlimmes oder weniger Schlimmes war, was sie zu berichten hatte. „Offensichtlich ist es zwischen ihr und Bobby aus.“

Es dauerte einen Moment, bis Logan verstanden hatte, was sie gesagt hatte. Das lag weniger an seinem noch etwas müden Gehirn, als viel mehr daran, dass ihm diese Worte so komisch vorkamen.

„Woher weißt du das?“, fragte er schließlich, als zweifelte er an ihrer Aussage.

Ororo senkte leicht den Blick. „So etwas macht schnell die Runde, Logan. Besonders in einem Internat, wo man sich täglich sieht.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ich fand es zunächst auch etwas komisch, als ich heute Morgen davon gehört habe. Aber vielleicht war es auch schon länger absehbar gewesen.“

„Findest du?“

„Im Nachhinein irgendwie schon, ja.“

Logan sah sie für eine Weile schweigend an.

Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich werde mal mit ihr reden, denke ich.“

Ororo lächelte sanft. „Ja, tu das. – Aber Logan…?“

Gerade als er sich umdrehen wollte, hielt er noch einmal inne und brummte ein „Hm-hm“.

„Geh lieber vorher noch duschen“, riet sie ihm und unterdrückte offensichtlich ein Grinsen. „Sonst fällt sie ja noch um, bevor du auch nur ein Wort sagen kannst.“

Logan rollte die Augen und brummte noch etwas, was weder sie und noch er selbst wirklich verstanden, ehe er schließlich ihr Büro verließ und sein Zimmer anpilgerte.
 

Ein leichter Geruch von Seife und Shampoo umgab ihn nun, als er über den abgedunkelten Flur schlich. Trotz des relativ geringen Duftstoffanteils kribbelte es ihn in seiner überempfindlichen Nase. Doch daran hatte er sich längst gewöhnt. Es störte ihn nicht mehr, dass seine Sinne stärker und effizienter arbeiteten als die von gewöhnlichen Menschen. Manchmal kam er sich deswegen vor wie ein Tier. Wie ein Wolf vielleicht. Dabei konnte man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Sinne der „früheren“ Menschen nicht auch wesentlich besser ausgeprägt gewesen waren. Durch die fortschreitende Zivilisation waren sie immer weniger verwendet worden und schließlich abgestumpft. Und nun mit einem Sprung zur „nächsten Stufe der Evolution“ – zumindest hatte Professor Xavier die Mutanten gerne so bezeichnet – kehrten sie wieder zurück.

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er setzte seinen Weg zu Rogues Zimmer fort.

Durch seine empfindlichen Ohren konnte er bereits kurz vor ihrer Zimmertür hören, dass sie allein im Raum war, obwohl sie sich kaum rührte. Einer der Vorteile, solche Sinnesleistungen zu haben.

Ohne anzuklopfen, da er ja wusste, dass sie allein war, öffnete er langsam die Tür.

Er sah sie auf dem breiten Fenstersims sitzen, das Gesicht von ihm abgewandt und aus dem Fenster blickend.

Leise schloss er die Tür wieder und ging in gemächlichen Schritten auf sie zu.

„Hey Kleines“, sprach er sie schließlich an und blieb kurz vor ihr stehen.

Er merkte, dass sie ihn wahrgenommen hatte, da sie den Blick von der Landschaft draußen abwandte und ihn auf ihren Schoß senkte.

„Ich habe gehört, was passiert ist“, sagte er schließlich ohne Umschweife. Er fand es besser, sie direkt darauf anzusprechen, als lange um den heißen Brei zu reden. „Es tut mir Leid für dich, das mit Bobby.“

Er sah sie merklich zusammenzucken, doch sie sagte weiterhin kein Wort.

Tief einatmend schloss er schließlich die letzte Distanz zwischen ihnen und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Nun wandte sie ihm doch ihr Gesicht zu und er sah, dass ihre Augen gerötet waren und sich unter ihnen dunkle Ringe abzeichneten.

Ihm war klar, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte.

Sanft strich er durch ihr Haar und setzte sich zu ihr auf den Fenstersims, nachdem sie ihre Beine etwas angezogen hatte, um ihm Platz zu machen.

