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Nur Modelpartner

...oder doch mehr?
von

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Anhänger

Der Kuss dauerte vielleicht nur ein paar Sekunden, dann ging Naka die Luft aus. Stattdessen umarmte sie ihn, zitternd, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Umis Gesicht konnte sie nicht sehen, ansonsten wäre ihr wohl das breiteste Lächeln der Welt entgegen gestrahlt.

Er strich über ihr total verwuscheltes Haar.

Naka war hier. Neben ihm. Und er musste nicht wiederholen, was er gestern gesagt hatte.
 

„Umi?“, sie richtete sich wieder auf und schaute legte den Kopf schief. „Hm?“, er spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. Sie lächelte. „Ach nichts… Ich dachte nur, ich hätte vielleicht schon wieder geträumt.“ Umi lief knallrot an.

„Schon wieder? Sag mal, wovon träumst du da bitte die ganze Zeit in deinem Fieberwahn?“ Ihr Gesicht nahm immer mehr die Farbe von überreifen Tomaten an. „D-das g-g-geht dich gar nichts an!“

Umi grinste frech, näherte sich ihrem Gesicht und hielt kurz vor ihrer Nasenspitze inne. „Und da bist du dir sicher?“
 

Die Türglocke ließ die beiden erstarren. Im Haus blieb es ruhig. Erneutes Läuten. Umi seufzte. Dann drückte er ihr noch einen kurzen Kuss auf ihre samtweichen Lippen und stand auf. „Schau, dass du zurück ins Bett kommst, ich bin gleich wieder da. Und wehe, du verschwindest wieder irgendwo!“ Er verließ das Zimmer immer noch breit grinsend.
 

Mit vollkommen verwirrtem Gesicht hatte er das Paket angenommen. Da stand eindeutig sein Name drauf. Darunter und in Klammer Nakas Name. Und das erste, was gleich ins Auge fiel, war die rosarote Schrift. Im beiliegenden Umschlag fand der Junge ein Foto, das ihn erstarren ließ.

Nakas Eltern.

Beide breit grinsend, gruseliger als jeder Horrorfilm, die Daumen hochstreckend. Seufzend drehte er das Foto um. Der Text auf der Rückseite schmiss ihn fast aus den Latschen.

‚Umi-sama, es ist uns eine Ehre als Eltern, zu wissen, dass unsere Tochter bei dir gut aufgehoben ist. Bitte kümmere dich weiter so gut um sie, wir verlassen uns auf dich! P.S.: Macht nichts, was wir nicht auch tun würden!’

Umi hämmerte mit der Faust gegen die Wand. Das war doch echt nicht auszuhalten, wie konnte man solche Eltern nur ihren Kindern zutrauen? Aber andererseits… Sie hatten ja eindeutig auf ihre Tochter abgefärbt, wenn es darum ging, in den seltsamsten Situationen komplett auszuflippen. Aber Naka schien das jetzt schon besser unter Kontrolle zu haben, seit sie mit ihm zusammen arbeitete.
 

Seufzend steckte er das Foto zurück in den Umschlag und ließ diesen in seiner Jackentasche verschwinden. Naka musste dieses schwachsinnige Schreiben ja nicht unbedingt in die Finger bekommen. Das Paket aber… sollte er es wirklich mit ihr gemeinsam aufmachen? Wer wusste schon, was sich darin befand…

Umi seufzte erneut. Egal. Was sollte schon darin sein? Im Vorbeigehen schnappte Umi eine Papiertüte mit Brötchen und stapfte wieder die Stiegen nach oben.
 

„Und? Wer war es?“ Naka saß aufrecht im Bett, ihr Blick neugieriger als der eines kleinen Kindes zu Weihnachten. „Postbote. Hat ein Paket von deinen Eltern gebracht.“ „Meinen Eltern?“, Nakas Gesichtszüge entgleisten in dem Augenblick, als Umi die beiden erwähnt hatte. „Was mag da nur drin sein?“ „Keine Ahnung. Finden wir’s raus.“

Er ließ sich neben sie auf das Bett fallen, das Paket auf seinen Beinen. Vorsichtig öffnete er die Strohschleife, entfernte die Klebestreifen, öffnete den Deckel. „Und, ist der Inhalt jugendfrei?“, misstrauisch beugte Naka sich zu ihm herüber. „Weiß ich noch nicht.“

Er sah nur das rote Seidenpapier, in dem der Inhalt eingehüllt war. Er wühlte darin herum, bis er etwas in die Finger bekam. Er hob das seltsam weiche Etwas hoch. „Hui.“ Umi hatte ein Kleid heraus gezogen, fürchterlich kurz, aber mit unglaublich schönen Verzierungen und Rüschen. „Das ist mal für dich.“ Ohne weitere Kommentare reichte er es der rot gewordenen Naka.

