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Bittersweet Lullaby

von

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Fünf Musiker saßen verkrampft auf den beiden Sofas verteilt. Rukis Kleidung trocknete am warmen Ofen. Alle anderen trugen ihre feuchten Sachen noch an ihren Leibern. Niemand traute sich alleine das Bad aufzusuchen.
 

„Ich würde vorschlagen wir suchen den Hausbewohner“, durchbrach Aoi endlich die bleierne Stille.
 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich den überhaupt finden will“, warf Uruha skeptisch ein und auch Ruki nickte beipflichtend.
 

„Am Ende ist es ein irrer Massenmörder, der nur darauf wartet uns nacheinander zu schnappen um sich eine Suppe aus uns zu kochen!“
 

„Dafür ist ihm Uruha bestimmt zu zäh“, erwiderte Reita trocken auf Rukis Worte, die von Fantasien über zuviel gesehene Horrorfilme nur so trieften.
 

„Wie bitte?!“, empörte sich der Gitarrist, doch als Kai die Hand hob und somit um Ruhe bat, verstummte er augenblicklich.
 

„Könnten wir bitte bei der Sache bleiben“, bat er und sah in die Runde.
 

Stummes Nicken und ratlose Blicke folgten. Kai ließ ein leises Brummen ertönen.
 

„Ich möchte nicht gerne untätig hier herum sitzen“, meinte er schließlich, „Ich glaube nicht, dass ich ein Auge zumachen könnte, wenn hier doch jemand anwesend ist. Außerdem könnte er uns ja vielleicht helfen.“
 

„Helfen?!“, platzte Uruha heraus, „Dieser Jemand versteckt sich augenscheinlich vor uns, wieso sollte er uns helfen wollen?!“
 

„Vielleicht war er so geblendet von deiner Erscheinung, dass er sich jetzt minderwertig vorkommt“, feixte Reita und erntete seitens Kais einen Klaps auf den Hinterkopf.
 

Ruki und Aoi grinsten verhalten. Der Bassist rieb sich leicht über die pochende Stelle und seufzte schlussendlich.
 

„Ich schließe mich Kai an. Teilen wir uns auf und durchsuchen das Haus gründlicher“, resignierte er und stand auf.
 

Mehr oder weniger begeistert erhob sich nach Reita und Kai auch der Rest der Truppe. Aoi blickte ratlos im Raum umher und stellte endlich die Frage, die ihm auf der Zunge lag.
 

„Wer geht mit wem?“
 

Keine fünf Minuten später war auch diese Angelegenheit geklärt. Nachdem Aoi und Ruki die kürzeren Streichhölzer gezogen hatten, schlossen sie sich zu einem Suchteam zusammen, das noch einmal das obere Stockwerk durchkämmen würde. Kai, Uruha und Reita hingegen versuchten ihr Glück im Erdgeschoss, von dem sie sich bis jetzt nur einen groben Überblick verschafft hatten. Sie verließen das Wohnzimmer durch die Türe, durch die sie zuvor gekommen waren, während Ruki, der sich widerwillig in seine halbtrockenen Klamotten gepresst hatte, und Aoi die Treppenstufen in den ersten Stock erklommen.
 

Lampen aus geriffeltem Glas waren an den Wänden des Flures angebracht und spendeten mattes Licht. Uruha strich im Laufen mit dem Finger über eines der Bilder. Sie reihten sich an der Wand zu beiden Seiten.
 

„Wenn hier tatsächlich jemand wohnt, ist er nicht sehr reinlich“, meinte er und besah sich den Staub auf seinem Finger. Pikiert rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander um die feinen Partikel von seiner Haut zu entfernen. Er beugte sich näher an den Rahmen und verzog schließlich das Gesicht.
 

„Käfer“, stellte er angewidert fest.
 

„Was?“
 

Reita blickte über Uruhas Schulter, rieb sich den Nacken als er den, an der Wand hängenden, Glaskasten musterte, den er im Schummerlicht zuvor noch für ein normales Bild gehalten hatte. Der Chitinpanzer hatte sich schon leicht vom Körper des Tieres gelöst und legte den schwarzen Körper frei, der brüchig wie verkohltes Holz wirkte.
 

„Nicht sehr appetitlich“, fiel sein Urteil aus und schließlich wendete er den Blick ab und folgte Kai, der anscheinend die Türe zur Küche ausfindig gemacht hatte.
 