„Was ist passiert?“, fragte er leise und sah zu, wie sie sich etwas drehte, um ihren Kopf an seine Schulter lehnen zu können. „Hat er mit dir Schluss gemacht?“

Sie schüttelte den Kopf.

Logan beschloss, nichts zu sagen und zu warten, bis sie weiter sprechen würde.

Er beobachtete, wie ihre Hände mit dem Schnurband ihres Kapuzenpullovers spielten und sie auf ihre Unterlippe biss.

Er verspürte großes Mitleid mit ihr. Sie und Bobby waren lange ein Paar gewesen und er wusste, was es ihr bedeutet hatte, dass Bobby mit ihr zusammen sein wollte, obwohl ihre Mutation sie von allen Hautkontakten abgehalten hatte. Sie hatte zwar nie wörtlich erwähnt, dass ihre Mutation sie in dieser Hinsicht verunsichert hatte, aber das hatte man auch so gesehen. Ja, es war so offensichtlich gewesen, dass sogar Logan es bemerkt hatte und er gab ja zu, in solchen Dingen nicht immer der Schnellste zu sein.

„Ich habe mit ihm Schluss gemacht“, sagte sie schließlich und ihre Stimme klang so leise, dass Logan sich nicht sicher war, ob er sie gehört hätte, hätte er sich nicht auf sie konzentriert. „Oder… viel mehr… ich weiß nicht, ob überhaupt einer… von uns beiden… ich denke, wir waren… uns einig.“

Sie unterbrach sich selbst kurz und presste ihre Lippen erneut aufeinander.

Logan meinte zu sehen, dass ihre Augen ein wenig wässerig wurden.

„Aber es tut trotzdem weh“, sagte sie und es hörte sich an, als unterdrücke sie ein Schluchzen.

Er zog sie näher an sich und strich erneut durch ihr Haar.

„Hat er dich verletzt?“

Sie reagierte für einen Moment überhaupt nicht, als würde sie irgendwelchen Gedankengängen nachhängen.

Doch dann nickte sie. „Ja.“

Logan spürte leichte Wut in sich aufsteigen.

Wenn er Bobby nachher über den Weg laufen sollte, würde er dringend ein Wort mit diesem reden müssen.

Rogue schien zu ahnen, an was er dachte, denn er sah plötzlich ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen.

„Was ist?“, fragte er sie.

Sie schüttelte nur den Kopf. „Du solltest ihn nicht darauf ansprechen, Logan. Ich denke, er und ich… wir sind alt genug, um das selbst zu klären.“

Sie lehnte ihren Kopf wieder an seine Schulter.

„Wenn du das sagst“, erwiderte er und legte einen Arm um sie, zog sie näher zu sich. „Aber niemand hat das Recht, dich zu verletzen, okay?“

Er bemerkte, wie sie nickte, doch spürte er gleichzeitig plötzlich etwas Nasses an einer kleinen Stelle durch sein weißes Shirt dringen.

Sanft drückte er sie von sich weg und beugte sich etwas, um in ihr Gesicht sehen zu können.

Einzelne Tränen hatten salzige, glänzende Bahnen auf ihrer blassen Haut hinterlassen.

„Hey…, hey…“, sagte er sanft und legte seine Hände an ihr Gesicht.

Sie blickte ihn nicht an, sondern atmete nur flach und rasselnd ein und aus.

„Logan…?“

„Was ist, Kleines?“

Er sah sie verwundert an; merkte, wie sehr sie mit dem haperte, was sie ihm offensichtlich sagen wollte.

„Hältst du mich… für… unattraktiv?“

Die Worte kamen erneut so leise und von Schluchzern unterbrochen aus ihrem Mund, dass er sich zunächst nicht sicher war, ob er sie richtig verstanden hatte.

„Was?“, fragte er verwundert nach. Er verstand nicht, wie sie auf einmal auf diese Frage kam, doch er merkte, dass sie ihr ernst gewesen war. „Hey Kleine, wie kommst du auf so was? Weil mit Bobby Schluss ist? – Hör mal zu, du bist ein sehr hübsches Mädchen. Ich dachte, das wüsstest du.“

Erneut war ein Schluchzen zu vernehmen und er sah, wie einige weitere Tränen über ihre Wangen den anderen folgten.

„Denkst du das…?“

Er lächelte leicht und strich ihr mit seinen Daumen einige Tränen aus dem Gesicht.

