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Die Augen des Pharaos

Atemu X Seth
von

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Ruhe vor dem Sturm

Kapitel IX
 

Seth konnte es kaum fassen. Was war mit dem kleinen Sonnenschein Atemu passiert? Sicher, der Verlust der Familie war ein harter und unfairer Schicksalsschlag, zusammen, mit dem Amt, welches er nun inne hatte… und das in seinem Alter.

Als er Atemu für einen kurzen Augenblick in die Augen gesehen hatte, erschrak er. Die Augen des Pharaos waren leer. Sie versuchten, niemanden hinter die eiserne Maske und in seine Seele blicken zu lassen.

Seth jedoch hätte noch nicht einmal in seine Augen blicken müssen, um zu sehen, dass sich Atemu geändert hatte.

Was war während der Zeit seiner Abwesenheit nur geschehen? Was hatten diese Heuchler aus dem einst fröhlichen und sorglosen Kind gemacht?

Er war zu jemandem geworden, den Seth nicht wieder erkannte. Er vermisste den kleinen quirligen Kerl, den er damals sofort ins Herz geschlossen hatte, weil er einfach ein Sonnenschein war. Überall wo er war, herrschte Glück und Zufriedenheit. Doch jetzt?

Natürlich war das Volk noch immer sehr glücklich, insbesondere da Atemu der Herrscher war, doch machten sich diese Leute auch nur einmal Gedanken darum, wie es in ihrem Pharao aussehen könnte?

Nein, natürlich nicht. Wie sollten sie das auch einschätzen? Sie sahen ihn schlicht und ergreifend zu wenig, um zu verstehen, dass es auch ihm schwer fiel sein Leben normal zu leben. Scheinbar niemand war für den Pharao da gewesen, um ihn über den Verlust hinweg zu trösten.

Nachdenklich folgte er der Dienerin, die ihn zu seinem Zimmer brachte.

Dort angekommen, machte er es sich auf dem Bett gemütlich.

Ja, dieser Raum war von der herzlichen Königsfamilie bestückt worden. Man merkte es einfach. Dieser Raum strahlte eine Wärme aus, wie er es selten zu Gesicht bekam. Und auch, wenn dieses Zimmer eigentlich nicht seinem Stand gebührend war, so fühlte er sich hier doch sehr wohl.

Würde er überhaupt in einem anderen Zimmer wohnen wollen?

Gerade als er kurz davor war, ins Reich der Träume abzudriften, hörte er, dass draußen auf dem Flur eine hitzige Diskussion statt fand.

Neugierig wie er war, stand er auf und huschte zu seiner Türe, schob den Vorhang ein Stück beiseite und schaute hinaus.

Dort stand ein scheinbar hochrangiger des Vertrautenstabes des Pharaos und schien sich mit einer Wache zu streiten. Warum nur?

„Ich habe es Euch schon gesagt. Ihr dürft in der nächsten Zeit den Palast nicht betreten. Befehl des Pharaos.“, sagte die Wache ganz sachlich, was das Ratsmitglied nur noch wütender werden ließ.

„Was fällt diesem Bengel eigentlich ein?! Gerade mal 24 Monde im Amt, und schon meint er, er wäre derjenige, der über alles urteilen könnte!“, beschwerte er sich. Die Wache zuckte die Schulter.

„Ich denke schon, dass er das tun darf. Immerhin ist er der Pharao, und somit Herrscher über Ägypten.“, verteidigte sich Atemu nun selbst, und Seth stockte für einen Moment der Atem beim Anblick des Pharaos.

Zwar hatte er eine ganz normale Robe an, wie ein jeder, der im Palast dienlich war, doch Atemu sah darin einfach nur… atemberaubend aus.

Die bronzefarbene Haut, die schmale und doch imposante Statur des Herrschers, in Verbindung mit diesen wunderschönen Augen, ließen den Hohepriester schwach werden.

Plötzlich schoss ihm die Röte ins Gesicht.

Was dachte er denn da?

Warum sollte er, bei dem Anblick eines Mannes, schwach werden?