„Komm schon“, brummte Reita als Uruha sich noch immer nicht in Bewegung setzte, „Oder hast du noch nie einen toten Käfer gesehen?“
 

„Doch!“ Der Gitarrist schloss zu ihm auf. „Ich dachte da stünde vielleicht ein Name darunter.“
 

„Und?“
 

„Nicrophorus Humator.“
 

Genervt verdrehte Reita die Augen, währenddessen die Küchentüre leise knarrte als Kai sie aufdrückte. Der Schlagzeuger rümpfte die Nase. Ein feiner, säuerlicher Geruch lag in dem Raum, dessen von Efeu zugewucherten Fenster, geschlossen waren.
 

„Vielleicht hatte Ruki mit seiner Theorie doch recht“, meinte Uruha und linste auf den Topf, der auf der Gasherdplatte stand.
 

„Dann wollen wir seine These mal überprüfen.“
 

Langgezogenen Schrittes ging Kai auf den Topf zu, aus dessen Inneren der beißende Geruch strömte. Das Durchatmen bevor er den Deckel anhob sparte er sich. Es hätte wohl eher dafür gesorgt, dass ihm die Luft weggeblieben wäre. Heldenhaft hob Kai schließlich den Deckel an und sogleich nahm der säuerliche Geruch in der kleinen Küche zu. Mit einem Laut des Ekels gab Uruha zu verstehen, was er von der Aktion hielt und veranlasste Kai somit dazu, den Topf schnellstmöglich wieder zu schließen. Der Schlagzeuger warf einen flüchtigen Blick auf das Innenleben des runden Edelstahls und griff sich ein, an einem Henkel an der Wand hängendes, Handtuch, das er zusätzlich um den Topf wickelte. Ob es die gewünschte Wirkung haben würde, würde sich zeigen.
 

Reita wedelte sich unter Uruhas kritischem Blick mit der flachen Hand Luft zu. „Dass sich der Gestank gerade bei dir staut wundert mich nicht“, spielte der Gitarrist auf das Nasenband des anderen an und nickte, wie um sich selbst zu bestätigen, dass sein Konterversuch gelungen war, zufrieden. Reita schnaubte kurz, dachte aber nicht daran dieser drittklassigen Bemerkung mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen als nötig. Am Ende bildete sich der andere noch etwas darauf ein. Es war nicht schwer ihn mit seinem Nasenfetisch dran zu kriegen. Da musste Uruha sich schon etwas Besseres einfallen lassen um ihn zu beeindrucken.
 

„Was war denn nun da drin?“, fragte er stattdessen.
 

Kai zuckte ratlos die Schultern.
 

„Es hatte die Konsistenz von gekochtem Milchreis und sah auch so aus.“
 

„Wahrscheinlich Maden.“
 

Uruha gab ein Geräusch von sich, dass dem eines Würgens gleich kam.
 

„Dramatisier doch nicht immer alles!“, brummte Reita, dem der Gedanke an abgestandenen Milchreis durchaus sympathischer war.
 

Die Decke der Küche war nicht außergewöhnlich hoch. Sie erschien auf den ersten Blick etwas niedriger als in anderen Räumen, doch höchstwahrscheinlich wirkte es nur deshalb so, weil der Efeu den Raum so erdrückend erscheinen ließ. Ein paar Spinnenweben hingen in den Ecken. Bis auf die seidigen Gebilde erschien die Küche bisweilen sogar Widersprüchlicherweise sauber. Inventar, das in jeder Küche häufig benutzt wurde war staub- und schmutzfrei, so war der Esstisch wohl auch erst vor kurzem feucht abgewischt worden. Auch neben der Spüle gab es weitere Anzeichen, dass das Haus bewohnt war. Vier saubere Teller, sowie in der Anzahl passendes Besteck türmten sich auf der Ablage.
 

„Wirklich seltsam“, murmelte Kai.
 

„Selbst wenn hier jemand wohnt, hier ist er jedenfalls nicht. Suchen wir weiter!“, forderte Reita seine Freunde auf.
 

Er konnte den Geruch nicht länger ertragen. Noch einen Moment blickte Kai auf die unscheinbare Türe, die hinaus in den Garten führte, bis er es als unwahrscheinlich einstufte, dass sich jemand bei dem Sauwetter draußen aufhalten würde, selbst wenn er noch so geblendet war.
 