„Natürlich, sonst würde ich das nicht sagen“, erwiderte er und es war durchaus ernst gemeint. „Hör mal, Rogue… Marie. Du bist ein wirklich hübsches, kluges, nettes Mädchen mit dem richtigen Humor. Wieso solltest du unattraktiv sein? Wäre ich in deinem Alter, würde ich mich instinktiv an dich ranschmeißen.“

Er vernahm ein leichtes Schnauben ihrerseits, was sich wie ein kurzes Auflachen anhörte.

Zufrieden stellte er fest, dass sie zumindest wieder leicht lächelte.

„Danke“, hörte er sie leise murmeln.

Er lächelte ebenfalls. „Da nicht für, Kleine. Und du bist dir sicher, dass ich nicht doch mal mit Bobby sprechen sollte?“

Er sah sie schnell den Kopf schütteln. „Ja. Unsere Beziehung war irgendwie vor dem, was passiert ist, schon… tot. Vermutlich hätten wir uns also… eh in absehbarer Zeit… getrennt.“

Er nickte.

„Willst du mir erzählen, was passiert ist?“

„Nein“, erwiderte sie recht schnell und sicher. „Es wäre nicht gerade fair gegenüber Bobby. Es ist nur eine Sache zwischen uns beiden. Und… außerdem möchte ich auch nicht darüber reden.“

„Gut“, sagte er. „Aber du weißt, dass ich ihm jederzeit in den Hintern treten würde, wenn du mich lässt, okay?“

„Okay.“

Ihr Lächeln wirkte immer noch betrübt, aber er war froh, dass sie wenigstens nicht mehr weinte.

„Es ist schon fast Mittag. Ich sollte schauen, ob ich Syren und Jubilee irgendwo finde. Wir wollten eventuell zusammen lernen.“

Es war offensichtlich, dass sie das Thema wechseln wollte, aber Logan hatte trotzdem das Gefühl, ihr etwas von ihrer Betrübtheit genommen zu haben.

Wenn Ororo das jetzt gesehen hätte… Ha! Ich bin doch pädagogisch gesehen ein Genie! – Na gut… eigentlich liegt’s nur an Rogue.

Er war sich bewusst, dass er ihr gegenüber einen wirklichen Beschützer-Instinkt entwickelt hatte und dass er sehr an ihr hing, so wie er wusste, dass auch sie sehr an ihm hing. Es war wie ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Irgendwie war er froh, dass sie sich damals auf den Motorradanhänger seines Wohnwagens geschlichen hatte. Es hatte sein bis dahin eher einsames Nomaden-Leben wesentlich geselliger gemacht. Er bereute es nicht, ein „einsamer Wolf“ gewesen zu sein. Doch er bereute es auch nicht, in dieses Institut gekommen zu sein.

Kurz musste er an Jean denken, doch er schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken schnell wieder zu vertreiben. Er wollte jetzt nicht über sie nachdenken. Er hatte mit ihrem Tod abgeschlossen und auch damit, dass sie sich vorher für Scott und nicht für ihn entschieden hatte. Aber dennoch tat es manchmal weh, an sie zu denken.

Er blickte zu Rogue, die sich nun langsam von ihm löste.

„Ja, dann lern du mal. Wir wollen ja nicht riskieren, dass ihr schlechte Noten bei Ororo bekommt.“

Er grinste leicht und stand auf.

„Das Fach wird von Hank unterrichtet.“

Verdutzt sah er sie an. „Von Hank?“

Er hatte gar nicht gewusst, dass der blaue Politiker-Mutant überhaupt am Institut unterrichtete.

„Ja, aber er gibt nur alle zwei Wochen Stunden. Man hat also lange Zeit, sich darauf vorzubereiten“, erklärte sie ihm leise und schwieg dann für einen Moment. Dann streckte sie sich zu ihm hoch und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke. Für alles.“
 

Liebe war immer ein Thema, über das viel geredet wurde. Fanden zwei Menschen zueinander und wurden ein Paar, wurde das erst mal jedem mitgeteilt. Doch wie mit allen Dingen, die es in der Welt gab, ließen sich schlechte Nachrichten immer noch besser erzählen. Und wenn dann eine Beziehung in die Brüche ging, war das noch erzählenswerter als wenn sie entstehen würde. Das war bei Stars und Sternchen in Zeitschriften so und warum sollte es dann bei weniger bekannten Menschen anders sein. Gut, bei „normalen“ Menschen interessierten sich vielleicht nicht so viele für das jeweilige Liebesleben und es würde auch sicher keine Zeitschrift darüber schreiben, aber dennoch machte eine solche Nachricht unter Leuten, die mit dem Paar bekannt oder befreundet waren, schnell die Runde.