War er sich denn überhaupt sicher, dass Atemu ein Mann war? Nicht wirklich, wenn er ehrlich war. Aber was sollten diese Hirngespinste?

Er hatte sich lediglich gefreut den Pharao endlich wieder zu sehen, und jetzt so was?

Was dachte er denn da nur? Natürlich mochte er Atemu, immerhin war dieser eine erstaunliche Persönlichkeit und nebenbei auch noch der Herrscher Ägyptens. Natürlich fühlte man sich zu so einer Person hingezogen.

Ja, zu der Person, nicht zu dem Status, sagte eine leise Stimme in ihm.

Plötzlich schüttelte der Hohepriester sich und starrte dann wieder gebannt auf die Szenerie, die sich vor ihm abspielte.

„Wo kommt ihr denn her, oh Pharao?“, schluckte das Ratsmitglied.

Atemu sah einmal über seine Schulter und schaute sein Gegenüber dann wieder an.

„Ich vermute aus der Richtung.“, zeigte er mit dem Daumen über die Schulter. Die Wache musste sich ein Kichern verkneifen und auch Seth schmunzelte über diese Geste.

Allerdings brachte dieses Verhalten das Ratsmitglied nur in ein noch höheres Stadium der Wut.

„Ach so, natürlich. Was gibt es denn, Pharao?“

Atemu hob eine seiner Brauen in die Höhe und schaute zu dem Kerl hinauf, der gerade allen ernstes versuchte, ihn zu beleidigen und sich dann aus der Sache raus zu reden, nur um seinen Status im Rat bei zu behalten?

Na so ein Spiel konnte er auch spielen. Er hatte mit seinem Rat wirklich gute Kameraden gefunden, die ihn durch ihr Verhalten sensibel für Betrügereien aller Art gemacht hatten. Und immer diese Art, dass sie ihn ach so vergötterten und insgeheim schon darüber nachdachten, wie sie ihn vom Thron bekamen. Als ob er das noch nicht mitbekommen hätte. Er seufzte imaginär.

„Hm, lass es mich so ausdrücken: Deine Unverfrorenheiten mir gegenüber passen mir nicht so recht. Ich werde dich mit sofortiger Wirkung aus deinem Amt entlassen. Natürlich wirst du zuerst noch einen Monat arbeiten, wie ich es zuvor beschlossen habe. Aber danach bist du deine Arbeit hier im Rat ein für alle mal los. Und nun, geh mir aus den Augen.“, sagte Atemu wie beiläufig und beobachtete die Reaktionen, die sich auf dem Gesicht seines Gegenübers abspielten, und von denen man lesen konnte, wie aus einem offenen Buch.

Zuerst erschien ein überhebliches Grinsen auf dem Gesicht des Ratsmitgliedes, welches schnell einer Leichenblässe glich, um sich dann in Puterrot – vermutlich aus Wut – zu verwandeln.

„Aber Pharao, das könnt ihr nicht machen…“, begann er zu stottern, doch Atemu schenkte ihm einen erbarmungslosen Blick.

„Ich kann sehr wohl, und ich werde. Und zwing mich bitte nicht dazu, mich zu wiederholen, sonst endet alles vielleicht anders, als du denkst.“ Der Pharao nickte der Wache zu, und wollte gerade an dieser vorbei gehen, als ihn sein ehemaliges Ratsmitglied am Arm festhielt.

„Das werdet ihr noch bereuen, Pharao! Ihr werdet dieses Reich nicht lange führen, das verspreche ich Euch!“

„Soll das eine Drohung sein?“, fragte Atemu gelangweilt. Imaginär setzte er einen weiteren Strich an seine Strichliste: »Wie viele Menschen wollen dich tot sehen?«

Derzeit waren es knapp an die dreißig, aber er war sich sicher, dass diese Zahl noch steigen würde, auch wenn es wirklich nur wenige Menschen in Anbetracht der Bürgerzahl waren. Aber das war nun mal das Los eines einsamen Herrschers. Es war egal, ob es eine gemeinschaftliche Entscheidung war etwas um zu setzten: Schuld war immer der Pharao. Und dadurch war er eine Person, auf die man seine Wut projizieren konnte. Aber er hatte sich daran gewöhnt. Ähnlich wie sein Vater damals.