Langsam schlenderte Ruki aus dem Schlafzimmer, das er gerade durchsucht hatte, in das gegenüberliegende Gästezimmer.
 

„Hast du was gefunden?“
 

Die Arme vor der Brust verschränkt, blieb er am Türrahmen gelehnt stehen. Hinter der geöffneten Schranktüre blickte Aoi hervor und sein Blick wurde dominiert von Resignation.
 

„Die Schränke sind allesamt leer“, erklärte er niedergeschlagen.
 

Ruki nickte wissend. Genau so ein ein Bild hatte sich ihm im Schlafzimmer auch geboten. In allen Schränken und Fächern erstreckte sich gähnende Leere.
 

„Das Einzige, was ich finden konnte, war dieser Hut hier.“
 

Der Gitarrist beugte sich zu einem Hocker, der in der Nische zwischen Schrank und Fenster stand und hob einen roten Hut hoch. Er erinnerte Ruki an jenen Hut, der Teil eines seiner Kostüme gewesen war. Einen Moment lang war er sich sogar unsicher, ob es nicht genau dieser zylinderartige Hut war, doch als er das andersfarbige Futter entdeckte, beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Immerhin war sein Hut das Original!
 

„Fehlt nur noch der Märzhase“, merkte er sarkastisch an und entlockte Aoi ungewollt einen Seufzer.
 

„Zu einer Tasse Tee würde ich nicht nein sagen.“
 

Mitleidig musterte Ruki den anderen. Selbst wenn Aoi größtenteils Schuld an ihrer misslichen Lage war, war es schließlich auch sein neuer Wagen, der jetzt im Morast vor sich hindümpelte.
 

„Kopf hoch!“, sagte er aufmunternd und stieß sich dabei vom Türrahmen ab, „Wir kommen hier schon heil weg.“
 

Das mochte vielleicht nicht für Aois Auto gelten, aber wofür gab es schließlich Versicherungen?

Was es nun mit dem Hut auf sich haben mochte, war Ruki allerdings immer noch ein Rätsel.
 

„Nimm den mal mit! Vielleicht vermisst ihn jemand und spürt uns auf. Das erspart uns die Suche.“
 

Rukis umgekehrte Logik in allen Ehren, doch der Gitarrist war sich nicht sicher, ob er überhaupt von dem Hutbesitzer gefunden werden wollte. Wer wusste schon, ob es sich dabei nicht vielleicht um einen ungemütlichen Zeitgenossen handelte. Dennoch drückte er den Stoff in seinen Händen ein wenig zusammen und faltete ihn in der Mitte einmal. Mit dem neu erworbenen Stück Stoff bewaffnet, traten sie erneut auf den grauen Flur, unschlüssig darüber, wo sie als nächstes suchen sollten.
 

„Wenn man es sich recht überlegt, ist das Haus gar nicht so groß“, stellte Ruki fest, während sein Blick durch den Flur wanderte, „Unten gibt es lediglich ein Wohnzimmer, das zugleich als Esszimmer fungiert und eine Küche. Hier oben befinden sich Schlaf- und Gästezimmer und das Bad.“
 

Aoi setzte zu einem zustimmenden Nicken an, stutzte jedoch als ihm noch etwas einfiel.
 

„Du hast den Speicher vergessen.“
 

Kaum, da Aoi seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, durchriss ein lauter Knall die Stille. Neben ihm zuckte Ruki erschrocken zusammen und auch Aoi entwich ein überraschter Laut.

Ihre Blicke hefteten sich an der Luke zum Dachboden fest, die soeben aufgesprungen war.
 

„Diebe!“
 

Drang es verzerrt aus dem Inneren. Entsetzt weiteten sich Rukis Augen als er die blasse Hand am Rande der Luke erscheinen sah.
 

„A-aoi, d-da“, stotterte er.
 

Seine Hand krallte sich in Aois Oberteil. Dieser stieß einen leisen Schmerzenslaut aus, als Rukis Fingernägel sich in die Haut an seinem Arm gruben. Wer hätte gedacht, dass der sonst so hartgesottene, vor keinem Splattermovie zurückschreckende Sänger so leicht zu erschrecken wäre? Dennoch musste Aoi zugeben, dass Film nun mal Film war und blieb. Das hier hingegen fühlte sich verdammt echt an!
 