Das hatte auch Bobby heute feststellen müssen.

Kaum war er zum Frühstück gekommen, hatte er die verwunderten, aber scheinheilig unschuldigen, leicht gesenkten und doch immer wieder hochblickenden Blicke der anderen auf sich gespürt, sobald sie dachten, er würde sie nicht ansehen oder es gar nicht erst bemerken.

Ohne auch nur ein Wort mit den anderen darüber zu sprechen oder darauf angesprochen zu werden, hatte er realisiert, dass sie bereits alle wussten, wie es um seine und Rogues Beziehung stand.

Und nach dem Frühstück waren schließlich die Ersten zu ihm gekommen und hatten ihn darauf angesprochen. Von den jüngeren Schülern und denen, mit denen er weniger zu tun hatte, hatte es keiner gewagt, ihn zu fragen. Aber natürlich hatten seine Freunde nicht so tun wollen, als hätten sie es noch nicht gehört und vermutlich dachten sie, es würde desinteressiert wirken, wenn sie ihn nicht fragten, doch er wäre ihnen dankbar gewesen, wenn sie es nicht getan hätten.

Als Erstes war Kitty kurz nach dem Frühstück zu ihm gekommen und hatte ihn gefragt, ob es denn stimmen würde, dass er und Rogue kein Paar mehr seien. Sie hatte ihm gesagt, dass es ihr Leid täte und er jederzeit mit ihr darüber sprechen könnte und dass es sie wirklich im ersten Moment geschockt hätte, da sie damit überhaupt nicht gerechnet hätte.

Piotr hatte ihm schließlich auf die Schulter geklopft und ihm nur gesagt, er kenne das Gefühl und wenn er mal etwas Ablenkung brauchen würde, dann könne er gerne mal vorbeischauen. Heute käme ein guter Film im Fernsehen.

Jubilee sagte ihm, sie hätte es von Syren erfahren. Er und Rogue täten ihr wirklich sehr Leid und sie wäre wirklich verwundert, dass sie sich getrennt hätten, denn sie hätte immer gedacht, bei ihnen wäre alles okay.

Warren war einer der wenigen, die sich indirekt dazu äußerten, und ihm nur sagte, er könne das Thema für Hanks Unterricht auch alleine bearbeiten, wenn Bobby „sich heute nicht dazu in der Lage“ sehen würde.

Auch Storm ließ nur nebenbei einfließen, dass sie es gehört hatte, als sie ihm sagte, er und Rogue bräuchten heute nicht mit in den Gefahrenraum, um dort zu trainieren und schließlich irgendetwas von Wolverine murmelte und wenn dieser zurückkäme (genau hatte Bobby sie nicht verstanden).

Wolverine hatte – was Bobby wunderte – nichts zu ihm gesagt, doch er hatte den stechenden Blick des älteren Mutanten auf sich gespürt. Allerdings hatte er ihn sonst weitestgehend ignoriert.

Dennoch hatte Bobby sich wirklich gewundert, woher sie alle das gewusst hatten. Gut, so etwas machte schnell die Runde, aber außer John hatte er es keinem erzählt und er konnte sich nicht vorstellen, dass Rogue, die sich bis dahin den ganzen Tag nicht hatte blicken lassen, es irgendwem außer Syren erzählt hatte.

Als sie dann später im Gefahrenraum trainiert hatten (Bobby hatte gedacht, etwas Abwechslung würde ihm gut tun, doch wirkliche Konzentration hatte er sich nicht abverlangen können, weshalb er einmal beinah von einer schweren Eisenstange erschlagen worden wäre), hatte er John darauf angesprochen.

Er hatte ihn kräftig am Arm zur Seite gezogen und ihn anfaucht, was das denn solle.

„Was soll was?“, hatte John ebenso wütend erwidert.