„Da ist noch mehr…“, sie deutete auf ein Band, das jetzt über die Ecke des Kartons hing. Sie griff danach und hielt eine Kette hoch, an deren Anhänger noch eine zweite Kette befestigt war. Der Anhänger schien in der Mitte nur durch einen Faden zusammen gehalten zu werden, der leicht zu entfernen war.

„Pärchenanhänger…“, kommentierte Umi.

Der Anhänger an sich war ja nicht gerade hässlich, im Gegenteil. So viel Geschmack hatte er diesem extremistischen Ehepärchen gar nicht zugetraut. Aber wem zum Teufel hatten sie den zweiten Teil denn bitte zugedacht? Naka nahm den Anhänger an sich, legte ihn flach auf ihre Handfläche und betrachtete ihn. Dann entfernte sie die Schnur. Hielt die Anhänger gegen das einfallende Licht der Morgensonne. Lächelte. Dann legte sie sich eine Kette um den Hals, verschloss sie und hielt den Anhänger erneut zwischen ihren Fingern.

„Umi, mach die Augen zu.“ „Wieso?“ „Mach einfach“, ihre bettelnden Augen ließen kein Nein zu. „Wehe, du macht Blödsinn.“ Nur widerwillig schloss Umi die Augen. Er spürte ihr Näherkommen, ihren warmen Atem auf seiner kühlen Haut, ihre Finger, als sie über sein Schlüsselbein strich.

Dann ein leiser Klick und etwas baumelte um seinen Hals.
 

Überrascht öffnete er seine Augen. Ganz vorsichtig drehte er die andere Hälfte des Anhängers zwischen seinen Fingern, der jetzt an der Kette um seinen Hals hing. Fragend drehte er sich zu Naka. „Ich möchte einfach, dass du die zweite Hälfte hast.“ Mehr sagte sie dazu nicht, sondern wandte ihren Blick zum Fenster hinaus. Er drehte den Anhänger zwischen seinen Fingern, warf dann einen Blick auf den ihren. Dann grinste er breit. „Warum auch nicht.“

Als sie dann wieder rot anlief, begriff er erst, was das denn jetzt bedeuten würde. „K-komm mir ja nicht auf blöde Gedanken, nur weil ich dieses Teil jetzt trage!“ Er knallte seine Faust auf den Boden. War das vielleicht peinlich… Ein Junge, der freiwillig einen solchen Anhänger trug… Wäre er nur eine Sekunde früher darauf gekommen, dass ein solches Zeichen bedeutete, dass man zusammen war. Wobei…
 

„Auf was für Gedanken sollte ich denn bitte kommen?“ Naka hatte ihre Arme reflexartig über ihren Kopf gehalten, um sich vor eventuellen Wutattacken zu schützen, schließlich waren die früher nicht allzu selten gewesen. Umi schaute sie erst verdutzt an, dann grinste er breit. „Hast du echt keine Ahnung?“ Sie schüttelte nur ihren Kopf. Wo war die denn bitte aufgewachsen, dass man so etwas nicht wusste? Im Wald, abgeschnitten von jeder kitschigen Ader?

Umi hielt seinen Anhänger hoch. „Die beiden Anhänger gehören ja wohl zusammen, siehst du doch, oder?“ Sie nickte, ihr Blick blieb fast magnetisch an seinem Schmuckstück hängen. Dann zog er sie plötzlich an sich, nahm ihren Anhänger in die linke Hand, seinen in die rechte und führte sie zusammen. Aufmerksam beobachtete Naka jede seiner Bewegungen, nickte, sie hatte also bis jetzt verstanden. Aber das weiter Denken wurde anscheinend durch ein Brett in ihrem Kopf verhindert. „Und wenn ein Mädchen und ein Junge diese Anhänger tragen… Was glaubst du dann, was mit den beiden ist?“
 

Erst wanderte ihr Blick zwischen den beiden Anhängerhälften hin und her. Dann wiederholte sich das zwischen ihm und seiner Hälfte. Dann starrte sie ihre Hälfte an. Und dann hätte Umi sich ernsthaft Sorgen um ihre Temperatur machen müssen, hätte er nicht ohnehin schon die ganze Zeit seinen Arm um ihre Schulter gelegt und seine Hand mal so eben beiläufig auf ihrer Stirn ruhen lassen, um sie an sich zu drücken. Das Rot schlug das einer reifen Erdbeere bei Weitem.