Der Hand folgte eine zweite und beide Arme griffen, ehe es sich die beiden Musiker versahen, aus der Luke hervor. Aoi stand wie versteinert da, unfähig sich zu rühren und er war sich sicher Ruki ging es nicht anders, so fest wie sein Griff sich anfühlte. Den hangelnden Armen folgten Haare und nahezu kopfüber schien die Gestalt aus der Öffnung kriechen zu wollen. Aoi hielt die Luft an. Keiner der beiden wollte ein Geräusch von sich geben, obgleich sie wussten, dass sie schon längst bemerkt worden waren.
 

Plötzlich stieß die Gestalt einen gurgelnden Laut aus. Unsichtbare Hände packten und zogen sie zurück in die Dunkelheit. Ruki und Aoi beobachteten das Spektakel mit offenen Mündern bis auch der letzte wedelnde Arm verschwunden war.
 

„Der hat meinen Hut!“, kam es wutentbrannt von oben und sofort lies Aoi den roten Stoff zu Boden fallen. Halb überrascht und halb entsetzt blickte er Ruki an, der seinen Arm mittlerweile losgelassen hatten. Das Ganze war ihnen nicht geheuer.
 

„Lass uns abhauen“, hauchte Ruki, „Der ist verrückt.“
 

Und wie auf ein geheimes Zeichen hin stürmten sie schon im nächsten Augenblick die Treppen hinunter.
 

„Da seid ihr ja“, setzte Uruha an die beiden Ankömmlinge zu begrüßen, als diese auch schon an ihm vorbeirauschten.
 

„Hei!“, rief er ihnen nach, „Was hat euch denn geritten?!“
 

Reita zog die Stirn in Falten als er das verzweifelte Poltern an der Haustüre vernahm. Kurz darauf standen die zwei vollkommen aufgebrachten Musiker nun doch vor ihnen, wild gestikulierend und nach Atem ringend.
 

„Somit erübrigt sich wohl die Frage, ob ihr die Türe abgeschlossen habt“, meinte er und rieb sich die Schulter, „Wir dachten erst sie klemmt, aber sie scheint tatsächlich verriegelt worden zu sein.“
 

„Was?“, hauchte Ruki ungläubig als ein Blitz das Wohnzimmer in unnatürliches Hell tauchte und dafür das Licht löschte.
 

„Verdammt!“, fluchte Uruha und Aoi stieß einen jammernden Laut aus. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
 

Der Einzige, der wie so oft die Ruhe selbst war, war Kai.
 

„Ich glaube, ich habe in der Küche Kerzen gesehen. Lasst uns welche holen gehen“, sagte er und sein Tonfall wurde so mütterlich, dass Aoi nicht anders konnte als dem zuzustimmen.
 

Reita seufzte leise. „Na dann lasst uns… was ist?“
 

Uruhas Hand hatte sich um Reitas Handgelenk gelegt.
 

„Also wenn das jetzt ein Friedensangebot sein soll, musst du dir schon was besseres Einfallen lassen. Ich steh nicht auf…“
 

Er unterbrach sich selbst in seinem Wortschwall und folgte Uruhas Blick bis auch er die Gestalt wahrnahm, die am Ende der Treppe stand. Blitz und Donner schienen sich ein Duett zu liefern und fünf Musiker sahen in das grinsende Gesicht eines Mannes, dessen rechte Hand verdächtig rot schimmerte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: Futuhiro
2011-12-12T18:46:04+00:00 12.12.2011 19:46
Wouw, extrem mitreißend geschrieben. Schon viel gruseliger, aber immer noch witzig genug. - Ich hätte den roten Hut auch weggeschleudert, nach dieser Aktion. ^^
Langsam glaube ich, daß Kai der Schlüssel des Ganzen ist, wenn er alles so gelassen hinnimmt und gleich immer Rat weiß.
Von: abgemeldet
2008-08-25T13:03:24+00:00 25.08.2008 15:03
xDDDD wie geil<3<3<3
Von: abgemeldet
2008-08-05T12:35:13+00:00 05.08.2008 14:35
Oi. O___O
Da habe ich doch glatt eine Gänsehaut bekommen. xDDD

Aiaiaiaiai~~~
An Rukis Stelle hätte ich mich aber auch extremst erschreckt. *kuller*

Dein Schreibstil ist genial!
Man kann sich das alles richtig schön vorstellen und bekommt selber fast Angst. xDDDD

Ich bin ja mal gespannt wer das ist und was er will und alles~~.

Tolles Kapitel! <3
Weiter so (^ ^)


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