„Du hast allen das von mir und Rogue erzählt“, hatte Bobby erwidert und John ein wenig von sich gestoßen.

„Spinnst du? Ich habe es niemanden erzählt!“, hatte John zurückgekeift und nebenbei einen ihrer Angreifer verbrannt. „Ich bin keine Tratschtante, Drake. Such dir wen anders, dem du das in die Schuhe schieben kannst! Außerdem interessiert mich das nicht, was zwischen dir und Rogue läuft. Beziehungsweise wohl eher was da nicht mehr läuft!“

Bobby hatte die Augen gerollt und den Kopf geschüttelt. „Oh man, John, du bist so ein Arsch!“

„Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?!“

„Ach, halt einfach die Klappe!“ Mit diesen Worten hatte Bobby sich von ihm abgewandt.

„Du hast mich angesprochen, Drake!“

„Ja, kann schon sein, Allerdyce!“ Langsam war er von ihm weg gegangen.

„Das kann nicht nur sein, das ist so, und bleibst du wohl gefälligst stehen, wenn ich mit dir rede!“, hatte John ihm hinterher gebrüllt und er war stehen geblieben.

Doch irgendwie war nicht sein Tag gewesen. Alle die Ruhe, die er sonst an sich hatte, war auf einmal wie weggeblasen gewesen.

„Oh, kannst es wohl auch nicht haben, wenn man dich einfach stehen lässt, was, Johnny? Ich sag dir nur, das machst du immer, wenn du nicht reden willst oder deine Ego-Nummer durchziehen willst, ja, so ist das!“

„Was für ein Problem hast du eigentlich?“ Es war deutlich gewesen, dass John immer wütender geworden war. „Was hab ich eigentlich mit dem ganzen Scheiß zu tun? All die alten Kammellen, die du jetzt ausgräbst! Du hättest damals die Klappe aufmachen sollen, wenn dich mein Verhalten so gestört hat.“

Die Trümmer, die hinter ihm in dieser falschen Realität des Gefahrenraums, nur ein wenig am unteren Ende gebrannt hatten, hatten plötzlich lichterloh in Flammen gestanden.

„Ach, als ob du dich deswegen geändert hättest!“, hatte Bobby dann nur abweisend gesagt und hatte sich endgültig von John abgewandt.

„Da hast du allerdings Recht!“, hatte er den Feuermutanten noch hinter sich rufen hören, doch darauf hatte er nicht mehr reagiert.

Später am Tag war Rogue ihm noch kurz über den Weg gelaufen, doch bis auf einen ausweichenden Blick und die recht allgemeine Frage, ob er schon etwas für Hanks Unterrichtsthema getan hätte, hatten sie nicht viel Kontakt miteinander gehabt.

Damit hatte sich wieder seine Vermutung bestätigt, dass sie sich gestern nur tapferer gegeben hatte, als sie wirklich gewesen war. Oder vielleicht hatte sie auch erst später realisiert, was wirklich passiert war. Er konnte nicht nachvollziehen, was in ihr vorging. Doch er wusste, dass es ihm Leid tat, sie so zu sehen, dass es ihm Leid tat, was passiert war und dass es ihm Leid tat, dass sie kein Paar mehr waren. Zwar sah er ein, dass es besser so war, doch das machte es nicht gerade leichter. Immerhin hatten sie die letzten zwei Jahre miteinander verbracht und ihm lag immer noch viel an ihr.

Mit einem Blick auf die Uhr merkte er, dass in wenigen Minuten ein neuer Tag anbrechen würde, doch er konnte nicht die Ruhe finden, um sich hinzulegen und zu schlafen.

Aufrecht in seinem Bett sitzend und an die Wand gelehnt starrte er in dem beinahe fast gänzlichen dunklen Raum umher. Nur das Mondlicht, das durch die halb zugezogenen Vorhänge drang, spendete ein wenig bläulich-silbernes Licht.

Sein Blick kam schließlich auf Johns Silhouette in dessen Bett zu ruhen. Der Feuermutant lag mit dem Rücken zu ihm und Bobby konnte beobachten, wie sich die Bettdecke bei jedem Atemzug ein wenig bewegte.

Er fühlte sich schuldig, heute so mit John gestritten zu haben. Normalerweise waren Gespräche eigentlich andersherum verlaufen bzw. hatte John ihn angemault und Bobby entweder versucht, ihn zu beschwichtigen oder geschwiegen.

Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er im Moment für seine Verhältnisse so aggressiv reagierte, ganz besonders gegenüber John.

Natürlich ging ihm das Ende seiner und Rogues Beziehung nahe, ebenso wie seine Gefühle für John an ihm nagten. Und vielleicht war er indirekt wütend auf John, weil dieser ihn dazu gebracht hatte, Rogue so weh zu tun. Ihm war natürlich klar, dass John nichts dafür konnte, aber jedes Mal, wenn er ihn sah, erinnerte es ihn an das, was er Rogue angetan hatte und wie sie sich jetzt fühlen musste.

Und es erinnerte ihn daran, dass er für John etwas fühlte, was er für ihn, eigentlich für keinen Jungen, fühlen wollte. Und das Schlimmste daran war, dass er das Gefühl hatte, dieses Verlangen nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Er hatte sich John vorgestellt, während er mit Rogue geschlafen hatte. Es war für ihn immer noch unverständlich, wie ihm das passieren hatte können. Und er hatte Angst, dass er noch mehr Schaden anrichten könnte. Das ihm irgendwann so etwas vor John passieren und ihn damit entlarven könnte.

Er könnte es ihm natürlich auch einfach sagen, doch… nein, das wollte er nicht. Er hatte keine Ahnung, wie John darauf reagieren würde. Er war sich zwar sicher, dass John generell nichts gegen Homosexuelle hatte, doch es war ein Unterschied, ob man nur allgemein damit konfrontiert wurde oder ob der beste Freund, von dem man dachte, er sei an Mädchen interessiert, sich plötzlich einem zuwandte.

Nein, er würde es ihm nicht sagen.

Er konnte nur hoffen, dass diese Gefühle irgendwann wieder verschwinden würden, so wie seine Gefühle für Rogue langsam abgeschwächt waren.

Allerdings hatte es zwei Jahre gebraucht, um das zu realisieren und zwei Jahre waren eine lange Zeit.

Er wandte seinen Blick wieder von dem schlafenden John ab.

Seine Gedanken wanderten zurück zu Rogue.

Sie war seine erste richtige Freundin und die Zeit mit ihr war wirklich schön gewesen.

Er fühlte sich umso schuldiger, dass es nun so hatte enden müssen.

Er wusste, dass ihre Gefühle für ihn auch nachgelassen hatten, doch das wohl kaum ein Trost dafür, dass ihm nun noch so etwas passiert war.

Vielleicht sollte er sie einfach mal ansprechen. Vielleicht sollten sie darüber reden.

Aber vielleicht sollte er sie auch lieber in Ruhe lassen und warten, bis sie den Schritt von sich aus machte.

Seufzend ließ er sich auf den Rücken sinken.

Dies würde wieder eine schlaflose Nacht werden.
 

TBC
 

Ich hoffe, es hat euch gefallen.

Der Titel heißt zwar "Der Tag danach", aber wie ihr sicher gemerkt habt, behandelt es auch noch einige Stunden nach dem Gespräch zwischen Bobby und Rogue nach dem sechsten Kapitel. Es sollte vor allem auch die Niedergeschlagenheit der beiden zeigen und ich hoffe, dass ich den Fehler, den ich mir mit dem Ende von Kapitel 6 immer noch nicht verzeihen kann [dass Rogue zu "locker" war], damit wenigstens etwas beschwichtigen konnte.

Der Titel ist übrigens relativ spontan entstanden und daher nichts Besonderes. Ich bin auch gerade erst mit dem Kapitel fertig geworden. Daher... solltet ihr Fehler gefunden haben, dann ignoriert sie bitte ^^"
 

Bis zum nächsten Kapitel dann, wobei ich hoffe, dass dieses etwas schneller kommt. Versprechen kann und will ich aber nichts.
 