Erneut sah er den Kerl an, der noch immer seinen Arm hielt.

„Solltet ihr nicht allmählich mal meinen Arm los lassen? Ich mag das nicht sonderlich.“, stellte er ohne eine Gefühlsregung in der Stimme klar.

Missmutig wurde Atemus wieder frei gegeben, und dieser bahnte sich seinen Weg durch den Palast.

„Wartet Pharao, wo ist euer Diener?“, rief die Wache ihm hinterher, doch Atemu hob beschwichtigend die Hand und winkte ab, ließ sich nicht von seinem Weg abbringen.

Und Seth war sprachlos. Das Atemu einen starken Willen besaß, das wusste er ja, aber das er trotz seiner geringen Körpergröße, jemandem wie diesem Riesen aus dem Rat, Angst einflößen konnte… nicht schlecht. Er selbst hätte nicht in der Haut des anderen Mannes stecken wollen, so viel stand fest.
 

Innerlich kochend, ging Atemu durch den Palast. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Nur, weil er noch so jung war und noch nicht die Erfahrung hatte wie Akunamkanon, hieß das noch lange nicht, dass man ihn beliebig herumschubsen konnte.

Und er konnte auch verdammt noch mal auf sich selbst aufpassen. Wie er dieses Überwacht-werden doch hasste! Warum konnte er nicht frei wie ein Vögelchen sein, und über all diese Lappalien lachen? Nein, er steckte mittendrin, und musste dafür sorgen, dass alles in geregelten Bahnen lief. Sonst würde man ihn wieder verantwortlich machen.

Müde schleppte er sich in sein Privatzimmer, fernab des Throns und fernab der Wachen. Zwar würde die ein oder andere Wache auch hier herum geistern, aber meist taten sie ja nichts.

Außer dieser eine Junge, der erst seit kurzem auf ihn aufpasste. Er war vielleicht zwei Jahre älter als Atemu und doch war er so erwachsen irgendwie.

Nichts desto trotz fühlte er sich in der Gegenwart dieses Jungen nicht wohl. Er schien etwas Böses an sich zu haben, etwas das Atemu noch nicht einwandfrei identifizieren konnte.
 

Er legte sich auf das Bett und hing seinen Gedanken nach. Er hatte sich den Rest des Tages frei genommen und freute sich auf das gemeinsame Essen mit Seth, auch wenn er ein wenig Angst davor hatte, dass dieser eventuell durch seine Maske schauen könnte. Aber er müsste einfach lernen, Seth nichts zu zeigen. So erbarmungslos wie die letzten Jahre. Ohne Gefühle.

Er würde es schaffen…
 

Der Abend kam schneller als gedacht, stellte Seth fest, als er von einer der Dienerinnen sanft geweckt wurde. Ihr schien es wohl peinlich zu sein, mit einem Mann in einem Raum zu sein. Ihr Gesicht war von einem Rotschleier überzogen, und schüchtern lächelte sie den Hohepriester an.

„H-Hohepriester Seth, das Dinner ist serviert. Der Pharao erwartet euch bereits.“, sagte sie mit einer fiepsigen Frauenstimme, die für Seths Geschmack ein wenig zu hoch klang.

Mühsam stand er auf und streckte sich. Ja, der Schlaf hatte gut getan, da konnte er Atemu nur zustimmen.

Er sah das Mädchen an. Scheinbar wartete sie darauf, ihn zu begleiten, was natürlich logisch war, in Anbetracht der Tatsache, dass er sich hier gar nicht auskannte. Und sein letzter Besuch lag auch schon einige Jahre zurück.

So folgte er ihr stillschweigend und war irgendwie nervös, allein mit Atemu zu sein.

Als die Dienerin ihm lächelnd bedeutete einzutreten, tat er dies.

Er erblickte einen Tisch, der reichlich gedeckt war, und der mit Sicherheit einer ganzen Armee Platz und vor allem Essen gegeben hätte.