„Äh, also, wie, äh… aber… Warum…“, sie stotterte, verschluckte sich, hustete. Umi fing zu kichern an. Als sie ihn dann anstarrte, brach er in schallendes Gelächter aus.

„Jetzt beruhig dich doch, was ist schon so schlimm daran?“, er zerzauste ihre sowieso schon übergroße Filzmähne, dann küsste er sie. „Ich hab dir gesagt, dass ich dich liebe“, er schluckte, ungewohnt, so etwas laut auszusprechen... „Du hast mir gesagt, dass du mich liebst… Da könnte man schon annehmen, dass die Anhänger passen. Oder hast du was dagegen?“

Er setze sein Erotikprinz-Lächeln auf und kicherte düster. Naka erstarrte. „D-du meinst… Wir… wir sind… So richtig… zusammen?“ Er nickte und rückte näher. Es war himmlisch, wenn sie so nervös wurde, während sie ihn ansah. „Außer du willst doch nicht.“

Wie vom Blitz getroffen fiel ihr die Kinnlade zu Boden. Ein paar Sekunden verstrichen, man konnte förmlich mitansehen, wie ihn ihrem Kopf die Zahnräder ratterten, während sie versuchte, seine Worte zu verarbeiten. Das Fieber machte sie ja anscheinend wirklich noch langsamer als sonst. Dann begann sie wieder, ihren Kopf verneinend zu schütteln. Erst langsam, dann immer schneller.

„Nein, nein, nein, nein!“ Wie ein Karussell, bei dem jemand vergessen hatte, dass es bei einer bestimmten Geschwindigkeit sicher abheben würde. „He, halt, beruhig dich!“, er lachte, nahm ihr Kinn zwischen zwei Finger, bevor ihr wirklich noch der Kopf abfiel. Hätte er ja nichts mehr von, wenn seine Freundin kopfloser wäre, als sie ohnehin schon war. „Dann ist es also offiziell so.“
 

„Was ist offiziell?“, als Fuu ihren Kopf bei der Tür herein steckte, konnte Umi gar nicht schnell genug schalten, um Naka von seinem Schoß zu schubsen. Stattdessen ließ er sie sitzen, wo sie war und warf seiner Schwester den bösesten Blick zu, den er gerade finden konnte. Trotzdem fielen ihr anscheinend die beiden Anhänger direkt ins Auge. „Nein, wie süß! Unser kleiner Umi wird erwachsen und hat eine Freundin!“, kreischend knallte sie die Türe zu und sauste davon.

„Verdammt. Hat sich was mit Ruhe“, knurrend schob er die inzwischen komplett außer Gefecht dank Gedanken-Nudelsalat gesetzte Naka jetzt doch von seinen Beinen, sperrte die Tür ab und hob sie dann einfach hoch, um sie zurück ins Bett zu bringen. Man sollte schließlich ja doch nicht vergessen, dass sie immer noch krank war.

Erst als er sie wieder ordentlich zugedeckt und eingepackt hatte, blinzelte sie, schaute ihn an und schien es endlich zu begreifen. Denn gleich nachdem sie wieder mit der Stopptafel in Konkurrenzkämpfe trat, lächelte sie plötzlich. „Dummkopf. Augen zu, schlaf gefälligst.“ Er grinste. Dann spürte er etwas an seinem Shirt zupfen. „Bleibst du bei mir?“, kam es noch aus dem Kissenberg, bevor sie innerhalb von Sekunden wegpennte.

„Typisch du. Wenns wichtig wird, schläfst du sofort ein.“ Er lächelte, seufzte leise, dann legte er sich neben sie und zog mit einer Hand seine Decke vom Boden.

„Wo sollte ich den sonst sein, wenn nicht bei dir, Dumpfbacke?“
 


 

„Kommst du?“, er drehte sich noch einmal in der Tür um und schaute die Treppen nach oben. Ein Rumpeln und er wusste, dass sie mal wieder über irgendetwas gestolpert war. „Komm schon, wir sind spät dran! Ich hab keinen Bock drauf, wegen dir vor der Klassentür warten zu müssen!“
 

Es war schon normaler Alltag geworden, dass Naka über irgendwelche Kisten oder sonstigen eigentlich leicht zu sehenden Kram stolperte, wenn sie eigentlich längst bei einem Shooting oder sonst wo sein sollten. Eigentlich lief das ja jetzt schon seit Wochen so. Nakas Eltern waren längst aus ihrem Urlaub zurück gekommen. Man wollte sich wirklich nicht vorstellen, wie ihre Heimkehr ausgesehen hatte, als sie die beiden Kettenanhänger um Nakas und Umis Hals entdeckt hatten. Ernsthaft, das wollte man sich nicht vorstellen.