motte



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  JoeyB
2008-11-12T18:12:13+00:00 12.11.2008 19:12
Hi,

wie immer kommt mein Kommentar ziemlich spät... Tut mir Leid^^

Es ist schon ärgerlich, wenn man sich von jemandem getrent hat, den man immer noch mag. Wenn man die Person danach hassen kann, ist das ja nicht so tragisch, aber so... Es muss echt schlimm für Bobby sein, Rogue so verletzt zu haben.
Und ja: Du hast die kleine Ungereimtheit aus dem letzten Kapitel gut beseitigt. Rogue hat mir in dem Kapitel richtig Leid getan. Gerade deshalb fand ich es unheimlich stark von ihr, dass sie sich nicht komplett bei Logan ausgeheult und ihm erzählt hat, was passiert ist. Sie hätte da ja eine unheimlich große Story draus machen können, wenn sie überall herumerzählt, dass Bobby auf John steht. Natürlich wäre es einerseits peinlich für sie gewesen, aber wenn sie nur auf ihn aufmerksam macht, wäre er wohl eher im Mittelpunkt des Interesses gewesen - und hätte auch ziemlichen Ärger mit John bekommen. Sie hätte sich also gebrührend rächen können - hat sie aber nicht. Das macht sie für mich sehr sympathisch, obwohl ich eignetlich kein Rogue-Fan bin. Ich mag ja auch Logan nicht besonders, obwohl er in diesem Kapitel toll war. Das ist irgendwie interessant: Rogue und Logan sind beide nicht OOC und ich mag sie hier trotzdem. Wie machst du das bloß?
Bitte schreib' niemals eine FF über Bellick, sonst fange ich noch an, ihn zu mögen *lach* Achja, die dritte Staffel von PB ist jetzt raus - hab ich dir das schon gesagt? Ähm, ich weiche vom Thema ab *hust*
Zurück zu Logan und Rogue: Ich fand es süß, wie er mit ihr gesprochen und sie ein bisschen getröstet hat. Vor allem, als er stolz festgestellt hat, dass er ja doch ein pädagogisches Genie ist xD Niedlich!
Allerdings hab' ich noch eine Frage zu Logan: Hat er wirklich so scharfe Sinne? ich dachte, er hätte eigentlich nur Selbstheilungskräfte.

Hach, was ist John bloß für ein unsensibles Etwas... Eigentlich sollte er seinen besten Freund irgendwie trösten oder so.
Ich an Bobbys Stelle hätte übrigens Warrens Angebot angenommen *gg* Aber vermutlich ist Bobby nicht so ein Faulpelz wie ich u.u
Ich bin aber mal gespannt, wie es mit Bobby und John weitergeht.

An einer Stelle hast du eine kleine Dopplung gehabt: "immer wieder hochblickende Blicke".
Aber sonst war das Kapitel richtig toll geschrieben :D So wie immer also *gg*
Und es war so schön lang~ :3 Wunderbar!!

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel :D
*knuddl*
Joey
Von:  Murtagh
2008-10-27T14:34:48+00:00 27.10.2008 15:34
Ahhh, wieso machst du es so spannend, das ist so grausam, XD
Ich warte schon händeringend auf die erste Annäherung, <3

Aber Spass beiseite, ich finds gut, dass es nicht so schnell geht, ;)

Und mir tut John leid, der Arme, er kann doch nichts dafür, XD
Von:  Vampire-Hero
2008-10-27T12:21:22+00:00 27.10.2008 13:21
Nu das war heftig, Bobby wird sich bestimmt mies fühlen und kann vielleicht John nicht mehr in die Augen sehen. Aber ob das so einfach ist? Warten bis das Gefühl schwindet und alles so wird wie früher? Na mal sehen was passiert und ob nicht John derjeneige ist, der ihn frontal damit konfontriert oder ihm gar überrumpelt beim ersten Schritt. Dann könnten sie sich aussprechen und alles würde gut werden... Ja, wenn das so kommt, aber vielleicht hast du da schon was anderes im Sinn, weswegen ich gespannt aufs nächste Chap bin und auch wies mit Rouge weitergeht. Logan war sehr einfühlsam und es könnte tatsächlich was zwischen sie werden, da es im ersten Film schon so schön zu sehen war, wie zwischen den beiden etwas sein könnte ^_^

LG
Vampire
Von: abgemeldet
2008-10-26T23:48:47+00:00 27.10.2008 00:48
Ich hätte es nicht lesen dürfen...
Bin seit 3 Stunden Single -.-
Wirklich, das Kapitel war böse...

Aber vom Inhalt her hat sich das Warten gelohnt, geschrieben war es wirklich gut^^


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