Aber er war allein mit Atemu.

Als dieser Seths erstaunten und fragenden Blick sah, antwortete er:

„Keine Sorge. Die Anderen Bediensteten kommen im Anschluss an unser Gespräch hierher und werden dann dinieren.“

Seth nickte nur geistesabwesend. Er schluckte schwer und sein Hals fühlte sich auf einmal völlig ausgetrocknet an.

Hatte er sich das eingebildet, oder klang die Stimme des Pharaos rauer als sonst?

Irritiert sah Atemu Seth an. Was war denn nur los mit dem jungen Mann?

„Ist alles in Ordnung, Seth?“, fragte er sanft nach, und war selbst überrascht, das die Worte sich so … besorgt anhörten.

Erneut nickte Seth. „Ja, alles in bester Ordnung.“

„Dann ist ja gut.“, pflichtete Atemu ihm bei, und bedeutete ihm, sich endlich zu setzen.

Wie von selbst trugen Seths Beine ihn zu Atemu, neben dem er sich schweigend niederließ.

So langsam machte er sich selbst Angst. Das war doch nicht normal, dass er so reagierte, nur weil Atemu in seiner Nähe war.

„Ich,… es freut mich, dass ich endlich an eurer Seite sein darf, Pharao. Die letzten Jahre habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als euch wieder zu sehen, und dem Alltag der Priesterausbildung zu entfliehen.“, sprudelte es aus Seth heraus.

„Danke, es freut mich, dass du so denkst, Seth.“, antwortete Atemu wahrheitsgemäß und irgendwie hatte er das Gefühl, dass all die Bürden, die er derzeit zu tragen hatte, wahrscheinlich gar nicht so schwer sein würden, zukünftig, mit Seth an seiner Seite.

Ja, wahrscheinlich war es sogar gut gewesen, sich einen Hohepriester auszusuchen. Zumal solch einen, mit solchen Kompetenzen!

„Aber natürlich denke ich so, Pharao. Wenn man nur sieht, wie die Leute des Rates versuchen, sich bei euch einzuschmeicheln, um im nächsten Moment ein Attentat auf euch zu planen… Grauenhaft.“

Atemu sah ihn für einen kurzen Moment verständnislos an. Dieser Mann war gerade einmal einen halben Tag im Palast und hatte die Intrigen des Rates ihm gegenüber bereits durchschaut? Wie konnte das sein? Alle anderen waren diesen Heuchlern auf den Leim gegangen, nur Seth nicht. Er konnte es einfach nicht verstehen…

„Ist alles in Ordnung, Pharao?“, fragte Seth noch einmal besorgt nach, was Atemu aus seiner Starre weckte.

„Ja, alles in Ordnung. Ich war lediglich überrascht, dass du die wahren Absichten des Rates bereits nach einem halben Tag herausgefunden hast. Dafür haben meine anderen Bediensteten bzw. Beschützer, wesentlich länger für gebraucht. Ich bezweifle sogar, dass sie es herausgefunden haben.“, antwortete er seufzend.

Dann sah er Seth an.

„Seth? Würdest du mir zwei Gefallen tun?“

Innerlich spannte der Hohepriester sich an.

„Was immer ihr wünscht, Pharao.“, kam die loyale Antwort.

„Meine erste Bitte lautet: Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst.“

Für einen Moment herrschte Stille, ehe Seth antwortete:

„Das darf ich leider nicht, Pharao.“

„Und ob du das darfst! Ich bin der Herrscher hier, und es schert mich herzlich wenig, was der Rat meint und sagt. Niemand kann sich vorstellen wie es ist, sein ganzes Leben lang bewundert zu werden, ohne, dass man diesen Leuten ins Gesicht sehen darf. Also bitte ich dich: Sieh mich an Seth. Bitte, wenigstens einen Menschen möchte ich an meiner Seite haben, der mich so sieht wie ich bin. Nicht als Herrscher. Nicht als Oberhaupt dieser Stadt. Nicht als den Sohn einer Gottheit. Sieh mich bitte als normalen Menschen…“ Hatte Atemu zu Beginn in einer lauten, autoritären Stimme gesprochen, war er gegen Ende immer leiser geworden, und Seth hatte das Gefühl, dass er Verzweiflung heraus gehört hatte.