Eigentlich wäre für Naka dann auch die Zeit der Abreise gekommen, schließlich war bei ihr zu Hause wieder jemand, der sich um sie kümmern konnte, auch wenn das Fieber inzwischen längst runter und auch ihre Gesichtsfarbe durchaus wieder im Bereich des Normalen waren. Aber irgendwie war es anders gekommen. Nur wenige Tage später war Naka plötzlich vor der Tür der Agentur gestanden, mit einer Reisetasche, komplett durch den Wind, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte.

Ihre Eltern hatten ihr mit einem anscheinend für diese Familie als fröhlich geltendem Lächeln vor die Tür gesetzt und die Schlösser ausgetauscht, mit der Meinung, dass es doch einen Ort gab, wo sie jetzt sicher lieber sein würde. Aber als geistiger Querdenker war Naka natürlich nicht eingefallen, was ihre Eltern gemeint hatten. Stattdessen hatte sie damit gerechnet, dass sie jetzt in der Gosse hausen musste und wollte eigentlich nur kurz in der Agentur vorbei schauen, um das der Chefin mitzuteilen.
 

Stattdessen war sie Umi in die Arme gelaufen, der den Plan von Nakas Mutter und Vater schneller durchschaut hatte. Eigentlich ziemlich link. Und verdammt unfair Naka gegenüber. Aber irgendwie hatte er nicht wirklich etwas dagegen einzuwenden. Also hatte er ihre Tasche einfach an sich genommen und war losgestapft, sie war ihm komplett verwirrt und protestierend gefolgt, bis er an seinem Ziel angekommen war. Die Umstände waren auch schnell geklärt, es gab niemanden, der wirklich etwas einzuwenden hatte. Und es dauerte auch keinen Tag, da kam der Anruf, dass Naka natürlich jederzeit nach Hause kommen konnte, sollte es nötig sein. Aber das war eh erstmal außer Frage gewesen.
 

„Wenn du nicht gleich kommst, geh ich ohne dich!“, ein letzter Ruf noch zurück ins Haus, dann hörte er sie die Stufen nach unten stolpern. „Hier, Fuu hat Frühstück für unterwegs eingepackt.“ Er hielt ihr ihr Lunchpaket entgegen.

Das ging jetzt schon seit mehreren Wochen so. Naka war tatsächlich bei ihm eingezogen, es hatte niemand etwas dagegen gehabt, ganz im Gegenteil. Fuu war überglücklich, dass eine weitere Frau im Haus wohnte, seine Brüder hatten endlich wieder etwas zu lästern und seine Eltern hatten erst recht nichts dagegen, warum eigentlich nicht, war ihm eh schleierhaft. War ja eigentlich nicht üblich, dass zwei Oberschüler schon zusammen wohnten.

Aber egal.

Und eigentlich hatte Naka ja ihr eigenes Zimmer. Nur wurde das als Kleiderschrank und Lernzimmer benutzt. Ihr Bett hatte sie längst in seinem Zimmer.
 

Und wie jeden Morgen warf Umi Naka das Lunchpaket entgegen, sie fing es auf und musste dann darauf Acht geben, nicht von ihm abgehängt zu werden, weil er schon wie jeden Morgen losgelaufen war, um doch noch pünktlich zu sein. Auch wenn er eigentlich schon ein ganzes Register von Ausreden für Nakas Zu-spät-kommen erstellt hatte, gleich, nachdem sie eingezogen war.

Gehörte ja inzwischen zum Alltag.
 

Genauso wie aufzuwachen, Nakas verpenntes Gesicht zu sehen und jedes Mal fast zu sterben, wenn sie nach dem Aufstehen lächelte, weil sie doch nicht träumte. Wirklich Alltagsroutine. Und doch war jeder Morgen einzigartig und Umi konnte einfach nicht damit aufhören, sie jeden Morgen doch noch 5 Minuten schlafen zu lassen, nur um ihr dabei zu zusehen. Was er auch weiterhin machen würde. Auch wenn er dafür in Kauf nehmen musste, das sie zu spät kommen würden.
 


 

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Da hat der Socke-Osterhase doch glatt den Beginn eines Kapitels gefunden und gleich zu Ende geschrieben :)

Fröhliche Ostern an alle, die das lesen!
 

eure Socke



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