Seufzend gab er nach.

„Also gut, ich werde euch ansehen.“

„Wirklich?“

„Ja.“ Und der blauäugige sah seinen Herrscher an. Für einen Moment schien die Zeit für beide still zu stehen.

Atemu durchströmte ein unbeschreibliches Glücksgefühl und Seth versank in den Augen seines Gegenübers. Wahrlich, solch eine Augenfarbe hatte etwas Göttliches.

„Was ist euer zweites Begehren, Pharao?“, fragte er Atemu ins Gesicht. Diesem hüpfte das Herz freudig bis zum Hals, und sein Puls jagte in die Höhe. Er wurde angesehen.

Nach 24 Monden, die er jetzt hatte allein verbringen müssen, sah ihn endlich wieder jemand an. Und es war niemand aus der Familie!

„Oh, ach so, ja… Seth,… ich… meine zweite Bitte lautet: Nenn mich bitte Atemu. Du bist bald der Mann an meiner Seite, der mir von der Macht her vermutlich irgendwann ebenbürtig sein wird, wenn nicht sogar stärker, mir aber dennoch gehorchen muss. Du bist mein Berater, meine rechte Hand. Wenn es dir also nichts ausmachen würde…“

„Überhaupt nicht! Ich würde euch sehr gern bei eurem Vornamen nennen, aber das Gesetz…“

„Lass das mal meine Sorge sein. Ach ja, und noch was: Sieze mich bitte nicht mehr. Ich bin Atemu.“, lächelte der Herrscher Ägyptens und hielt seinem Hohepriester die Hand hin.

Seth, der sich ein wenig überrumpelt fühlte, nahm die schmale Hand des Herrschers in die Seine. „Seth.“, entgegnete er geistesabwesend.

Atemu lächelte ihn voller Wärme an, und damit war der Grundstein einer Vertrauensbasis gelegt, die in Zukunft nur stärker werden sollte.
 

Mittlerweile waren einige Wochen ins Land gezogen.

Seth hatte sich gut eingelebt und schon erste Pflichten wurden ihm übertragen, die er zu Atemus vollster Zufriedenheit erledigte.

Sie beide hatten viel Zeit miteinander verbracht, allein wegen der Arbeit. Bei Treffen mit dem Volk oder mit dem Rat, war Seth stets dabei. Während es die Bürger nicht störte, dass es noch einen weiteren Zuhörer gab, wurde der Rat langsam aber sicher ungeduldig.

Dies war auch der Grund für jenen ereignisreichen und wichtigen Tag, den die Nachwelt wohl niemals erfahren würde…
 

Der Hohepriester lief gerade, mit einer ausgerollten Pergamentrolle vor der Nase, durch den Palast um zum Thronsaal und somit zu seinem nächsten Termin zu gelangen.

Mittlerweile kannte er sich hier hervorragend aus und brauchte somit auch nicht darauf zu achten, wo er herlief.

Kurz vor der Türe zum Thronsaal stoppte er. Kurz nickte er den Wachen zu, ehe diese ihm die schwer verzierte Holztür öffneten.

Seit Seth mehr oder weniger sein Amt bekleidete, hatten die Wachen es aufgegeben, ihm zu sagen, dass der Pharao in einem Gespräch war. Seine bescheidene Antwort hatte geheißen: „Weiß ich, und gerade weil dem so ist, möchte ich da jetzt gerne rein. Immerhin bin ich die rechte Hand des Pharaos, falls ihr dies vergessen habt.“

Und so war er stets hinzu gekommen, was Atemu ja auch von ihm verlangte. Sie beiden scherzten immer über den ach so strengen Rat und Seth hatte gemerkt, dass es damals die richtige Entscheidung gewesen war, sich bei der Hohepriestersuche einzuschreiben. Sie beide verband etwas, das spürte er.

„… und deswegen verlange ich, dass das Ritual sofort durchgeführt wird, Pharao. Es kann nicht sein, dass Ranghohe des Rates oder Bedienstete, auf jemanden hören müssen, der noch nicht einmal offiziell im Amt ist!“, beklagte sich der neugewählte Ratschef.

Atemu sah sich diesen Mann an und hörte ihm auch zu, aber allmählich ging ihm dieses Geplänkel auf die Nerven. Ja, Seth und er hatten noch keine offizielle Prüfung abgelegt, aber nichts desto trotz, hatte er Seth zu seinem Hohepriester ernannt. Und was der Herrscher entschied, hatte für gewöhnlich auch Gewicht.

„Nun mal langsam. Ja, wir hatten noch keine Prüfung, aber wann hätten wir das tun sollen? Während wird über die Steuern debattierten? Während wir uns unsinnige Vorschläge von Seiten des Rats angehört haben? Also, sag mir bitte nicht, wann ich was zu erledigen habe. Noch bin ich hier der Pharao, wenn ich mich recht entsinne.“ Als er geendet hatte, sah er, das Seth am Türrahmen stand und ihrer Diskussion lauschte. Schmunzelnd hob er den Arm und winkte den Hohepriester zu sich.

Auch Seth schmunzelte und ging zu Atemu hinüber.

„Ja, was gibt es?“ Seth hatte aufgehört, Atemu vor Anderen zu Siezen, denn immer, wenn er das getan hatte, hatte er auf seltsame Weise Bekanntschaft mit Atemus Fuß gemacht, der leidenschaftlich auf dem seinen stand und quetschte, was das Zeug hielt. Oder aber er hatte den Ellbogen des Pharaos in den Rippen gespürt, oder ähnliche Sachen.

Nach einer Woche voll solcher Torturen, hatte er sich angewöhnt, ihn auch vor den Ratsmitgliedern und Bürgern zu Duzen.

Atemu hatte daraufhin zufrieden gegrinst und genoss die Tatsache, dass ihn wenigstens einer duzte, abgesehen von Mana, Jusa und deren Familie.

Atemu sah ihn an und sprach: „Seth, der Rat wird ungeduldig und verlangt, dass wir die Prüfung, die uns bevorsteht, so bald wie möglich machen, da sie es nicht akzeptieren, dass du so ein hohes Amt bekleidest, obwohl du noch nicht „offiziell im Amt“ bist.“

Seth schwieg für eine Minute. Er konnte die Bedenken des Rates irgendwo verstehen, andererseits hatte er selbst keine Ahnung, was ihn erwarten würde und war daher ganz froh gewesen, dass Atemu die Prüfung immer ein wenig hinauszögerte.

Das Ratsmitglied knurrte leicht, ehe er den Beiden ein Ultimatum stellte:

„Wir, der Rat, haben mit anderen Hohepriestern, die das Vertrauen eures Vaters genossen haben, gesprochen. Laut den Aussagen der Hohepriester, muss die Prüfung während einer mondlosen Nacht vollführt werden…“

„Moment! Die nächste mondlose Nacht…“, unterbrach Atemu.

„Ja, die nächste mondlose Nacht ist heute. Ihr habt Recht, Pharao. Daher verlangen wir, dass ihr die Prüfung heute Nacht ablegt. Wenn ihr die Prüfung besteht, dann werden wir euch nicht weiter behelligen und akzeptieren eure Entscheidung, was den Hohepriester Seth anbelangt. Wenn nicht, nun… ihr kennt das Gesetz, wird der Hohepriester seine Schwierigkeiten haben, auf euch aufzupassen und die ihm übertragenen Aufgaben, zu erledigen.“

Atemu und Seth sahen einander für einen kurzen Augenblick an, ehe Atemu seufzte und ein „So sei es.“, aussprach.

Etwas überrascht blinzelte der Antragsteller seinen Herrn an.

„Und… ihr seid nicht dagegen? Ihr wollt euch nicht herausreden?“

„Gegenfrage: Was würde es bringen?“

Betretenes Schweigen kehrte ein, ehe Atemu sich erhob.

Er winkte einen weiteren Diener heran und sprach: „Sage alle Termine, die für heute anstehen, ab. Egal wie dringlich. Sollte jemand Einwände haben, dann weise sie bitte darauf hin, dass der Rat dem Pharao ein Ultimatum gestellt hat. Danke.“ Dann sah er noch einmal das Ratsmitglied an.

„Wann genau soll die Prüfung stattfinden, und wo?“

„Die Hohepriester sagten, sie würden euch, sobald die Sonne im Zenit steht, abholen, da es wohl etwas dauern wird, ehe der Ort der Prüfung erreicht ist.“, schloss der Angesprochene.

Seth war ein wenig mulmig bei dem Gedanken an die Prüfung. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde. Gut, er wusste, dass es darum ging, wie sehr er sich für Atemu einsetzen würde, doch ob das alles war…? Was würde Atemus Aufgabe werden?
 

Gegen Mittag waren die Beiden bereit.

Die Hohepriester hatten ihnen nahe gelegt, eine eigens für die Prüfung vorgesehene Robe anzuziehen. Sie sollte dem Sonnengott Ra anzeigen, dass diese beiden ihm gegenübertreten und von ihren Fähigkeiten überzeugen wollten. Allerdings mussten sowohl Atemu als auch Seth eine Art Mantel anziehen. Laut Aussage der Hohepriester durften sie die Robe des jeweils anderen erst während der Prüfung zu Gesicht bekommen, denn dies sei wohl ein entscheidender Punkt um das Band der Beiden zu prüfen. Nichts desto Trotz war es eine Zumutung bei der Hitze des Mittags.

Gemeinsam mit fünf weiteren Hohepriestern und einem halben Dutzend Wachen, machte sich die kleine Gruppe auf den Weg. Die Hohepriester ritten vor, gefolgt von Atemu, der wiederum rechts neben sich Seth hatte und um sie beide herum verteilten sich die Wachen. Eingekesselt, dachte Atemu Zunge schnalzend.
 

Der Ritt endete nach einer gefühlten Ewigkeit und sie fanden sich weit weg vom Palast, in der Wüste Ägyptens wieder. Vor ihnen erstreckte sich der Nil und reflektierte gierig die restlichen Strahlen der untergehenden Sonne.

Als sie von ihren Pferden abstiegen, spürten sie den warmen Sand unter den leichten Sohlen ihrer Schuhe und Atemu fühlte sich zu Hause.

Er liebte dieses Land, liebte die Wärme, den Sand, einfach alles, was Ägypten zu bieten hatte.

Und er würde alles für dieses Land tun. Der nächste Schritt dafür war, Seth offiziell zu seinem Hohepriester zu ernennen, nachdem sie die Prüfung seines Göttervaters erfolgreich gemeistert hatten.

Sie folgten den Hohepriestern die zu einem verlassenen Tempel gingen.

„Seit wann steht der denn hier?“, fragte Atemu und erntete einen überraschten Blick von seinem Hohepriester.

„Atemu, der war schon immer hier. Das ist der Tempel, in dem diejenigen, die nicht an die guten Götter glauben, zu den Bösen beten.“

„Und dafür gibt es extra einen Tempel? Warum sind wir hier?“

„Ja, den gibt es. Eigentlich gibt es für jede Gottheit einen Tempel, falls es dir entfallen sein sollte…“

„Angeber…“, kam die gekränkt gespielte Antwort des Herrschers. Seth lächelte sein Herzensbrecher-Lächeln und der Marsch ging weiter.

„Da sind wir.“, wandte sich der älteste der mitgereisten Hohepriester an die Beiden.

„Hier wird sich entscheiden, ob du, Seth, der Richtige an der Seite des Pharaos bist. Ob du bereit bist, ihm immer dienlich zu sein, und alles dafür tun würdest, um deinen Herrscher zu beschützen. Und Pharao, auch ihr habt eine Aufgabe, bei der ihr euch entschieden habt, die Hilfe eines Hohepriesters in Anspruch zu nehmen. Ihr seid euch bewusst, dass es von nun an keine Geheimnisse mehr zwischen euch geben wird und ihr einander blind vertrauen müsst, um das Land erfolgreich in eine glorreiche Zukunft weisen zu können. Ra wird euch heute einige Aufgaben stellen, die ihr mit Verstand, Herz und Vertrauen meistern müsst.

Solltet ihr euch in eurer Entscheidung getäuscht haben, mein Herr, dann seid euch im Klaren, dass derjenige, der darunter leiden wird, Seth sein wird. Ihr mögt dann vielleicht etwas eurer Glaubwürdigkeit einbüßen, aber Seth würde als Gespött, ja, als eine Art Ausgestoßener gelten.“

„Dazu wird es nicht kommen.“, sagte Atemu entschlossen. Zufrieden nickte der alte Mann.

„Wir werden jetzt unser Lager aufschlagen Pharao. Wie ihr wisst, ist es gefährlich des Nachts in der Wüste unterwegs zu sein.“

„Ja, das weiß ich. Wie kann ich helfen?“

Seth musste sich ein Kichern verkneifen. Das war ja wieder so typisch für Atemu!

Wollte als Herrscher Ägyptens dabei helfen, das Nachtlager vorzubereiten.

„Ich denke Atemu, wir zwei sollten uns noch ein wenig auf unsere Prüfung vorbereiten. Unser Handeln abstimmen und so was. Wer weiß, was uns erwartet.“, zwinkerte der hochgewachsene junge Mann und Atemu schürzte enttäuscht die Lippen. Wieder durfte er nicht helfen… aber die Prüfung war ja nun mal auch wichtig, also sammelte er sich und nickte Seth zu.

Die Beiden setzten sich in den Sand und sprachen über Dinge, die Möglicherweise relevant für ihre Prüfung hätten sein können, doch nie hätten sie im Traum daran gedacht, dass Ra ihnen solch eine Prüfung bescheren würde...
 

*~*tbc*~*
 

A/N:
 

Hallo ihr Lieben :),
 

jaaaa, ich lebe auch noch *Schande über mich*

Eigentlich hatte ich vor gehabt, die Weihe mit in dieses Kapitel zu bringen aaaaaber, da ich selbst noch nicht ganz schlüssig bin, wie die Aufgabe der Beiden letztendlich aussehen wird, müsst ihr euch mit dem Rumgeplänkel hier zufrieden geben, gomen ne *verneig*

Ich hätte ja auch noch gewartet, aber als ich grad das Datum des letzten Updates gesehen hab, dachte ich "Oh,... dann musst du das Pitel wohl doch stückeln"

Und so kommt es, dass ihr die 7 Seiten die ich schon hab, jetzt lesen konntet. Ich bemühe mich, dass ihr die Weihe noch in diesem Jahr lesen könnt, versprochen, aber in 2 Wochen muss ich erst meine Klausuren schreiben, und dann sehen wir weiter.
 

(Ich hoffe, es interessiert sich überhaupt noch jemand hier für >.<)
 

Okay, dann bis demnächst, und noch ein herzliches Dank an Euch, ihr treuen Leser und Schreiber ;)
 

LG

grummel_chan



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2013-10-12T21:59:28+00:00 12.10.2013 23:59
Hallo (◑‿◐)

das war toll. Ich mag es, wie schnell Seth doch alles durchschaut hat und wie er seinem Atemu helfen kann. Aber ich mach mir jetzt etwas sorgen, wegen der Prüfung ... ich drück den beiden die Daumen. :)

CuCu Jyorie

Von:  YuneCardelia
2012-01-04T00:44:31+00:00 04.01.2012 01:44
Ja, ich will auch weiter lesen!^^
Tolle FF, ein ganz großes Lob von mir!XD

Lg Luna
Von:  Kaiserin
2011-11-13T15:55:15+00:00 13.11.2011 16:55
haach :D
endlich hatte ich zeit das pitel zu lesen~
*gurrel*

ich hoffe du kommst gut klar mit deinen klausuren
das du viel elan hast fürs nächste ^_^/


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